Ausgabe 06/2016 November/Dezember www.unternehmensjurist.net Vertriebskennzeichen 23401 Preis: 15,-- Euro unternehmens jurist Magazin für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Rechtsabteilungen ARBEIT DER RECHTSABTEILUNG WIRD NEU DEFINIERT Die Digitalisierung hat die Rechtsabteilungen der Unternehmen erreicht. Sie verändert Schwerpunkte und Tätigkeitsfelder, beeinflusst interne Abläufe und Prioritäten – und stellt neue Anforderungen an die Arbeit der Juristen. KT N U P nd c h t R E - u t re W H a n k a rk C S B alm t pi a K unternehmensjurist EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser! Als der britische Rechtsexperte und Bestsellerautor Prof. Dr. Richard Susskind auf dem Unternehmensjuristen-Kongress 2014 prognostizierte, dass intelligente Softwareprodukte schon bald zahlreiche juristische Aufgaben übernehmen und den Arbeitsalltag in der Rechtsabteilung dramtische verändern werden, wurde er von vielen Inhouse-Juristen noch belächelt. Knapp drei Jahre später ist sein Szenario in zahlreichen Rechtsabteilungen bereits Realität geworden. Innovative IT-Lösungen übernehmen die Erstellung und Prüfung von Verträgen, durchsuchen bei Kartellverfahren in kürzester Zeit den kompletten Datenbestand nach verdächtigen Dokumenten und E-Mails und übernehmen für Konsumenten die Prüfung und Bearbeitung von Regressansprüchen. Nicht zuletzt deshalb hat der Bundesverband der Unternehmensjuristen zusammen mit der Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle die Studie „Digital Economy & Recht“ durchgeführt. Wichtigste Schlussfolgerung: Die Arbeit der Rechtsabteilung muss völlig neu definiert werden! Unter dieser prägnanten Überschrift haben wir in unserer Titelgeschichte einige bemerkenswerte Studienergebnisse zusammengetragen. Ein Ergebnis der Studie hat uns besonders überrascht und gleichzeitig auch ermutigt: Deutlich mehr als zwei Drittel der Befragten (69,9 Prozent) gehen davon aus, dass die digitale Transformation mehr Chancen als Risiken für sie und ihre Unternehmen birgt. Welchen Herausforderungen sich die Syndici stellen müssen, wie sich ihre Arbeitsinhalte und -abläufe verändern und wie sie sich darauf vorbereiten können, lesen Sie ab Seite 16. Auf dem Finanzdienstleistungsmarkt sind die Folgen der Digitalisierung längst sichbar. Hier erscheinen fast täglich neue Fintech-Startups, die den Markt gehörig durcheinanderwirbeln. In unserem Schwerpunkt Bank- und Kapitalmarktrecht ab Seite 35 finden Sie neben diesem „digitalen Thema“ auch Beiträge zu Bilanzgarantien und Schuldscheindarlehen. Die Digitalisierung wird auf dem Unternehmensjuristen-Kongress vom 25.-27. Januar 2017 eine zentrale Rolle spielen. Wir würden uns freuen, wenn wir Sie in Berlin begrüßen dürften. Bis dahin wünschen wir Ihnen eine anregende Lektüre und einen guten Start ins Jahr 2017, Ihr Peter Schneider Chefredakteur [email protected] www.unternehmensjurist.net Ausgabe 6/2016 3 Mit folgenden Schwerpunkten: Ein Jahr Syndikusrechtsanwalt: Diskutieren Sie mit Kammerpräsidenten und Inhouse-Juristen über positive und negative Aspekte bei der Umsetzung des neuen Regelwerks, ersten Erfahrungen beim Zulassungsverfahren und sich abzeichnenden Nachbesserungsbedarf beim Syndikusrechtsanwaltsgesetz. Megatrend Digitalisierung: Erfahren Sie von Experten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, welche Auswirkungen der digitale Transformationsprozesses für den Rechtsstandort Deutschland, die Arbeit der Rechtsabteilungen sowie den Arbeitsalltag und die Karrierechancen der Syndici haben wird. Organisation der Rechtsabteilung: Lernen Sie neue Ansätze zur Optimierung von Prozessen und Organisationen sowie innovative Wege zur Effizienzsteigerung in kleinen, mittleren und großen Rechtsabteilungen kennen. Rechtstrends 2017: Informieren Sie sich in fachspezifischen Sessions über die aktuellen rechtlichen Herausforderungen in den Gebieten Arbeitsrecht, Bank- & Kapitalmarktrecht, Corporate, Compliance, Intellectual Property, IT-Recht, Kartellrecht und M&A. In Kooperation mit: Jahreskongress für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Rechtsabteilungen Jetzt anmelden und Frühbucherrabatt bis 16. Dezember 2016 nutzen! www.unternehmensjuristen-kongress.net STRATEGISCHE PARTNER effacts winra passport DictaPlus JURION INHALT unternehmensjurist 16 32 TITELTHEMA SCHWERPUNKT VERBAND 16 36 FINTECH Heute erscheinen auf dem Finanz dienstleistungsmarkt fast täglich neue Startups, die beim Geschäft mit dem Geld mitmischen und traditionellen Banken damit das Fürchten lehren wollen. 82 bEruFsANErKENNuNgsrICHTLINIE Das anwaltliche Berufsrecht wird an die Entwicklungen seit der letzten umfassenden Reform der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) im Jahre 2009 angepasst. 44 bILANzgArANTIEN Neue Rechtsprechung legt eine übliche Bilanzgarantie so aus, dass der Verkäufer auch für zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung unbekannte und nicht erkennbare Schulden und Eventualverbindlich keiten einzustehen hat. 83 NEuwAHL ErFordErLICH Die BUJMitglieder wählen am 26. Januar einen neuen Präsidenten. dIgITALIsIEruNg Die Digitalisierung hat die Rechts abteilungen der Unternehmen er reicht. Sie verändert Schwerpunkte und Tätigkeitsfelder, beeinflusst interne Abläufe und Prioritäten – und stellt neue Anforderungen an die Arbeit der Juristen. 20 INTErvIEw BUJGeschäftsführerin MarieAlix Freifrau Ebner von Eschenbach über die Herausforderungen für die Rechtsabteilungen und was es bedarf, ihnen erfolgreich zu begegnen. STANDARDS 03 EdITorIAL 08 Kurz & KNApp 90 pErsoNENrEgIsTEr, IMprEssuM 6 Ausgabe 6/2016 46 sCHuLdsCHEINdArLEHEN Bereits im Mittelalter wurden mittels Schuldscheinen Darlehen verbrieft. Jetzt ist der Schuldschein wieder in Mode gekommen. 83 AÜg BUJ steht einigen Punkten des Gesetzes zur Änderung des Ar beitnehmerüberlassungsgesetzes krtisch gegenüber. 84 NEuE dENKANsäTzE gEsuCHT Rückblick Compliance Summit. 86 voM ENdE dEr „wursTLÜCKE“ Das GWB bedeutet eine grundle gende Änderung des Kartellrechts. 88 rEgIoNALgruppEN Materiellrechtliche Themen rücken wieder stärker in den Fokus. unternehmensjurist 50 INHALT 72 STRATEGIE & MANAGEMENT TRENDS & THEMEN JOB & KARRIERE 26 HAusNoTArIAT Unternehmen halten auch in Zeiten des Kostendrucks und harten Wettbewerbs häufig über Jahre, mitunter Jahrzehnte an einem – „ihrem“ – Notar fest. Und führen gute Gründe an. 50 prozEssFINANzIEruNg Viele Jahre tat sich nicht viel in Sachen Prozessfinanzierung. Jetzt scheint Bewegung in den Markt zu kommen. 72 porTräT Der Kamerahersteller Leica blickt auf eine wechselvolle Firmen geschichte zurück. Im Laufe der Jahrzehnte erlebte das Traditions unternehmen eine Achterbahnfahrt von der FastPleite bis zum Rekord umsatz. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg wuchs auch das Arbeits volumen der Rechtsabteilung. 30 Ip-rEporT Patentanwälte können das Geschäftsergebnis massiv beeinflussen, indem sie weniger Erfindern mehr Zeit widmen. 32 INTErNE ErMITTLuNgEN Unternehmen ermitteln intern, um Verstöße rechtzeitig aufzudecken. Die Aufgabe ist vielseitig und an spruchsvoll. Vor allem erfordert sie herausragende Kommunikations fähigkeiten. 56 zErTIFIzIEruNgEN In vielen Bereichen ist der Nach weis über zertifizierte Prozesse Pflicht. Experten kritisieren die Flut an AuditAngeboten, da deren Nutzen häufig zweifelhaft sei. 60 sCHEINsELbsTsTäNdIgKEIT Der Einsatz von Fremdpersonal wird für Unternehmen teuer, wenn aus dem Einsatz eine Schein selbstständigkeit oder sogar ver deckte Arbeitnehmerüberlassung wird. 76 vErbEssEruNg Irrtümer können zum Erfolg beitra gen, wenn sie gründlich analysiert und reflektiert werden. Wichtige Voraussetzung hierfür ist ein offener, angstfreier Umgang mit Fehlern. 66 KoLLAborATIvE wIrTsCHAFT Leitlinien der EU sollen den Markt zugang für die Sharing Economy erleichtern und Orientierungs hilfe in Fragen des Verbraucher, Steuer und Arbeitsrechts geben. Ausgabe 6/2016 7 TITELTHEMA unternehmensjurist „WIR MÜSSEN UNS NEU ERFINDEN UND NEUE MODELLE RECHTLICH UND POLITISCH AKTIV MITGESTALTEN“ BUJGeschäftsführerin MarieAlix Freifrau Ebner von Eschenbach zu den Chancen der Digitalisierung und der Rolle, die der BUJ in diesem Zusammen hang spielen will. Frau Ebner von Eschenbach, das Thema Digitalisierung ist in aller Munde – auch in den Rechtsabteilungen. Welches Ergebnis aus der erstmals aufgelegten Studie „Digital Economy & Recht“ hat Sie am meisten überrascht? Die extrem positiven Erwartungen, die die Befragten aus den Rechtsabteilungen mit der Digitalisierung verbinden. In zahlreichen Gesprächen, die ich zu diesem Thema geführt habe, war eine große Skepsis zu beobachten. Viele befürchteten, dass Künstliche Intelligenz auch den Juristen in der Rechtsabteilung überflüssig machen könnte. Ich sehe gerade durch die Künstliche Intelligenz die Chance, Qualität und Effizienz unserer Rechtsberatung deutlich zu steigern und weiterhin für unsere Businesspartner als Berater des Vertrauens zur Verfügung zu stehen. Innovative Legal-Tech-Produkte werden Routineaufgaben im Bereich Vertragsmanagement, Vertragsgestaltung und Vertragskommentierung übernehmen und uns dadurch Freiraum für anspruchsvollere Rechtsberatungstätigkeiten dort geben, wo es gerade auf unsere Erfahrung und Integrität ankommt. Sicherlich werden all diese Entwicklungen zu einer Verlagerung der Aufgaben in der Rechtsabteilung führen. Diese müssen wir als Chance begreifen! Außerdem werden wir den geschaffenen Freiraum dringend für die neuen rechtlichen Fragestellungen zu innovativen Produkten und Geschäftsmodellen benötigen. Welche sind das? Die rechtlichen Fragestellungen der Digitalisierung betreffen vor allem Datenschutz und IT-Sicherheit, Nutzungsrechte an Daten, Kartellrecht, allgemeine Haftungsfragen bis hin zur Exportkontrolle. Bei der Data Compliance geht es zum Beispiel darum, den ständig