Wortlaut Präses der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau Dr. Ulrich Oelschläger 31. Oktober 2016 Moderation und Begrüßungsworte ES GILT DAS GESPROCHENE WORT Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder, wir feiern heute nicht irgendeinen Reformationstag. Es ist die Nummer 499 seit dem Thesenanschlag von 1517. Mit dem vorangegangenen Festgottesdienst haben wir also wahrsten Sinn des Wortes auch das Jubiläumsjahr der Reformation eingeläutet. Wir blicken in den kommenden Monaten auf ein halbes Jahrtausend Geschichte der evangelischen Kirche zurück – und auch in ihre Zukunft. Wir tun das in Hunderten von Veranstaltungen in unseren hessen-nassauischen Kirchengemeinden. Wir tun das in Berlin und Wittenberg. Und wir tun das heute Abend natürlich auch in Mainz. Ich freue mich, dass sie heute Abend dabei sind, und wir gemeinsam in das Festjahr gehen. Sehr geehrte Damen und Herren, „Verzeiht mir, ehrwürdigster Vater in Christo, durchlauchtigster Kurfürst, dass ich, der geringste unter den Menschen, so unbesonnen und vermessen bin und es wage, an Eure höchste Erhabenheit einen Brief zu richten“. So beginnt Luther vor 499 Jahren ein Schreiben an den Erzbischof zu Mainz, der auch die Kurwürde besaß. Dem Brief lag noch ein Packen Anlagen bei, den wir heute als die Epoche schreibenden 95 Thesen kennen. Sie wissen: Es ist heute mehr als umstritten, dass Luther seine Thesen wirklich an der Tür der Schlosskirche in Wittenberg anschlug. Unumstößlich aber ist: Die Thesen Luthers kamen im Bistum Mainz viel früher als an anderen Orten an. Umso mehr freue ich mich, dass Diözesanadministrator Prälat Dietmar Giebelmann am Reformationstag bei uns zu Gast ist und zu uns sprechen möchte. Ich bitte Sie um Ihr Grußwort. Kardinal Kasper hat in seinem in diesem Jahr erschienenen Büchlein: „Martin Luther. Eine ökumenische Perspektive“ mit dem Wachsen des Lindenbaums, den er im Luthergarten in Wittenberg 2009 pflanzen durfte, und des Olivenbaums, den Lutheraner bei seinem Nachfolger im Garten der römischen Basilika St. Paul, beim Amtssitz seines Nachfolgers pflanzten, verglichen. Zum Wachstum müssen Pflanzen gegossen werden. Solche gegenseitigen Besuche erfüllen diese Funktion sicher. (Generalvikar mit Grußwort) Mainz ist die Stadt des Buchdrucks. Ohne ihn hätte es die Reformation in dieser Form nicht gegeben. Aber um etwas zu Drucken, musste es auch die entsprechenden Inhalte geben. Und die mussten auch noch so interessant sein, dass es die Menschen interessiert. Luthers Bibelübersetzung traf das Herz und den Geist der Menschen seiner Zeit. Sie rissen sich um das Werk. Die Bibel wurde zu einem wahren Bestseller. Eine in unserem Kirchengebiet gedruckte Teilübersetzung der Bibel erlebte in einem Jahr 10 Auflagen. Heute hätte es vor den Läden Warteschlangen gegeben, wie wir sie vielleicht nur noch bei den Erstverkaufstagen eines neuen i-Phone-Modells sehen. Vor wenigen Tagen ist nun eine revidierte Fassung der Lutherübersetzung neu erschienen. Ich freue mich heute Abend jemanden begrüßen zu können, der mit Übersetzungen von Büchern seine ersten Meriten verdiente – auch wenn es nicht die Bibel, sondern Romane waren. Heute gilt er als letzter noch ernsthaft verbliebener „Literatur-TÜV“ Deutschlands. Mit Begeisterung habe ich als Liebhaber der antiken Literatur wahrgenommen, dass zu seinen Lieblingsbüchern die Metamorphosen des römischen Schriftstellers Ovid zählen - selbstverständlich nur in der lateinischen Originalversion. Und sehr amüsiert und gleichzeitig aus dem Herzen gesprochen hat mir seine jüngste Äußerung zur Verleihung Literaturnobelpreises an den Musiker Bob Dylan. Der sei zwar ein toller Autor von PopSongs aber als Literaturnobelpreisträger ein „Witz“. Das Nobelpreiskomitee hätte die Auszeichnung genauso gut an Donald Duck verleihen können. Offenbar habe das Komitee aber die Telefonnummer der Comic-Figur verlegt. Ich weiß, dass nicht alle Anwesenden diese Auffassung teilen, aber ich schon. Sie merken schon: Unser heutiger Referent gehört zu den scharfzüngigsten Buchkritikern des Landes, der aber wie kaum ein anderer seine Meinung charmant umgarnt. Das zeigt er beispielsweise immer wieder ganz frisch als Moderator des ARD-Sendung „Druckfrisch“ sowie in den SWR-Kulturmagazinen „Lesenswert“ und „Kunscht!“. Das brachte ihm zu Recht den Deutschen und den Bayerischen Fernsehpreis ein. Dass er aber nicht nur austeilen, sondern auch auswählen kann, zeigt er als seit Jahren als ständiges Mitglied in der Jury des Deutschen Buchpreises. Vor so viel geballter Literaturkenntnis, bin ich nun gespannt, was er als „Literatur-TÜV“ von der neuen Lutherbibel hält. Sein Licht wird er auch als sparsamer Schwabe heute gewiss nicht unter einen Scheffel stellen – aber die Bibel auf Herz und Nieren prüfen. Nun freuen Sie sich mit mir auf: Denis Scheck und seinen Festvortrag, den wir übrigens heute schon gesungen haben: „Das Wort sie sollen lassen stahn und kein‘ Dank dafür haben“. 1
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