musik verbindet - Dorfleben Walchensee

MUSIK
VERBINDET
Musikalisches Dorfleben Walchensee
Im Haus
der Musik
Aus Wallgau, Kochel, Tölz, von überall kommen Musikliebhaber nach
Walchensee. Dort unterrichten die besten Lehrer. Werden Kinder durch
Singen selbstbewusst. Dort proben ein ungewöhnlicher Chor und ein
Mehr-Generationen-Orchester. Das Schönste an diesem Haus der
gemeinnützigen Gesellschaft „Dorfleben Walchensee“: Die Türen stehen
offen. Für Musiker, Zuhörer, Schüler – für Sie.
Wer in Walchensee am tiefen grünen See entlang
fährt, sich durch die Kurve an der barocken Kirche
vorbei schlängelt, hinter dem Gästehaus Seestüberl
einbiegt und ein wenig den Berg hinauf fährt, wird
auf ein großes Haus treffen, das allein aus Holz,
Licht und gehauenem Stein geschaffen scheint:
die Dorfschule. Sie ist von einem Garten und
einem Atelier und dem zukünftigen „Haus der
Begegnung“ umgeben und damit nicht nur Schule
sondern ein Ort für alle Menschen.
Nähert man sich nun diesem Haus, klingt einem
fast an jedem Tag und zu jeder Zeit Musik entgegen: Bach und Vivaldi, Reggae und Afrikanisches,
Beatles und Justin Bieber, Wastl Fanderl und
Kraudn Sepp, Jazz, Pop, Klassik, Bayerisches, Weltmusik. Und diese Musik tönt nicht aus Lautsprechern und anderen elektronischen Geräten. Sie ist
selbst gemacht, gespielt von den Musikanten aus
Walchensee und den Dörfern drum herum, selbst
aus München kommen Besucher, so weit hat sich
der Zauber dieses Ortes herumgesprochen: das
Haus der Musik. Und von ihm wandert die Musik
wieder ins Dorf zurück, in die Gaststätten und
Häuser, wo die Menschen immer gerne gesungen,
getanzt und aufgespielt haben, die Walchenseer
waren schon immer Musikanten.
Es steckt eine Gesellschaft hinter diesem Haus,
eine gemeinnützige GmbH, genannt „Dorfleben
Walchensee“. Sie möchte den Menschen ein Stück
Heimat geben, einen Ort, in dem sie sich zu Hause
fühlen, sich ihrer Wurzeln besinnen und Traditionen pflegen. Und ein Ort, an dem sie Menschen
empfangen und anderen Kulturen begegnen, wie
es seit 100 Jahren in Walchensee gelebt wird.
Ja, Besucher sind uns Willkommen.
Und so möchte sich das „Dorfleben Walchensee“
mit dieser Broschüre den Menschen aus Kochel
und der ganzen Gegend vorstellen, die noch nie
Ob im Kinderchor (l.), Schulunterricht
oder beim Fest mit der Unterbiberger
Hofmusik (o.) – hier wird musiziert.
den Weg ins Haus der Musik oder ins musikalische
Walchensee gefunden haben. Wir möchten sie
einladen, zuzuhören oder mitzumusizieren. Unsere
Türen sind offen, im Jakobschor, CrossoverOrchester, Kinderchor und den vielen Ensembles
und Gruppen. Gleich neun Musiklehrer nehmen
Schüler auf für Klavier, Gitarre, Trompete, Gesang,
Geige, Klarinette, Querflöte, Schlagzeug, eigentlich
alles, was sich so spielen lässt, Gruppenunterricht
oder Einzelstunden.
Wer musiziert, ist bei sich und seiner Kultur. Das ist
schön in einer Welt, die sich allzu schnell dreht,
in der das Menschliche verloren zu gehen droht.
Ihren endgültigen Zauber entfaltet die Musik, wenn
wir sie teilen. Es ist so, wie Giorgi, einer unserer
Musiklehrer sagt: „Alleine spielen ist schön, zusammen spielen wunderschön.“ Musik bringt Menschen zusammen. Genau das will das „Dorfleben
Walchensee“.
Lesen Sie doch mal, warum unser Jakobschor in
Deutschland wohl einzigartig ist. Welche Preis­
träger wir unter unseren Lehrern haben. Was das
Crossover­Orchester mit dem Dirigenten Kent
Nagano gemein hat. Und wie Musik Kinder zu
besseren Schülern macht. Und dann, so hoffen
wir, kommen Sie einfach mal vorbei. Wie gesagt:
am See entlang und am Seestüberl hoch. Dann
finden Sie es von alleine: immer den Ohren nach.
