Magdeburg, den - SPD-Landtagsfraktion Sachsen

Sozialdemokraten in Sachsen-Anhalt
Pressemitteilung
Landtag von Sachsen-Anhalt, 28. Oktober 2016
TOP 15
Aktuelle Debatte
Zukunft der Hochschulmedizin – ärztliche
Ausbildung und medizinische Versorgung
auf höchstem Niveau sicherstellen
Redebeitrag der Fraktionsvorsitzenden und
Sprecherin für Wissenschaftspolitik
Dr. Katja Pähle
Sperrfrist: Redebeginn
Es gilt das gesprochene Wort
SPD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt · Pressestelle · Domplatz 6 – 9 · 39104 Magdeburg
Pressesprecher: Martin Krems-Möbbeck · Telefon: 03 91 – 5 60 30 09 · Fax: 03 91 – 5 60 30 24
Landtagssitzung 28.10.2016 – TOP 15 – Redebeitrag Dr. Katja Pähle – Seite 2
Dass Krankheit zum Leben gehört, hat jeder von uns früh gelernt. Und jeder geht anders damit
um, wenn es ihn oder seine Angehörigen betrifft. Aber über eins sind wir uns sicher alle einig:
Wenn es ernst wird, wenn wir erkranken oder wenn wir einen Unfall haben – dann wollen wir
uns in sicheren Händen wissen. Dann wollen wir sicher sein: Der Arzt, der mich unters Messer
nimmt, der meine Knochen richtet oder mir ein Medikament verabreicht – dieser Arzt weiß, was
er tut. Dann wollen wir wissen: Die Ärztin, die mich anästhesiert, hat die beste Ausbildung
bekommen, die möglich war.
Und dann wollen wir auch den beruhigenden Gedanken im Hinterkopf haben: Wenn mir mein
Hausarzt oder das Kreiskrankenhaus nicht weiterhelfen kann, dann gibt es in greifbarer Nähe
Spezialistinnen und Spezialisten, die sich um die passende Behandlung kümmern.
Das heißt nichts anderes als: Unser aller Gesundheit hängt im deutschen System der
Gesundheitsversorgung ab von funktionierenden Universitätskliniken:
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mittelbar, in der alltäglichen medizinischen Versorgung – weil es die Universitätskliniken
sind, deren Ausbildung über die Qualität niedergelassener Ärztinnen, Ärzte und
Krankenhäuser entscheidet,
und unmittelbar, wenn es um die Behandlung schwierigerer Fälle und schwerer Unfälle
geht – weil die Universitätskliniken den gesetzlichen Auftrag der sogenannten
Maximalversorgung haben; und nicht zuletzt auch aufgrund der Bedeutung der Unikliniken
für die Ambulanzversorgung.
Damit sind sie Schnittstelle von Wissenschafts- und Gesundheitssystem.
Gestern haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beiden Universitätsklinika in
beeindruckender Anzahl vor dem Landtag demonstriert und auf die Situation ihrer Einrichtungen
aufmerksam gemacht – wieder einmal. Wir reden jedoch keineswegs über ein Spezialproblem
von Hochschulprofessoren und Studierenden, sondern über medizinische Grund- und
Spitzenversorgung für die gesamte Bevölkerung. Jeder weiß, dass es die nicht zum Nulltarif
gibt. Aber nicht jeder weiß, welche grundsätzlichen Probleme das System der Finanzierung der
Hochschulmedizin aufweist.
Die Bedeutung medizinischer Spitzenversorgung wird in der Öffentlichkeit häufig nur über
Spitzenleistungen wahrgenommen – und der finanzielle Bedarf von Universitätskliniken wird
deshalb auch meist verbunden mit Investitionen in spektakuläre Großgeräte und -einrichtungen
wie etwa das künftige neue Herzzentrum im Universitätsklinikum Magdeburg.