steigenden Anforderungen des Datenschutzrechts gerecht zu werden und die nötigen Vorkehrungen für die IT-Sicherheit und den Schutz von Unternehmensdaten zu treffen. Eine weitere wichtige Aufgabe im Zusammenhang mit der digitalen Transformation ist es, passende Antworten auf die 20 Ausgabe 6/2016 komplexen Haftungsfragen zu finden. Dies gilt vor allem für die Hersteller und Betreiber von autonomen Systemen. Vielfach noch unterschätzt wird das Kartellrecht. Durch die enorme Marktdynamik, die zahlreichen Netzwerkeffekte und die Anhäufung von riesigen Datenmengen wird das Wettbewerbsrecht vor ganz neue Herausforderungen gestellt. Und schließlich dürfen wir auch die Auswirkungen auf das Vertragsrecht nicht vergessen. Was raten Sie den Mitarbeitern in den Rechtsabteilungen, um in der Digital Economy zu bestehen? Sie müssen die neuen Herausforderungen beherzt annehmen und die Digitalisierung aktiv mitgestalten. Wir können gerade als Juristen aus der Praxis unseren Unternehmen maßgeschneiderten Rechtsrat für die Herausforderungen der Digitalisierung bieten. Wer bereit ist, neue Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz zu nutzen, sich auf neue Rechtsfragen einzulassen, sich nicht-juristische Fähigkeiten anzueignen und zusammen mit anderen Unternehmensbereichen am Design neuer Produkte oder innovativer Geschäftsmodelle mitzuarbeiten, hat beste Karrierechancen. Und welche Aufgaben sehen Sie für den BUJ? Ganz klar die aktive Mitgestaltung der Digitalisierung. Daher haben wir neben der Digitalisierungsstudie eine Fachgruppe Digitalisierung und eine Fachgruppe Legal Tech ins Leben gerufen. Mit unserer Kompetenz aus der Praxis werden wir auch hier der Politik als Experte zur Verfügung stehen und uns aktiv in den politischen Diskurs einbringen. Damit die Digitalisierung gelingt, braucht es einen verlässlichen rechtlichen Rahmen. Hier können wir als Rechtsanwälte unseren Beitrag für unser Unternehmen, die Wirtschaft und Gesellschaft leisten und den Balanceakt zwischen Regulierung und Deregulierung konstruktiv unterstützen. Im Zeitalter einer Revolution müssen wir uns als Rechtsanwälte 4.0 neu erfinden. Dies wird nur gelingen, wenn wir neue Modelle bauen und nicht alte bewahren. unternehmensjurist STRATEGIE & MANAGEMENT Hausnotariat IPStudie Interne Ermittlungen Seite Seite Seite 26 30 32 „Ganz wichtig ist zudem ein funktionierendes Notariat, also die Mitarbeiter dort. Wenn diese gut sind, dann profitieren alle.“ Dr. Christoph Hirschmann, General Counsel, Kelvion Holding GmbH Unternehmen halten auch in Zeiten des Kostendrucks und harten Wettbewerbs häufig über Jahre, mitunter Jahrzehnte an einem – „ihrem“ – Notar fest. Wir suchen nach den Gründen. Seite 26 „ Es ist richtig, den Fokus noch mehr auf die Verbesserung der Beratungsleistung von internen Kunden zu legen.“ Andreas Bong, Managing Partner, Otto Henning GmbH Wenige Unternehmen messen den Beitrag der Patentabteilung zum Geschäftsergebnis. Und wenn sie messen, dann nur den Einfluss der Schutzrechte auf den Umsatz. Patentanwälte können das Geschäftsergebnis aber noch auf eine andere Art massiv beeinflussen. Seite 30 „Ich konfrontiere den Mitarbeiter dezent, behalte erst mal mein Wissen größtenteils für mich, spreche eher beiläufig von Auffälligkeiten und frage, was es damit wohl auf sich hat.“ Torsten Krumbach, Leiter des Compliance Office, Bosch Sicherheitssysteme GmbH Unternehmen ermitteln intern, um Verstöße rechtzeitig aufzu decken. Die Aufgabe ist vielseitig und anspruchsvoll. Vor allem erfordert sie herausragende Kommunikationsfähigkeiten. Seite 32 Ausgabe 6/2016 25 unternehmensjurist SCHWERPUNKT bank- und kapitalmarktrecht „die blockchain ist fucking kompliziert, aber ein gamechanger.“ Morten Lund, Venture Capitalist, zitiert nach wired.de Fintech: Bilanzgarantien: Schuldscheindarlehen: Startups mischen beim Geschäft mit dem Geld mit und wollen traditionellen Banken das Fürchten lehren. Seite 36 Unsorgfältig formulierte Bilanzgarantien können die Verkäuferhaftung unbeabsichtigt verschärfen. Seite 44 Bereits im Mittelalter wurden mittels Schuldscheinen Darlehen verbrieft. Jetzt sind sie wieder in Mode. Seite 46 Ausgabe 6/2016 35 SCHWERPUNKT BANK- UND KAPITALMARKTRECHT unternehmensjurist FINTECH BANKING IM 21. JAHRHUNDERT Schon vor gut zwanzig Jahren soll Bill Gates gesagt haben: „Banking is necessary – Banks are not.“ Der Microsoft-Gründer lag richtig: Heute erscheinen auf dem Finanzdienstleistungsmarkt fast täglich neue Startups, die beim Geschäft mit dem Geld mitmischen und damit traditionellen Banken das Fürchten lehren wollen. E ine Szene in einer Wüstenlandschaft: dort, wo Freiheit und Unabhängigkeit zählen. Und Männerträume immer auch etwas mit einem Sattel zu tun haben. Ein alter Mann will offensichtlich sein Motorrad – eine tolle Maschine, ein Liebhaberstück – verkaufen. Er fragt den Interessenten, einen jungen Musiker: „Hast du denn so viel Geld?“ Der antwortet ganz entspannt: „Ich nicht. Aber 36 Ausgabe 6/2016 die“, und weist dabei auf eine Menschenkette, die am Horizont der Landschaft auftaucht. Die Botschaft hinter dem Werbespot der Auxmoney GmbH: Erfülle dir deine Träume, wir haben die Mittel. Dabei steht das „Wir“ nicht für eine herkömmliche Bank, die einen Kredit vergibt. Auxmoney ist ein sogenanntes Fintech-Unternehmen – ein Startup im Finanzdienstleistungsmarkt. SCHWERPUNKT Bank- und kapitalmarktrecht Dr. Robert Kilian, General Counsel N26, N26 Bank GmbH Dr. Malte Schafstedde, General Counsel, auxmoney GmbH Das Angebot des Düsseldorfer Unternehmens, das 2007 gegründet wurde, umfasst dabei hauptsächlich das sogenannte Crowdlending. Auxmoney bringt über eine Plattform Anleger und Kreditnehmer – in der Regel (aber nicht nur) Privatpersonen – zusammen. „Wir“ ist bei Auxmoney also eine Vielzahl von Anlegern, die ihr Geld über die Plattform für konkrete Projekte verleihen und dafür eine gewisse Rendite erwarten. Mehr als 50.000 Kredite wurden auf diese Weise bereits vergeben. Allein im Jahr 2015 betrug die vergebene Summe 100 Millionen Euro, für 2016 strebt Auxmoney eine Verdoppelung an. Dabei nutzen auch Unternehmen mehr und mehr diese Investitionsmöglichkeit, einer der größten Anleger ist der niederländische Lebensversicherer Aegon. Anbieter einer Crowdlending-Plattform tritt häufig lediglich als Kreditvermittler auf Rechtlich gesehen tritt der Anbieter einer Crowdlending-Plattform häufig lediglich als Kreditvermittler auf, eine Genehmigung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist dann nicht erforderlich. Denn nach Paragraf 32 Absatz 1 Kreditwesengesetz bedarf einer solchen Erlaubnis nur, „wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen will“. Die reine Vermittlung von Krediten fällt nicht darunter. Die Aktivitäten von Geldgebern oder Kreditnehmern, die eine solche Plattform „geschäftsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert“, nutzen, können jedoch ein erlaubnispflichtiges Kreditgeschäft beziehungsweise ein erlaubnisfähiges Einlagengeschäft nach Paragraf 1 Kreditwesengesetz sein. Wird ein solches Geldgeschäft dennoch unerlaubt betrieben, kann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 38 Ausgabe 6/2016 unternehmensjurist (BaFin) auch gegen die Kreditvermittlungsplattform als eingebundenes Unternehmen vorgehen und die sofortige Einstellung des Geschäftsbetriebs und die unverzügliche Abwicklung dieser Geschäfte anordnen. Dr. Malte Schafstedde, General Counsel bei Auxmoney, beschreibt, weshalb das Angebot gegenüber den konventionellen Banken Vorteile für Investoren und Kreditnehmer bietet: Anleger erhalten in der Regel eine höhere Rendite, und Kreditnehmer, die möglicherweise bei einer Bank abgelehnt würden, können sich dennoch über Auxmoney finanzieren. Damit das am Ende auch tatsächlich aufgeht, wurde ein eigenes ScoringVerfahren entwickelt, das zwar auch den von den meisten Banken verwendeten Schufa-Score enthält, darüber hinaus jedoch weitere Faktoren umfasst. So könnten Ausfälle gering gehalten werden, erläutert Schafstedde. Der Jurist ist seit einem Jahr Chefsyndikus des Unternehmens, das insgesamt rund 100 Mitarbeiter beschäftigt. Er ist dabei auch in die operativen Entscheidungen eingebunden, das sei der besondere Reiz, beschreibt der 34-Jährige seine Arbeitsmotivation. Er sei seinerzeit von Freshfields Bruckhaus Deringer zu einem Startup gewechselt, weil er unternehmerischer arbeiten und gestalten wollte. Banken könnten bis zu 30 Prozent ihrer Erträge an digitale Wettbewerber verlieren Für die konventionellen Banken sind die Fintechs gefährliche Wettbewerber. Laut Angaben der BaFin sind in Deutschland etwa 250 Startups im Bereich Finanzdienstleistungen tätig. Banken könnten bis zu 30 Prozent ihrer Erträge an digitale Wettbewerber verlieren, wenn sie die eigene Digitalisierung nicht vorantreiben, hat die Unternehmensberatung Roland Berger in einer Studie festgestellt. Für die Untersuchung wurden 65 europäische Banken, darunter neun deutsche Finanzinstitute, befragt. Dr. Markus Pertlwieser, Vorstandsmitglied der Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG, fordert daher für seine Branche ein Umdenken. Die Mentalität des Bereichsdenkens und der Besitzstandswahrung, die in Banken ausgeprägt sei, müsse aufgebrochen werden, so Pertlwieser im Augustheft der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen (ZfgK). Fintech sollen nicht nur als Wettbewerber, sondern auch als Kooperationspartner wahrgenommen werden. Die Deutsche Bank hat deshalb die „Digitalfabrik“ gegründet, ein eigenes Entwicklungszentrum für digitale Bankprodukte, in der eigene Software-Entwickler, IT-Spezialisten und Finanzfachleute beschäftigt werden und darüber hinaus 50 Arbeitsplätze für Fintechs bereitstehen sollen. Ähnliche Wege geht die Commerzbank: Mit dem „Main Incubator“ werden Startups im Finanzdienstleistungsbereich bei der Umsetzung