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Der Chor mit Leiter Friedrich Sauler beim Konzert in der Jakobskirche. Er teilt sich die Arbeit mit Ansgar Dehm (rechts).
„Ich sagte: Oje, wie soll das gehen?“
Der Gospelchor war am Untergehen. Dann kam ein Chorleiter für Kirchenmusik hinzu.
Nun bilden sie einen Chor der Gegensätze: Jung und Alt, Anfänger und Profis, Gospelund Kirchenliedfraktion. Was unvereinbar schien, wuchs zusammen. Und macht den
Chor einzigartig.
Die Aula, ein getäfelter Raum, erfüllt von Licht
und dem Geruch von Holz. Da sitzen sie, im Kreis,
singen und wippen. Öffnet sich die Tür, und
ein Besucher tritt in ihre Probe hinein, hebt sich
kaum ein Kopf: der Jakobschor unter sich,
30 Frauen und Männer, jung und alt. Gleich zwei
Chorleiter haben sie, Friedrich Sauler fürs Kirchen­
lied, Ansgar Dehm für den Gospel. Friedrich hat
Pause. „Schön“, flüstert er. „Mal nur zuhören.“
Ansgar hebt den Kopf. „Herr Kollege, Ruhe bitte.“
Dann lächelt er. Sie sticheln gerne die beiden.
Friedrich grinst zurück, und nutzt die Pause für
ein Interview im Nebenraum.
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Friedrich: Das ist hier einzigartig, so breit gefächert, das kenne ich nirgendwo sonst in Deutschland in der Kirchenmusik. Allein, dass ein Chor
zwei Chorleiter hat.
Früher war es ein reiner Gospelchor.
Friedrich: Aber es lief nicht mehr. Leute haben
aufgehört, der Chor war am Untergehen. Ansgar
war da aber auch noch nicht da.
Du warst ein erfolgreicher Kirchenmusiker,
deine Chöre haben mit den Bananafishbones
und in Maffays Tabaluga-Show gesungen.
Du schienst nicht zu dem Chor zu passen.
Friedrich: Es war schon ungewöhnlich. Hier die
Leute, die das dörfliche Singen gewohnt sind,
und dann ich, der große Konzertreisen gemacht
hat. Beide mussten wir lernen.
Wie kommst Du mit Anfängern klar?
Friedrich: Viele sagen: Ich kann nicht singen. Da
sage ich: Das gibt es nicht. Jeder Mensch, der
sprechen kann, kann auch singen. Wir haben hier
einen jungen Tenor, tolle Stimme, aber er kann
nicht nach Noten singen. Mir ist Wurscht, ob er
mal daneben ist, er wächst hinein. Notenlesen ist
nicht schwer. Es gibt nur acht.
Die erste Probe war schwierig.
Friedrich: Ich hatte gesagt, was ich will: Kantaten,
Bach, auch mal eine Messe. Und sie haben
gedacht: Brauchen wir das? Sie haben abgestimmt
und gesagt: Gospel wollen wir nicht aufgeben.
Und so kam die Vielfalt in den Chor.
Friedrich: Vor kurzem hatten wir ein Konzert
zusammen mit urbayerischen Musikanten. Volksmusik und Gospel. Dieses Öffnen ist wunderbar.
Zerfiel der Chor nicht in zwei Hälften?
Friedrich: Es war wirklich Halbe-Halbe. Die einen
wollten Gospel, die anderen klassische Kirchenmusik. Es wurde dann ein Geben und Nehmen.
Und alle stellten fest: Genau das schafft die Kraft,
die allen nutzt.
Zurück in die Aula. Laut und fröhlich wird
gesungen, bei manchen ist auch ein Zögern.
Ansgar lässt sie. Sich verstecken ist auch mal
erlaubt. „All right“, lobt er am Ende. Pause. Dann
Freisingen. Fritz ist gleich bei der Sache: „Atmen.
Sopran noch höher. Aaaatmen.“ Ansgar holt sich
einen Kaffee.
Ansgar: Ich bin kein studierter Musiker. Ich war
Laiensänger, habe im Kinderchor begonnen,
dann, früh, der Männerchor. Dort habe ich einen
Kurs als stellvertretender Chorleiter besucht.
