FRAUEN¬ AKTIONSEINHEIT EIN NEUES FRAUENVERSTÄNDNIS? Die letzten Ereignisse innerhalb der auto¬ nomen Frauenbewegung — die Auseinander¬ setzung um den Frauenkalender 76, die Frau¬ enhausinitiative, Aussagen von Frauen, daß sie sich nicht mehr als Linke verstehen, son¬ dern durch ein unserer Meinung nach falsch verstandenes „neues Weiblichkeitsgefühl" er¬ setzen — haben bei uns zu der Konsequenz geführt, eine Gruppe zu bilden, die, kurz ge¬ sagt, den Zusammenhang von Frauenpolitik und linker Politik herzustellen versucht. Bis¬ lang bestehen wir aus einzelnen Frauen und Delegierte aus Frauengruppen, die haupt¬ sächlich im Stadtteil tätig sind. Der Entschluß uns zusammenzusetzen, hat sich bei uns vor allem an der Auseinandersetzung ums Frauen¬ haus festgemacht. So wie z. B. das Projekt Frauenhaus angegenagen worden ist, insbe¬ sondere auch imHinblick auf die „Senatsfür¬ sorge", stellte sich uns desweiteren die Frage, wie effektiv dann so ein Projekt sein kann, wenn wir uns auf Sozialarbeit, die wir zudem noch dem Senat abnehmen, beschränken und den hilfesuchenden Frauen, für die ja eine der wichtigsten Fragen die des „Danach" ist, keine längerfrisitge politische Perspektive nennen können. Wir meinen damit nicht par¬ teiliche Organisierung oder etwas ähnliches. Selbsthilfe, Schwangerschaftsberatung und Frauenhäuser halten wir im Gegenteil für not¬ wendige Ansätze. Aber eben auch nur An¬ sätze, die nicht auf der Stufe der Beratung und Hilfestellung stehen bleiben dürfen, son¬ dern sie befähigen müssen,ihreUnterdrückung im Zusammenhangmitdemgesellschaftlichem System zu sehen und gegen dieses System an¬ zugehen. Sicherlich stehen wir mit dieser Ein¬ schätzung mit einigen Teilen der Frauenbe¬ wegung im Widerspruch; denn für uns liegt i das Übel unserer Unterdrückung nicht in der Tatsache, daß wir nunmal Frauen sind, und daß es Männer gibt, die uns unterdrücken, sondern vorrangig in dem kapitalisti¬ sch-patriarchalischen System, das letztlich uns alle unterdrückt und uns Frauen beson¬ ders. Auf eine einfache Form gebracht heitß das: nicht Frauenstaat als Endziel, sondern eine Gesellschaft, in der jeder frei leben kann, nicht Geschlechterkampf contra Klassen¬ kampf, sondern Klassenkampf und Geschlech¬ terkampf. Mit der bloßen Auswechselung statt Männer jetzt Frauen, ist uns nicht ge¬ dient, weil Frauen eine ebenso reaktionäre wie frauenfeindliche Politik machen (können) wie Männer. Wie kann es sonst dazu kom¬ men, daß z. B. eine New Yorker Frauenbank eine schwangere Geschlechtsgenossin ent¬ läßt (s. „Courage"- Nr. 2), wenn nicht auf dem Hintergrund, daß uns Frauensolidarität nicht angeboren ist und Frauen eben auch zunächst mal gemäß ihrer sozialen Rolle han¬ deln? Wenn wir aber diese Problematik ver¬ kennen, nehmen wir uns die Möglichkeit zu wirklicher Frauensolidarität, sondern auch die, an der Veränderung einer Gesellschaft mitzuwirken, die uns unterdrückt und ka¬ putt macht! Deshalb ist unsere Gruppe entstanden! Wir verstehen uns vorerst als Koordinations¬ treff von verschiedenen Frauengruppen, d.h. Koordination von Informationen und Aktio¬ nen und Austausch von Erfahrungen aus der Arbeit der Gruppen. Auch Frauen, die noch nicht in Gruppen sind, können teilnehmen und eventuell von hier aus mit anderen ein¬ zelnen Frauen Gruppen bilden. (<??) Frauen^4kft iorrseinheit T l/estberlin r rauen-AE Anfang Oktober 76 haben wir uns das erste Mal getroffen. "Wir", das sind einzelne unorganisierte Frauen, sowie Delegierte von Frauengruppen und eini¬ ge organisierte Frauen. Es gibt mittlerweile so etwas wie einen "festen Kern"(unorganisierte'Frauen, Frauen der Zeitschrift "Radikal", Frauen aus dem Druckbereich und Frauen aus dar AG—Frauen Westberlin des Kommunistischen Bundes), ansonsten ist unsere Zusammensetzung oft recht unterschiedlich. Wir suchen deshalb Frauen, besonders aus Frauengruppen und Organisationen, aber auch einzelne — unorganisierte — Frauen, die an einer kontinuierlichen Mitarbeit interessiert sind. Das ist entweder außerhalb unserer Arbeitsgrup¬ pen (Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit bieten sich z. B. an), oder auch in neuen AG •’s möglich. Zu tun ist viel! Was machten wir bis letzt. April 77 ? Eine Großveranstaltung zum Internatio¬ nalen Frauentag am 8. März, Beteiligung in der Frauengruppe der 1. Mai — Initiative (zur Bildung eines Frauenblocks auf der Demo), Erarbeitung einer BroschOre über die Frauen-AE (Entwicklungsgeschichte, Stellung zum Frauenzentrum und zur "autonomen" Frauenbewegung - siehe auch Rückseite,- , Ziele, Aktionen und Veranstaltungen) und Gründung von fünf Arbeitsgruppen s 0 §218 : Ziel dieser Gruppe ist es, eine Dokumentation über die konkrete Abtreibungspraxis in Westberlin herauszugeben. Dies beinhaltet eine Zusammenarbeit verschiedener Selbsthilfe—Gruppen, Freuen aus Beratunosstellen, Krankenschwestern, Ärztinnen u. Ärzten, £ AAO s In dieser AG soll eine Dokumentation Ober die A^ktions^nalyee Organisation erarbeitet werden. Frauenbewegung : Hier beschäftigen wir uns vor allem mit radikal—femi¬ nistischen Theorien von Alice Schwarzer bis zur "Schwarzen Botin", ^ 0 Frauen gegen Atomkraftwerke : Diese Gruppe plant kleinere Veranstaltun¬ gen im Bezirk, um mehr Frauen zum Kampf gegen das menschenfeind¬ liche Atomprogramm der BRD-l»Repierung zu gewinnen. AG "Russel-Tribunal" : Ein internationales Tribunal gegen die politische Unterdrückung in der BRD und Westberlin (Berufsverbote, Gewerk¬ schaf tsausschl üsse , Verfolgung und Kriminalisierung von opposi¬ tionellen Bewegungen usw.). Wir treffen uns jeden Freitag um 19 Uhr im Frauenbuchladen "Labrys" 1 Berlin 61 Yorckstraße 22 . Kontakt—Telefon 784 78 87 (werktags von 18 — 20 Uhr) !p ip t b&icL 5p
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