ihrer Geschäftsideen gefördert – geboten wird dabei neben finanzieller Unterstützung der Zugang zu den Privat- und Geschäftskunden der Commerzbank. SCHWERPUNKT Bank- und kapitalmarktrecht Und auch die Fintechs sehen sich häufig lediglich als Ergänzungsangebot zu herkömmlichen Banken. Auxmoney beispielsweise bietet lediglich die Plattform – die Kreditabwicklung selbst erfolgt über die SWK Bank. Ein weiterer Player auf dem Feld der Fintechs ist das Berliner Unternehmen N26, das vor drei Jahren von Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal als Number26 gegründet wurde. Der Name, so heißt es auf der Website, sei vom Rubik’s Cube aus den achtziger Jahren inspiriert: Mit seinen 26 Einzelelementen sei der Würfel zwar komplex, mit der richtigen Strategie jedoch in wenigen Schritten lösbar. Und das sollte nach den Vorstellungen der Gründer auch Banking bieten – einfache Lösungen für komplexe Probleme. Kontoverwaltung ausschließlich über Smartphone-App möglich Heute hat N26 nach eigenen Angaben mehr als 200.000 Kunden – in Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Österreich, der Slowakei und Spanien. N26 bietet ein Girokonto, das ausschließlich über die App eines Smartphones verwaltet wird. Es wird damit geworben, dass eine Kontoeröffnung nicht länger als acht Minuten dauern soll. Möglich sei dies durch das „Video-Ident-Verfahren“, das bereits zahlreiche Banken im Rahmen der Kontoeröffnung nutzen. Dabei wird die nach Paragraf 6 Geldwäschegesetz für die Kontoeröffnung erforderliche Identifizierung über eine Videoverbindung zwischen Kunden und Bank durchgeführt. Der Kunde wird aufgefordert, die Vorder- und Rückseite seines gültigen Personalausweises oder Reisepasses vor die Webcam zu halten. Der Ausweis muss zur Verifizierung gekippt und bewegt werden, sodass die Sicherheitsmerkmale – beispielsweise das Hologramm – geprüft werden können. Wie das Video-Ident-Verfahren im Detail ablaufen muss, hat die BaFin festgelegt. Allerdings wurden im entsprechenden Rundschreiben Anforderungen festgelegt, die zu einem Aufschrei insbesondere innerhalb der Fintech-Szene führten. So sollen Kunden vorab einen Geldbetrag als Referenz von einem bereits vorhandenen auf ihr neues Konto überweisen. Außerdem hat das Kreditinstitut „auf der Grundlage von zusätzlichen öffentlich zugänglichen Daten und Informationen (etwa im Internet oder in sozialen Netzwerken) (...) eine erneute Überprüfung der Identität und der vom Kunden gemachten Angaben vorzunehmen“. Damit würde das Verfah- 40 Ausgabe 6/2016 unternehmensjurist ren allerdings doch wieder verkompliziert, die versprochenen acht Minuten bis zur Kontoeröffnung wären kaum realisierbar. Die BaFin hat deshalb die Anwendung des Rundschreibens zunächst bis Ende 2016 ausgesetzt. Dann tritt die 4. EU-Geldwäscherichtlinie in Kraft, und im Rahmen ihrer Umsetzung sollen auch die Anforderungen an die sichere Identifizierung für eine Kontoeröffnung klargestellt werden. Number26 hat bis vor wenigen Monaten nur die schicke Benutzeroberfläche, das „Frontend“, für die Verwaltung des Girokontos geliefert, das dahinterliegende tatsächliche Bankgeschäft wurde über die Wirecard Bank AG abgewickelt. Seit Ende Juli hat das Unternehmen, dass sich in diesem Zusammenhang in N26 umbenannte, eine Banklizenz und kann damit als vollwertige Bank auf dem Markt auftreten. Umgehend wurde auch das Portfolio erweitert – über die Banking App sind jetzt auch die Beantragung eines Dispokredites, direkte Investments und internationale Geldüberweisungen möglich. Genutzt werden dabei weitere Fintech-Startups, die in die App integriert wurden: So arbeitet N26 bei internationalen Überweisungen beispielsweise mit dem in London ansässigen Unternehmen TransferWise zusammen, Geldanlagen werden mit der Vaamo Finanz AG realisiert. Der Kunde kann nun mit nur wenigen Klicks Geld direkt von seinem Girokonto aus in ein Anlageprodukt investieren. „Fintech hub“ nennt N26 diese Kooperationen, die perspektivisch weiter ausgebaut werden sollen. Das Girokonto dient dabei lediglich als Ausgangspunkt für ein umfangreiches Finanzdienstleistungsangebot. Einem ganz neuen Bankgefühl soll das alles dienen, erläutert der Chefjurist von N26, Dr. Robert Kilian, das Konzept des Unternehmens. „Customer experience“ ist ein von ihm häufig genutzter Begriff. Perspektivisch sollen die Kunden alle Bank- und Versicherungsgeschäfte nur mit dem Smartphone durchführen können und dabei natürlich auch dessen spezifische Technik nutzten. So ist es mit einem iPhone seit kurzem möglich, kleinere Transaktionen von maximal 25 Euro mithilfe der Sprachsteuerung Siri zu veranlassen. Fintechs gehen mit paneuropäischem Ansatz auf ihre potenziellen Kunden zu Zur „customer experience“ gehört auch der grenzüberschreitende Ansatz. In acht europäischen Ländern ist N26 vertreten, die App sieht dabei in ihrem Aufbau überall gleich aus, der Kunde in Griechenland benutzt das gleiche Interface wie der Kunde in Irland. Das hört sich leichter an, als es ist, erläutert Kilian, denn in allen Mitgliedstaaten bestehen unterschiedliche rechtliche Regelungen für Finanzdienstleistungen. So sind beispielsweise die Informationspflichten anders ausgestaltet. Diese Internationalität ist es aber auch, die den Reiz seines Arbeitsplatzes ausmacht, bekennt der 34-jährige Jurist, der seit einem Jahr für die rechtlichen Belange von N26 verantwortlich ist. Eine „paneuropäische Arbeitserfahrung“ nennt SCHWERPUNKT BANK- UND KAPITALMARKTRECHT er das und berichtet begeistert von gemeinsamen Sitzungen mit englischen und französischen Partnern und von den Verhandlungen mit den nationalen Aufsichtsbehörden in all ihrer – auch kulturellen – Verschiedenheit. Banken- und Zahlungsverkehrsaufsichtsrecht steht im Fokus von Fintech-Startups Bis zu seinem Wechsel zu dem Startup war Kilian Senior Associate bei Hengeler Müller in Berlin und hier im Bereich Mergers & Acquisitions und Gesellschaftsrecht tätig. Er wollte aber „näher am Produkt“ sein, begründet er seinen damaligen Schritt. Und auch wenn es in einer Kanzlei nie langweilig werde, habe ein neugegründetes Startup gerade in der Aufbauphase natürlich eine ganz andere Dynamik. Hinzu kam der Reiz, eine eigene Rechtsabteilung von Grund auf neu aufzubauen. Mittlerweile arbeiten sechs Juristen bei N26, im Durchschnitt um die 30 Jahre alt. Die meisten waren zuvor bei Großkanzleien tätig, ein Mitarbeiter ist von einer Bank zu N26 gewechselt. Eine Besonderheit bei N26: Die Rechtsabteilung ist zumindest räumlich nicht sichtbar – die Juristen arbeiten neben den Technikern, Wirtschaftlern und Marktingfachleuten. Es sei ihm wichtig gewesen, dass die Kollegen hautnah mitbekommen, wie das Produkt funktioniert, erläutert Kilian die ungewöhnliche Organisationsstruktur. Und um wirklich ganz nah an der Entwicklung zu sein, gibt es sogar Programmierkurse für die Rechtsabteilung. TYPISCHE FINTECH-GESCHÄFTSFELDER Für den Begriff Fintech gibt es keine klare rechtliche Definition. Bezeichnet werden damit üblicherweise Unternehmen, die mithilfe technologiebasierter Syste me spezialisierte Finanzdienstleistungen anbieten. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf sicht nennt folgende typische Geschäftsfelder von Fintechs: • alternative Bezahlverfahren • automatisierte Finanzportfolioverwaltung • Crowdfunding • Crowdinvesting • Crowdlending • automatisierte Anlageberatung • Signalgebung und automatisierte Auftragsausführung • VermögensanlagenInformationsblätter • virtuelle Währungen 42 Ausgabe 6/2016 unternehmensjurist Während sich im vergangenen Jahr die zu behandelnden Rechtsfragen im Wesentlichen um die beantragte Vollbanklizenz drehten, ist das Tagesgeschäft mittlerweile von Themen geprägt, die auch in jeder anderen Rechtsabteilung eine Rolle spielen: vom Vertragsrecht über das Datenschutzrecht bis hin zum Arbeitsrecht; mittlerweile arbeiten hier 170 Menschen. Einen Schwerpunkt in der Tätigkeit von Rechtsabteilungen in Fintech-Startups bildet das Banken- und Zahlungsverkehrsaufsichtsrecht und hier insbesondere die Frage, ob das konkrete Geschäftsmodell erlaubnisbedürftig und gegebenenfalls erlaubnisfähig ist. Grundsätzlich gibt es keine Sonderregelungen für die neuen Akteure. „Gleiches Geschäft, gleiches Risiko, gleiche Regel“, so ein Statement des Präsidenten der BaFin Felix Hufeld zur Eröffnung der BaFin-Tech 2016, einer Veranstaltung, auf der sich im Juni dieses Jahres die Aufsichtsbehörde mit Vertretern von Fintech-Unternehmen austauschte. BaFin hat sich auf die neuen Player eingestellt und beschäftigt sich mit ihren Geschäftsmodellen Die Behörde hat sich insgesamt auf die neuen Player eingestellt: Im vergangenen Jahr nahm eine Projektgruppe, die sich mit den neuen Geschäftsmodellen junger Finanzdienstleister beschäftigt, ihre Arbeit auf, auf der Homepage der BaFin gibt es mittlerweile einen Bereich mit Informationen speziell für Unternehmensgründer und Fintechs. Dr. Daniel Walter von der Kanzlei Osborne Clarke sieht angesichts der Vielfalt der Geschäftsmodelle die Herausforderung für Fintechs nicht nur in der Frage, ob für eine bestimmte Tätigkeit eine Erlaubnis von der BaFin erteilt wird oder nicht. Gerade die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten spielten eine große Rolle, weiß Walter aus Erfahrung. So sei beispielsweise die Frage zu entscheiden, ob es sinnvoller ist, eine eigene Erlaubnis anzustreben, oder doch mit einer Bank zu kooperieren, ohne der Erlaubnispflicht der BaFin zu unterfallen. Vieles ist hier rechtlich im Fluss, so wird beispielsweise die Umsetzung der europäischen Zahlungsdiensterichtlinie II spätestens 2018 für einige Fintechs eine deutlich schärfere Regulierung bedeuten, andererseits aber auch zu Erleichterungen führen. Peggy Fiebig • • • Fintechs werden den Finanzdienstleistungsmarkt direkt und indirekt nachhaltig verändern der Verbraucher fordert schnelle und vor allem einfache Tools für seine Finanzgeschäfte die neuen Player im Finanzdienstleistungssektor sind nicht nur Konkurrenten für die Banken, sondern vor allem auch Kooperationspartner unternehmensjurist TRENDS & THEMEN Prozessfinanzierung Zertifizierungen Scheinselbständigkeit Kollaborative Wirtschaft Seite Seite Seite Seite 50 56 60 66 „Der deutsche Markt für Prozesskostenfinanzierungen von Unternehmen steht erst am Anfang.