MUSIK VERBINDET Musikalisches Dorfleben Walchensee Im Haus der Musik Aus Wallgau, Kochel, Tölz, von überall kommen Musikliebhaber nach Walchensee. Dort unterrichten die besten Lehrer. Werden Kinder durch Singen selbstbewusst. Dort proben ein ungewöhnlicher Chor und ein Mehr-Generationen-Orchester. Das Schönste an diesem Haus der gemeinnützigen Gesellschaft „Dorfleben Walchensee“: Die Türen stehen offen. Für Musiker, Zuhörer, Schüler – für Sie. Wer in Walchensee am tiefen grünen See entlang fährt, sich durch die Kurve an der barocken Kirche vorbei schlängelt, hinter dem Gästehaus Seestüberl einbiegt und ein wenig den Berg hinauf fährt, wird auf ein großes Haus treffen, das allein aus Holz, Licht und gehauenem Stein geschaffen scheint: die Dorfschule. Sie ist von einem Garten und einem Atelier und dem zukünftigen „Haus der Begegnung“ umgeben und damit nicht nur Schule sondern ein Ort für alle Menschen. Nähert man sich nun diesem Haus, klingt einem fast an jedem Tag und zu jeder Zeit Musik entgegen: Bach und Vivaldi, Reggae und Afrikanisches, Beatles und Justin Bieber, Wastl Fanderl und Kraudn Sepp, Jazz, Pop, Klassik, Bayerisches, Weltmusik. Und diese Musik tönt nicht aus Lautsprechern und anderen elektronischen Geräten. Sie ist selbst gemacht, gespielt von den Musikanten aus Walchensee und den Dörfern drum herum, selbst aus München kommen Besucher, so weit hat sich der Zauber dieses Ortes herumgesprochen: das Haus der Musik. Und von ihm wandert die Musik wieder ins Dorf zurück, in die Gaststätten und Häuser, wo die Menschen immer gerne gesungen, getanzt und aufgespielt haben, die Walchenseer waren schon immer Musikanten. Es steckt eine Gesellschaft hinter diesem Haus, eine gemeinnützige GmbH, genannt „Dorfleben Walchensee“. Sie möchte den Menschen ein Stück Heimat geben, einen Ort, in dem sie sich zu Hause fühlen, sich ihrer Wurzeln besinnen und Traditionen pflegen. Und ein Ort, an dem sie Menschen empfangen und anderen Kulturen begegnen, wie es seit 100 Jahren in Walchensee gelebt wird. Ja, Besucher sind uns Willkommen. Und so möchte sich das „Dorfleben Walchensee“ mit dieser Broschüre den Menschen aus Kochel und der ganzen Gegend vorstellen, die noch nie Ob im Kinderchor (l.), Schulunterricht oder beim Fest mit der Unterbiberger Hofmusik (o.) – hier wird musiziert. den Weg ins Haus der Musik oder ins musikalische Walchensee gefunden haben. Wir möchten sie einladen, zuzuhören oder mitzumusizieren. Unsere Türen sind offen, im Jakobschor, CrossoverOrchester, Kinderchor und den vielen Ensembles und Gruppen. Gleich neun Musiklehrer nehmen Schüler auf für Klavier, Gitarre, Trompete, Gesang, Geige, Klarinette, Querflöte, Schlagzeug, eigentlich alles, was sich so spielen lässt, Gruppenunterricht oder Einzelstunden. Wer musiziert, ist bei sich und seiner Kultur. Das ist schön in einer Welt, die sich allzu schnell dreht, in der das Menschliche verloren zu gehen droht. Ihren endgültigen Zauber entfaltet die Musik, wenn wir sie teilen. Es ist so, wie Giorgi, einer unserer Musiklehrer sagt: „Alleine spielen ist schön, zusammen spielen wunderschön.