Generate PDF - H-Net

CFP: Internationales literaturwissenschaftliches DFGSymposium “Digitale Literaturwissenschaft”, Villa Vigoni,
Menaggio (31.12.2016)
Discussion published by Isabella Reger on Friday, November 18, 2016
Im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft soll vom 9. bis 13. Oktober 2017 in der Villa
Vigoni ein internationales literaturwissenschaftliches Symposion zum Thema „Digitale
Literaturwissenschaft“ stattfinden. Es folgt organisatorisch dem Muster der Germanistischen
Symposien der DFG, wie sie seit den 1970er Jahren durchgeführt wurden. Die Konferenzsprachen
sind Englisch und Deutsch, wobei alle Teilnehmer in der Lage sein sollten, Beiträge in beiden
Sprachen zu lesen und der Diskussion in beiden Sprachen zu folgen.
Medienwandel, Digitalisierung und Vernetzung haben in den letzten Jahren eine Reihe von
Herausforderungen an die Literaturwissenschaften gestellt, die jedoch zugleich
Entwicklungschancen sind. Erstens hat sich ihr Gegenstand, also das System Literatur mit
Produktion, Distribution und Rezeption, teilweise verändert: Neue Literaturformen, z.B. der
literarische Hypertext, sind hinzugekommen; neue Medienformen sind aufgetaucht, von denen zur
Zeit noch nicht klar ist, ob sie Teil der Literaturwissenschaft bleiben oder nicht, z.B. Textadventures.
Die Produktionsweise von Literatur hat sich verändert, die meisten Texte entstehen heute mit
digitalen Schreibgeräten, und die Nachlässe von Autoren haben entsprechend eine andere Form. Und
nicht zuletzt haben die Instanzen der Literaturvermittlung wie die Verlage und der Vertrieb sowie die
Rezeptionsweisen Veränderungen und Umschichtungen erfahren, auch durch den Erfolg von EBooks. Zweitens haben sich die Forschungsmethoden und Arbeitsweisen der Literaturwissenschaft
durch die Digitalisierung und Vernetzung verändert. Das beginnt mit der Art und Weise, wie in der
Editionsphilologie zuverlässige Texte als Arbeitsgrundlage erstellt werden, hat aber auch Bereiche
wie die Textanalyse – etwa durch die Analyse von sehr großen Textsammlungen –, die Metrikanalyse
und die Handschriftenkunde erreicht. Drittens haben sich die Schnittstellen der
Literaturwissenschaft verändert. Etablierte Kooperationen, etwa mit den Bibliotheken und den
Archiven, haben sich einschneidend gewandelt, neue Kooperationen, etwa mit den Digital
Humanities, der Informatik, der Computerlinguistik oder mit Standardisierungsinstitutionen wie der
Text Encoding Initiative, sind hinzugekommen. Außerdem haben sich durch diese Veränderungen
auch neue ethische und juristische Fragekomplexe herausgebildet. Und nicht zuletzt sind auch die
Lehre und die Wissenschaftskommunikation selbst davon betroffen.
Ziel des Symposiums ist es, die Veränderungen der Literaturwissenschaft auf diesen verschiedenen
Ebenen systematisch zu diskutieren. Allerdings kann aufgrund der Komplexität der diversen
Phänomene nicht erwartet werden, dass die Bereiche vollständig erschlossen werden. Vielmehr geht
es darum, auf der Grundlage von exemplarischen Einzelstudien die spezifischen Probleme zu
erschließen und daran stellvertretend einen Einblick in die Dynamik der Veränderungen zu
gewinnen. Wünschenswert ist ein primär funktionaler Blick auf diesen Zusammenhang, der z.B.
deutlich macht, dass für das analytische Arbeiten mit einem Text die Tätigkeiten „Lesen“ und
„Suchen bestimmter Passagen“ aufgrund der neuen Medienbedingungen in unterschiedlichen
Medien realisiert werden können; ein anderes Beispiel: der Zugriff des Lesenden auf den Text kann
durch die physische Bewegung eines Objekt in die Lebenswelt des Lesers oder das Übertragen von
Citation: Isabella Reger. CFP: Internationales literaturwissenschaftliches DFG-Symposium “Digitale Literaturwissenschaft”, Villa
Vigoni, Menaggio (31.12.2016). H-Germanistik. 11-18-2016. https://networks.h-net.org/node/79435/discussions/153082/cf-internationales-literaturwissenschaftliches-dfg-symposiumLicensed under a Creative Commons Attribution-Noncommercial-No Derivative Works 3.0 United States License.
