Kartellrecht: Kommission sendet Mitteilung der

Europäische Kommission - Pressemitteilung
Kartellrecht: Kommission sendet Mitteilung der Beschwerdepunkte an
Brussels Airlines und TAP Portugal wegen Codesharing auf der Strecke
Brüssel-Lissabon
Brüssel, 27. Oktober 2016
Die Europäische Kommission hat Brussels Airlines und TAP Portugal von ihrer vorläufigen
Auffassung in Kenntnis gesetzt, dass die zwischen den beiden Fluggesellschaften
geschlossene Codesharing-Vereinbarung für Passagierflüge zwischen Brüssel und Lissabon
den Wettbewerb eingeschränkt und somit gegen das EU-Kartellrecht verstoßen hat.
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erklärte hierzu: „Codesharing zwischen
Fluggesellschaften kann den Passagieren zugutekommen, weil dadurch das Streckennetz erweitert und
die Verbindungen verbessert werden. In diesem Fall befürchten wir jedoch, dass Brussels Airlines und
TAP Portugal ihre Codesharing-Vereinbarung dazu verwendet haben könnten, den Wettbewerb
einzuschränken, was den Interessen der Passagiere auf der Strecke Brüssel-Lissabon geschadet haben
könnte.“
Die heute von der Kommission übermittelte Mitteilung der Beschwerdepunkte betrifft eine im Jahr 2009
zwischen Brussels Airlines und TAP Portugal unterzeichnete Codesharing-Vereinbarung. Die
Beschwerdepunkte der Kommission beziehen sich auf die ersten drei Jahre nach dem Inkrafttreten der
Vereinbarung. Im Rahmen der Vereinbarung räumten sich die beiden Fluggesellschaften gegenseitig
das Recht ein, eine unbegrenzte Anzahl von Tickets für fast alle Sitzplatzkategorien (Business und
Economy Class) für die von dem jeweils anderen Unternehmen durchgeführten Flüge auf der Strecke
Brüssel-Lissabon zu verkaufen. Vor der Unterzeichnung der Vereinbarung hatten Brussels Airlines und
TAP Portugal konkurrierende Dienste auf dieser Strecke angeboten und waren die einzigen beiden
Fluggesellschaften, die diese Strecke überhaupt bedienten.
Die Bedenken der Kommission
Zum jetzigen Zeitpunkt hat die Kommission Bedenken, dass die beiden Fluggesellschaften eine
wettbewerbswidrige Strategie auf der Strecke Brüssel-Lissabon verfolgt haben könnten, indem sie:
- sich erstens auf eine Kapazitätsverringerung (Zahl der Sitzplätze) und eine Angleichung ihrer
Preispolitik auf der Strecke verständigten;
- sich zweitens gegenseitig unbeschränkte Rechte zum Verkauf von Tickets für die vom jeweils
anderen Unternehmen durchgeführten Flüge auf der Strecke (auf der sie zuvor miteinander
konkurriert hatten) einräumten und
- drittens diese Absprachen umsetzten, indem sie ihre Kapazität reduzierten und ihre Preisstrukturen
und Ticketpreise für die Strecke komplett aneinander anglichen.
Die Kommission vertritt die vorläufige Auffassung, dass die Kombination dieser Verhaltensweisen
gegen das EU-Recht (Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) verstößt,
das wettbewerbswidrige Vereinbarungen verbietet. Die Kommission kommt vorläufig zu dem Schluss,
dass diese Verhaltensweisen zu einem Wegfall des Preis- und Kapazitätswettbewerbs zwischen den
beiden Fluggesellschaften bei Flügen auf der Strecke Brüssel-Lissabon sowie zu höheren Preisen und
weniger Auswahl für die Verbraucher geführt haben.
Die Übermittlung einer Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem Ergebnis der Untersuchung nicht
vor.