“ Musik bringt Menschen zusammen. Genau das will das „Dorfleben Walchensee“. Lesen Sie doch mal, warum unser Jakobschor in Deutschland wohl einzigartig ist. Welche Preis träger wir unter unseren Lehrern haben. Was das CrossoverOrchester mit dem Dirigenten Kent Nagano gemein hat. Und wie Musik Kinder zu besseren Schülern macht. Und dann, so hoffen wir, kommen Sie einfach mal vorbei. Wie gesagt: am See entlang und am Seestüberl hoch. Dann finden Sie es von alleine: immer den Ohren nach. 3 Der Chor mit Leiter Friedrich Sauler beim Konzert in der Jakobskirche. Er teilt sich die Arbeit mit Ansgar Dehm (rechts). „Ich sagte: Oje, wie soll das gehen?“ Der Gospelchor war am Untergehen. Dann kam ein Chorleiter für Kirchenmusik hinzu. Nun bilden sie einen Chor der Gegensätze: Jung und Alt, Anfänger und Profis, Gospelund Kirchenliedfraktion. Was unvereinbar schien, wuchs zusammen. Und macht den Chor einzigartig. Die Aula, ein getäfelter Raum, erfüllt von Licht und dem Geruch von Holz. Da sitzen sie, im Kreis, singen und wippen. Öffnet sich die Tür, und ein Besucher tritt in ihre Probe hinein, hebt sich kaum ein Kopf: der Jakobschor unter sich, 30 Frauen und Männer, jung und alt. Gleich zwei Chorleiter haben sie, Friedrich Sauler fürs Kirchen lied, Ansgar Dehm für den Gospel. Friedrich hat Pause. „Schön“, flüstert er. „Mal nur zuhören.“ Ansgar hebt den Kopf. „Herr Kollege, Ruhe bitte.“ Dann lächelt er. Sie sticheln gerne die beiden. Friedrich grinst zurück, und nutzt die Pause für ein Interview im Nebenraum. 4 Friedrich: Das ist hier einzigartig, so breit gefächert, das kenne ich nirgendwo sonst in Deutschland in der Kirchenmusik. Allein, dass ein Chor zwei Chorleiter hat. Früher war es ein reiner Gospelchor. Friedrich: Aber es lief nicht mehr. Leute haben aufgehört, der Chor war am Untergehen. Ansgar war da aber auch noch nicht da. Du warst ein erfolgreicher Kirchenmusiker, deine Chöre haben mit den Bananafishbones und in Maffays Tabaluga-Show gesungen. Du schienst nicht zu dem Chor zu passen. Friedrich: Es war schon ungewöhnlich. Hier die Leute, die das dörfliche Singen gewohnt sind, und dann ich, der große Konzertreisen gemacht hat. Beide mussten wir lernen. Wie kommst Du mit Anfängern klar? Friedrich: Viele sagen: Ich kann nicht singen. Da sage ich: Das gibt es nicht. Jeder Mensch, der sprechen kann, kann auch singen. Wir haben hier einen jungen Tenor, tolle Stimme, aber er kann nicht nach Noten singen. Mir ist Wurscht, ob er mal daneben ist, er wächst hinein. Notenlesen ist nicht schwer. Es gibt nur acht. Die erste Probe war schwierig. Friedrich: Ich hatte gesagt, was ich will: Kantaten, Bach, auch mal eine Messe. Und sie haben gedacht: Brauchen wir das? Sie haben abgestimmt und gesagt: Gospel wollen wir nicht aufgeben. Und so kam die Vielfalt in den Chor. Friedrich: Vor kurzem hatten wir ein Konzert zusammen mit urbayerischen Musikanten. Volksmusik und Gospel. Dieses Öffnen ist wunderbar. Zerfiel der Chor nicht in zwei Hälften? Friedrich: Es war wirklich Halbe-Halbe. Die einen wollten Gospel, die anderen klassische Kirchenmusik. Es wurde dann ein Geben und Nehmen. Und alle stellten fest: Genau das schafft die Kraft, die allen nutzt. Zurück in die Aula. Laut und fröhlich wird gesungen, bei manchen ist auch ein Zögern. Ansgar lässt sie. Sich verstecken ist auch mal erlaubt. „All right“, lobt er am Ende. Pause. Dann Freisingen. Fritz ist gleich bei der Sache: „Atmen. Sopran noch höher. Aaaatmen.