Ich stand mit 15 Jahren einem Männerchor mit
100 Leuten vor. Nach der Probe durfte ich Volkslieder dirigieren. Später hatte ich einen Gospelchor
in Bad Tölz, den ich immer noch leite. So lernte ich
Friedrich kennen.
Euer Kennenlernen war nicht schön für ihn.
Ansgar: Die Evangelische Kirche, bei der er ja
angestellt war, war auf mich zugekommen:
Ob mein Chor auch mal bei der Konfirmationen
singen könne. Die wollten was Neues. Ich sagte ja,
und so gab es für Friedrich eine Ansage: Die Konfirmation wird nun von einem Gospelchor begleitet. Worauf Friedrich sagte: Das kann nicht sein.
Aber er musste die Kröte schlucken. Als wir uns
hier begegneten, sagte er: Im ersten Jahr war ich
total sauer. Da kam dieser Ansgar und hat mich
rausgedrängt.
Trotzdem hat er dich nach Walchensee geholt.
Ansgar: Er war schon lange nicht mehr Gram.
Als ich mal für Weinachten eine Vertretung suchte,
fragte ich auch ihn, wir waren ja aus demselben
Ort. Er sagte sofort zu. Und als ich kurzfristig
doch selbst konnte, sagte er nur: Schön, dann
singe ich mit. Das hat mich sehr gefreut. Es war
ein Kompliment.
Du warst hier anfangs eher skeptisch: Gospel
und Kirchenmusik.
Ansgar: Ich sagte: ‚Oje, wie soll das gehen?’ Er
sagte nur: Wunderbar, du wirst sehen. Ja, und es
war wunderbar. Ich habe den Auftrag, Altes zu
bewahren: Der Chor wurde ja gegründet, weil
man gerne zusammen war. Gospel ist Harmonie,
Gemeinschaft.
Wie siehst du die Sache nach einem Jahr,
immer noch Zweifel?
Ansgar: Ich erlebe das Positive, einige mögen
weniger klassische Kirchenmusik, singen aber
dem Chor zuliebe mit. Das zeichnet den Chor aus.
Dass man das Andere mit trägt. Es belebt. Meine
Arbeit lebt von dem Gegensatz. Nach der Klassik,
nach dem Schuften, ich mein das positiv, nach der
Anspannung kommt der Gospel, die Entspannung,
der Swing.
Finale. Heute die Klassik mal nach dem Gospel.
Haydn. Friedrichs Hände tanzen den Chorleiter­
tanz. Toll hört es sich an. Alle voll dabei. So sehr,
dass eine Altstimme allzu früh intoniert. Sie
lächelt das Lächeln eines ertappten Schulmäd­
chens, und singt weiter.
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Neun Musikzentren
Musikpädagogen, Bühnenprofis, Preisträger – unsere Lehrer sind eigene kleine Musikzentren. Und so nett. Lesen Sie doch mal, warum Irmi bei Kindern auf die Liedtexte achtet
und Giorgi lieber unterrichtet als sich auf Europas Bühnen feiern zu lassen.
„Wir freuen uns über jeden, der dazu kommt“
Ich stehe gerne auf der Bühne, aber meine Leidenschaft ist das Unterrichten.
Es ist so eine Freude: Es wächst etwas heran. Musik lässt sich nur mit Spaß lernen.
Wir üben viel zusammen, im Junior Ensemble, im Orchester, in Workshops
für Klassik, Volksmusik, Weltmusik mit Musikern der Münchner Oper oder den
jungen Wells.
Giorgi Makhoshvili, Orchesterleitung, Kontrabass
Münchner Hochschule für Musik, Echo-Preis-Gewinner
„Jeder kann lieder mitbringen“
Sophia war meine erste Schülerin. Ihre Freundin Elisa kam dazu, dann deren
Mutter. Heute unterrichte ich in Walchensee neun Schüler, zwischen 9 und
60 Jahren. Bei Kindern schaue ich, dass auch der Text passt, sie müssen altersgerecht sein. Ich mag auch, wenn sie bayerische Lieder singen.
Irmi Haager, Gesang
Musikpädagogin. Münchner Merkur lobt ihre „Überwältigende Musikalität“
„Schon toll, was hier für leute mit den
Schülern arbeiten“
Ich leite Ensembles an der Schule, unterrichte auch privat. Im Vergleich zum
staatlichen Schuldienst ist es hier persönlicher. Das Niveau der Leute, die
unterrichten, ist unglaublich hoch.
