Telefonüberwachung, §§ 100a, b StPO

Telefonüberwachung
Telefonüberwachung, §§ 100a, b StPO
I.
Formelle Anforderungen, § 100b StPO
1. Zuständigkeit
a) § 100b I 1 StPO
Gericht
Im Ermittlungsverfahren Ermittlungsrichter, §§ 162 I 1, 169 I
StPO; mit Erhebung der Anklage geht die Zuständigkeit des
Ermittlungsrichters auf das mit der Sache befasste Gericht
über (vgl. §§ 199, 202 StPO).
Beachte: Erforderlich ist stets ein Antrag der StA!
b) § 100b I 2 StPO
bei Gefahr im Verzug auch StA
Gefahr im Verzug:
Wenn richterliche Anordnung nicht eingeholt werden kann,
ohne dass der Zweck der Maßnahme gefährdet wird
Tatsächlicher, oder rechtlicher Irrtum macht Anordnung
nicht unwirksam (anders bei Willkür)
(M-G, § 98, Rn. 6 und 7)
Beachte:
Anordnung der StA tritt lediglich ex nunc außer Kraft, wenn
nicht binnen 3 Werktagen die gerichtliche Bestätigung folgt
Grund: Eigene Zuständigkeit der StA; lediglich Fortdauer
wird rechtliche Grundlage entzogen; duales System von
Richterkompetenz und Eilkompetenz der StA
(vgl. M-G, § 100b, Rn. 1)
2. Form, § 100b II StPO
Anordnung ergeht schriftlich, § 100b II Nr.1 StPO;
muss erkennen lassen, wer sie erlassen hat;
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muss soweit möglich, den Name und die Anschrift des Betroffenen enthalten, gegen den die Maßnahme gerichtet ist,
§ 100b II Nr. 1 StPO;
Angabe der Rufnummer, oder einer anderen Kennung des
zu überwachenden Anschlusses oder Endgerätes, sofern
sich nicht aus bestimmten Tatsachen ergibt, dass diese zugleich einem anderen Endgerät zugeordnet sind, § 100b II
Nr. 2 StPO;
Angabe von Art, Umfang und Dauer der Maßnahme unter
Benennung des Endzeitpunktes, § 100b II Nr. 3 StPO;
Darlegung der Straftat, des Grundes der Überwachung und
der Unentbehrlichkeit, zumindest aber eine knappe Darlegung der den Tatverdacht begründenden Tatsachen und
der Beweislage
(M-G, § 100b, Rn. 5).
Der Beschuldigte, oder sonstige Betroffene werden vor Erlass der Anordnung nicht gehört, § 33 IV 1 StPO.
3. Rechtsfolge von Verstößen gegen formelle Anforderungen
Grundsätzlich resultiert aus Verstößen gegen die Anordnungskompetenz, oder sonstige Formvorschriften kein
Verwertungsverbot
Eine Ausnahme ergibt sich jedoch bei bewusster Überschreitung der Befugnisse.
(M-G, § 100b, Rn. 15; § 100a, Rn. 35)
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II. Materielle Voraussetzungen, § 100a StPO
1. Überwachung des Fernmeldeverkehrs
§ 100a StPO lässt Überwachung des Fernmeldeverkehrs
nicht nur in den herkömmlichen Formen des Telefonierens
und Fernschreibens, sondern jeglicher Art von Nachrichtenübermittlung zu (vgl. das TelekommunikationsG; M-G,
§ 100a, Rn. 6 / vgl. bzgl. des Zugriffs auf E-Mails und zugangsgeschützte Bereiche im Internet M-G, § 100a, Rn. 6b
und 7 f.).
Abgrenzungen:
§ 100a StPO betrifft lediglich den Nachrichtenübermittlungsvorgang
erlaubt
keine
Lauschangriffe
mit
Abhörgeräten
(= akustische Wohnraumüberwachung für Zwecke der
Strafverfolgung)
vgl. hierfür § 100c I StPO.
2. Verdacht bzgl. Katalogtat nach Abs. 2, § 100a I Nr. 1
StPO
Wichtig für Klausuren: § 100a II Nr. 1 StPO
Katalogtat muss als Täter oder Teilnehmer begangen, versucht oder durch Straftat vorbereitet worden sein (nicht bei
Strafvereitelung und Begünstigung, vgl. M-G, § 100a, Rn.
12).
Zureichende Verdachtsmomente?
