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Presseinformation
ÖBB Wanderausstellung „Verdrängte Jahre…“ in St. Pölten
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Die Rolle der Bahn im Nationalsozialismus von 1938-1945 wird umfassend
beleuchtet
Ab 24. Oktober 2016 ist die einprägsame Ausstellung im Bildungszentrum
Wörth zu sehen
(St. Pölten, 24.10.2016) – Im Jahr 2012 feierte die Eisenbahn in Österreich ihr 175-jähriges
Jubiläum. Dabei wurden die enormen technischen Errungenschaften und die Bedeutung der
Bahn für die industrielle Revolution, für Erneuerung und den wirtschaftlichen Aufschwung
thematisiert. Die ÖBB haben sich aber auch mit den dunklen Zeiten des Systems Schiene
beschäftigt. In der Ausstellung „Verdrängte Jahre…“ wurde jener Zeitraum thematisiert, in
dem die Österreichischen Bundesbahnen (damals BBÖ) ein Teil der Deutschen Reichsbahn
waren. Von 1938 bis 1945 war die Bahn eine der wichtigsten Stützen des
nationalsozialistischen Staates. In sieben thematischen Schwerpunkten werden
verschiedenste Bereiche dieser dunklen Zeit eindrucksvoll und emotional gezeigt. Auch die
Bahngeschichte zur NS-Zeit im Bundesland Niederösterreich wird dargestellt. Nach den
bisherigen Stationen in Wien, Linz, Salzburg, Graz und Wiener Neustadt wechselt die für
Besucher kostenlose Wanderausstellung nun nach St. Pölten ins Bildungszentrum Wörth.
Heute hat Dr. Werner Kovarik von den ÖBB die feierliche Eröffnung gemeinsam mit St.
Pöltens Bürgermeister Mag. Matthias Stadler, Roman Hebenstreit, Vorsitzender des ÖBBKonzernbetriebsrats, Julia Scherzer, ehem. ÖBB Lehrling, und Milli Segal, Kuratorin der
Ausstellung, vorgenommen.
„Die Bahn hat mit ihrer logistischen Kapazität einen furchtbaren Beitrag zum industriellen
Massenmord und zum Vernichtungskrieg geleistet. Was damals geschehen ist, war der
denkbar grausamste Missbrauch des Systems Schiene. Wir müssen diese dunkle Geschichte
der Bahn als Teil unserer Unternehmensgeschichte akzeptieren und sind verpflichtet, der
Opfer zu gedenken und daraus zu lernen“, so Dr. Werner Kovarik, Leiter des
Geschäftsbereichs „Bildungszentrum Eisenbahn“ bei den ÖBB.
„Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen!“
(George Santayana, Philosoph und Schriftsteller)
St. Pöltens Bürgermeister Mag. Matthias Stadler zur Ausstellung: "Gerade St. Pölten als
Eisenbahnerstadt und mit ihrer Rolle im Zweiten Weltkrieg ist ein sehr guter Ort, um diese
Ausstellung zu zeigen. Die Schau ist eine beeindruckende Aufarbeitung dieser dunklen Zeit
und ein enorm wichtiger Beitrag zu einem 'Nie wieder!“.“
Roman Hebenstreit, Vorsitzender des ÖBB-Konzernbetriebsrats, stellvertretender
Vorsitzender der Gewerkschaft vida: „Die österreichischen Eisenbahner haben in der
Widerstandsbewegung große Verdienste errungen und diese oft auch mit dem Leben bezahlt.
154 Bahnbedienstete wurden wegen Ihres Widerstandes zum Tode verurteilt, 135 starben in
Konzentrationslagen oder Zuchthäusern, 1.438 wurden zu KZ- oder Zuchthausstrafen
verurteilt. Man darf aber nicht ausklammern, dass viele damals auch zu Mitläufern und
Mittätern der Nazis wurden. Das dürfen wir niemals vergessen. Dass wir uns mit dieser
Ausstellung unserer historischen Verantwortung stellen und die dunklen Kapitel in der
Geschichte der Eisenbahn in Österreich aufarbeiten, ist richtig und unerlässlich. Wir
Eisenbahner tragen aus unserer Geschichte heraus eine politische Verantwortung. Es liegt an
uns, den zukünftigen Generationen zu lehren, auch heute und in Zukunft wachsam zu sein,
wenn in Österreich wieder ähnliche faschistoide und totalitäre Töne angeschlagen werden.“
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Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinden Wien, Steiermark und Kärnten:
„Dem Besucher wird hier anhand der Bahn vor Augen geführt, wie vorhandene Infrastruktur
von den Nationalsozialisten vereinnahmt und eingesetzt wurde, um so ihren Plan zur
Vernichtung von Millionen Menschen in die Tat umzusetzen. Leider sind in der Gegenwart
wieder alarmierende Entwicklungen in Europa zu beobachten. Diese Ausstellung zwingt zum
Nachdenken und lässt wohl kaum jemanden unberührt.
