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Löcher in der Matrix - Verfassungszivilisatorischer Rückschritt
Von Ralph Malisch
„Mehrheitsentscheidungen – Der „Wille“ des Volkes ist nicht in Stein gemeißelt“ (faz.net, 9.11.2016)
Die Wahl von Donald Trump bescherte uns einige Aha-Erlebnisse. Nicht nur hierzulande hatte sich der
Medienmainstream maximal blamiert. Bis heute fehlt es an Einsicht, obwohl eine Umkehr eigentlich überfällig ist –
zumal die Waffe der massenmedialen Beeinflussung vor dem Hintergrund der Sozialen Medien längst stumpf
geworden ist. Dabei geht es nicht um eine falsche Prognose des Wahlausgangs, eher schon darum, dass diese
„Prognosen“ oft reines Wunschdenken waren. Vor allem aber geht es um die beispiellose Anti-Trump-Hass- und
Hetzkampagne, die nach einer kurzen Schrecksekunde erneut an Fahrt zu gewinnen scheint.
Geradezu beschämend waren auch die Reaktionen der deutschen Bundespolitik. Wenn Deutschlands
Spitzendiplomat Steinmeier dem künftigen Staatschef eines befreundeten Landes den Glückwunsch zum Wahlsieg
verweigert, dann war das nicht Unkenntnis diplomatischer Spielregeln, sondern ein bewusster Affront. Wem soll so
etwas nützen? Auch die Kanzlerin und die Verteidigungsministerin zahlten in kleiner Münze – Girl Power 2016.
Ursächlich dürfte aber weniger die Unfähigkeit gewesen sein, sich an eine veränderte Lage anzupassen, als der
Unwille irgendetwas an der eigenen Weltsicht zu korrigieren. Im Prinzip verhält man sich gegenüber dem künftigen
US-Präsidenten so wie gegenüber den Bürgern im Lande – mit der inzwischen sattsam bekannten Mischung aus
Trotz, Besserwisserei und Realitätsverlust.
Auch bei FAZ.net machte man sich Gedanken über den Zustand der Demokratie – anhand des Brexit-Votums. Es
mag Zufall sein, dass der Beitrag am Tag nach Trumps Wahlsieg veröffentlicht wurde. Allerdings wird Trump dort
auch explizit erwähnt als einer, der sich „auf das Volk und seinen Willen zu berufen“ pflegt. Dem Autor geht es
genau um diesen „Willen des Volkes“ und dessen Beziehung zum „verfassungsrechtlichen Institutionengefüge“.
Er kommt zu dem Schluss, dass es sich beim Brexit-Votum auch gar nicht um Volkes Wille, sondern lediglich um
eine Mehrheitsentscheidung des „rechtlich erzeugten Wahlvolks“ handle. Diese müsse interpretierbar,
kontrollierbar und korrigierbar bleiben. Für die feinsinnige Unterscheidung beruft er sich auf die beiden
Volksbegriffe des französischen Revolutionstheoretiker Abbé Sieyès: „das Volk in einer verfassunggebenden
Funktion, den pouvoir constituant, und das Volk als Träger des Demokratieprinzips, den pouvoir constitué.“
Die Logik dahinter ist zwar nachvollziehbar. Allerdings geht die Ausarbeitung implizit davon aus, dass die
Interpretation solcher Mehrheitsentscheidungen durch das Parlament, die Kontrolle durch die Gewaltenteilung und
die Überprüfung durch spätere Wahlentscheidungen intakt seien. Wenn dem so wäre, müsste man es wohl
tatsächlich als „verfassungszivilisatorischen Rückschritt“ betrachten, dass das verfassungsrechtliche
Institutionengefüge durch den „Willen des Volkes“ an den Rand gedrängt werden soll. Die Verfassungswirklichkeit
ist allerdings eine völlig andere: Die Errichtung des ESM, die Euro-„Rettung“ und die Massenmigration haben
gezeigt, dass die Gewaltenteilung in der Praxis zahnlos geworden ist. Der „verfassungszivilisatorische Rückschritt“
ist demnach längst eingetreten, nämlich als die entsprechenden Institutionen sich von der Exekutive „in die Pflicht“
haben nehmen lassen – „Not kennt kein Gebot“. Sowohl das Brexit-Votum als auch die Wahl von Außenseitern
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wie Trump sind daher eher als Akte der Notwehr und als Ausdruck jener Lebendigkeit von Demokratie zu sehen
und zu begrüßen, die in den Institutionen abhanden gekommen ist.
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