Bestimmte Tatsachen müssen Verdacht begründen;
bloße Vermutung genügt nicht; hinreichender, oder sogar
dringender Tatverdacht ist aber nicht erforderlich.
(M-G, § 100a, Rn. 9)
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3. Subsidiaritätsgrundsatz, § 100 a I Nr. 3 StPO
Erforschung des Sachverhalts oder Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich
erschwert oder aussichtslos;
Grund: § 100a StPO bewirkt einen sehr massiven Grundrechtseingriff, bei dem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sich besonders stark auswirkt.
(M-G, § 100a, Rn. 13 f.)
4. Richtiger Adressat, § 100a III StPO
Nur gegenüber Beschuldigten
oder
gg. Personen, von denen aufgrund bestimmter Tatsachen
anzunehmen ist, dass sie für den Beschuldigten bestimmte
oder von ihm herrührende Mitteilungen (bösgläubig oder
gutgläubig) entgegennehmen oder weitergeben, oder dass
der Beschuldigte ihren Anschluss benutzt.
(M-G, § 100a, Rn. 16 ff.)
5. Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung,
§ 100a IV StPO
Erhebungsverbot gem. § 100a IV 1 StPO: Maßnahmen
nach Abs. 1 sind unzulässig, wenn die aufgrund der vorliegenden tatsächlichen Anhaltpunkte zu erstellende Prognose ergibt, dass von vornherein allein Erkenntnisse aus dem
Kernbereich zu erwarten sind.
(Verfassungsmäßigkeit sehr umstritten, vgl. M-G, § 100a,
Rn. 24 m.w.N., Rn. 24a)
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Verwertungsverbot gem. § 100a IV 2 StPO: Verwertung von
Erkenntnissen aus kernbereichszugehöriger Kommunikation ist ausgeschlossen, auch als Spurenansatz.
(M-G, § 100a, Rn. 25 f.)
6. Rechtsfolge bei Verstößen gegen materielle Anforderungen
Bei einer Verletzung der Anforderungen des § 100a StPO
ist der gewonnene Beweis in der Hauptverhandlung
(durch Augenschein = Vorspielen in der Hauptverhandlung,
Vernehmung der Polizeibeamte als Zeugen bzw. Verlesung
der Aufzeichnungsprotokolle; M-G, § 100a, Rn. 30)
grds. nicht verwertbar, da wegen des erheblichen Grundrechtseingriffes das Beweisgewinnungsverbot in ein Beweisverwertungsverbot mündet.
(M-G, § 100a, Rn. 35)
Allerdings sind die Annahme des zureichenden Tatverdachts, ebenso die Annahme der Subsidiarität, nur auf Vertretbarkeit überprüfbar.
Das Gesetz räumt dem Ermittlungsrichter bzw. der StA
zwangsläufig einen Beurteilungsspielraum ein, bei dem vor
allem die jeweilige kriminalistische Erfahrung hineinspielt.
(M-G, § 100a, Rn. 39)
Die Rechtsprechung verlangt allerdings, dass einer Verwertung in der Hauptverhandlung widersprochen wird (vgl.
auch BGH NStZ 2003, 499).
(zum notw. Revisionsvorbringen, vgl. M-G, § 100a, Rn. 39
m.w.N.)
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In § 100a IV 2 StPO wird ein Verwertungsverbot hinsichtlich
Erkenntnisse aus kernbereichszugehöriger Kommunikation
ausdrücklich geregelt.
(M-G, § 100a, Rn. 25)
Problem: Zufallserkenntnisse
Die Verwertung von Zufallsfunden wird in § 477 II 2 StPO
geregelt (zu Zwecken der Gefahrenabwehr gilt § 477 II 3
StPO).
M-G, § 100a, Rn. 34
Zu einer weitergehenden Strafverfolgung
sowohl gegen Beschuldigten der Tat, demgegenüber die
Anordnung erfolgte, sowie Teilnehmern der Tat,
sowie zur Strafverfolgung gegen Dritte Personen,
dürfen Zufallserkenntnisse über eine andere als in der Anordnung bezeichnete Katalogtat uneingeschränkt verwertet
werden;
Zufallserkenntnisse über Nichtkatalogtaten dürfen nicht
unmittelbar herangezogen werden; zulässig ist aber eine
mittelbare Verwertung, indem aufgrund erlangter Erkenntnisse Ermittlungen geführt werden und dabei andere Beweismittel gewonnen werden.
(M-G, § 477, Rn. 6 f.)
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