Es gibt aber auch eine andere Seite der Ausstattung von Universitätskliniken. Sozusagen die
Brot-und-Butter-Ausstattung, ohne die eben auch die Hochschulmedizin nicht auskommen
kann. Hier zeigt die Hochschulmedizin ein anderes Gesicht als beim Vorzeigen innovativer
neuer Großgeräte. Und das ist ein Gesicht, das gezeichnet ist von den Spuren des
Investitionsstaus.
Dieses Gesicht zeigt sich, wenn in der Notfallmedizin Geräte eingesetzt werden müssen, die
durch Verschleiß jederzeit ausfallen können. Es zeigt sich, wenn in der medizinischen
Ausbildung Studierende an Geräten lernen müssen, die nicht mehr dem aktuellen Stand von
Wissenschaft und Medizintechnik entsprechen. Es zeigt sich, wenn Patientinnen und Patienten
in der Hautklinik der Universität Magdeburg zwar auf Spitzenleistungen bei der medizinischen
Behandlung rechnen können, aber mit Schimmelbildung am Klinikeingang, mit Etagenduschen
und mit Behandlungsräumen auskommen müssen, in denen keine Privatsphäre gewahrt
werden kann – oder wenn im Bettenhaus 2 in Halle die medizinisch erforderliche Separierung
von Patienten nicht möglich ist und untragbare hygienische Zustände herrschen.
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Landtagssitzung 28.10.2016 – TOP 15 – Redebeitrag Dr. Katja Pähle – Seite 3
Ich will hier keine Schwarzmalerei betreiben. Wir reden von Problemen, nicht von Katastrophen.
Aber wir reden von Problemen, die sich zu substanziellen Risiken auswachsen können und
werden, wenn wir sie nicht anpacken. Und das sind Risiken für die Qualität unseres
Gesundheitssystems – auf das wir doch alle auch stolz sein können.
Woher kommt es eigentlich, dass Hochschulmedizin so unpopulär ist? Warum müssen sich
Landtag und Landesregierung gerade mit diesem Teilaspekt von Gesundheitsversorgung so
häufig und so intensiv herumschlagen?
Das liegt zum einen natürlich daran, dass die universitäre Ausbildung der Ärztinnen und Ärzte
von morgen Ländersache ist – und damit die Unikliniken in ihrer Funktion als
Ausbildungsstätten.
Es liegt aber auch daran, dass die Unikliniken in ihrer anderen Funktion, als medizinische
Versorgungseinrichtungen, nicht in vollem Umfang die Refinanzierungsinstrumente zugreifen
können, die der Staat und die medizinische Selbstversorgung anderen Einrichtungen,
insbesondere anderen Krankenhäusern, zur Verfügung stellen.
Daher kommt es, dass die Unikliniken hier so oft Thema sind: weil wir in doppelter Hinsicht
unmittelbar Verantwortung für sie tragen.
Wir müssen über zwei Wege sprechen, mit denen wir die Situation der Universitätskliniken
verbessern können.
Der eine Weg ist eine verantwortungsvolle Planung der Förderung von Investitionen in unserem
eigenen Landeshaushalt und in der mittelfristigen Finanzplanung. Und da bin ich wirklich sehr
froh, dass sich bei dem Gespräch, das Wissenschaftsministerium, Finanzministerium und die
beiden betroffenen Hochschulen am Montag geführt haben, bereits eine deutliche Annäherung
und Verbesserung für die Lage der Hochschulmedizin ergeben hat. Sicherheit für den Bau des
Herzzentrums in Magdeburg, Sicherheit für den Ersatzneubau des Bettenhauses 2 in Halle,
Aufstockung der Mittel für Ersatzinvestitionen auf rund 4,2 Millionen Euro pro Standort und Jahr
– ich finde, Minister Jörg Felgner setzt hier wirklich die richtigen Schwerpunkte und zeichnet für
unsere Haushaltsberatungen im Parlament konstruktive Lösungsansätze auf; dafür bin ich sehr
dankbar.