1
Daten auf ein Lesegerät geschehen (und jede Lösung ermöglicht oder erschwert andere
Anschlussoperationen).
Die folgende Aufteilung in Sektionen folgt nicht genau der eben skizzierten Unterteilung, da die
Entwicklungen einen unterschiedlichen Stand haben und das auch die Reflexion über diese
Entwicklungen betrifft.
I) Literatur unter digitalen Bedingungen (Simone Winko)
In dieser Sektion sollen die großen Umwälzungen, die das gesamte Literatursystem betreffen – von
der Produktion, Rezeption und Vermittlung von Literatur bis zu ihren Erscheinungsformen – in
Hinsicht auf ihre Auswirkungen für die Literaturwissenschaft behandelt werden. Bestandsaufnahmen
und Beschreibungen des Wandels im Literatursystem sollen also nicht das Ziel der Beiträge sein,
sondern als Ausgangspunkt dienen, um die Konsequenzen für literaturwissenschaftliche
Fragestellungen, Verfahrensweisen und Begriffsbestimmungen, auch unter fachgeschichtlicher
Perspektive, zu untersuchen.
Mögliche Themen sind u.a.:
●
●
●
●
Produktion von Literatur: Computer als Schreibwerkzeug, Digitale Nachlässe, Ko-Autorschaft im
Netz, Crowdsourcing, Schreiben in online-Literaturforen, Fanfiction
Erscheinungsformen von Literatur: Text in Bewegung (literarische Hypertexte, Maschinenpoesie,
textbasierte Computerspiele, interaktive E-Books), Text und soziale Interaktion (Literarische Blogs,
Literarische Apps, Social Games), mediale Reflexionen des Digitalen (z.B. Ausstellen der Textualität
und Materialität), Literatur im Medienverbund
Distribution und Rezeption von Literatur: neue Arten der Rezeption (E-Book-Lektüre,
Leserkommunikation im Netz), Verlage und Vertrieb (Produktionsbedingungen und
Vermarktungsstrategien, E-Books, Selbstverlage), Sprechen über Literatur (von der Feuilletonkritik
bis zu Social Reading-Plattformen)
Theorie- und Begriffsbildung: Auswirkungen der Veränderungen im Gegenstandsbereich auf
literaturwissenschaftliche Grundbegriffe wie ‚Literatur‘, ‚Gattung‘, ‚Text‘, und ‚Werk‘,
narratologische Konzepte (z.B. Multimedia Storytelling), die Konzeption literarischer Akteure
(Stichwort: Partizipationskultur)
II) Digitale Edition und Annotation (Andrea Rapp)
In dieser Sektion sollen Editionen, die sowohl Ergebnis als auch Grundlage und Ausgangspunkt
wissenschaftlicher Forschung sind, sowohl im Hinblick auf den digitalen Produktionsprozess als auch
auf die erweiterten Rezeptions- und Auswertungsmöglichkeiten digitaler Präsentationsformen
behandelt werden. Der Schwerpunkt der Beiträge soll dabei auf der Analyse der Herausforderungen
liegen, die sich ergeben, wenn philologisches Wissen in formalen Notationssystemen ausgedrückt
wird.
Mögliche Themen sind u.a.:
Citation: Isabella Reger. CFP: Internationales literaturwissenschaftliches DFG-Symposium “Digitale Literaturwissenschaft”, Villa
Vigoni, Menaggio (31.12.2016). H-Germanistik. 11-18-2016. https://networks.h-net.org/node/79435/discussions/153082/cf-internationales-literaturwissenschaftliches-dfg-symposiumLicensed under a Creative Commons Attribution-Noncommercial-No Derivative Works 3.0 United States License.