“ Theo Paeffgen, Vorstand, Foris AG Viele Jahre lang tat sich nicht viel in Sachen Prozessfinanzierung. Jetzt scheint Bewegung in den Markt zu kommen. Seite 50 „Mehr Zertifizierung führt nicht zwangsläufig zu einer höheren Qualität, sondern kostet vor allem Zeit und Geld.“ Jonas Stenzel, Leiter Global Product and Technology Certification, Siemens Wind Power In vielen Bereichen ist der Nachweis über zertifizierte Prozesse Pflicht und verschafft Unternehmen erst einen Marktzugang. Experten kritisieren jedoch die Flut an AuditAngeboten, da deren Nutzen häufig zweifelhaft sei. Seite 56 „Aus unserer Sicht ist es nunmehr noch wichtiger, eine klare Trennung zwischen der Arbeitnehmerüberlassung und dem – wie wir es nennen – Interim- und Projektmanagement zu ziehen.“ Frederik Mehnert, Director Legal Affairs & Internal Audit, Amadeus FiRe AG Der Einsatz von Fremdpersonal wird für Unternehmen teuer, wenn aus dem eigentlich als Werkvertrag überschriebenen Einsatz eine Scheinselbständigkeit oder sogar verdeckte Arbeitnehmerüberlassung wird. Seite 60 „Die Staaten können nicht mehr so restriktiv regeln wie bisher. Sie müssen zurückschrauben und auf die Anbieter der Sharing Economy zugehen.“ Peter Vida, Justiziar, Wimdu GmbH Im Juni hat die EUKommission Leitlinien vorgelegt, die den Marktzugang für die Sharing Economy erleichtern und Orientierungshilfe in Fragen des Verbraucher, Steuer und Arbeitsrechts geben. Seite 66 Ausgabe 6/2016 49 TRENDS & THEMEN unternehmensjurist SCHEINSELBSTSTÄNDIGKEIT RISIKOWAHRNEHMUNG HAT ZUGENOMMEN, KÖNNTE ABER NOCH VERBESSERT WERDEN Der Einsatz von Fremdpersonal bringt der deutschen Wirtschaft die notwendige Flexibilität und ist damit ein unerlässlicher Baustein im deutschen Arbeitsmarkt. Teuer wird es jedoch für Unternehmen, wenn aus dem eigentlich als Werkvertrag überschriebenen Einsatz eine Scheinselbstständigkeit oder sogar verdeckte Arbeitnehmerüberlassung wird. F ür den Baukonzern Hochtief war und ist eigenen Angaben nach das Thema Scheinselbstständigkeit schon immer ein Thema mit hohem Stellenwert. „Aus diesem Grunde hat Hochtief ein ausdifferenziertes Kontrollsystem zur Vermeidung der Entstehung von Tatbeständen, die auf Scheinselbstständigkeit hindeuten, implementiert“, sagt Wolfgang Werths, Fachanwalt für Arbeitsrecht und seit 2008 Leiter des Dezernats Deliktsprävention der Hochtief AG in Essen, der für das gesamte arbeitsstrafrechtliche Riskmanagement des Unternehmens verantwortlich ist. Einzelselbstständige, die sich zum Beispiel um eine Tätigkeit im Rahmen eines freien Mitarbeitervertrages bewerben, werden in der Regel, bei nicht nur kurzfristigen Aufträgen, aufgefordert, das sogenannte Statusfeststellungsverfahren der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRVB; siehe Kasten) zu durchlaufen. „Wenn die DRVB – leider manchmal erst nach einigen Monaten – bestätigt, dass die Tätigkeit des Bewerbers als selbstständig anzusehen ist, kann der Vertrag abgeschlossen werden“, so Werths. Bei Hochtief existiere ein strenger Code of Conduct für Lieferanten und Auftragnehmer. Dieser werde ohne jede Aus- STATUSFESTSTELLUNGSVERFAHREN DER DRVB Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRVB) bietet mit dem kostenfreien Statusfeststellungsverfahren eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Frage, ob ein Auftragnehmer seine Tätigkeit für einen Auftraggeber im Einzelfall selbstständig oder im Rahmen eines abhängigen sozialversicherungspflichtigen Be schäftigungsverhältnisses ausübt. • Im Jahr 2015 wurden insgesamt 21.500 Statusfeststel lungsverfahren durchgeführt. • Eine abhängige Beschäftigung wurde in 45 Prozent der Fälle festgestellt. • Mit dem Statusfeststellungsverfahren ist ein Unterneh men auf der formell sicheren Seite. • Mit der Antragstellung binnen Monatsfrist nach Tätig keitsaufnahme kann die Rückwirkung der Nachzah 60 Ausgabe 6/2016 • • • lungsverpflichtung für Sozialversicherungsbeiträge verhindert werden. Dies muss nachhaltig erfolgen; bei entsprechend identifizierten Risikogruppen muss gleich gehandelt werden, damit die Rentenversicherung nicht auf Vor satz schließen kann. Bei dezentral organisierten Unternehmen ist beson ders darauf zu achten, dass die Kommunikation mit der Bundesrentenversicherung an einer Stelle gebün delt wird; unterschiedliche Abteilungen sollten nicht voneinander abweichende Aussagen treffen. Statusfeststellungsverfahren sollten wegen rechtlicher Fallstricke und der Haftungsrisiken für das Unterneh men immer von Unternehmensjuristen (mit)betreut werden. Quelle: CMS Hasche Sigle; DRVB unternehmensjurist TRENDS & THEMEN nahme zwingend in allen Verträgen mit Nachunternehmern und Lieferanten vereinbart und werde so Vertragsbestandteil. Die Einhaltung des Code of Conduct sowie der sonstigen Vorgaben von Hochtief im Bereich Scheinselbstständigkeit und illegaler Beschäftigung werde regelmäßig unternehmensintern überprüft. Werths bezeichnet es als durchaus positiv, „dass dieses TheDr. Alexander Bissels, Frederik Mehnert, Wolfgang Werths, ma nun allmählich in den Fokus der Unternehmen gerät“. Fachanwalt für Arbeitsrecht, Director Legal Affairs & Fachanwalt für ArbeitsCMS Hasche Sigle Internal Audit, recht, Leiter des Dezernats Auch der Einsatz hochspezialisierter Fachkräfte ist mit dem Risiko von Amadeus FiRe AG Deliktsprävention, Hochtief AG Scheinselbstständigkeiten behaftet. Die zeitlich befristete Platzierung von Führungskräften hat sich auf nahezu alle Funktionsbereiche von Unternehmen ausgeweitet. Vor allem Personalvermittlungsfirmen müssen neben der Herausforde- Aus seinen Kontakten zu Kundenunternehmen berichtet Mehrung, einen Externen passgenau auf die im Unternehmen zu nert, dass die Risikowahrnehmung im Bereich Scheinselbstbewältigenden Aufgaben zu besetzten, auch den Aspekt der ständigkeit zugenommen habe. „Ich persönlich habe auch Rechtssicherheit für ihre Kunden gewährleisten. engeren Kontakt zu einigen fachverantwortlichen Kollegen in unseren Kundenunternehmen und kann sagen, dass dieser Mitunter muss Projektarbeit via Dienstvertrag ganze Themenblock teilweise bereits im Verlauf der letzten Jahre massiv unter die Lupe der Revisionsabteilungen bezieprinzipiell ausgeschlossen werden hungsweise Compliance-Stellen genommen wurde.“ Dies gelDie Amadeus FiRe AG, ein auf Fach- und Führungskräfte te sowohl hinsichtlich der Wahl der richtigen Dienstleistungen spezialisierter Personaldienstleister im Rechnungswesen und Dienstleister, als auch und insbesondere hinsichtlich des & Controlling, Finanzdienstleistungsbereich sowie in den richtigen Umgangs der eigenen Belegschaft mit den externen Bereichen Office und Informationstechnologie, lässt jedes Personen. Für sein Unternehmen sei die Richtung klar: „Wir einzelne Projekt vor Beginn von spezialisierten Juristen hin- gehen unseren Weg konsequent weiter und werden Positiosichtlich der Thematik Scheinselbstständigkeit überprüfen, nen, bei denen einzusetzendes Personal in die Arbeitsorgabevor es dann freigegeben werden kann. Projektarbeit via nisation des Kundenunternehmens eingegliedert wird und Dienstvertrag wird unterhalb bestimmter Verkaufsstunden- tagesgeschäftliche Aufgaben übernehmen soll, ausschließlich sätze generell ausgeschlossen, um eine deutliche Abgrenzung im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung besetzen.“ zur Arbeitnehmerüberlassung zu schaffen. Zudem werden Statusanfragen bei der DRVB und anderen Einzugsstellen Abgrenzung zwischen weisungsgebundener für Sozialversicherungsbeiträge durchgeführt, um so weitere und unabhängiger Tätigkeit bleibt schwierig Rechtssicherheit für alle drei Vertragsparteien zu erreichen. „Wir betreiben das Interim-/Projektmanagement bereits seit Die anstehende Einführung des Paragrafen 611a BGB werde 30 Jahren und hatten in dieser Zeit noch keinen einzigen Fall die Abgrenzung zwischen unabhängiger und weisungsgebunvon festgestellter Scheinselbstständigkeit zu verzeichnen, we- dener Tätigkeit auch in Zukunft nicht erleichtern. Frederik der bei uns, noch bei unseren Kunden“, sagt Frederik Mehnert, Mehnert fasst es so zusammen: „Die in Paragraf 611a BGB Director Legal Affairs & Internal Audit der Amadeus FiRe nunmehr gesetzlich verankerten Regelungen wiederholen AG. „Genauso hat in all den Jahren auch noch kein Interim ohnehin – nahezu vollinhaltlich und nur in Nuancen weitManager versucht, sich bei uns oder unseren Kunden in ein reichender – die diesbezügliche Rechtsprechung des BunArbeitsverhältnis einzuklagen. Dies ist eine Bilanz auf die wir desarbeitsgerichtes. Mit all diesen Kriterien haben wir uns in durchaus ein wenig stolz sind.“ Zurückzuführen sei dies auf unseren Status- und gegebenenfalls späterer Sozialgerichtsvereinen Workflow, welcher für die handelnden Personen und fahren auch in der Vergangenheit auseinandersetzen müssen. Vertragsparteien anspruchsvoll und im Sinne der Risikoab- Demgemäß wird sich an unseren internen Workflows auch wägung auch ein stückweit einschränkend sei. nichts ändern.