Von der Cloche t^um Turban und %ur Perücke Der Hut, so scheint es, hat gewonnenes Spiel I Seit er sich nicht nur den weiblichen Launen angepaßt, sondern auch den Forderungen unserer Zeit zu beugen bequemt hat, sind ihm die Frauen nicht mehr gram. Schon am Nachmittag verbindet er sich mit der Frisur, die ihren Platz mehr und mehr behauptet. Wer «Hut» sagt, der denkt auch gleich an die Frisur. Voluminös, hochstrebend und breit, diktiert sie dem Hut diesen Winter die besonders ihr angepaßte Form, und der Hut weiß ihren Tendenzen zu entsprechen. «Chainpagnerpfropfenhut» aus brasilianischen Straußenfedern in Beige- und Kastanienbrauntönen / Modell Svend, Kollektion Jacques licini Zwei Arten von Hüten sind diesen Winter zu unterscheiden: der eine umhüllt den Kopf und verbirgt das Haar, der andere, namentlich für den Abend bestimmte, setzt sich als Ornament auf die Frisur. Wenn die Pariserin diese Saison noch zögert, ihre Röcke kurzer zu tragen, so hat sie sich dafür für voluminöse Hüte entschieden. Hoch sind sie und leicht, lassen die Stirne frei, doch so, daß nur wenige Locken hervorgucken. Die Höhe des Hutkopfes ist vielleicht als Ausgleich zur verkürzten Silhouette zu verstehen. Bei den Modistinnen triumphiert die Cloche mit weichem, hohem, kunstvoll geformtem Kopf. Jean Barthet bezeichnet die Hutglocke als «Lampenglas», dessen Rand sich wellig bauscht und das Gesicht freigibt. Marie-Cristiane hat sich für runde Köpfe entschieden, Georgette de Treze setzt sich für kegelförmige Cloches mit welligen Rändern ein. Rose Valois zeigt lustige kleine Glockenhüte mit spitzen Köpfen. Auch bei Denise Chabaud sind kegelförmige Köpfe zu sehen. Ihre Hüte haben das Profil eines Fingerhutes. Bei Jacques Heim, der Hüte von Swend tragen läßt, herrscht die Cloche vom Morgen bis zum Abend vor. Mit ihrem seitlich aufgeschlagenen, nach vorn geneigten Rand wirkt sie ungezwungen und amüsant. Rand und spitzer Kopf sind zur Einheit verwachsen, das Material je nachdem Leopardenfell, weicher Filz oder abgesteppter Wollstoff. Auch Toques und Turbane werden diesen Winter eine große Rolle spielen. Die kühnsten unter ihnen erreichen die Höhe von Mamelukenmützen. Als «fleischig» möchte man diese neuen Toques bezeichnen, die zugleich an die Mütze des kleinen Zuckerbäckers von 1900 und an Champagnerpfropfen gemahnen. Da die diesen Winter verwendeten Materialien besonders weich sind, werden diese Mützen mit Drapierungen und Falten versehen. Toques und Kappen bekunden überdies eine große Vorliebe für Pelz. Jede Modistin hat ihre eigene Meinung über das Hutproblem. Claude St-Cyr wählte die Polomütze als Thema, die man, je nach Wunsch, gerade oder schräg aufsetzt. Sie läßt sich ebensogut aus pelz- oder samtähnlichen Filzen wie für den Abend aus brcchierten Stoffen oder bedruckten Jerseys anfertigen. Abendhut mit Rosen aas Samt / Modelt Lilly M.illhry Der Kosakenstil bleibt en vogue. Mit Einbruch der Dunkelheit beginnen Federn die Häupter zu krönen, und zu später Stunde sind es kostbare, von großmaschigem steifem Tüll umhüllte Toques von kegelförmiger Gestalt, die mit 'ihren Schleiern Gesicht und Oberkörper ganz umhüllen. rD e Clou der Saison aber sind die Perücken. Aus Federn, Blumenblättern, Seide gemacht, verschönen sie manches Gesicht und sind, nachdem sie sich schon im Frühling durchzusetzen begannen, nun in allen Kollektionen zu sehen. Die Hutmode nimmt sich bei den Couturiers immer etwas anders als bei den Modistinnen aus. Hauptaufgabe des Hutes ist und bleibt es hier, dem Stil eines bestimmten Kleides seinen besonderen Akzent