Wir schaffen das: Der Anfang ist gemacht!

IM BLICKPUNKT
Wir schaffen das:
Der Anfang ist gemacht!
Von Dr. Heino Klingen
Foto: Becker&Bredel
Als Angela Merkel im vergangenen Jahr mit
ihrem Kurzsatz „Wir schaffen das“ dem
Druck der wachsenden Zahl ankommender
Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen
Grenze nachgab, setzte sie damit auch ein
starkes Signal für eine neue Willkommenskultur in Deutschland. Denn die Grenzöffnung war mehr als eine Geste. Sie war auch
Ausdruck einer zutiefst humanitären Einstellung. Und das wurde in weiten Teilen
der Bevölkerung auch so verstanden. Spontan fanden sich überall Menschen zusammen, die Neuankömmlingen ihre Hilfe
anboten. Daraus ist dann eine breite Bewegung geworden, in der sich viele Ehrenamtliche und die unterschiedlichsten Organisationen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und
Sport zusammenfanden, um auf je eigene
Art zu helfen.
Allerdings gab es auch von Anfang an
Widerstand gegen die „massenhafte, unkontrollierte Zuwanderung“ und gegen die Politik, die diese erst möglich gemacht hat.
Von Staatsversagen war die Rede und von
Rechtsbruch, der unser Land „in einem Akt
des Souveränitätsverzichts der Überrollung
preisgegeben“ hat – so der Philosoph Peter
Sloterdijk.
Wie das: Eine Million überrollen einundachtzig Millionen? Schwer vorstellbar. Aber was
kümmern Fakten, wenn die Botschaft das
Ziel ist. Und darin sind sich die vielen Kritiker des Merkel’schen Satzes einig: Wir
wollen nicht in einer Welt leben, in der das
gelebte Wirklichkeit ist, wozu der Satz anstiftet und Mut macht – die Integration der
Zugewanderten. Da bleibt nur zu hoffen,
dass die berühmte normative Kraft des Faktischen auch auf diesem Feld ihre Wirkung
nicht verfehlt.
Doch wie steht es um diese Kraft? Bestehen
überhaupt Chancen, dass die Integration
gelingt? Wie sieht es im Saarland aus? Und
wo stehen wir auf diesem Weg? Um mit der
letzten Frage anzufangen: Noch am Anfang,
aber nicht mehr bei null. Im vergangenen
Jahr kamen rund 13.000 Flüchtlinge ins
Saarland, davon knapp 11.500 Syrer. Dank
zügiger und bundesweit vorbildlich kurzer
Anerkennungsverfahren konnten diese
schon nach wenigen Wochen auf die Kommunen verteilt werden, wo sie eigene Wohnungen bezogen. Das hilft, deutsche Gewohnheiten kennenzulernen und erste
Integrationsschritte zu gehen; von A wie
Abfalltrennung über M wie Mittagsruhe
einhalten bis S wie Sekundärtugenden beachten.
An dieser Stelle hat dann aber auch die eigentliche Integrationsarbeit anzusetzen. Die
Chancen dafür sind gut. Denn zu uns sind
hauptsächlich Syrer gekommen, die eine
hohe Lern- und Arbeitsbereitschaft haben.
Dennoch: Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass die Integration der Neuankömmlinge kein Selbstläufer ist, sondern der
Staat und die Bürgergesellschaft gefordert
sind. Selbst unter leidlichen Voraussetzungen dauert es fünf bis zehn Jahre, ehe die
Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen können.
Unabdingbar dafür sind gute deutsche
Sprachkenntnisse. Unsere IHK und der Verein „Saarwirtschaft hilft Flüchtlingen“
haben deshalb den Schwerpunkt ihrer Unterstützungsleistungen auf die Sprachförderung gelegt. Wir möchten dazu beitragen,
für die darauf aufsetzenden Integrationskur-
se des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge (BAMF) die Weichen zu stellen.
Hier haben sich allerdings zuletzt Wartelisten aufgebaut, weil nicht genügend zertifizierte Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Das
verzögert die Integration und erhöht die
Arbeitslosigkeit, weil ein erfolgreich abgeschlossener Integrationskurs eine notwendige Voraussetzung für ein Beschäftigungsverhältnis ist. Hier besteht politischer
Handlungsbedarf.
Nichtsdestotrotz nimmt die Integration in
den Arbeitsmarkt Fahrt auf. Seit Mitte dieses Jahres haben rund 740 Asylanten eine
Erwerbstätigkeit aufgenommen und gut 160
eine Ausbildung begonnen. Das sind zusammen rund fünf Prozent der in den beiden
letzten Jahren registrierten Flüchtlinge.
Aus Gesprächen mit Unternehmen, unter
anderem während unserer IHK-Praktikumsund Ausbildungstouren, wissen wir, dass
die Einstellungsbereitschaft auch weiterhin
hoch ist. Dass noch nicht mehr Flüchtlinge
einen Job haben, hängt auch damit zusammen, dass das Qualifikationsniveau im Einzelnen oft nur schwer einzuschätzen ist.
Und wer möchte schon die Katze im Sack
kaufen? Doch auch hier sind wir auf einem
guten Weg. Denn im Welcome-Center von
saar.is kümmern sich inzwischen zehn Mitarbeiter um Kompetenzfeststellungen und
Qualifikationsanalysen. Sie bieten den Unternehmen damit wichtige Hilfestellungen
im Matching von Anforderungsprofil und
Qualifikation.
Das alles zeigt: Integration ist machbar. Viele helfen mit. Die Politik hat wichtige Weichenstellungen im Arbeits- und Asylrecht
vorgenommen. Die Wirtschaftsorganisationen unterstützen den Integrationsprozess
mit vielfältigen und zahlreichen Projekten.
Und die Bürgergesellschaft hilft dort, wo
Politik und Wirtschaft machtlos sind – im
täglichen Klein-Klein des Alltags, bei Behördengängen, Entbindungsfahrten ins Krankenhaus oder einfach nur als Ansprechpartner und Anlaufstelle. Wir schaffen das? Ja!
Der Anfang ist gemacht. Tag für Tag, Stück
für Stück wird Integration gelebte Wirklichkeit in unserem Land.
SaarWi rtSchaft
11/2016
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