Thomas Vergörer, Trompete
Gymnasiallehrer für Musik, Leiter von Blaskapellen
„Musik zieht sich durchs ganze Haus“
Es ist alles sehr frei, auch bei den Probezeiten. Jeder findet eine Stimme,
unabhängig von Alter und Leistungsstand. Durch das Vorbild der anderen
vermittelt sich vieles schneller. Wenn ich sehe, wie Valentina sich entwickelt,
weil sie im Orchester mitspielt. Querflöte ist ein wunderschönes Instrument,
auch mal romantisch.
Maria Mikenda, Querflöte
Musikstudium in Österreich, nun zurück in Wallgau
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„Ich finde super, dass auch die Eltern mal
schauen kommen, da ist echtes Interesse“
Ich habe eine Schülerin, Saskia, die ist sehr begabt. Sie spielt Klassik, will nun
auch Jazz und freie Improvisation üben. Die Musikabende und Konzerte sind ein
Glück. Und es ist schön, dass so viele Eltern zu den Auftritten kommen. Es ist
sehr familiär. Auch Senioren können einfach vorbeikommen und zuschauen.
Vladislav Cojocaru, Klavier, Akkordeon
Musiklehrer, Jazz, bayerische und osteuropäische Musik
„Die Kinder haben enorm Spaß“
Viele Eltern haben Angst vor einem lauten Schlagzeug. Das brauchen sie nicht,
es gibt elektronische Schlagzeuge, mit Kopfhörern. Mein Schüler Christoph ist
13 Jahre alt, er spielt schon im Orchester mit. Er hat einen Riesenspaß. Aber es
reicht nicht, dass ein Schüler Spaß mitbringt, wir Lehrer müssen auch Interesse
wecken, zeigen, was möglich ist.
Nevyan lenkov, Schlagzeug, Percussion
Vielfacher Preisträger. Lehrt Klassik, Balkan, Hip-Hop und Drum and Bass
„Da ist ein großer Bezug zur Volksmusik“
Ich habe als Kind mit der Blockflöte angefangen, und es war früh klar, dass
ich Musiklehrerin werden will. Ich bin offen, aber für mich ist es weniger Jazz
oder Klassik, es ist die Volksmusik. Walchensee hat zu ihr einen großen Bezug.
Es wird oft im Schulchor gesagt: Können wir was Bayerischen spielen?
Elisabeth Biller, Hackbrett, Zither, Klavier, Gitarre, Blockflöte
Studium der Volksmusik, Leiterin des Fachbereichs Musik in der Dorfschule
„Erfolg ist eine Reise, kein Ziel“
Meine Schüler erwartet eine „Reise“, die wir gemeinsam gestalten. Wir schulen
mit Hilfe der Geige unser Gehör; lernen, Lieder ohne Noten nachzuspielen.
Wir erfahren, dass Musik eine Sprache ist, mit der wir etwas mitteilen können.
Astrid Wolfrath, Geige
Seit 15 Jahren Lehrerin in Musikschulen und Kindergärten
„Mehr handgemacht geht fast nicht“
Die Klarinette hat einen warmen Klang, bei dem man das Holz hören kann. Es
ist eine Verlängerung der Stimme. Mit ihr kann man jede Musik spielen, Klassik,
Klezmer, Jazz. Das Saxophon hat einen kräftigeren Klang. Das Musizieren mit
anderen bringt die eigene Stimme dann richtig zum Strahlen.
Bettina Maier, Saxophon und Klarinette
Jazz-Studium, Pädagogisches Diplom
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Mädchenpower: Sophia, Gudrun und Elisa (von links) singen in der Probe, David begleitet an der Trompete.
Das wachsende Orchester
Was Kent Nagano als Junge erlebte, erleben Musiker heute ähnlich in Walchensee.
Ein wunderlicher Zufall.