2
●
●
●
●
●
Erstellung digitaler Editionen: Standards, darunter technische und editionsphilologische Standards
(z. B. TEI/XML, EpiDoc, MEI usw.), Werkzeuge und Arbeitsumgebungen, Workflows, kollaborative
Erstellung, social edition, Qualitätssicherung, editionsphilologische Reflexion
Formen digitaler Editionen: mediale Aspekte, z. B. medienadäquate Präsentationsformen,
multifunktionale Editionen (z. B. unterschiedliche Sichten auf Texte, Integration in Sprachkorpora
usw.), dynamische Editionen, multimodale und multimediale Formen, Einbindung von Faksimiles,
Verhältnis Print-Digital
Annotation und Auswertung digitaler Editionen: Metadaten, Annotation von
literaturwissenschaftlichen Phänomenen und weiteren Daten (z. B. Figuren, Redeanteile,
Erzählperspektiven, Personen, Orte, Ereignisse), Aufbau von Test- und Trainingskorpora,
Normdaten, Vernetzung von Editionen und weiteren Materialien wie Wörterbücher, Enzyklopädien,
Biographien usw., Manuskriptanalyse und digitale Darstellung, Verhältnis von Original und
Digitalisat, digitale Kodikologie und Paläographie, Layoutanalyse, Schreibererkennung, quantitative
Kodikologie
Kontext digitaler Editionen: Wahrnehmung und wissenschaftliche Nutzung von digitalen kritischen
Editionen, Auswirkungen auf Kanonisierungsprozesse,, Wechselwirkungen editionsphilologischer
und literaturwissenschaftlicher Fragestellungen
Vielfältige Anknüpfungspunkte ergeben sich darüber hinaus zu den Themen der anderen Sektionen,
wenn man beispielsweise an digitale Editionen und Korpora als Grundlage digitaler
Analyseverfahren oder die Rolle von Bibliotheken, Archiven und Verlagen bei der Erstellung und
Bewahrung digitaler Editionen denkt.
III) Textanalyse (Jan Christoph Meister)
In dieser Sektion sollen die konzeptionellen wie technologischen Rahmenbedingungen, Möglichkeiten
und Grenzen digitaler Textanalyse unter besonderer Berücksichtigung der Anforderungen der
hermeneutisch-historisch orientierten Literaturwissenschaften behandelt werden. Im Zentrum steht
dabei die Frage, inwieweit im Kern qualitative, verstehensbezogene philologische Fragestellungen
sinnvoll vermittelt und bearbeitet werden können mit digitalen Verfahren, die methodologisch
gesehen ihrerseits sowohl eine quantifizierende Konzeptualisierung des Gegenstands “Text” resp.
“Textkorpus” wie eine entsprechende Operationalisierung der hermeneutischen wie historischen
Fragestellungen voraussetzen.
Mögliche Themen sind u.a.:
●
●
●
●
●
●
Stylometrie
Topic Modeling, Inhaltsanalyse, named entity recognition
Figurennetzwerke, Figurenkonstellationen im Drama usw.
Metrikanalyse, Erzähltextanalyse (computational narratology)
distant reading-basierte Analysen großer Textkorpora
machine learning-basierte Ansätze zur automatischen Erkennung und Distributionsanalyse von auf
Textebene non-literal (z.B. metaphorisch, allegorisch, symbolisch etc.) referenzierten Objekten und
ideellen Entitäten
Diese und weitere mögliche Anwendungsbereiche der digitalen Textanalyse sollen dabei
Citation: Isabella Reger. CFP: Internationales literaturwissenschaftliches DFG-Symposium “Digitale Literaturwissenschaft”, Villa
Vigoni, Menaggio (31.12.2016). H-Germanistik. 11-18-2016. https://networks.h-net.org/node/79435/discussions/153082/cf-internationales-literaturwissenschaftliches-dfg-symposiumLicensed under a Creative Commons Attribution-Noncommercial-No Derivative Works 3.0 United States License.
3
grundsätzlich immer im Abgleich mit den traditionell etablierten philologischen Arbeitsweisen
thematisiert werden, um so einerseits den speziellen ‘Mehrwert’ von digitalen Ansätzen kritischreflektierend zu fassen, andererseits ihre methodologisch wie technologisch gegebenen Grenzen zu
erkennen.
IV) Schnittstellen (Thomas Stäcker)
Eine Schnittstelle ist einerseits ein technisches Protokoll zur Nachrichtenübermittlung, andererseits
bezeichnet sie im übertragenen Sinne die Übergangsstelle zwischen verschiedenen, in sich
geschlossenen Systemen. Durch definierte Rahmenbedingungen bzw. Standards ermöglicht sie den
Austausch von (Meta-)Daten, ist aber auch Voraussetzung für gemeinschaftliche über
Einzelforschungsprojekte hinausreichende Arbeitsformen sowie die wissenschaftliche
Ergebnissicherung durch geeignete Forschungsinfrastrukturen. Die Entwicklung dieser
Schnittstellen in einem weiten Sinne und der Literaturwissenschaften kann als Koevolution
verstanden werden, und die gegenseitige Bedingtheit soll Gegenstand der Beiträge dieser Sektion
sein.
