Klimaschutz in Deutschland und in Hamburg nach der Konferenz in Paris Veranstaltung des Hamburger Energietisches anläßlich des 3. Jahrestages des Volksbegehrens: „Unser Hamburg – unser Netz.“ Hamburg, 6. Oktober 2016 Dr. Joachim Nitsch Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart Systemanalyse und Technikbewertung Der Vergleich zweier Szenarien veranschaulicht die wachsenden Defizite und den erheblichen energiepolitischen Handlungsbedarf in der Klima- und Energiepolitik: Nur durch eine sehr dynamische Fortsetzung der Energiewende können die in Paris 2015 definierten Klimaschutzziele für 2050 rechtzeitig erreicht werden. SZEN-16 „TREND“ (derzeitige Energiepolitik und angekündigte Aktionsprogramme): Schreibt die Trends der letzten Jahre fort, berücksichtigt die EEG-Novellierung mit den dortigen Stromausbauzielen, das Aktionsprogramm „Klimaschutz 2020“, den Entwurf für den Strommarkt 2.0 und den nationalen Aktionsplan Effizienz (NAPE). Die derzeitigen Defizite bei der Effizienzsteigerung, im Wärmesektor, im Verkehr, beim Ausbau der KWK und den EE im Wärmesektor lassen sich dadurch tendenziell etwas verringern. SZEN-16 „KLIMA 2050“(engagierte Energiepolitik mit Blick auf das Klimaschutzziel 2050): „Messlatte“ für einen erfolgreichen Umbau des Energiesystems hinsichtlich Klimaschutz und Ressourcenschonung. Erfüllt die Ziele des Energiekonzepts, insbesondere das Klimaschutzziel einer -95% Minderung der THG-Emissionen bis 2050. Dies erfordert eine 100%ige Versorgung des gesamten Energiesystems mit erneuerbaren Energien. „SZEN-16 „KLIMA 2050“ ist eine aktualisierte Version des „Szenarios THG 95“ aus der Leitstudie: „Langfristszenarien und Strategien des EE-Ausbaus in Deutschland“ vom März 2012; Quelle: J. Nitsch: „Die Energiewende nach COP 21 – Aktuelle Szenarien der deutschen Energieversorgung“ Studie für den Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE), Stuttgart, März 2016. Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart Systemanalyse und Technikbewertung Die Zielsetzung von Paris verlangt die Einhaltung des THG-Minderungsziels – 95% für 2050; energieseitig erfordert dies ein 100%ige EE-Versorgung bis spätestens 2050 THG-Emissionen, Mio. t CO2 äq/a 1200 Bis 2020 kann günstigstenfalls („KLIMA 2050“, „2040“) eine THG-Minderung von 38 - 39% erreicht werden; wahrscheinlicher ist jedoch („TREND“) eine Minderung von nur 32%. 1000 800 600 Die durch „KLIMA 2050“ eingeleitete Dynamik reicht jedoch aus, die weiteren Minderungsziele sicher zu erreichen. Ist SZEN-16 TREND SZEN-16 KLIMA 2050 SZEN-16 KLIMA 2040 400 200 Ziele des Energiekonzepts 0 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 Um einen wesentlichen Beitrag zum „2° - Ziel“ zu leisten, wäre allerdings eine Entwicklung gemäß „KLIMA 2040“ erforderlich Bezugswert 1990: 1250 Mio. t CO2äq/a; Wert 2015: 908 Mio. t CO2äq/a (-27%) Ziel 2020: 750 Mio. t CO2äq/a (-40%); Ziel 2050: 63 Mio. t CO2äq/a (-95%) Zielverfehlung „TREND“: 104 Zielverfehlung „KLIMA 2050“: 30 Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart 180 <0 465 0 Systemanalyse und Technikbewertung Beitrag einzelner Nutzungsbereiche an den THG-Emissionen Deutschlands 1200 andere THG (u.a. Landw.) Treibhausgasemissionen, Mio. t CO2äq 1043 1000 800 Kraftstoffe 908 100% 109 