“ Ausgabe 6/2016 61 TRENDS & THEMEN unternehmensjurist ABLAUF EINES STATUSFESTSTELLUNGSVERFAHRENS • Zuständigkeit: Clearingstelle der Deutschen Renten • • • • versicherung Bund (DRVB) Einleitung: formloser Antrag des Auftraggebers oder Auftragnehmers Antrag kann jederzeit nach Tätigkeitsaufnahme gestellt werden Wird der Antrag innerhalb der Monatsfrist gestellt, so entfällt die Rückwirkung auf die Nachzahlungs verpflichtung in die Sozialversicherung die Wirkung eines Beschäftigungsverhältbisses tritt erst mit der Entscheidung ein • Ermittlungen zur tatsächlichen Ausgestaltung der • • • • Tätigkeit (Analyse von Anlagen zu Verträgen, Auftrags schreiben und Rechnungen, et cetera) bei Abweichung vom Antragswillen: Anhörung der Beteiligten Entscheidung durch Bescheid über Bestehen oder Nichtbestehen einer Beschäftigung (und Beginn der Versicherungspflicht) Widerspruch gegen ergangenen Bescheid mit auf schiebender Wirkung ist möglich Klage nach drei Monaten zulässig Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat ein Gesetzespaket auf den Weg gebracht, welches 2017 in Kraft tritt und den Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen weiter verhindern soll. Der Wegfall der sogenannten (Vorrats-)Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung oder „Fallschirmlösung“ bei Scheinwerkverträgen sollte für Unternehmen in jedem Fall Anlass sein zu prüfen, ob es trotz Vorliegens korrekter Werk- oder Dienstleistungsverträge dennoch Hinweise auf mögliche Eingliederungstatbestände im Unternehmen des Auftraggebers gibt. Alexander Bissels, Rechtsanwalt und Experte für Fremdpersonaleinsatz bei CMS Hasche Sigle, führt hierzu aus: „Der Wegfall der ‚Fallschirmlösung‘ wird dasjenige Thema sein, das die Praxis am meisten umtreibt. RISIKEN UND SANKTIONEN Das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeits entgelt ist nach Paragraf 266a StGB mit Freiheits strafe bis zu fünf Jahren bedroht, in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahren. Nachzahlungen von Sozialversicherungsbei trägen können bei Vorsatz 30 Jahre rückwirkend fällig werden. Nachzahlung der Lohnsteuer, Auftraggeber und Arbeitnehmer haften gesamtschuldnerisch. Zur Risikogruppe potenziell Scheinselbststän diger gehören auch hochspezialisierte Ingenieure, Interimsmanager und ITExperten und nicht nur Regaleinräumer und Bauhilfsarbeiter. 62 Ausgabe 6/2016 Es soll verhindert werden, dass Unternehmen Umgehungskonstruktionen wählen, wo Werkverträge tatsächlich keine solchen sind, sondern verdeckt Arbeitnehmerüberlassungen durchgeführt werden. Um von der legitimierenden Wirkung einer Arbeitnehmerüberlassung profitieren zu können, wird der Auftraggeber sich in Zukunft im Vorhinein festlegen müssen. Mit dieser Offenlegungs- und Konkrektisierungspflicht hat man meiner Ansicht nach ein sehr effektives Mittel gefunden, um Missbrauch zu verhindern.“ Vermengung von fremden und eigenen Mitarbeitern ist mitunter unvermeidbar Das Gesetz dürfte damit jedoch leider in erster Linie eine ganze Branche treffen, die jetzt noch saubere Werkverträge abschließt, und damit die Falschen, vermutet Bissels: „Das Problem ist, dass man nicht nur Missbrauchsfälle hat, sondern auch einen gewissen rechtlichen Graubereich. Vor allem bei IT-Projekten, die über einen längeren Zeitraum beim Kunden durchgeführt werden, gibt es Vermengungen von Fremdbelegschaft und eigenen Mitarbeitern, etwa auf Grund von einzuhaltenden Reporting Strukturen.“ Anders könnten die Projekte auch nicht erfolgreich abgeschlossen werden, die räumliche und personelle Nähe sei also projektimmanent. Es gebe Bereiche, in denen man auch unter Berücksichtigung der recht komplexen Rechtsprechung in der Tat nicht mehr sauber zwischen Werk- oder Dienstvertrag und Arbeitnehmerüberlassung trennen könne. Hier würden Unternehmen, selbst wenn sie sauber arbeiteten und hohe Löhne zahlten, im Zweifel dazu gezwungen, formell eine Arbeitnehmerüberlassung zu betreiben, obwohl es rechtlich gar keine sei. „Den jetzigen Scheinwerkvertrag dürfte es damit verbreitet nicht mehr geben, aber er wird sein Pendant finden in einer Scheinarbeitnehmerüberlassung“, vermutet Bissels. TRENDS & THEMEN unternehmensjurist HOCHRISIKOGRUPPE UMFASST 1,2 MILLIONEN EXTERNE „Schein und Sein bei der Beauftragung von Externen“, die erste systematische Erhebung auf diesem Gebiet, verdeutlicht, wo die Gefahren lauern. Für die Studie der Ernst und Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wurden deutschlandweit 400 Unternehmen und 2.455 Einzelpersonen befragt. • Projektbeauftragung und Werkvertrag sind die häu figsten Vertragsarten bei der Beauftragung von Externen (54 Prozent der Fälle) • weniger als fünf Auftraggeber haben fast 40 Prozent der Selbstständigen • überwiegend beim Auftraggeber vor Ort arbeitet jeder vierte Selbstständige • länger als 18 Monate beim selben Auftraggeber ist jeder fünfte Selbstständige tätig • in die Hochrisikogruppe (Personen mit einem hohen Risiko der Scheinselbstständigkeit) fallen in Deutschland über 1,2 Millionen Externe • potenziell scheinselbstständig ist damit jeder vierte Selbstständige in Deutschland • das Risiko, mit Sanktionen aufgrund von Schein selbstständigkeiten konfrontiert zu werden, schätzen 82 Prozent der Unternehmen als nicht vorhanden oder höchstens gering ein • ein Hinweisgebersystem nutzen lediglich 68 Prozent der befragten Unternehmen, die Hälfte davon bindet Ex terne nicht ein • nach konkreten Schadensfällen und Vorkommnissen in Bezug auf Werk/Dienstverträge oder der Identifikation von Schwachstellen reagieren 20 Prozent der Unterneh men nicht Einen erhöhten Prüfungsbedarf sieht auch Frederik Mehnert: „Der Wegfall der sogenannten Fallschirmlösung birgt ganz sicher ein erhöhtes Risikopotenzial. Aus unserer Sicht ist es nunmehr noch wichtiger, eine klare Trennung zwischen der Arbeitnehmerüberlassung und dem – wie wir es nennen – Interim- und Projektmanagement zu ziehen.“ IT-gestützte Anwendungen sollen Unternehmen dabei helfen, den Fremdpersonaleinsatz rechtskonform und kostenschonend zu organisieren. CMS Hasche Sigle hat das onlinebasierte IT-Produkt „Einsatz von Fremdpersonal“ (FPE) entwickelt, das anhand einer Vielzahl real geprüfter Fälle validiert wurde. „Die Idee zu dem Produkt kam im Rahmen eines Mandates zum Fremdpersonaleinsatz, bei dem es mehrere tausend Fälle zu prüfen galt“, erinnert sich CMS-Rechtsanwalt Bissels, der an der Entwicklung beteiligt war. Die auf kanzleieigenen Servern gehostete Software setzt dort an, wo die tatsächlichen Einsatzumstände bekannt sind, und fragt die Details IT-gestützt ab. Im Rahmen der Prüfung muss der Nutzer Aussagen mit Ja oder Nein beantworten, wobei sich Zahl und Inhalt der Fragen entsprechend den vorherigen Antworten anpassen. Die Einzelfallauswertung bringt binnen weniger Minuten ein Ergebnis, das in Form einer Ampel entweder ein hohes Risiko (rot), weiteren Prüfungsbedarf (gelb) oder ein geringes Risiko (grün) anzeigt. Der rechtliche Rahmen für die Beschäftigung von Fremdpersonal wird ab 2017 noch enger gesteckt. Unternehmensjuristen sollten sich gerade vor diesem Hintergrund bereits jetzt mit den anstehenden gesetzlichen Neuerungen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung auseinandersetzen, um rechtliche 64 Ausgabe 6/2016 Gestaltungsräume beim Einsatz von Externen auch in Zukunft rechtssicher ausschöpfen zu können. Nicht zuletzt sollten Mitarbeiter, die mit AÜG-relevanten Situationen beruflich arbeiten müssen, über die Neuerungen des AÜG 2017 geschult werden. Fee Rahel Schlaegel Risikominimierung durch ... • ... stichprobenartige Prüfungen auf Einhaltung der internen und externen Regelungen zum Fremdpersonaleinsatz • ... Implementierung von Hinweisgebersystemen (Ausweitung auf Externe sinnvoll) • ... jährliche Kontrolle mittels standardisierten Prüfungsprogramms der Vertrags und Zahlungsabwicklung • ... Statusfeststellungsverfahren bei der DRVB, wobei Gleichbehandlung bei entsprechend identifizierten Risikogruppen beachtet werden sollte • ... Analyse des tatsächlichen Gesamtgepräges der Tätigkeit, nicht der Bezeichnung im Vertrag • ... Deklarierung von Arbeitnehmerüberlassungen (Wegfall der „Fallschirmlösung“) • ... regelmäßige Schulung von Mitarbeitern mit AÜGrelevanten Positionen unternehmensjurist JOB & KARRIERE Leica Verbesserung Seite 72 76 Ausgabe 6/2016 71 Seite „Wir zwingen uns dazu, uns Zeit zu reservieren, um qualitativen Mehrwert in unserem Bereich, aber vor allem für Leica zu schaffen.“ Florian Schäfer, General Counsel, Leica Camera AG Der KameraHersteller Leica blickt auf eine wechselvolle Firmengeschichte zurück. Im Laufe der Jahrzehnte erlebte das Traditionsunternehmen eine Achterbahnfahrt von der FastPleite bis zum RekordUmsatz. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg wuchs auch das Arbeitsvolumen der Rechtsabteilung. Seite 72 „Wir fragen uns nicht, wer der Schuldige ist, wenn etwas nicht funktioniert, sondern wie wir es beim nächsten Mal besser machen können.“ Martina Seidl, General Counsel und Vice President Legal & Commercial, Fujitsu Technology Solutions GmbH Wer gibt schon gerne zu, etwas falsch gemacht zu haben? Dabei können Irrtümer durchaus zum Erfolg beitragen, wenn sie gründlich analysiert und reflektiert werden. Wichtige Vorraussetzung hierzu ist ein offener, angstfreier Umgang mit Fehlern. Seite 76 JOB & KARRIERE unternehmensjurist VERBESSERUNG RICHTIG ANALLYSIERT SIND FÄHLER LEHRREICH Wer gibt schon gerne zu, etwas falsch gemacht zu haben? Dabei können Irrtümer durchaus zum Erfolg beitragen, wenn sie gründlich analysiert und reflektiert werden. Wichtige Vorraussetzung hierzu ist ein offener, angstfreier Umgang mit Fehlern. S o paradox das im ersten Moment auch klingen mag: Fehler können richtig und wichtig sein, aus Irrtümern können Erfolgsgeschichten entstehen. Bestes Beispiel ist die Erfindung des Kunststoffs Teflon, der eigentlich nur entdeckt wurde, weil bei einem chemischen Experiment etwas ganz und gar schief lief. In der Praxis sind Ärger und Schuldgefühle häufig die ersten Reaktionen. Können sich Syndici überhaupt Fehler erlauben? Schließlich werden sie doch oft als Berater, Experten oder auch als Feuerwehr eingesetzt, wenn es in anderen Unternehmensbereichen brennt. Wie gehen sie mit Fehlern um? In die Zukunft schauen, nicht in die Vergangenheit Fehler einzugestehen, die Angst vor dem Gesichtsverlust ist in vielen Kulturkreisen ein schwieriges Thema. Bei einem Unternehmen mit einer japanischen Mutter wie Fujitsu gibt es einen „etwas anderen“ Umgang mit Fehlern. „Wir setzen auf Kaizen“, erklärt Martina Seidl, General Counsel und Vice President Legal & Commercial bei der Fujitsu Technology Solutions GmbH in München. Dahinter steht wörtlich der „Wandel zum Bessern“, also die permanente Verbesserung von Tätigkeiten, Abläufen, Verfahren oder Produkten durch alle Mitarbeiter. Im Westen wird Kaizen oft mit dem Begriff kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) oder Continual/ Continuous Improvement Process (CIP) gleichgesetzt. „Es ist einfach die Mentalität unseres Unternehmens, kontinuierlich Prozesse unter die Lupe zu nehmen und zu prüfen, wie wir etwas verbessern können“, erklärt Martina Seidl. „Und wir fragen uns nicht, wer der Schuldige ist, wenn etwas nicht funktioniert, sondern wie wir es beim nächsten Mal besser machen können. Das heißt, wir schauen in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit.“ Wie das praktisch funktioniert? „Wenn Fehler passieren, dann nehmen wir uns die Zeit für eine Analyse. Wer verstanden hat, 76 Ausgabe 6/2016 warum etwas falsch gelaufen ist, der kann es beim nächsten Mal besser machen“, ist die Chefjuristin überzeugt. Setzt sie auch auf Kontrollinstrumente zur Fehlervermeidung? Nicht bei jedem Projekt ist Martina Seidl involviert, denn vieles übernehmen auch ihre Teamleiter. „Aber bei großen und relevanten Fällen bin ich immer mit im Boot.“ Ihr Rezept zur Fehlervermeidung bei ihren Mitarbeitern: „Ich spreche den Kollegen mein Vertrauen aus und lasse sie auch früh große Aufgaben selbstständig erledigen, denn ich bin mir sicher, dass man an Herausforderungen wächst.“ In einem von Vertrauen geprägten Klima „lässt sich dann auch einfacher darüber sprechen, was an der einen oder anderen Stelle besser gemacht werden könnte.“ In Rechtsabteilungen haben sich bestimmte Mechanismen zur Fehlervermeidung bewährt Aber es gibt in der Rechtsabteilung auch Mechanismen zur Fehlervermeidung, die sich bewährt haben – etwa, dass bei wirklich wichtigen, großen Fällen grundsätzlich immer zwei Kollegen gemeinsam daran arbeiten. Und dann gibt es da auch noch die so genannten „Goldteams“. Bei besonders wichtigen Vertriebsprojekten, wenn das beauftragte Team „vom Fieber gepackt wird“, dann steht im Hintergrund eine zweite Mannschaft in gleicher Zusammensetzung bereit, die als SparringsPartner, Coach und Korrektiv fungiert. „Auch Juristen, die ja unabhängig, neutral und objektiv sein sollen, werden eben manchmal bei großen Aufträgen von Begeisterung gepackt und wollen natürlich den Deal für unser Unternehmen ge- unternehmensjurist JOB & KARRIERE Eine „Fehlerkultur“, die mit Schuldzuweisungen arbeitet, führt häufig zu noch mehr Stress, Leistungsdruck und Perfektionismus, so die Erkenntnis aus beiden Untersuchungen. „Fehler passieren nun mal“, sagt die Wissenschaftlerin, „die Frage ist nur, wie wir damit umgehen“. Wichtig sei, so Scheel, dass Mitarbeiter das Gefühl haben, sich Fehler leisten zu dürfen, ohne in Angst zu verfallen, denn das führe nur zum Vertuschen, nicht zu einer Verbesserung. Auch wenn es „einfach ist, Fehler dem individuellen Versagen zuzuschreiben, sind es doch oft Fehlerverkettungen“. Unternehmensberater und Coaches raten manchmal dazu, Fehler bewusst zu begehen – als eine Art „Trockenübung“, um zu sehen, was passiert und welche Auswirkungen sie haben können. Und tatsächlich ist „der Umgang mit dem Thema Fehler auch branchenabhängig“, so die Psychologin. „Bei vielen ITGründern ist es Teil der Unternehmenskultur, völlig offen darüber zu sprechen. Da hat niemand Angst, sein Gesicht zu verlieren.“ In anderen Branchen gebe es wirklich elaborierte Systeme für das Fehler-Management, weiß Scheel. „In der Luftfahrt etwa oder in der Medizin, wo unter Umständen Menschenleben in Gefahr geraten, kommt dem ja auch große Bedeutung zu.“ winnen“, so Seidl. „Da ist es gut, wenn ein nicht involviertes Team den klaren Blick von außen hat und wenn nötig, Kurskorrekturen vornehmen kann.“ Dr. Tabea Scheel, Diplom-, Arbeits- und Organisationspsychologin, derzeit mit einer Vertretungsprofessur an der Fernuniversität Hagen betraut, kennt sich aus mit den Themen Fehler und Fehlerkultur. Sie ist unter anderem Mitautorin zweier Studien der Universität Wien, bei der Steuerberatungkanzleien und ihr Umgang mit dem Thema „Veränderung und Fehler“ untersucht wurden. Unter anderem wurde analysiert, ob Mitarbeiter trotz gestiegenen Arbeitstempos und stärkeren Wettbewerbs noch Eigeninitiative zeigten. In beiden zeigte sich: Schlechte Fehlerkultur wirkt sich ungünstig auf das Engagement der Mitarbeiter aus und steht außerdem in Zusammenhang mit schlechterer Leistung in einem Wissenstest. Erfahrung dient der Fehlervermeidung Zwar hängen von den Entscheidungen der Rechtsabteilungen nicht unbedingt Leben oder Tod ab, aber das Wohl und Wehe eines Unternehmens möglicherweise schon. „Darum haben wir zwar kein Fehlervermeidungssystem, schon gar keines, das IT-gestützt ist, aber wir leisten uns den Luxus, uns Zeit zu nehmen.“ Dr. Stefan Brügmann, Chefsyndikus der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, erklärt ein internes Prinzip so: „Für uns ist eine intensive Prüfung und Bearbeitung in hoher Qualität wichtig. Wir müssen nicht überall die ersten sein, aber wir wollen es gut machen.“ Dementsprechend legt er auch Wert darauf, dass bei der Rekrutierung von Mitarbeitern erfahrene Kräfte angeworben werden. „Auch das dient der Fehlervermeidung.“ Je nach Priorität eines Falles sind auch hier mehrere Kollegen beteiligt und „Deal-Teams“ Ausgabe 6/2016 77 JOB & KARRIERE unternehmensjurist UNTERNEHMENSJURISTEN UND FEHLER Elke Schüttelkopf ist Coach in Wien, bietet ManagementTraining und publiziert unter anderem zum Thema Fehler, Fehlerkultur. Unternehmensjuristen und Fehler? Ist das eine besonders heikle Beziehung? Juristen haben oft ganz spezielle Funktionen im Unternehmen, in denen Fehlerkultur eine besondere Rolle spielt: Im Bereich Human Resources definieren sie die Fehlerkultur mit. Sie sind meist involviert in die Frage, was sind Fehler, was sind Pflichtverletzungen und was sind Straftaten und wie soll jeweils der Umgang damit erfolgen. Darüber hinaus arbeiten Juristen oft an Schnittstellen nach außen und haben somit nicht nur mit den unterschiedlichen Fehlerkulturen im Haus, sondern mit den Fehlerkulturen anderer Organisationen zu tun. Da sind oft wirklich kritische Fehler zu verhandeln. Das geht von Regulatory Affairs über Einkauf bis hin zu Öffentlichkeitsarbeit. Da ist es hilfreich, selbst souverän über ein gutes Repertoire an Fehlervermeidungsstrategien zu verfügen. Juristen arbeiten mit klaren Regeln und Vorschriften – eigentlich müssten sie ja fehlerfrei sein. Trotzdem unterlaufen auch in Rechtsabteilungen Fehler – warum? In den meisten Unternehmen gibt es tausende Regeln und Normen. Ihr Ziel ist es, Fehler zu verhindern. Meistens muss ja eine hohe Komplexität unter großem Zeitdruck bewältigt werden. Es kommt jedoch auch vor, dass man das eine oder andere falsch interpretiert, nicht die richtigen Schlüsse zieht oder die falschen Prioritäten setzt. Dabei handelt es sich um Fehleinschätzungen. Fehler zu machen ist menschlich. Und Juristen sind auch nur Menschen. Jedes Gerichtsurteil zeigt uns auf: Es gibt kein objektives und endgültiges „richtig“ und „falsch“. Es ist immer ein Abwägen vielfältiger Aspekte, das oft zu überraschenden Ergebnissen führt. Was macht eine gute Fehlerkultur aus? In der Krise schreien alle „Wir brauchen eine Fehlerkultur“. Nach der Krise sind die guten Vorsätze vergessen und man macht weiter wie vorher. Da ist Fehlerkultur nicht mehr als ein Schlagwort. Aber mehr und mehr Unternehmen werden sich bewusst, dass Fehlerkultur zur Krisenprävention hilfreich ist, nicht zur Krisenbewältigung. Eine gute Fehlerkultur ermöglicht das Lernen aus Fehlern, schafft kontinuierliche Verbesserungsprozesse und sichert die Qualität. aus Juristen und Kaufleuten arbeiten gemeinsam – um sich auszutauschen und auch zu korrigieren. Wichtig aber, so Brügmann, sei das absolute Vertrauen, Fehler angstfrei einräumen zu können. „Da kommt mir als Führungskraft natürlich besondere Bedeutung zu, denn ich lebe vor, was ich auch von meinen Mitarbeitern verlange: den offenen Umgang mit Irrtümern.“ Offenheit, Transparenz und Kommunikation sind Teil guter Fehlerkultur Den „Nimbus des Unfehlbaren“ vor sich herzutragen, kommt für den Chefsyndikus nicht in Frage. „Ich bin Generalist, meine Kollegen sind die Spezialisten, und ich vertraue auf ihr Wissen, denn unser gemeinsamer Job ist es, den Unternehmenswert nachhaltig zu steigern.“ Auch in der Zusammenarbeit mit anderen Bereichen sei es nicht die Aufgabe der Rechtsabteilung, Fehler nachzuweisen und zu belehren. „Wie wir miteinander umgehen, ist eine Frage der Kommu- 78 Ausgabe 6/2016 nikation“, so Brügmann. „Wir als Inhouse-Juristen sehen unsere Aufgabe darin, Anregungen zu geben und Vorschläge zu machen, wie es besser gehen kann.“ Offenheit und Transparenz sieht auch Dr. Christoph Klahold, Chief Compliance Officer bei Thyssenkrupp in Essen, als ein wichtiges Merkmal der eigenen Unternehmenskultur: „Die können Sie nicht von oben herab vorschreiben. Aber Sie können sie vorleben. Dazu gehört es, ein Klima zu schaffen, in dem man Fehler offen ansprechen kann.“ Bei Gesprächen mit Mitarbeiten aus dem operativen Geschäft stünden daher selten die Compliance-Prozesse im Mittelpunkt, sondern vielmehr die Kultur, so Klahold: „Wir geben unseren Kollegen die Möglichkeit, über ihre Herausforderungen im Alltag zu berichten. Das schafft Raum, gemeinsam zu überlegen, wie wir Dinge besser machen können.