Codesharing-Vereinbarungen
Eine Codesharing-Vereinbarung ist eine Geschäftsvereinbarung, in deren Rahmen die Fluggesellschaft,
die einen Flug durchführt, einer anderen Fluggesellschaft erlaubt, den Flug zu vermarkten und Tickets
für ihn auszustellen, als ob sie den Flug selbst durchführen würde. Die Codesharing-Partner
verständigen sich auch darauf, welche Vergütung sie sich gegenseitig für die Tickets zahlen, die sie für
die vom jeweils anderen Partner durchgeführten Flüge verkaufen. Solche Vereinbarungen sind in der
Luftfahrtbranche weitverbreitet.
Die Gestaltung und der Grad der Zusammenarbeit im Rahmen von Codesharing-Vereinbarungen
können jedoch variieren. Häufig werden Codesharing-Vereinbarungen zwischen Partnern derselben
Luftfahrtallianz geschlossen. Fluggesellschaften, die bestimmte Strecken nicht bedienen, können durch
das Codesharing ihr Streckennetz ausweiten und die Verbindungen für die Passagiere verbessern.
Solch komplementäre Codesharing-Vereinbarungen werfen in der Regel keine wettbewerbsrechtlichen
Bedenken auf. Wenn Fluggesellschaften jedoch für dieselbe Strecke Tickets für die vom jeweils anderen
Unternehmen durchgeführten Flüge verkaufen, kann dies zu einer Verringerung des Wettbewerbs
sowie zu höheren Preisen und einer Verschlechterung der Servicequalität für die Kunden führen.
Hintergrund
Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist ein förmlicher Schritt bei Untersuchungen der Kommission zu
mutmaßlichen Verstößen gegen die EU-Kartellvorschriften, mit dem sie die Parteien schriftlich von den
gegen sie erhobenen Vorwürfen in Kenntnis setzt. Die Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte
können dann die Untersuchungsakte der Kommission einsehen, sich schriftlich dazu äußern und eine
mündliche Anhörung beantragen, in der sie gegenüber Vertretern der Kommission und der nationalen
Wettbewerbsbehörden zu der Sache Stellung nehmen.
Die Kommission hat das Verfahren zur Codesharing-Vereinbarung zwischen Brussels Airlines und TAP
im Februar 2011 eingeleitet.
Zeitgleich zur Übermittlung der Mitteilung der Beschwerdepunkte an Brussels Airlines und TAP Portugal
hat die Kommission heute ihre Untersuchung bezüglich der Codesharing-Vereinbarung zwischen
Lufthansa und Turkish Airlines (Sache AT.39794) eingestellt, denn die Untersuchung der Kommission
ergab, dass Lufthansa und Turkish Airlines nicht über ein volles Vermarktungsrecht für das
Sitzplatzkontingent des jeweils anderen Unternehmens verfügten und voneinander abweichende
Preisstrategien verfolgten. Darüber hinaus machte der im Rahmen der Codesharing-Vereinbarung
erzielte Umsatz nur einen geringen Anteil am Gesamtumsatz der Parteien aus Flügen auf den in Rede
stehenden Strecken aus.
Das Verbot wettbewerbswidriger Vereinbarungen ist in Artikel 101 AEUV verankert. Wie diese
Bestimmung umzusetzen ist, regelt die Kartellverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates), die
sowohl von der Kommission als auch von den Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedstaaten
angewendet werden kann.
Für den Abschluss kartellrechtlicher Untersuchungen zu wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen gilt für
die Kommission keine zwingende Frist. Die Dauer einer kartellrechtlichen Untersuchung hängt von
verschiedenen Faktoren ab, z. B. der Komplexität der Sache, dem Umfang, in dem das betroffene
Unternehmen mit der Kommission kooperiert, und der Ausübung der Verteidigungsrechte.
Weitere Informationen werden unter der Nummer der Wettbewerbssache AT.39860 im öffentlich
zugänglichen Register auf der Website der GD Wettbewerb veröffentlicht.
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