Mögliche Themen sind u.a.:
●
●
●
●
●
●
●
Standardbildung und Normdaten: Texte mit generischem Markup (insb. TEI) in Verbindung mit
gängigen Normdaten wie GND oder TGN als Austauschformat und Grundlage digitalen Arbeitens
Anforderungen an Bibliotheken und Archive als institutionelle Forschungsinfrastrukturen und
Partner einer digitalen Literaturwissenschaft (u.a. in der Langzeitverfügbarkeit, Beratung und
Schulung, Bereitstellung von Werkzeugen, Publikation)
Digitale Quellen- und Volltextbereitstellung: Kriterien der Bild- und Textqualität für Editionen, der
digitalen Sammlungsbildung oder Methoden der Digital Humanities
Quellen und Dokumente im Open Access: Entwicklung neuer wissenschaftlicher
Publikationskulturen, -formen und - objekten, Research data life cycle in der Dokument- und
Datenpublikation
Gemeinsames Arbeiten in virtuellen Forschungsräumen sowie Vernetzung
literaturwissenschaftlicher Forschungsvorhaben im semantic web
Veränderung von Wissenschaftskommunikation und Lehre
Ethische und rechtliche Fragen: Popularisierung, Zugänge zu Dokumenten und Sammlungen,
Nachnutzung und Zuschreibung von Texten
Zum Verfahren:
Das Symposion wird zugunsten eingehender Diskussionen von der Verlesung von Vorträgen
freigehalten. Alle Beiträge werden den Teilnehmern vor der Tagung auf elektronischem Weg
zugesandt. Zusammen mit Diskussionsberichten sollen die Beiträge gleich im Anschluss an das
Symposion publiziert werden. Um die Veranstaltung arbeitsfähig zu halten, wird die Zahl der
Beteiligten auf max. 35 begrenzt. Eine schriftliche, prinzipiell druckfertige Vorlage bildet die
Voraussetzung für eine Teilnahme. Erwartet wird, dass die Teilnehmer an allen Tagen der
Citation: Isabella Reger. CFP: Internationales literaturwissenschaftliches DFG-Symposium “Digitale Literaturwissenschaft”, Villa
Vigoni, Menaggio (31.12.2016). H-Germanistik. 11-18-2016. https://networks.h-net.org/node/79435/discussions/153082/cf-internationales-literaturwissenschaftliches-dfg-symposiumLicensed under a Creative Commons Attribution-Noncommercial-No Derivative Works 3.0 United States License.
4
Veranstaltung präsent sind und mitdiskutieren.
Interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des In- und Auslandes, insbesondere jüngere
(in der Regel jedoch nicht schon Doktoranden) sind eingeladen, dem Unterzeichnenden spätestens
bis zum
31. Dezember 2016
ihre Bereitschaft zur Teilnahme und ihren Themenvorschlag mitzuteilen, ein kurzes Exposé
beizufügen und eine Sektionszuordnung vorzuschlagen. Auf der Grundlage der Exposés werden die
Veranstalter der DFG vorschlagen, wer zu diesem Symposion eingeladen werden soll.
Die endgültigen Druckfassungen der Vorlagen müssen die zuständigen Kuratoren spätestens bis zum
1. Mai 2017 erreicht haben. Der Höchstumfang einschließlich der Anmerkungen liegt bei 30 Seiten à
1800 Zeichen; kürzere Vorlagen sind willkommen.
Reisekosten (Fahrtkosten und Tagegelder) übernimmt die DFG nach den Bestimmungen des
Bundesreisekostengesetzes, sofern sie nicht von der Heimatinstitution getragen werden.
Prof. Dr. Fotis Jannidis, Universität Würzburg
<[email protected]>
Adressen der Kuratoren:
Prof. Dr. Jan Christoph Meister <[email protected]>
Prof. Dr. Andrea Rapp <[email protected]>
Dr. Thomas Stäcker <[email protected]>
Prof. Dr. Simone Winko <[email protected]>
Diese Ankündigung wurde von H-GERMANISTIK [Nils Gelker] betreut – [email protected]
Citation: Isabella Reger. CFP: Internationales literaturwissenschaftliches DFG-Symposium “Digitale Literaturwissenschaft”, Villa
Vigoni, Menaggio (31.12.2016). H-Germanistik. 11-18-2016. https://networks.h-net.org/node/79435/discussions/153082/cf-internationales-literaturwissenschaftliches-dfg-symposiumLicensed under a Creative Commons Attribution-Noncommercial-No Derivative Works 3.0 United States License.
5