“ Ansgar holt sich einen Kaffee. Ansgar: Ich bin kein studierter Musiker. Ich war Laiensänger, habe im Kinderchor begonnen, dann, früh, der Männerchor. Dort habe ich einen Kurs als stellvertretender Chorleiter besucht. Ich stand mit 15 Jahren einem Männerchor mit 100 Leuten vor. Nach der Probe durfte ich Volkslieder dirigieren. Später hatte ich einen Gospelchor in Bad Tölz, den ich immer noch leite. So lernte ich Friedrich kennen. Euer Kennenlernen war nicht schön für ihn. Ansgar: Die Evangelische Kirche, bei der er ja angestellt war, war auf mich zugekommen: Ob mein Chor auch mal bei der Konfirmationen singen könne. Die wollten was Neues. Ich sagte ja, und so gab es für Friedrich eine Ansage: Die Konfirmation wird nun von einem Gospelchor begleitet. Worauf Friedrich sagte: Das kann nicht sein. Aber er musste die Kröte schlucken. Als wir uns hier begegneten, sagte er: Im ersten Jahr war ich total sauer. Da kam dieser Ansgar und hat mich rausgedrängt. Trotzdem hat er dich nach Walchensee geholt. Ansgar: Er war schon lange nicht mehr Gram. Als ich mal für Weinachten eine Vertretung suchte, fragte ich auch ihn, wir waren ja aus demselben Ort. Er sagte sofort zu. Und als ich kurzfristig doch selbst konnte, sagte er nur: Schön, dann singe ich mit. Das hat mich sehr gefreut. Es war ein Kompliment. Du warst hier anfangs eher skeptisch: Gospel und Kirchenmusik. Ansgar: Ich sagte: ‚Oje, wie soll das gehen?’ Er sagte nur: Wunderbar, du wirst sehen. Ja, und es war wunderbar. Ich habe den Auftrag, Altes zu bewahren: Der Chor wurde ja gegründet, weil man gerne zusammen war. Gospel ist Harmonie, Gemeinschaft. Wie siehst du die Sache nach einem Jahr, immer noch Zweifel? Ansgar: Ich erlebe das Positive, einige mögen weniger klassische Kirchenmusik, singen aber dem Chor zuliebe mit. Das zeichnet den Chor aus. Dass man das Andere mit trägt. Es belebt. Meine Arbeit lebt von dem Gegensatz. Nach der Klassik, nach dem Schuften, ich mein das positiv, nach der Anspannung kommt der Gospel, die Entspannung, der Swing. Finale. Heute die Klassik mal nach dem Gospel. Haydn. Friedrichs Hände tanzen den Chorleiter tanz. Toll hört es sich an. Alle voll dabei. So sehr, dass eine Altstimme allzu früh intoniert. Sie lächelt das Lächeln eines ertappten Schulmäd chens, und singt weiter. 5 Neun Musikzentren Musikpädagogen, Bühnenprofis, Preisträger – unsere Lehrer sind eigene kleine Musikzentren. Und so nett. Lesen Sie doch mal, warum Irmi bei Kindern auf die Liedtexte achtet und Giorgi lieber unterrichtet als sich auf Europas Bühnen feiern zu lassen. „Wir freuen uns über jeden, der dazu kommt“ Ich stehe gerne auf der Bühne, aber meine Leidenschaft ist das Unterrichten. Es ist so eine Freude: Es wächst etwas heran. Musik lässt sich nur mit Spaß lernen. Wir üben viel zusammen, im Junior Ensemble, im Orchester, in Workshops für Klassik, Volksmusik, Weltmusik mit Musikern der Münchner Oper oder den jungen Wells. Giorgi Makhoshvili, Orchesterleitung, Kontrabass Münchner Hochschule für Musik, Echo-Preis-Gewinner „Jeder kann lieder mitbringen“ Sophia war meine erste Schülerin. Ihre Freundin Elisa kam dazu, dann deren Mutter. Heute unterrichte ich in Walchensee neun Schüler, zwischen 9 und 60 Jahren. Bei Kindern schaue ich, dass auch der Text passt, sie müssen altersgerecht sein. Ich mag auch, wenn sie bayerische Lieder singen. Irmi Haager, Gesang Musikpädagogin. Münchner Merkur lobt ihre „Überwältigende Musikalität“ „Schon toll, was hier für leute mit den Schülern arbeiten“ Ich leite Ensembles an der Schule, unterrichte