zu verleihen. Es gibt denn auch bei den Couturiers keine dominierende Linie, vielmehr wird man von originellen, unerwarteten Formulierungen in jeder Kollektion überrascht. Lanvin-Castillo zeigt asymmetrische Perücken aus Seidenfransen, die bis auf die eine Schulter herabfallen. Heim umrahmt des Gesicht mit zerzausten Federn. Cardin liebt Perücken aus gelackten Federn, und bei Patou sind sie aus dicken Feuerkugeln oder Bandschleifen gemacht. Wir schen Kalmücken- und Dogenmützen, riesige Cache-Chignons in Kuppelform, minarettschlanke Hüte, mit Straußenfedern geschmückt, und ganze Käfige aus Tüll, die das Gesicht geheimnisvoll umschlciem. Bei Jean Dossos erscheinen große «Robin Hood-Hüte», die man nach Gutdünken formen und zurechtbiegen kann, bei Cardin fallen die Champignon-Toques auf, die eine Morchel nachahmen. Jacques Griffe überrascht uns mit riesigen Capelines aus Straußenfedern, die von der Romantik entschwundener Zeiten träumen machen. So entspricht die Hutmode in ihrer unendlichen Vielfalt der Formen dieses Jahr der Forderung, welche die Frauen seit je an sie richten: daß wirklich nicht ein Modell dem andern gleiche . . . Eve,yn(? Semonl Hut aus moosgrünem Taupe mit Grosgrainband / Modell Marie Christiane keinen Massenhut, möchte es betont unfraulich sich gebSrden? Oder Ist es bloß Ausdruck der Opposition gegen die Altere Generation? Um all die Gründe wissen die jungen Modeschöpfer in Paris. Sie lieben es, junge Mädchen Jung und trotzdem in Hüten zu schon. Die Formen, die sie geschaffen haben, lassen alle Möglichkeiten offen, selbstgestalterisch das Persönliche herauszubilden. Auch Claire Jucker versteht die modischen Nöte und Budgetschwierigkeiten der jungen Mädchen. In ihrer Hutboutique an der Bärengasse steht ein goldener Ständer, und an den Armen dieses Ständers baumeln lauter weiße Hütchen. Sonderbare Wintermode, denkt man, wird aber gleich aufgeklärt, daß es nur ganz billige Förmchen aus Mousseline oder Spartrie sind. So kann erst einmal die Form zum Gesicht ausgewählt werden. Damit fängt das Besondere an dieser Geschichte an. Jedes <;q=>; Mädchen kann mit der gewählten Form nun anfangen, was es will. Es kann sie heimtragen und zu Hause mit dem Tweed des Mantels, dem Schottenstoff des Faltenrocks oder mit einem beliebigen Stoff oder Trikot in der Farbe der wollenen Strümpfe überziehen. Es kann den mitgebrachten Stoff aber auch der geschickten Modistin überlassen und nach einigen Tagen sein Hütchen mit der individuellen Note zu bescheidenem Preis abholen. Auch eine Wühlkiste steht in der Hutboutique. Darin liegen lauter Hütchen für die Jugend: Cloches aus weichem, geripptem Filz oder aus zusammengenähten, schmalen , Samtbändchen Filz- und Samtberets, kecke Tambourins, saloppe Filztöpfe zum beliebigen Zurcchtdrücken, handgestrickte Kappen. Sie sind in Farben und Formen dem jungen Mädchen zugedacht, werden aber auch der jungen Frau nicht übel stehen. Auf Glastablaren rundherum locken flache Grosgrain- und Samtmaschen in allen Farbtönen. Sie sind auf leicht biegbarem Büge l aufmontiert und mit «Suggestion Rene Hubert» signiert Sie stellen den Hutersatz dar, der von den Pariser Coiffeurs und Couturiers in immer neuen Kombinationen mit Federn, Blumen und Schleiern gepflegt wird, der in dieser nun von Rene Hubert vorgeschlagenen schlichten Form jedoch wohl dem gezähmten Schmuckbedürfnis der Schweizer Frau am ehesten entgegenkommt. Wie manches junge Mädchen, das sich zum erstenmal hineinwagt in einen Hutsalon, wird in den Spiegeln der «Jucker-Boutique pour la jeunesse» erstaunt seine