Es gibt eine wunderschöne Geschichte: Ein
Junge, Kent, lebte in einem kleinen kalifornischen
Fischerdorf. Eines Tages kam von weit her, aus
Giorgien, ein Lehrer. Er ging in die Schule und
fragte, ob er Musik unterrichten dürfe. Es stellte
sich heraus, dass Wachtang, so hieß er, eine
besondere Gabe hatte: Sein Unterricht machte
Spaß. Tonleitern etwa ließ er hüpfend üben, auf
einer Treppe, jede Stufe
eine Note. Bald standen
um 7 in der Früh Schüler
vor seinem Zimmer, und
Wachtang gründete ein
Schulorchester, einen
Chor, ein Dorforchester, ja, das ganze Dorf wandte
sich der Musik zu. Und aus dem kleinen Kent
wurde Maestro Nagano, der große Dirigent. Die
alltägliche Musik um uns, schrieb er später, hat uns
die Tür zu einer anderen Welt geöffnet.
Es ist kaum zu glauben, auch in Walchensee ist
vor sechs Jahren ein Georgischer Musiker vorgefahren: Giorgi. Er ging in die Schule und fragte, ob
er unterrichten dürfe. Und gründete ein Orchester,
vier Musikanten, Volksmusik-Instrumente, sie
spielten Jazz und Weltmusik – Crossover. Aus vier
Musikern wurden mehr.
Da vorne nun, in der Aula, steht Giorgi, im
geringelten T-Shirt. Er leitet die Probe, wie jeden
Samstag. Blass ist er. Er hat nicht geschlafen. Giorgi
ist Papa geworden, um 3 Uhr kam Alisa auf die
Welt. Das Orchester hat Sekt mitgebracht, aber
noch wird geübt, Bassgeige, Trompeten, Blockflöte,
Klarinetten, Schlagzeug, Saxophon, am Klavier
Saskia, die so wunderbar spielt, drei Sängerinnen,
Elisa, Gudrun und Sophia,
15 Leute zwischen 9 und
60 Jahren. „Es ist wie in
einer Familie,“ sagt Elisa.
Wie gut das Lied klingt,
das sie zu Giorgis Fingerschnipsen spielen, Un poquito cantas, zwei Akkorde
nur, jeder kann mitmachen. Während das Lied
fließt, lässt Giorgi Soli spielen. „So lernen die Musiker mutig zu sein“, sagt er. Irmi, die Gesangslehrerin
steht neben Elisa, und Nevy und Vlad sind auch da,
sie helfen bei den Arrangements, bereiten Konzerte
vor – und leben die wichtigste Botschaft Walchensees: „Zeigen, wie man miteinander spielt“, wie
Giorgi sagt.
Ein Hoch auf den frisch gebackenen Vater!
Und als er wieder auf dem Weg in die Klinik ist,
spielt das Orchester noch lange weiter.
„Es ist wie in
einer Familie“
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Verwandt oder befreundet: Angelika, Marille, Annette, Peter
Was wäre ein Dorf ohne Musikanten?
Ein Prosit auf die Stamperlmusi, wo die Damen Schnaps und die Herren Likör trinken
und die mit der legendären Familie Well auch mal ein ganzes Dorf zum Tanzen bringt.
Die Well Buam sind in Walchensee, Stofferl und
Michi und Carli von den Wells, Bayerns bekanntester Musikantenfamilie. Volkstanz im Gasthof Edeltraut. Die Paare drängen sich auf der Tanzfläche:
Lederhosen und Dirndl, Jeans und Chucks – ein
Familienabend. Jeden Tanz führt Michi vor, alle
tanzen nach und es gelingt; und wenn nicht, lacht
man darüber.
„Dass so viele mitmachen, sieht man nicht oft“,
sagt Franziska Eimer, die aus München gekommen
ist, wo sie Musikprogramme für den BR und das
Hofbräuhaus erstellt. „Genau darum geht es, das
Mitmachen“, antwortet ihr Petra Stamm, die den
Tanz organisiert hat. Ja, die Wells sind großartig;
aber das Besondere heute sind die Walchenseer.
Wie sie den Abend zu ihrem Abend machen. „Einzigartig“, findet das auch Michi Well.
In der Pause singt der Kinderchor, drei Jungs
und zwei Mädchen, zögerliche kleine Stimmen, die
schnell mutig werden, schön, von allen bejubelt.
Dann die Dorfmusikanten, Akkordeon, Gitarre,
Bassgeige, Klarinette, Tuba: die Stamperlmusi.
Der Name? Nun, naja, wir schnapseln halt
alle auch mal gerne, sagt Angelika, die Frau an
der Gitarre, die an dem Tag auch Geburtstag hat.