auch privat. Im Vergleich zum staatlichen Schuldienst ist es hier persönlicher. Das Niveau der Leute, die unterrichten, ist unglaublich hoch. Thomas Vergörer, Trompete Gymnasiallehrer für Musik, Leiter von Blaskapellen „Musik zieht sich durchs ganze Haus“ Es ist alles sehr frei, auch bei den Probezeiten. Jeder findet eine Stimme, unabhängig von Alter und Leistungsstand. Durch das Vorbild der anderen vermittelt sich vieles schneller. Wenn ich sehe, wie Valentina sich entwickelt, weil sie im Orchester mitspielt. Querflöte ist ein wunderschönes Instrument, auch mal romantisch. Maria Mikenda, Querflöte Musikstudium in Österreich, nun zurück in Wallgau 6 „Ich finde super, dass auch die Eltern mal schauen kommen, da ist echtes Interesse“ Ich habe eine Schülerin, Saskia, die ist sehr begabt. Sie spielt Klassik, will nun auch Jazz und freie Improvisation üben. Die Musikabende und Konzerte sind ein Glück. Und es ist schön, dass so viele Eltern zu den Auftritten kommen. Es ist sehr familiär. Auch Senioren können einfach vorbeikommen und zuschauen. Vladislav Cojocaru, Klavier, Akkordeon Musiklehrer, Jazz, bayerische und osteuropäische Musik „Die Kinder haben enorm Spaß“ Viele Eltern haben Angst vor einem lauten Schlagzeug. Das brauchen sie nicht, es gibt elektronische Schlagzeuge, mit Kopfhörern. Mein Schüler Christoph ist 13 Jahre alt, er spielt schon im Orchester mit. Er hat einen Riesenspaß. Aber es reicht nicht, dass ein Schüler Spaß mitbringt, wir Lehrer müssen auch Interesse wecken, zeigen, was möglich ist. Nevyan lenkov, Schlagzeug, Percussion Vielfacher Preisträger. Lehrt Klassik, Balkan, Hip-Hop und Drum and Bass „Da ist ein großer Bezug zur Volksmusik“ Ich habe als Kind mit der Blockflöte angefangen, und es war früh klar, dass ich Musiklehrerin werden will. Ich bin offen, aber für mich ist es weniger Jazz oder Klassik, es ist die Volksmusik. Walchensee hat zu ihr einen großen Bezug. Es wird oft im Schulchor gesagt: Können wir was Bayerischen spielen? Elisabeth Biller, Hackbrett, Zither, Klavier, Gitarre, Blockflöte Studium der Volksmusik, Leiterin des Fachbereichs Musik in der Dorfschule „Erfolg ist eine Reise, kein Ziel“ Meine Schüler erwartet eine „Reise“, die wir gemeinsam gestalten. Wir schulen mit Hilfe der Geige unser Gehör; lernen, Lieder ohne Noten nachzuspielen. Wir erfahren, dass Musik eine Sprache ist, mit der wir etwas mitteilen können. Astrid Wolfrath, Geige Seit 15 Jahren Lehrerin in Musikschulen und Kindergärten „Mehr handgemacht geht fast nicht“ Die Klarinette hat einen warmen Klang, bei dem man das Holz hören kann. Es ist eine Verlängerung der Stimme. Mit ihr kann man jede Musik spielen, Klassik, Klezmer, Jazz. Das Saxophon hat einen kräftigeren Klang. Das Musizieren mit anderen bringt die eigene Stimme dann richtig zum Strahlen. Bettina Maier, Saxophon und Klarinette Jazz-Studium, Pädagogisches Diplom 7 Mädchenpower: Sophia, Gudrun und Elisa (von links) singen in der Probe, David begleitet an der Trompete. Das wachsende Orchester Was Kent Nagano als Junge erlebte, erleben Musiker heute ähnlich in Walchensee. Ein wunderlicher Zufall. Es gibt eine wunderschöne Geschichte: Ein Junge, Kent, lebte in einem kleinen kalifornischen Fischerdorf. Eines Tages kam von weit her, aus Giorgien, ein Lehrer. Er ging in die Schule und fragte, ob er Musik unterrichten dürfe. Es stellte sich heraus, dass