vielen Gesichter entdecken. Wird es dann vielleicht spüren, was weise Männer schon immer gesagt haben, daß ein frohes Frauengesicht und strahlende Augen jedes Kleid kostbar und jeden tH u schön machen? Kleine Konditorei bei Lilly Matthey s. o. Runde Tischchen, Tee und Petits Fours, leise, diskrete Musik die Modeberichterstatterinnen fühlen sich wohl in der improvisierten «kleinen Konditorei». Und die große Modistin denn das ist sie, bei all ihrer Bescheidenheit sitzt unter ihnen. Dann flanieren, von Coiffeur Möri im «Stil Carita» anmutig frisiert, schlicht und nonchalant die Mannequins zwischen den Tischchen. Unter ihren neuen, luftigen und voluminösen Frisuren, die den Nacken freigeben, tragen sie Stirnbänder, oder sie tragen darauf Hüte, die dazu passen, denn heuer muß ja die Modistin mit dem Coiffeur sich verbinden, soll der «Frauen Zierat», der Hut, einem Kopf angepaßt sein; Hut und Frisur ergänzen sich. Was für lustige Formen diese Hüte haben . . . e m a n c h sind hoch und abgerundet, wie die Hüte der Musikanten und Knappen der Früh- Am goldenen Ständer Br. Als am 4. September viele Tausende von Mädchen zum Meitlitag der Saffa in die Ausstellung strömten, konnte Toque aus platlofarbencm Nerz und welchem Samt Im gleichen Ton Modell Georgette do Treia man nicht umhin, Gesichter und Kleider zu betrachten, Vergleiche mit der Vergangenheit anzustellen und sich im stillen Gedanken über die Zukunft zu machen. Man war beglückt, fast ausschließlich jung aussehende und jung gekleidete Mädchen zu sehen, die ein gesundes Körperbewußtsein und einen ausgesprochenen Sinn für Individualität verrieten. Obgleich zu erwarten war, daß man bei der heutigen Mengenanfertigunri in der Girlkonfektiori einem gleichen Kleid mehrmals begegnen würde, war doch das scheinbar gleiche Kleid immer anders, belebt durch ein farbiges Tüchli, verändert durch neue Knöpfe oder eine Masche mit flatternden Enden. Doch man wunderte sich, gleichzeitig sehr, daß diese modebewußten jungen Mädchen die einzigartigste der Möglichkeiten, sich zu verändern und anders als alle andern zu sein, noch nicht den Hut. entdeckt haben Warum scheut sich das junge Mädchen, einen Hut zu tragen? Glaubt es, älter zu scheinen, reicht sein Budget nicht aus, will es Neue Zürcher Zeitung vom 18.09.1958 renaissance, andere haben die Form einer Morchel und wieder andere die eines Champagnerpfropfens oder der Badekappen unserer Großmütter. Ein Persianerhut hat gar seine Gestalt dem russischen Zwiebeltürmchen entlehnt kein Wunder, haben doch alle diese Hüte aus weichem Filz, aus Jersey, aus Samt und Stichelhaar oder im Tweed des dazugetragenen Ensembles etwas von der Funktion eines Türmchens auf den Kopfen der Frauen, die heuer in ihren wuchtigen Mänteln oft schier so breit als hoch erscheinen. Sehr schmeichelnd sind die Hüte aus geklebten Federchen, Hahnenfedern mit Metallglanz. Für den Abend thronen Tüllflügel kleine Gebilde aus Tüll und Samt auf den Locken Tüllschleifen, Tüllschleier, die gerundet wie ein Fechtkorb weit vor dem Gesicht liegen , das alles ist sehr reizvoll und trägt unbekümmert den persönlichen Stempel der Creatrice. Die Hutmode ist lustig, ist kleidsam und deshalb sympathisch. Nur vor einem verhülle dein Haupt (mit oder ohne Hut): vor der wiederauferstandenen Perücke, die mit ihrem Volumen eine Frau unerhört auffallend macht. Sie paßt nicht zu der Frau unserer Zeit und wird auch einem Mann unserer Zeit nicht gefallen können. Schroffe Absage? Nein, nur ein belustigtes Achselzucken...
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