Die Damen Klaren, der Herr Likör. Sie haben sich
Auch die Kinder proben mit: Hanna, Barbara und Korbinian
gegründet, weil die Vereinsmusi, die alte Dorfmusikantengruppe sich aufgelöst hat. Was wäre
schließlich ein Dorf ohne Dorfmusikanten? Sie
spielen, natürlich, Volksmusik.
Wie gut sie in der Edeltraut spielen, in Gesicht
und Vortrag ganz ernst. Sie spielen ja für ihre
Familien, ihr Dorf. Und wie bei den Wells drängen
gleich alle aufs Parkett.
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„PAPA, WENN
ICH SINGE,
BIN ICH GlüCKlICH“
Wer als Kind musiziert, hat bessere Noten. Aber darum alleine geht es
nicht: Es macht selbstbewusst. Und einfach glücklich.
Zwei Mädels im Dirndl, drei Jungs in Lederhosen,
Elisabeth, die Leiterin der Musikfachschaft an der
Gitarre, Sepp, der Ehrenamtliche, mit der Zither,
im Atelier oberhalb der Schule, die Tür ist offen,
Bienen fliegen, im Garten steht ein Trampolin.
So, jetzt singen wir „Kikeriki“, sagt Elisabeth. Die
Jungs: „Jaaah.“ Die Mädels: „Ach, nee.“ – „Kann
ich net“, sagt eine. – „Die Jungs singen lauter,
dann kommt ihr auch mit“, sagt Sepp. Und los.
Der Hahn auf dem Mist: Kikeriki. Schön. Dann
Ende, eine Dreiviertelstunde sind genug, die Kin­
der sollen Spaß haben. Raus aufs Trampolin, die
Zöpfe fliegen, die Jungs balgen sich, lachende
Verfolgungsjagd durch das Atelier und wieder
raus, Elisabeth hinterher.
Sepp: Ich mache das im 11. Jahr. Angefangen
hat es, als ich gemerkt habe, dass meine Tochter
Sophia gerne singt. Dann habe ich im Trachtenverein gefragt, ob noch andere singen mögen.
Das ist jetzt schon die 4. Generation an Kindern.
6 bis 12 Jahre.
Und Du bist immer noch dabei.
Sepp: Meine Tochter hat immer gesagt: Papa,
wenn ich singe, dann bin ich glücklich. Das ist das
Ziel, das ist es mir wert. Ich habe viele Eltern, die
sagen: Wenn sie vom Singen kommen sind sie
zufrieden, gehen mit einem Lachen ins Bett. Sonst
streiten sie ja gerne auch mal.
Singen fördert ja auch gute Noten, sagen
Wissenschaftler. Wie siehst Du das?
Sepp: Die Kinder werden selbstbewusst, wenn sie
auf der Bühne stehen, alleine singen, auch wenn
es nur ein Juhu ist. Dann kriegen sie die Sicherheit
sich hin zu stellen und zu sagen: „Das mag ich, das
nicht.“ Es ist eine Persönlichkeitsbildung.
Elisabeth kehrt zurück.
Ihr habt neben dem offenen Kinderchor auch
einen Schulchor?
Elisabeth: 35 von 40 Schülern sind darin. Unsere
Schüler haben zwei Mal in der Woche Musikunterricht, da wird viel gesungen, und wir machen
Aufführungen, das Sommerfest, das Krippenspiel,
das Frühlings- und Herbstsingen.
Was spielt ihr für Musik?
Elisabeth: Kinder sind für alles aufgeschlossen.
Die lieben Aktuelles genau so wie Vivaldis Frühling.
Wir waren mit den Grundschülern in München,
haben eine Probe der Sinfoniker besucht, ein zeitgenössisches Stück. Die Musiker waren total nett,
ließen die Kinder auch Instrumente ausprobieren.
Sepp: Wir machen einmal im Jahr einen Ausflug.
Einmal sind wir durch den Walderlebnispark in
Grünwald gegangen und auf einmal ist Arjen
Robben daher gekommen. Wir sind dann auch ins
Museum in der Bayern Arena.
Bei schönen Wetter proben Elisabeth und Sepp mit den Kleinen im Garten.
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Bei Interesse stellen wir gerne Kontakt zu den
Musikgruppen und Instrumentallehrern her.
Dorfleben Walchensee
c /o Dorfschule Walchensee · Kastanienallee 1 · 82432 Walchensee
Tel. +49 88 58 920 580 · [email protected] · www.dorfleben-walchensee.de