Was man nicht aufheben soll

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Was man nicht aufheben soll
Beim letzten Aufräumen musste sie dann mal weg: Eine Flasche echt
steirisches Kürbiskernöl. Dunkelstgrün, sauteuer, und ich mag es extrem gern.
Meine Mama hat es mir mal aus Österreich mitgebracht. Ich habe mich gefreut
wie Bolle – und die Flasche in den Schrank gestellt. Weil sowas Edles ja nicht
einfach so montags oder donnerstags auf den Tisch kommt. Weil ich mir dann
endlich mal wieder richtig Zeit zum Kochen nehmen wollte, für ein paar ganz
besonders edle Menschen. Und irgendwie ist es nie dazu gekommen. Jetzt ist
das Öl ranzig. Mir tut es leid – und ich hoffe, dass meine Mutter mich nie danach
fragen wird. Und ich ahne: Die meisten Geschenke lassen sich nicht
aufbewahren, die wollen benutzt und aufgebraucht werden. Es gibt da so eine
Geschichte in der Bibel, da zieht das Volk Israel durch die Wüste und hat
Hunger. Und Gott lässt Brot vom Himmel regnen, und alle werden satt – und
machen, was wir Menschen irgendwie immer machen: Sie hamstern. Sammeln
mehr, als sie brauchen, für später halt. Am nächsten Morgen ist das Brot
verdorben. Es klappt eben nicht. Und ich denke so: Das meiste Lebenswichtige,
das gibt es nicht auf Vorrat, sondern nur im Moment. Die Luft zum Atmen. Eine
dringend nötige Umarmung. Unser täglich Brot. Das macht demütig. Und
dankbar. Trotzdem hoffe ich, dass Mama mir aus dem nächsten Urlaub
steirisches Kürbiskernöl mitbringt. Und dann wird gekocht und gefeiert. Auch am
Montag oder Donnerstag.
Sprecher: Daniel Schneider
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