12,0 182 20,0 144 15,9 160 17,7 21 118 2,3 13,0 173 19,1 600 400 200 Prozesswärme + WW Raumwärme Strom aus Erdgas (Öl) Strom aus Steinkohle, sonst. Strom aus Braunkohle 490 Stromerzeugung 2015: 312 Mio. CO2 t/a = 34,5% KOND = 265 (30%) KWK*) = 47 (4,5%) 0 *) mit Wärmegutschrift 2000 2015 2030 Eine substantielle Verringerung der THG-Emissionen erfordert wirksame Reduktionsmaßnahmen in allen Nutzungsbereichen; die bisherige Konzentration der Energiewende auf den Stromsektor allein ist unzureichend Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart Systemanalyse und Technikbewertung Energieverbrauch von 100% auf ~50%: Das Fundament einer erfolgreichen Energiewende ist eine wesentlich effizientere Nutzung von Energie – davon sind wir noch weit entfernt ! 10000 Endenergieverbrauch; PJ/a SZEN-16 „KLIMA-2050“ 1990 bis 2015: 8000 Durchschnittliche Abnahme: - 0,28 %/a Die Reduktion stammt weitgehend von den Sektoren Industrie und GHD (- 0,8%/a); der Verbrauch der Privaten Haushalte sank nur schwach mit - 0,2%/a, der Verbrauch des Verkehrssektors ist gegenüber 1990 mit 0,5 %/a gestiegen. 6000 4000 2000 2015 bis 2050: 0 2000 2005 2010 2015 Raumwärme Prozesswärme Kraft mobil (einschl. Strom) 2015: 2020 2025 2030 2040 2050 Warmwasser Kraft / Licht/Kommunikation SZEN-16 „TREND“: Abnahme: - 0,45%/a SZEN-16 „KLIMA 2050“: Abnahme: - 1,65%/a Wärme: 54%; Kraft, stationär: 15%; Kraft, mobil: 31% Brennstoffe/FW: 49%; Strom: 21%; Kraftstoffe: 30% Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart Systemanalyse und Technikbewertung Wind- und Solarstrom werden zur „neuen“ Primärenergie. Stromverwendung nach Einsatzarten, TWh/a im Wärme- und im Verkehrssektor müssen „neue“ Verbraucher mit EE-Strom effizient versorgt werden, dies ist nur mit einer umfassenden „Sektorkopplung“ möglich 1200 SZEN-16 „KLIMA 2050“ Verluste 7% 1000 „Power to Gas“ 40% 800 600 „Power to Heat“ 7% „Power to Mobility“ 5% 400 „konventionelle“ Stromverbraucher 41% 200 0 2012 2014 2015 Kraft/Licht/Inform./Prozesskälte "konvent". Prozesswärme Schienenverkehr "neue" Raumheizung (WP, FW) Strom für Wasserstoff Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart 2020 2025 2030 2040 2050 "konvent." Raumheizung Warmwasser Elektromobilität "neue" Prozesswärme Eigenverbrauch, Verluste Systemanalyse und Technikbewertung Längerfristig kann ein großer Teil des EE-Stroms mittels chemischer Speicherung (EE-Wasserstoff oder EE-Methan) für alle Verbrauchssektoren nutzbar gemacht werden 1.800 Stromeinsatz 2050: 450 TWh/a (1620 PJ/a) entspricht 40% des Bruttostromverbrauchs; damit erzeugter Wasserstoff: 1250 PJ/a Verluste H2-Bereitstellung 1.600 Wasserstoffeinsatz, PJ/a Spitzenstrom 1.400 Industrie (Chemie, Wärme) 1.200 Kraft-Wärme-Kopplung 1.000 Kraftstoff 400 Endenergie: Spitzenstrom: 7 TWh/a (26 PJ/a) KWK-Strom: 53 TWh/a (190 PJ/a) KWK-Nutzwärme: 245 PJ/a Prozesswärme, Chemie: 160 PJ/a Kraftstoff: 580 PJ/a 200 Gesamtnutzungsgrad: 74% 800 600 0 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 Es wird keine aufwändige Wasserstoffverteilungsstruktur benötigt. Elektrolyseure (und H2-Speicher) sind dezentral bei Großverbrauchern (GuD-HKW, BHKW, Tankstellen, Industrie) angeordnet; die „Verteilung“ der EE übernimmt im Wesentlichen das (gut ausgebaute) Stromnetz. Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart Systemanalyse und Technikbewertung Kern der Energiewende ist eine umfassende Transformation des Stromsektors Kohlekraftwerke werden bis 2040 durch gasgefeuerte Anlagen ersetzt; effiziente KWK spielt dabei eine wesentliche Rolle; Wind- und Solarstrom dominieren die Stromversorgung; längerfristig wird Erdgas durch EE-Wasserstoff verdrängt. Speicher ergänzen die „neue“ Kraftwerkstruktur. Leistung (GW) 2015 2050 500 450 SZEN-16 KLIMA 2050 Bruttoleistung, GW 400 EE-Importsaldo 0 Speicher 6 28 10 0 26 Biomasse, Wasser, Geoth. 14 24 Fotovoltaik 40 178 45 206 25 2 24 0 37 3 11 0 202 477 EE-Wasserstoff 350 300 SZEN-16 „TREND“ 250 Windenergie 200 Erdgas, Öl, 150 Braunkohle 100 Steinkohle, sonst. Kernenergie 50 0 2010 2012 2014 2015 Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart 2020 2025 2030 2040 2050 davon KWK 28 36 Systemanalyse und Technikbewertung KWK ist ein notwendiger Bestandteil einer effizienten Energieversorgung; sie spielt eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung flexibler, gesicherter Leistung 1200 Beitrag der KWK zur Versorgungssicherheit (Leistung in GW): Szenario „KLIMA 2050“ Bruttostromerzeugung, TWh/a 1000 2015 2050 800 KWK-FOS: KWK-EE: KOND-FOS: KOND-NUK: Übrig. EE: Speicher: 600 400 23 5 62 11 95 6 8 28 6 425 10 Gesamt: 202 477 Gesichert: ~ 100 ~100 200 0 2010 2012 2014 2015 Kond-Strom, fossil, nuk. 2020 KWK-Strom, fossil KWK-Strom, fossil +EE (%): Übriger EE-Strom (%): KOND-Strom, fossil/nuk (%): 15,0 27,0 58,2 16,5 36,0 47,5 EE-Strom, gesamt (%): 32,5 42 Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart 2025 17,3 61,3 22,4 56 68 2030 2035 KWK-Strom, EE 13,5 79,5 7,0 79 2040 88 2045 2050 Übrige EE Gesicherte Leistung kann in erheblichem Umfang von KWKAnlagen erbracht werden 10,5 89,0 0,5 94 98 Systemanalyse und Technikbewertung Verwendung von Erdgas im Szenario „KLIMA 2050“: nach 2025 wird es kontinuierlich von EE-Wasserstoff verdrängt 4000 Kond. Kraftwerke Raumheizung, WW Kraftstoffe Verluste Erdgaseinsatz (+ EE-H2), PJ/a 3500 Kraft-Wärme-Kopplung Prozesswärme NE-Verwendung EE-Wasserstoff 3000 2500 2000 Gasturbine 1500 Prozesswärme 1000 Kraftstoff 500 KWK-Anlagen 0 2010 2015 Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 Systemanalyse und Technikbewertung Moderne Elektrolyseure erreichen Wirkungsgrade von ~ 70% (längerfristig 75-77% möglich) Moderner 30 bar – Druckelektrolyseur der Firma Elektrolyse-Technik GmbH mit einer Kapazität von 760 m³/h ( ~ 3,5 MWel); Foto: ELT GmbH Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart Energiesystemanalyse und Technikbewertung Ohne einen völligen Umbau der Wärmeversorgung ist die Energiewende nicht umsetzbar; eine erfolgreiche Transformation erfordert eine abgestimmte „Vierfach –Strategie“. Energieeinsatz für Wärme, PJ/a Stromwärme*) (1) Effizienz 5000 Heizöl; direkt TREND Kohlen; direkt Gase; direkt 4000 Industr. KWK, fossil - 50% Fern- +Nahwärme, fos. Wasserstoff (KWK, Ind.) 3000 Biomasse Umweltwärme, Geothermie Solarkollektoren 2000 *) Ein weiterer KWK-Ausbau ist mit einer erheblichen Verbrauchs- reduktion vereinbar und für eine effiziente Nutzung von EE-Gasen erforderlich. TREND 1000 0 2012 2014 (2) EE – Anteil *) %: (3a) KWK-Wärme %: (3b) Wärmenetze %: (4) Stromwärme %: 2015 15 14 18 10 19 16 20 11 2020 27 18 30 14 2025 36 19 45 16 für RH, WW und Prozesswärme 2030 64 22 55 21 2040 95 25 60 27 2050 Dazu müssen aber Nah- und Fernwärmenetze weiter ausgebaut und zu einem wesentlichen Bestandteil der zukünftigen Wärmeversorgung werden. *) EE-Wärme + EE-Strom Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart Systemanalyse und Technikbewertung EE-Wachstum im Wärmesektor fand im Wesentlichen nur bei Biomasse statt Biomasse - KWK-Wärme = 38 TWh/a Zuwachs - Übrige Wärme = 43 TWh/a 2000 – 2015: Solarwärme = 7 TWh/a Umweltwärme/Geothermie = 10 TWh/a Insgesamt = 98 TWh/a Dominanz der Biomasse: 88% - davon Einzelheizungen: 55% - davon KWK-Wärme: 31% - davon Heizwerke: 14% EE-Wärmeerzeugung, TWh/a 250 Wachstum Szenario „KLIMA 2050“ bis 2030: Derzeitige Defizite (Szenario TREND): • EEG-Deckel blockiert effizientere Nutzung der bisherigen Biomasse und der restlichen Potenziale, mittelfristig droht Rückbau; • keine wirksamen Instrumente für deutlich dynamischeren Ausbau von SolarUmwelt- und Erdwärme. 200 restliche Biomasse : 12 TWh/a (nur KWK) 150 Solarwärme: 24 TWh/a 100 Wärmepumpen: 30 TWh/a Hydrothermal/ tiefe Geothermie: 11 TWh/a 50 0 2000 2005 Biomasse fest; KWK-Wärme Biomasse Einzelheizungen Umweltwärme Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart 2010 2015 2020 Biogas; KWK-Wärme Biogener Abfall hydrothermal, tiefe Geoth. 2025 2030 Alle Segmente werden benötigt. Biomasse fest, Heizwerke Solarthermie Systemanalyse und Technikbewertung Die Energiewende im Wärmesektor erfordert ein Wachstum der EE gemäß Szenario „KLIMA 2050“ 250 restl. Biomasse : 12 TWh/a (nur KWK) Solarwärme: 24 TWh/a Wärmepumpen: 30 TWh/a Hydrothermal/ tiefe Geothermie: 11 TWh/a EE-Wärmeerzeugung, TWh/a Wachstum bis 2030: 200 150 100 Nutzwärme aus KWK mit EE-Wasserstoff: 20 TWh/a Insgesamt: 97 TWh/a 50 0 2000 2005 2010 Biomasse fest; KWK-Wärme Biomasse Einzelheizungen Umweltwärme EE-Anteil an Wärme ges. (%): Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart 2015 2020 Biogas; KWK-Wärme Biogener Abfall hydrothermal, tiefe Geoth. 13 16 2025 2030 Biomasse fest, Heizwerke Solarthermie EE-Wasserstoff, KWK 22 30 Systemanalyse und Technikbewertung Jährliche Kollektorinstallation; 1000 m²/a 14000 KLIMA (brutto) 12000 10000 KLIMA (netto) TREND (brutto) 8000 6000 Große Diskrepanz zwischen Ist und Soll: Beispiel Solare Wärme Jahresumsatz stagniert bei 1,2 Mio. m²/a und wird unter Trendbedingungen kaum über 2 Mio. m²/a steigen Eine erfolgreiche Wärmewende erfordert eine stetige, langfristige Steigerung auf 10 – 12 Mio.m²/a (Szenario „KLIMA 2050“) 4000 2000 0 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 2055 2060 Kumulierte Kollektorfläche (Mio. m²) 250 Einzelanlagen Nahwärme 200 150 Damit kann der Beitrag solarer Wärme von derzeit 8 TWh/a (0,6%) auf rund 80 TWh/a (12%) steigen; rund 230 Mio. m² Kollektoren sind dann installiert (derzeit 19 Mio. m²) Mindestens 20% davon sollten große Nahwärmeanlagen sein; bei einer mittleren Größe von 20 000 m² entspricht dies rund 2 500 Anlagen !! 