„Ich habe mich bemüht die vielerlei Facetten in der Geschichte der Bahn in dieser Zeit
aufzuzeigen. In der Ausstellung ist eine überdimensionale Landkarte zu sehen, auf der die
Entfernungen von Wien in die einzelnen KZs und Ghettos eingetragen sind. Dadurch wird
schmerzlich erkennbar und bewußt, ohne andauernde Mithilfe der Bahn hätte der
Massenmord an Jüdinnen und Juden, Roma und Sinti, Politisch Andersdenkende,
Homosexuelle usw. nicht stattfinden können“, sagt Milli Segal, Kuratorin der Ausstellung.
Die Themenausstellung „Verdrängte Jahre – Bahn und Nationalsozialismus in Österreich
1938 – 1945“ gliedert sich in mehrere Abschnitte.
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Der »Anschluss«
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Die Bahnbediensteten
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Emigration und Kindertransporte
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Die Sondertransporte
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Der Widerstand
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Die Zwangsarbeit
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Die Restitution.
Ein Teil der Themenausstellung ist zudem eine filmische Dokumentation, die ÖBB-Lehrlinge
im Gespräch mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zeigt.
Die Dauerausstellung kann ab 24. Oktober 2016 nach Anmeldung unter
[email protected] während der Öffnungszeiten des Bildungszentrums von
Montag bis Donnerstag, jeweils 08:00 Uhr bis 20:00 Uhr besichtigt werden. ist.
Für die Konzeption und Umsetzung der Themenausstellung zeigt sich Dr.in Traude Kogoj als
Projektleiterin sowie Univ. Prof. DDr. Oliver Rathkolb für die wissenschaftliche Beratung
verantwortlich. Milli Segal und Alfred Klein-Wisenberg sind für die Ausstellungskonzeption
zuständig. Nähere Informationen unter: www.oebb.at/verdraengte_jahre
Die Eckpunkte der Themenausstellung
Verdrängte Jahre
Obwohl die Bahn in der Zeit des Nationalsozialismus eine zentrale Rolle spielte, blieb sie in
der Geschichtsschreibung der Österreichischen Bundesbahnen bisher so gut wie unerforscht
und ausgeblendet. Die Österreichischen Bundesbahnen wurden 1938 sofort in die Deutsche
Reichsbahn integriert. Ohne Bahn als Transportmittel wäre die Kriegslogistik der deutschen
Wehrmacht nicht machbar gewesen. Wie und in welcher Form wird in der Ausstellung gezeigt.
Züge in den Tod
Ohne die logistische Kapazität der Bahn wäre der systematische Mord an den europäischen
Jüdinnen und Juden, an Roma und Sinti, die Deportation von Sloweninnen und Slowenen,
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von Homosexuellen, Zeuginnen und Zeugen Jehovas und politisch Andersdenkenden nicht
möglich gewesen. Drei Millionen Menschen aus fast ganz Europa wurden im Zweiten
Weltkrieg mit Zügen in die Vernichtungs- und Tötungslager des NS-Regimes transportiert. Die
Deutsche Reichsbahn war durch die Deportation zahlloser Menschen unmittelbar am
Holocaust beteiligt und mit ihr auch die ehemals österreichischen Bahnbediensteten, die
während der Zeit – nach dem „Anschluss“ Österreichs an Hitlerdeutschland und dem Ende
des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 – Bedienstete der Deutschen Reichsbahn waren. Über
200.000 Österreicherinnen und Österreicher, fast die gesamte jüdische Bevölkerung wurden
gezwungen ihre Heimat zu verlassen oder in Konzentrations- und Vernichtungslager
geschickt. Die Transporte erfolgten mit der Bahn.