Wachtang, so hieß er, eine besondere Gabe hatte: Sein Unterricht machte Spaß. Tonleitern etwa ließ er hüpfend üben, auf einer Treppe, jede Stufe eine Note. Bald standen um 7 in der Früh Schüler vor seinem Zimmer, und Wachtang gründete ein Schulorchester, einen Chor, ein Dorforchester, ja, das ganze Dorf wandte sich der Musik zu. Und aus dem kleinen Kent wurde Maestro Nagano, der große Dirigent. Die alltägliche Musik um uns, schrieb er später, hat uns die Tür zu einer anderen Welt geöffnet. Es ist kaum zu glauben, auch in Walchensee ist vor sechs Jahren ein Georgischer Musiker vorgefahren: Giorgi. Er ging in die Schule und fragte, ob er unterrichten dürfe. Und gründete ein Orchester, vier Musikanten, Volksmusik-Instrumente, sie spielten Jazz und Weltmusik – Crossover. Aus vier Musikern wurden mehr. Da vorne nun, in der Aula, steht Giorgi, im geringelten T-Shirt. Er leitet die Probe, wie jeden Samstag. Blass ist er. Er hat nicht geschlafen. Giorgi ist Papa geworden, um 3 Uhr kam Alisa auf die Welt. Das Orchester hat Sekt mitgebracht, aber noch wird geübt, Bassgeige, Trompeten, Blockflöte, Klarinetten, Schlagzeug, Saxophon, am Klavier Saskia, die so wunderbar spielt, drei Sängerinnen, Elisa, Gudrun und Sophia, 15 Leute zwischen 9 und 60 Jahren. „Es ist wie in einer Familie,“ sagt Elisa. Wie gut das Lied klingt, das sie zu Giorgis Fingerschnipsen spielen, Un poquito cantas, zwei Akkorde nur, jeder kann mitmachen. Während das Lied fließt, lässt Giorgi Soli spielen. „So lernen die Musiker mutig zu sein“, sagt er. Irmi, die Gesangslehrerin steht neben Elisa, und Nevy und Vlad sind auch da, sie helfen bei den Arrangements, bereiten Konzerte vor – und leben die wichtigste Botschaft Walchensees: „Zeigen, wie man miteinander spielt“, wie Giorgi sagt. Ein Hoch auf den frisch gebackenen Vater! Und als er wieder auf dem Weg in die Klinik ist, spielt das Orchester noch lange weiter. „Es ist wie in einer Familie“ 8 Verwandt oder befreundet: Angelika, Marille, Annette, Peter Was wäre ein Dorf ohne Musikanten? Ein Prosit auf die Stamperlmusi, wo die Damen Schnaps und die Herren Likör trinken und die mit der legendären Familie Well auch mal ein ganzes Dorf zum Tanzen bringt. Die Well Buam sind in Walchensee, Stofferl und Michi und Carli von den Wells, Bayerns bekanntester Musikantenfamilie. Volkstanz im Gasthof Edeltraut. Die Paare drängen sich auf der Tanzfläche: Lederhosen und Dirndl, Jeans und Chucks – ein Familienabend. Jeden Tanz führt Michi vor, alle tanzen nach und es gelingt; und wenn nicht, lacht man darüber. „Dass so viele mitmachen, sieht man nicht oft“, sagt Franziska Eimer, die aus München gekommen ist, wo sie Musikprogramme für den BR und das Hofbräuhaus erstellt. „Genau darum geht es, das Mitmachen“, antwortet ihr Petra Stamm, die den Tanz organisiert hat. Ja, die Wells sind großartig; aber das Besondere heute sind die Walchenseer. Wie sie den Abend zu ihrem Abend machen. „Einzigartig“, findet das auch Michi Well. In der Pause singt der Kinderchor, drei Jungs und zwei Mädchen, zögerliche kleine Stimmen, die schnell mutig werden, schön, von allen bejubelt. Dann die Dorfmusikanten, Akkordeon, Gitarre, Bassgeige, Klarinette, Tuba: die Stamperlmusi. Der Name? Nun, naja, wir schnapseln halt alle auch mal gerne, sagt Angelika, die Frau an der Gitarre, die an dem Tag auch Geburtstag hat. Die Damen Klaren, der Herr Likör. Sie haben sich Auch die Kinder proben mit: Hanna, Barbara und Korbinian gegründet, weil die Vereinsmusi, die alte Dorfmusikantengruppe sich aufgelöst hat. Was wäre schließlich ein Dorf ohne Dorfmusikanten? Sie spielen, natürlich, Volksmusik. Wie gut sie in der Edeltraut spielen, in Gesicht und Vortrag ganz ernst. Sie spielen ja für ihre Familien, ihr Dorf. Und wie bei den Wells drängen gleich alle aufs Parkett. 