100 50 0 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 2055 2060 Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart Systemanalyse und Technikbewertung Auch Städte besitzen beachtliche EE-Potenziale innerhalb des Stadtgebiets Beispiel: Solarwärmerzeugung (kWh) pro Person und Jahr: 2015, Ziele bis 2050 und Potenziale**) EE-Potenziale im Stadtgebiet Stuttgart: Deutschland 93 930 (78 TWh/a, Szen „KLIMA 2050“) ~4000 BaWü 120 A) Bezogen auf heutigen Verbrauch Strom = 27% Wärme = 21% END = 19% 1100 B) Bezogen auf red. Verbrauch in 2050 Stuttgart 23 540 ~1200 Strom = 30% Wärme = 47% END = 31% Hamburg*) 19 750 (1,5 TWh/a) 0 500 2015 bis 2020 *) Rabenstein, April 2016 Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart ~1350 (2,75 TWh/a) 1000 1500 Nutzwärme/Pers. (kWh/P) Flächen-POT bis 2030 bis 2050 C) Heutige Anteile 2000 Strom = 2,1% Wärme = 0,8% END = 1,3% **) für D und BaWü einschließlich Freiflächen Systemanalyse und Technikbewertung Zielsetzungen für die Wärmeversorgung Stuttgarts bis 2030 – Vorbild für Hamburg ? Hamburg Stuttgart 2012:*) 22000 GWh/a 2020: 7000 GWh/a 2014: 7600 GWh/a Verbrauchsminderung: 21% -8% 2030: 5700 GWh/a -25% 19,1% 25% 32% Nahwärme, Objekt-BHKW 1,2% 5% 12% ~1% Übrige EE-Wärme 0,8% 2,5% 9% 62% Erdgas 57,1% 52,5% 38% 11% Heizöl, (Kohle) 11,8% 6% 0% 5% Strom 10,0% 9% 9% „Große“ Fernwärme Effizienzpotenziale ausschöpfen (Gebäudebestand sanieren) „Große“ Fernwärme: Netze, Wärmeabsatz konsolidieren; Erzeugung auf Erdgas, Abfälle, Abwärme umstellen „Nahwärme“ + Objekt-KWK stark ausbauen (Einzelheizungen umstellen) EE-Wärme in allen Segmenten nutzen (Fernwärme, Nahwärme, Einzelh.) *) „Ökologisch-soziale Wärmepolitik für Hamburg; Gutachten des Hamburg-Institut für den BUND, Mai 2015 Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart Energiesystemanalyse und Technikbewertung Für den Umbau der Wärmeversorgung sind flächendeckende kommunale Wärmeversorgungskonzepte von zentraler Bedeutung ohne aktive Kommunen wird die Energiewende nicht gelingen !! Erst kommunale Wärmeleitpläne schaffen die Grundlage für eine langfristig angelegte, zielgerichtete und kosteneffiziente Wärmeversorgung. Berücksichtigt bzw. kombiniert werden müssen: der Zustand bestehende Infrastrukturen eine langfristige Gebäudesanierungsstrategie, die lokalen Potentiale von KWK, EE und Abwärme, Einbindung aller professionellen Akteure, der Gebäudeeigentümer und der Mieter Vorteile/Chancen/Möglichkeiten: Verankerung einer nachhaltigen Energieversorgung als kommunale Daseinsvorsorge; (Kosten-) optimale Verzahnung von energetischer Gebäudesanierung und einer effizienten bzw. der zweckmäßigsten Restwärmeversorgung; Effektiver Ausbau von Wärmenetzen und (partieller) Rückbau von Erdgasnetzen; Optimaler KWK-Einsatz durch ergebnisoffenen Vergleich von objektbezogener KWK-Versorgung und von Netzausbaumöglichkeiten für KWK-Nutzung; Einbindung großer EE-Wärmemengen in Wärmenetze, insbesondere Solarkollektoren; Ausweitung der Wertschöpfung vor Ort, Gewährleistung stabiler Wärmepreise, Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart Systemanalyse und Technikbewertung Die wichtigsten Maßnahmen, damit die Energiewende ein Erfolg wird 1. Grundvoraussetzung: Der Preis für CO2-Emissionen muss deutlich erhöht werden. Ehrgeizigere EU-Minderungsziele, CO2-Mindestbesteuerung: Höhere fossile Energiekosten mobilisieren Effizienzpotenziale; sie schaffen fairere Marktbedingungen für EE und begünstigen im fossilen Bereich gasgefeuerte Anlagen (EEG, KWKG u.a. würden dadurch überflüssig) 2. Fossile Kraftwerksstruktur konsequent umbauen; Netze schrittweise optimieren. Kein Neubau von Kohlekraftwerken, neben Kernkraftwerken alte Kohlekraftwerke rasch stilllegen; Marktanreize nur für sehr effiziente und flexible Kraftwerke, insbesondere Kraft- WärmeKopplung; Lokale und regionale Netze optimieren (Smart grids) und Transportleitungen nur in Abhängigkeit von EE-Erfordernisse ausbauen; „Power to Gas“ vorbereiten. 