“ Eine solch intensive Form des „Feedbacks“ bietet auch die weltweite Mitarbeiterbefragung, die vor zwei Jahren das erste Mal im gesamten Konzern durchgeführt wurde und bei der es auch kritische Rückmeldungen gab. „Ich werte es durchaus als Er- JOB & KARRIERE unternehmensjurist Martina Seidl, General Counsel und Vice President Legal & Commercial, Fujitsu Technology Solutions GmbH Dr. Tabea Scheel, Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie (Vertretung), Fernuniversität Hagen Dr. Stefan Brügmann, Chefsyndikus, Landesbank Hessen-Thüringen folg, dass die Mitarbeiter den Mut hatten, ihre Bedenken offen anzusprechen. Der Ball lag dann bei uns Führungskräften, die Hintergründe zu analysieren und die Dinge zu verbessern.“ Diese Aufgabe nimmt Klahold ernst. Ein Ergebnis der Befragung war etwa, dass das Compliance-Programm bei den gewerblichen Mitarbeitern der Stahlsparte nicht ausreichend bekannt war. Die Schulungen wurden intensiviert, die Kommunikation verbessert. „Wir bei Thyssenkrupp verstehen URSACHEN SUCHEN, NICHT SCHULDIGE Eine positive Fehlerkultur setzt auf Analyse und Veränderung, nicht auf Schuldzuweisung. Wichtig sind diese Fragen: • • • • • • • Wie ist das passiert? Wann ist der Fehler passiert und welche Konsequenzen kann er haben? Gibt es nur einen Auslöser oder haben mehrere Faktoren zu dem Fehler beigetragen? Ist dieser Fehler schon häufiger vorgekommen? Gibt es Verbesserungsmöglichkeiten in den Regeln oder Abläufen? Wie kann sichergestellt werden, dass der gleiche Fehler nicht noch einmal passiert? Welche Sofort und welche Langzeitmaßnamen sollen ergriffen werden, um Fehler in Zukunft zu vermeiden? 80 Ausgabe 6/2016 Dr. Christoph Klahold, Chief Compliance Officer, Thyssenkrupp AG unter Compliance die Einhaltung von Regeln und Gesetzen. Wir gehen aber noch ein Stück weiter und sagen, Compliance ist eine Frage der Haltung und steht für Verlässlichkeit, Aufrichtigkeit, Glaubwürdigkeit und Integrität“, so Christoph Klahold. Der Anspruch des Juristen ist klar: das zentrale Compliance-Konzept auf die praktischen Fragen und Abläufe des betrieblichen Alltags herunterzubrechen. Deshalb beraten, informieren und schulen rund 70 hauptamtliche Compliance-Mitarbeiter die weltweit Beschäftigten zu den relevanten gesetzlichen Bestimmungen und internen Richtlinien des Unternehmens. Dabei gehe es um die Verhinderung von Korruption und Kartellen, aber eben auch um die Vermeidung von unabsichtlichen Fehlern. „Ein Bewusstsein für Fehlentwicklungen zu schaffen, erkannte Missstände offen anzusprechen und für die Zukunft zu vermeiden, das ist nicht immer leicht und manchmal ein Spagat. Aber es ist extrem wichtig“, ist Klahold überzeugt. Gabriele Müller • Fehler werden gerne einem Einzelnen zugeschrieben, • • • aber meist handelt es sich um eine Verkettung von Umständen Schuldzuweisungen bei Fehlern erzeugen Angst und blockieren die Bereitschaft, sich zu engagieren eine positive Fehlerkultur setzt auf Vertrauen und Offenheit Führungskräfte sollten den offenen Umgang mit Fehlern vorleben, damit Mitarbeiter es wagen, Fehl entwicklungen anzusprechen VERBAND unternehmensjurist VERBAND Berufsanerkennungsrichtinie Mitgliederversammlung Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Compliance Summit GWBNovelle Regionalgruppen Seite Seite Seite Seite Seite Seite 82 83 83 84 86 88 „Es erfüllt mich mit großem Stolz, dass ich Präsident des BUJ sein durfte.“ Solms U. Wittig, Präsident, BUJ Solms U. Wittig überträgt sein Präsidentenamt zum 31. Dezember 2016 an den Vorstand des Bundesverbandes der Unternehmensjuristen. Sein Nachfolger wird auf der Mitgliederversammlung am 26. Januar gewählt. Seite 83 „Früher wurde man als Compliance-Chef noch als ‚Handaufleger‘ belächelt. Das hat sich geändert, seitdem Compliance als Führungsund Managementaufgabe verstanden wird.“ Prof. Dr. Stephan Grüninger, Konstanz Institut für Corporate Governance KICG Von politischen über wirtschaftliche bis hin zu praktischen Informationen rund um die Compliance: Der Compliance Summit bot eine gute Gelegenheit, sich auf Augenhöhe auszutauschen. Seite 84 „Ohne ein Unternehmensstrafrecht, gäbe es auch keine Compliance, da absolut kein Handlungsdruck auf Unternehmen lasten würde.“ Dr. Rolf Raum, Richter am BGH Der Entwurf der 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbs beschränkungen („GWB“) liegt vor: Das geplante Unternehmens strafrecht bedeutet eine grundlegende Änderung des deutschen Kartellrechts. Seite 86 BUJ-Geschäftsstelle Bundesverband der Unternehmensjuristen (BUJ) Mainzer Landstraße 251 60326 Frankfurt am Main Telefon 069 7595-3060 Fax 069 7595-3065 [email protected] · www.buj.net Ausgabe 6/2016 81 VERBAND unternehmensjurist Compliance-Arbeit braucht neue Denkansätze Von politischen über wirtschaftliche bis hin zu praktischen Informationen rund um die Compliance: Der diesjährige Compliance Summit bot eine gute Gelegenheit, sich auf Augenhöhe auszutauschen. Es fehlt in Unternehmen bis heute häufig das Verständnis dafür, dass Compliance einer entsprechenden Unternehmenskultur bedarf, um zu funktionieren. Das Thema ist vielen Mitarbeitern und auch Führungskräften nach wie vor fremd. Zum Auftakt des 5. Compliance Summits wurden grundsätzliche Fragen aufgeworfen: Ist Compliance alter Wein in neuen Schläuchen oder haben sich tatsächlich Veränderungen in der Praxis ergeben? Was sind die Herausforderungen für den Compliance Officer der Zukunft? Dr. Dirk Lorenz, Partner bei Taylor Wessing, betonte, man müsse endlich vermitteln, dass es sich um mehr als nur eine Modeerscheinung handele. Es gehe um keine Neubezeichnung altbekannter Vorgänge, sondern um ein in heutiger Zeit tatsächlich unerlässliches Instrument für den Erfolg eines Unternehmens. Lorenz verglich den Compliance Officer mit einem Marathonläufer und fragte: Was treibt ihn an? Für die meisten Läufer seien auf den über 42 Kilometern die Anfeuerung und der Jubel der Menschen am Rand der Rennstrecke die beste Motivation. Zur Arbeit der Compliance-Verantwortlichen zog Lorenz eine einfache Parallele: Es sei wichtig, bei den Mitarbeitern Begeisterung für das Thema Compliance zu schaffen. Erst wenn alle überzeugt seien, bekomme der Verantwortliche die nötige Unterstützung. Die Chefetage muss die Compliance-Kultur vorleben „Die Führungskräfte leben da doch noch oft in der Vergangenheit. Die aktuelle unternehmerische Compliance-Praxis stellt immer noch ein lapidares Abhaken von Regelwerken dar. Das Ganze darf sich aber nicht in einer bloßen Förmelei verlieren“, warnte Prof. Dr. Stephan Grüninger in der Podiumsdiskussion. Nach Dr. Helmut Krenek, Vorsitzender Richter am LG München, ist das Gebiet rund um die Regeleinhaltung in Unternehmen nicht delegierbar. Der Vorstand müsse sich kontinuierlich über die Vorgänge im Un- 84 Ausgabe 6/2016 ternehmen informieren. Die ComplianceKultur lasse sich im oft beschworenen „tone from the top“ festmachen – dem von der Unternehmensleitung nicht nur kommunizierten, sondern vor allem gelebten Leitbild. Prof. Dr. Grüninger erinnert sich, dass man früher als Compliance-Chef noch als „Handaufleger“ belächelt wurde. Das habe sich etwas geändert, seitdem man verstanden habe, dass das eine echte Führungs- und Managementaufgabe sei. Nur so könne man auch den letzten Mitarbeiter von der Notwenigkeit eines Compliance-Systems überzeugen. Der wissenschaftliche Direktor des Konstanz Institut für Corporate Governance plädierte daher für Mitarbeitertrainings „mit Juristen und nicht nur für Juristen“. Zum Verhältnis von Theorie und Praxis Im Laufe der Diskussion äußerte Dr. Hans Richter, Oberstaatsanwalt a. D., auf äußerst charmante und humorvolle Art seine Meinung zur Delegation von Verantwortung. Dem Strafrecht sei das Wort „Compliance“ komplett fremd. An solchen Formulierungen halte man sich erst gar nicht auf. Da müsse man schon am Gesetz ansetzen. Verschiebe man die Verantwortung über die Einhaltung von unternehmerischen Regeln, könne das nämlich durchaus eine Unterlassensstrafbarkeit begründen, zum Beispiel wegen Betruges. Der strafrechtliche Anknüpfungspunkt sei dabei die tatsächliche Handlung und nicht das, „was auf dem Papier steht“. Man könne sich daher noch so sehr durch Zertifikate zu exkulpieren versuchen, am Ende sei relevant, wer welche ComplianceAufgaben auch tatsächlich übernommen hat. Dem widersprach Dr. Helmut Krenek, indem er darauf hinwies, dass eine seriöse Compliance-Zertifizierung ein gewichtiges Indiz dafür sei, dass Regelkonformität innerhalb eines Unternhemens gelebt wird. Mit einem ordnungsgemäß erteilten Zertifikat könne man in der Regel davon ausgehen, dass der Vorstand seiner Verantwortung gerecht werde. Hier zeigte sich deutlich, dass der Ansatzpunkt der Wissenschaft an strafbares Handelns ein anderer ist als der der Unternehmenspraxis. Immer strengere Vorschriften zu Berichterstattungspflichten Großer Gesprächsbedarf zeigte sich am nächsten Tag bei den Vorträgen von Dr. Björn Demuth (Partner bei CMS) und Dr. Daniel Kaiser (Counsel bei CMS). Sie gaben einen kurzen Überblick zum Thema „Wie die Panama Papers das internationale Steuer- und Strafrecht verändern“. Die Veröffentlichung der Rohdaten der Panama-Papers hatte zu wilden Spekulationen von Medien und deren Konsumenten über daraus folgende Strafverfahren geführt, nachdem das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2010 entschieden hatte, dass angekaufte Daten im Ermittlungsverfahren verwendet werden dürfen. Die CMS-Anwälte führten aus, dass das für Unternehmen komplexe Gebiet der Compliance durch die anvisierten Kontrollmaßnahmen noch schwieriger zu handhaben werde, zwischen den Finanz- und Strafverfolgungsbehörden eine noch stärkere Zusammenarbeit zu erwarten sei und Steuerbehörden künftig besonders sensibel bei der Prüfung von Geschäftsbeziehungen zu Briefkastengesellschaften im Ausland vorgehen würden. Carsten Beisheim, ehemaliger Leiter