9 10 „PAPA, WENN ICH SINGE, BIN ICH GlüCKlICH“ Wer als Kind musiziert, hat bessere Noten. Aber darum alleine geht es nicht: Es macht selbstbewusst. Und einfach glücklich. Zwei Mädels im Dirndl, drei Jungs in Lederhosen, Elisabeth, die Leiterin der Musikfachschaft an der Gitarre, Sepp, der Ehrenamtliche, mit der Zither, im Atelier oberhalb der Schule, die Tür ist offen, Bienen fliegen, im Garten steht ein Trampolin. So, jetzt singen wir „Kikeriki“, sagt Elisabeth. Die Jungs: „Jaaah.“ Die Mädels: „Ach, nee.“ – „Kann ich net“, sagt eine. – „Die Jungs singen lauter, dann kommt ihr auch mit“, sagt Sepp. Und los. Der Hahn auf dem Mist: Kikeriki. Schön. Dann Ende, eine Dreiviertelstunde sind genug, die Kin der sollen Spaß haben. Raus aufs Trampolin, die Zöpfe fliegen, die Jungs balgen sich, lachende Verfolgungsjagd durch das Atelier und wieder raus, Elisabeth hinterher. Sepp: Ich mache das im 11. Jahr. Angefangen hat es, als ich gemerkt habe, dass meine Tochter Sophia gerne singt. Dann habe ich im Trachtenverein gefragt, ob noch andere singen mögen. Das ist jetzt schon die 4. Generation an Kindern. 6 bis 12 Jahre. Und Du bist immer noch dabei. Sepp: Meine Tochter hat immer gesagt: Papa, wenn ich singe, dann bin ich glücklich. Das ist das Ziel, das ist es mir wert. Ich habe viele Eltern, die sagen: Wenn sie vom Singen kommen sind sie zufrieden, gehen mit einem Lachen ins Bett. Sonst streiten sie ja gerne auch mal. Singen fördert ja auch gute Noten, sagen Wissenschaftler. Wie siehst Du das? Sepp: Die Kinder werden selbstbewusst, wenn sie auf der Bühne stehen, alleine singen, auch wenn es nur ein Juhu ist. Dann kriegen sie die Sicherheit sich hin zu stellen und zu sagen: „Das mag ich, das nicht.“ Es ist eine Persönlichkeitsbildung. Elisabeth kehrt zurück. Ihr habt neben dem offenen Kinderchor auch einen Schulchor? Elisabeth: 35 von 40 Schülern sind darin. Unsere Schüler haben zwei Mal in der Woche Musikunterricht, da wird viel gesungen, und wir machen Aufführungen, das Sommerfest, das Krippenspiel, das Frühlings- und Herbstsingen. Was spielt ihr für Musik? Elisabeth: Kinder sind für alles aufgeschlossen. Die lieben Aktuelles genau so wie Vivaldis Frühling. Wir waren mit den Grundschülern in München, haben eine Probe der Sinfoniker besucht, ein zeitgenössisches Stück. Die Musiker waren total nett, ließen die Kinder auch Instrumente ausprobieren. Sepp: Wir machen einmal im Jahr einen Ausflug. Einmal sind wir durch den Walderlebnispark in Grünwald gegangen und auf einmal ist Arjen Robben daher gekommen. Wir sind dann auch ins Museum in der Bayern Arena. Bei schönen Wetter proben Elisabeth und Sepp mit den Kleinen im Garten. 11 Bei Interesse stellen wir gerne Kontakt zu den Musikgruppen und Instrumentallehrern her. Dorfleben Walchensee c /o Dorfschule Walchensee · Kastanienallee 1 · 82432 Walchensee Tel. +49 88 58 920 580 · [email protected] · www.dorfleben-walchensee.de
© Copyright 2024 ExpyDoc