3. Wirksame Effizienzstrategie im Wärmesektor schaffen; Wärmenetze ausbauen. Effizienzrichtlinie der EU in wirksames nationales Effizienzgesetz umsetzen; stabile Finanzierungsgrundlagen für Gebäudesanierung (insbesondere erhöhte Abschreibungen ermöglichen); aktives Energiemanagement in Kommunen zur Pflicht machen (flächendeckende, einheitlich strukturierte Wärmenutzungspläne und Energiekonzepte); lokale EE- und KWK-Potenziale konsequent nutzen. 4. Im Verkehrsektor müssen die Prioritäten deutlich verändert werden. Deutliche Effizienzsteigerungen („Down-Sizing“) und wesentlich wirksame Verlagerung- und Vermeidungskonzepte müssen ebenso wichtig werden, wie neue (Bio-) Kraftstoffe und um- fassende Elektromobilität; derzeit besteht hier ein sehr großes Ungleichgewicht. Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart Systemanalyse und Technikbewertung Schlussfolgerungen; Empfehlungen für die kommunale Energieversorgung Eine erfolgreiche Wärmewende in Städten erfordert einen möglichst hohen Anteil von Wärmenetzen, um längerfristig EE-Potenziale (auch EE-Gas) sehr weitgehend und flexibel nutzen zu können und um Strom und Wärme sehr effizient, d.h. mit KWK-Anlagen bereitstellen zu können. Langfristig (um 2050) sollten mindestens 50%- 60% der Gebäude an Wärmenetze angeschlossen sein (heute ~20%). Umfassende Modernisierung bestehender FW-Versorgung vorrangig. Versorgungsseitig: Steigerung von Anschlussgraden, Arrondierung und Lückenschließung, Ertüchtigung der Netze (Temperatur) Vollservice-Angebote, Vorrang für Neuanschlüsse innerhalb FW-Versorgungsgebiet. Erzeugungsseitig: Von „Kohle“ zu „Gas“; hohe KWK-Anteile anstreben; Zubau dezentraler Anlagen (Groß-BHKW); Wärmespeicher, längerfristig EE-Anlagen integrieren und Übergang zu EE-Gas Hohe Priorität hat der Aufbau von zusätzlichen (Nah-)Wärmnetzen in Quartieren mit Einzelheizungen; vorrangig Einstieg bei Quartieren mit hohen Anteilen von Ölheizung, Stromheizung, Altbauten; Prüfung aller aktuellen städtebaulichen Planungen auf Eignung für Wärmenetze, BHKW und EE„Großanlagen“. Stadtumfassende Wärmeleitpläne auf Quartiers-, bzw. Stadtteilebene verpflichtend machen. Flexible und vorausschauende Vorgehensweise ist erforderlich: Investor-, Eigentümerinteressen aufgreifen und bündeln; Großgebäude und/oder bestehende BHKW als Ankerpunkte für wachsende Netze nutzen; bei jeder städtebaulichen Aktivität mögliche Netzausweitungen und –verknüpfungen prüfen. „Energiewende“ als kommunale Daseinsvorsorge verstehen; Planungs- und Kooperationsstrukturen in kommunalen Ämtern und Stadtwerken an diese Herausforderungen anpassen, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten klar definieren; in Lenkungskreisen, Beiräten, Arbeitsgruppen ständigen Erfahrungs- und Faktenaustausch sicherstellen und verstetigen; alle wesentlichen Akteure (insbesondere auch Wohnungsunternehmen; Handel und Gewerbe, Unternehmen) einbeziehen. Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart Energiesystemanalyse und Technikbewertung Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit ! Einige Literaturhinweise: J. Nitsch, T. Pregger, T. Naegler, N Gerhardt, M. Sterner, B. Wenzel u.a: „ Leitstudie 2011 - Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland.“ DLR Stuttgart, Fraunhofer-IWES Kassel; IFNE Teltow im Auftrag des Bundesumweltministeriums (BMU), Abschlussbericht des Projekts FKZ 03MAP146, März 2012; www.erneuerbare-energien.de J. Nitsch: „Szenarien der deutschen Energieversorgung auf der Basis des EEG-Gesetzentwurfs – insbesondere Auswirkungen auf den Wärmesektor.“ Studie für den Bundesverband Erneuerbare Energien e.V. Berlin (BEE), Stuttgart, 21. Juli 2014; www.bee-ev.de/_downloads/publikationen/studien/2014/20140205_BEE-Szenarien_GROKO_Nitsch.pdf T. Kelm, M. Schmidt, E. Sperber, J. Nitsch u.a.: „Studie zum Landeskonzept Kraft-Wärme-Kopplung Baden-Württemberg.“ ZSW Stuttgart, DLR Stuttgart, J. Nitsch, Stuttgart, November 2014 . www.um.baden-wuerttemberg.de C. Maaß, M. Sandrock, R. Schaeffer: „Fernwärme 3.0 – Strategien für eine zukunftsorientierte Fernwärmepolitik.“ HIR Hamburg Institut Research gGmbH; im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Hamburg, 26. Jan. 2015. J. Nitsch: „Die Energiewende nach COP 21- aktuelle Szenarien der deutschen Energieversorgung“ Kurzstudie für den Bundesverband Erneuerbare Energien e.V. Berlin (BEE), Stuttgart, 8. März 2016 Dr. Joachim Nitsch, Gutachter und Berater für innovative Energiesysteme; bis Ende 2005 Abteilungsleiter „Systemanalyse und Technikbewertung“ im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Stuttgart, [email protected] Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart Systemanalyse und Technikbewertung Weitere Folien Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart Systemanalyse und Technikbewertung Dr. Joachim Joachim Nitsch, Nitsch, Stuttgart Stuttgart Dr. Erdgas-BHKW Wasserstoff-BHKW EE-Strom (+Wärmesp.) Industrielle Abwärme Solarwärme Geothermie Holz-HKW Biogas- BHKW Warum sind Wärmenetze so wichtig ? Sie bieten zukunftsoffene Möglichkeiten für eine flexible, effiziente und ökologisch verträgliche Wärmeversorgung mit allen EE-Quellen Systemanalyse und Technikbewertung Im Verkehrssektor ist die Energiewende noch nicht angekommen; die derzeitigen energiepolitischen Ansätze greifen viel zu kurz. Endenergieverbrauch Verkehr, PJ/a Szen-16 „KLIMA 2050 3000 Im Verkehr sind vorrangig effizientere Mobilitätskonzepte und ein generelles „Downsizing“ erforderlich – nur dann ist auch ein Umstieg auf EEKraftstoffe/Strom sinnvoll TREND 2500 2000 ~ 52% 1500 1000 Im Güterverkehr fehlen zukunftsfähige Konzepte (Schiene !) 500 0 2012 2014 Benzin Erdgas Elektrizität Anteil Erneuerbare E. (%): 4,8 Biomasse (%): 4,2 EE-Wasserstoff (%): 0 EE-Strom (%): 0,6 Dr. Joachim Nitsch, Stuttgart 2015 2020 2025 Diesel Biokraftstoffe 6 5 0,3 0,7 13 8 3 2 25 12 9 4 2030 2040 2050 Kerosin EE-Wasserstoff 52 16 27 9 Elektromobilität muss umfassender betrachtet werden 84 20 45 19 Systemanalyse und Technikbewertung
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