Eisenbahner im Widerstand
Die nationalsozialistischen Machthaber versuchten von März 1938 die Eisenbahnbediensteten
an ihr Regime zu binden. Eisenbahnerinnen und Eisenbahner hatten strengere Regeln als
Berufsbeamte zu befolgen, mussten „jederzeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat
eintreten“ und sie wurden flächendeckend einer politischen Untersuchung und Überwachung
unterzogen. Dennoch waren Eisenbahnerinnen und Eisenbahner maßgeblich am Widerstand
gegen den Nationalsozialismus beteiligt. So berichtet das Reichssicherheitshauptamt (RSHA)
1941 über den Widerstand bei der Bahn, dass im Vergleich zum „Altreich… die Ostmark seit
Ausbruch des Krieges 1939 in sabotagepolizeilicher Hinsicht eine größere Rolle spielte, da
hier die fremdländischen Nachrichtendienste und die inländischen Gegnergruppen es bereits
früher verstanden hatten, Sabotageorganisationen aufzubauen, …“ 154 Eisenbahner wurden
wegen Ihres Widerstandes zum Tode verurteilt und hingerichtet, 135 starben in
Konzentrationslagern oder Zuchthäusern, 1.438 wurden zu KZ- oder Zuchthausstrafen
verurteilt.
Die Reichsbahnzentralschule Wörth
1923 wurden im Bereich der Bundesbahn Oberbauwerkstätten und dem Oberbaulager St.
Pölten Wörth die ersten Kurse der Bahnmeisterschule abgehalten. 1934 erweitert und als
neue Dienstanfängerschule strukturiert, wurden nun Eisenbahnspezifische Fachausbildungen
für Dienstanfänger angeboten. Wenige Tage nach dem Einmarsch der Hitler-Truppen in
Österreich im März 1938 waren die Bundesbahnen Österreichs Teil der Deutschen
Reichsbahn. Die neue Organisationsform nach den Normen der Deutschen Reichsbahn hatte
unterschiedliche Auswirkungen auf die Dienstanfängerschule Wörth, die alsbald als
“Reichsbahnzentralschule Wörth“ bezeichnet wurde. Am Personalsektor wurden rund 20% der
Bahnbediensteten wegen ihrer jüdischen Herkunft oder anderen politischen Gründen
entlassen, während innerhalb weniger Wochen ca. 9.000, meist altgediente Nazis – die
sogenannten “Alten Kämpfer“ neu eingestellt wurden. Viele davon, vor allem die im
Betriebsdienst stehenden Bediensteten mussten rasch ausgebildet und dienstgeprüft werden.
Da dafür die bestehenden Räumlichkeiten nicht annähernd ausreichten, waren
Erweiterungsbauten umgehend notwendig. Diese Bauten wurden ganz im Sinne der neuen,
zeitgenössischen Ästhetik sowie unter den erzieherischen Komponenten der Epoche errichtet.
Dafür wurden die Gemeinschaftsräume großzügig gestaltet und auf die körperliche
Ertüchtigung vermehrtes Augenmerk gelegt. So wurden auch ein richtiger Sportplatz und ein
eigenes 50m Sportbecken im Freien gebaut. Eine besondere Herausforderung bestand darin,
möglichst rasch die neu geltenden Reichsbahn-Betriebsvorschriften und auch die geänderten
technischen Bau- und Erhaltungsvorschriften für Gebäude, Strecken, Bahnhöfe und
Fahrzeuge zu unterrichten.
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ÖBB: Österreichs größter Mobilitätsdienstleister
Als umfassender Mobilitätsdienstleister bringt der ÖBB-Konzern jährlich 459 Millionen
Fahrgäste und 111 Mio. Tonnen Güter umweltfreundlich ans Ziel. 92 Prozent des Bahnstroms
stammen aus erneuerbaren Energieträgern, zu 90 Prozent aus Wasserkraft. Die ÖBB
gehörten 2015 mit 96,3 Prozent Pünktlichkeit zu den pünktlichsten Bahnen Europas.
Konzernweit sorgen 40.031 MitarbeiterInnen bei Bahn und Bus (zusätzlich 1.700 Lehrlinge)
dafür, dass täglich rund 1,3 Mio. Reisende sicher an ihr Ziel kommen. Strategische
Leitgesellschaft des Konzerns ist die ÖBB-Holding AG.
Rückfragehinweis:
ÖBB-Holding AG
DI Christopher Seif
Pressesprecher Wien/NÖ/Bgld.
Tel: 02742 / 93000 - 3527
e-mail: [email protected]
www.oebb.at
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