Konzernrecht und Compliance der Wüstenrot & Württembergische AG, sprach die neuen Berichtspflichten an, die es nach der CSRRichtlinie und dem Umsetzungsgesetz geben werde. Seiner Meinung nach muss das Thema CSR anders betrachtet werden. Es habe im Wesentlichen ein Paradigmenwechsel stattgefunden: Von Unternehmen werde mehr denn je Transparenz erwartet. Während CSR bisher aber vor allem auf freiwilliger Basis durchgeführt wurde, verpflichtet die EU zukünftig bestimmte Unternehmen, über Aspekte der Nachhaltigkeit zu berichten. Viele kapitalmarktorientierte VERBAND unternehmensjurist Dr. Hans Richter Inka MüllerSchmäh Lars Riether Oberstaatsanwalt a. D., Staatsanwaltschaft Stuttgart Geschäftsführerin, Vereinigung SportsponsoringAnbieter e.V Senior Manager Compliance Audits, Deutsche Post DHL Group Unternehmen müssen daher ab dem 1. Januar 2017 einen Nachhaltigkeits- oder CSRBericht veröffentlichen. schiedlichsten Strukturen anzupassen – von der Amateurliga bis hin zum Spitzensport. wirksames Risikomanagement als weiteres Aufdeckungstool unerlässlich. Dr. Philip Matthey betonte wiederholt, dass Compliance und Risikomanagement keine Instrumentarien für Leute sind, „die im Elfenbeinturm leben“. Die Themen müssten vielmehr offen kommuniziert werden. Es sollte in Zukunft positiver angenommen werden, wenn jemand im Unternehmen eine Risikoquelle aufzeigt und nicht – mitunter aus Angst – verschweigt. Nur so ließe sich eine Risikominimierung verwirklichen. Compliance auch im Interesse des Sports Sehr authentisch gab Inka Müller-Schmäh, Rechtsanwältin und Geschäftsführerin der Vereinigung Sportsponsoring Anbieter e. V. (VSA), einen Überblick der Compliance aus Sicht von Sportverbänden und -sponsoren. Müller-Schmäh referierte quasi in eigener Sache: Seit 1997 ist sie als Schiedsrichterin im Einsatz, seit 1999 auch in der HerrenOberliga und -Regionalliga, 2008 sogar bei den Olympischen Spielen. Es war für sie normal, als Linienrichterin offensichtlich falsche Entscheidungen eines Schiedsrichters zu korrigieren. 2005 stellte sich heraus, dass sie so als Assistentin des dann der Bestechlichkeit überführten Robert Hoyzer einmal eine Spielmanipulation verhindert hatte. Mit der Professionalisierung des Sports seien natürlich auch die finanziellen Anreize und Manipulationsrisiken gestiegen, so Inka Müller-Schmäh. Um die integrative Kraft des Sports und die dadurch verbundene Vermittlung von Werten weiter voranzutreiben, hätten deutsche Profiligen schon sehr früh Lizenzierungsverfahren eingeführt und immer weiter ausgebaut, für Müller-Schmäh ein „Fair-Play-Meilenstein“. Die Herausforderung bleibe, Compliance auf die unter- Risiken direkt benennen und erkennen Nach Ansicht von Dr. Philip Matthey, Chief Compliance Officer der MAN SE, ist ein funktionierendes Risikomanagement der Schlüssel zum Erfolg. Er referierte über das Thema: „Risikomanagement als zentrale Herausforderung für die ComplianceVerantwortlichen.“ Es sei von wesentlicher Bedeutung, dass das Vorhandensein von Risiken bewusst wahrgenommen und offen angesprochen wird. Hinweise auf mögliche Risiken dürfen keinesfalls als „Pessimismus” gebrandmarkt werden. Es sei auch nicht zu empfehlen, scheinbar unbedeutende Risiken in ihren Auswirkungen zu verharmlosen. Unternehmen erkennen heute, dass alle ihre Informationen, unabhängig von deren Format und Quelle, für die Geschäftstätigkeit wichtig sind. „Noch vor zwei Jahren hatte ich so gut wie keine Ahnung von dem Thema“, gab Dr. Matthey während seines Vortrags zu. Er habe erst lernen müssen, dass das Thema von wirklicher Relevanz ist. Jedes Projektgeschäft berge ein Korruptionsrisiko, da es in Unternehmen immer wieder „Blind Spots“ gebe. Den Compliance-Verantwortlichen müssten deshalb genügend Einblicke gewährt werden. Daher sei ein Die richtigen Informationen zu erhalten, ist nicht immer leicht „Das wichtigste ist ein klares Mandat“, bekräftigte Lars Riether, Senior Manager Compliance Audits der Deutsche Post DHL Group. Nach seiner Meinung muss in einem Unternehmen festgelegt sein, wer für welchen Compliance-Bereich in welchem Umfang zuständig ist. Spannend wurde es, als er davon berichtete, wie er an Informationen über einen ComplianceVerstoß kommt. Dies bedeute oft einen Spagat zwischen Geheimhaltung und Informationsinteresse. In humoriger Manier erzählte er dem Publikum, dass er sich vor längerer Zeit einmal mit einem „Whistle blower“ auf einer Flugzeugtoilette treffen musste, um an Informationen zu kommen. Dieser sei zu keinem anderen Treffpunkt bereit gewesen. Andrea Hartmann Ausgabe 6/2016 85 Termine 2017 Stand: November 2016 Stand: November 2016 26. bis 27. Januar 2017 · Berlin 2017 Auftakt am Vorabend (25. Januar) www.unternehmensjuristen-kongress.net 14. März 2017 · Köln Auftakt am Vorabend (13. März) 25. April 2017 · Stuttgart Auftakt am Vorabend (24. April) Legal Tech Summit 2017 26. April 2017 · Stuttgart Auftakt am Vorabend (25. April) 20. Juni 2017 · Düsseldorf Auftakt am Vorabend (19. Juni) 21. Juni 2017 · Düsseldorf Auftakt am Vorabend (20. Juni) September 2017 · Frankfurt IT-Recht 2017 & Digitalisierung September 2017 · Frankfurt 11. Oktober 2017 · München Auftakt am Vorabend (10. Oktober) 12. Oktober 2017 · München Auftakt am Vorabend (11. Oktober) 14. November 2017 · Frankfurt Auftakt am Vorabend (13. November) 29. November 2017 · München Summit Ein Netzwerk für die Zukunft Auftakt am Vorabend (28. November) www.buj.net REGISTER/IMPRESSUM unternehmensjurist PERSONENREGISTER Barwick, Susanne, Börsenverein des Deutschen Buchhandels (8) Beisheim, Carsten (84) Berner, Dierk, Coop eG (8) Bissels, Dr. Alexander, CMS Hasche Sigle (61) Boje, Norman, Coop eG (8) Bong, Andreas, Otto Henning GmbH (25) Brügmann, Dr. Stefan, Landesbank Hessen- Thüringen (77) Brunnschweiler, Stefan, CMS (14) Currier, Charles, CMS (14) Demuth, Dr. Björn, CMS Hasche Sigle (84) Dueck, Gunter (18) Eschen, Nikolas, Brookfield Developments (Ger- many) GmbH (8) Eue, Dr. Jens (26) Eversberg, Dr. Arndt, Roland ProzessFinanz AG (51) Freifrau Ebner von Eschenbach, Marie-Alix, BUJ (10, 20) Furth, Dr. Rasmus, ING Wholesale Banking Germany (46) Gates, Bill (36) Graf, Christian, Handelskammer Hamburg (56) Grüninger, Prof. Dr. Stephan, Konstanz Institut für Corporate Governance KICG (81) Grünvogel, Dr. Thomas, CMS Hasche Sigle (67) Häuser, Dr. Markus, CMS Hasche Sigle (21) Hange, Michael (16) Harnier, Dr. Gabriel, Bayer AG (8) Hartung, Markus, Bucerius Center on the Legal Profession (CLP) (50) Hartwig, Niels, BUJ (83) Hartwig, Roland, Bayer AG (8) Hauschild, Dr. Armin (26) Hemeling, Dr. Peter, Allianz SE (9) Hildebrand, Dr. Rolf (57) Hirschmann, Dr. Christoph, Kelvion Holding GmbH (25) Hofman, Dr. Bernhard, Bayerische Versorgungskammer (46) Hufeld, Felix, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (42) Jochheim, Dr. Susanne, BRP Renaud und Partner mbB (33) Jones, Markus, Universitätsklinikum Heidelberg (57) Kaiser, Daniel, CMS Hasche Sigle (84) Kasch, Rüdiger, Coop eG (8) Kaßmann, Götz, BUJ (83) Kienast, Rainer, CMS Hasche Sigle (10) Klahold, Dr. Christoph, Thyssenkrupp AG (78, 86) Kilian, Dr. Robert, N26 Bank GmbH (38) Knebel, Carolin, Leica Camera AG (74) Krause, Nils, DLA Piper (88) Krenek, Dr. Helmut, Landgericht München (84) Krumbach, Torsten, Bosch Sicherheitssysteme GmbH (25) Löwe, Dr. Henning, Hanseatische Rechtsanwalts- kammer Hamburg (88) Lorenz, Dr. Dirk, Taylor Wessing (84) Lund, Morten (35) Matthey, Dr. Philip, MAN SE (85) McGuire, Prof. Dr. Mary-Rose, Universität Mannheim (88) Mehnert, Frederik, Amadeus FiRe AG (49) Müller-Schmäh, Inka, Vereinigung SportsponsoringAnbieter e. V. (VSA) (85) Ost, Prof. Dr. Konrad, Bundeskartellamt (86) Paeffgen, Theo, Foris AG (49) Pahle, Kaus, ING Wholesale Banking Germany (46) Paschen, Dr. Ulrich, QM-Beratung in Medizin und Wissenschaft (56) Pertlwieser, Dr. Markus, Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG (38) Przibilla, Stefan, Leica Camera AG (74) Raum, Dr. Rolf, Bundesgrichtshof (81) Ress, Dr. Hans-Konrad, Allianz SE (9) Richter, Dr. Hans (84) Riesen, Viktoria, Leica Camera AG (74) Riether, Lars, Deutsche Post DHL Group (85) Roegele, Elisabeth, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (83) Rönnau, Prof. Dr. Thomas, Bucerius Law School (86) Schafstedde, Dr. Malte, Auxmoney GmbH (38) Schäfer, Florian, Leica Camera AG (71) Scheel, Dr. Tabea, Fernuniversität Hagen (76) Schichl, Dr. Peter, Deutsche Telekom AG (17) Schneider, Ewan, Leica Camera AG (74) Schöning, Dr. Falk, Hogan Lovells (68) Schüttelkopf, Elke, Schüttelkopf GmbH (78) Seidl, Martina, Fujitsu Technology Solutions GmbH (71) Spang, Prof. Dr. Christian, Börsenverein des Deutschen Buchhandels (8) Stalf, Valentin, Number26 GmbH (40) Stenzel, Jonas, Siemens Wind Power (49, 57) Szarowicz, Tobias, Bundesverband Deutsche Startups e. V. (67) Tayenthal, Maximilian, Number26 GmbH (40) Theimer, Jörg, Leica Camera AG (72) Theune, Thomas, Gema - Gesellschaft für musika- lische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (10) Tönnies, Clemens (86) Tygges, Thorsten, Coop eG (8) Vida, Peter, Wimdu GmbH (49) Vocke, Jörg, Siemens AG (18) Werths, Wolfgang, Hochtief AG (60) Wittig, Solms U., BUJ (81) von Bölcsházy, Emese, Leica Camera AG (74) von Bronk, Georg, BUJ (83) von Hugo, Dr. Philipp, Qiagen GmbH (26) Walter, Dr. Daniel, Osborne Clarke (40) Zikesch, Philipp, PricewaterhouseCoopers AG WPG (88) BILDNACHWEIS Titel, 6 thinkstock/francisbonami 6, 32 123RF/sheeler 7, 50 istockphoto/3dfoto 7, 72, 73, 75 Leica Camera AG 20 Siemens AG 27 123RF/Daniel JÄ™dzura 35 AntheZ Fotografie – Gregor Anthes 36, 40 N26 Bank GmbH 45 Audi AG 56 fotolia/FM2 (Montage) 66 123RF/Peter Mocsonoky 72 fotolia/Jeanette Dietl 76 fotolia/zimmytws 81, 83 Stefan Schmerold Alle anderen Bilder mit freundlicher Genehmigung der Porträtierten. 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