Der andere Weg ist eine strukturelle Verbesserung der Refinanzierungsmöglichkeiten für die
Hochschulmedizin und eine perspektivische Neujustierung der Aufgabenverteilung zwischen
Bund und Ländern. Denn die strukturellen Probleme der Finanzierung sind die Probleme aller
Bundesländer.
Heute vor drei Wochen haben wir uns im Kreis der zuständigen Fachpolitiker der SPDFraktionen in Bund und Ländern bei einem bundesweiten Treffen in der Uniklinik Magdeburg
auf einen Strukturvorschlag dazu verständigt. Denn es besteht Handlungsbedarf. Die
Umsetzung des zum Anfang des Jahres in Kraft getretenen Krankenhausstrukturgesetzes
scheitert bislang in den für die Hochschulmedizin relevanten Teilen, weil sich die
Selbstverwaltungsorgane des Gesundheitssystems, an denen die Unikliniken nur mittelbar
beteiligt sind, nicht verständigen können.
Wir brauchen deshalb gesetzliche Nachbesserungen – so wie es der Bundesrat schon im Juli
gefordert hat. Wir brauchen insbesondere einen Systemzuschlag für die Unikliniken in ihrer
Funktion als Maximalversorger.
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Landtagssitzung 28.10.2016 – TOP 15 – Redebeitrag Dr. Katja Pähle – Seite 4
Dasselbe gilt für die Hochschulambulanzen. Diese sind zwar seit 2015 als Träger der
ambulanten Versorgung anerkannt, eine Regelung zur Verbesserung der Finanzierung steht
aber noch aus – was in unserem Fall an beiden Standorten jährliche Defizite in Millionenhöhe
bedeutet.
Wir brauchen außerdem eine verstärkte Berücksichtigung der ärztlichen Weiterbildung und
Facharztausbildung bei der Finanzierung der Hochschulmedizin. Denn ob ein Arzt oder eine
Ärztin auf der Höhe der Zeit ist, das entscheidet sich ja nicht nur im Studium, sondern
insbesondere auch bei ihrer ständigen Weiterqualifizierung entlang der Entwicklung der
Wissenschaft.
Der Wissenschaftsrat hat am Montag sehr umfangreiche Empfehlungen zu den Perspektiven
der Universitätsmedizin vorgelegt, die übrigens unter der Leitung von Professor Hans-Jochen
Heinze aus Magdeburg erarbeitet wurden. Wir werden uns gemeinsam diese Empfehlungen
sehr genau anschauen müssen, denn eins ist sicher: Hochschulmedizin ist einerseits so
kostenintensiv und andererseits gesellschaftlich so wichtig, dass strukturelle Veränderungen
notwendig sind, um sie zukunftsfähig zu gestalten.
Ich bin überzeugt, dass wir für eine dauerhafte Absicherung des Investitionsbedarfs an den
Hochschulen auch die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern anpacken müssen. Und
dass wir das auch können. Das unsinnige Kooperationsverbot ist im Wissenschaftsbereich
bereits gefallen. Bei der Bildungsfinanzierung im Schulbereich haben sich die
Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit dem Bund ebenfalls darauf verständigt.
Jetzt müssen wir auch bei der Finanzierung der Hochschulmedizin sinnvolle Kooperationen
möglich machen.
Natürlich werden sich die Universitätskliniken auch mit ihrem inneren Reformbedarf
auseinandersetzen müssen. Denn zu einer zukunftsfesten Finanzierung gehört nicht nur einer,
der zahlt, sondern auch ein System, in dem das Geld zielgerichtet, sparsam und zur Stärkung
von Innovationen eingesetzt wird. Das bedeutet auch große Anstrengungen der Kliniken selbst.
Aber, das möchte ich zum Schluss sagen: Diese gemeinsamen Anstrengungen lohnen sich.
Beide Universitätskliniken, Magdeburg und Halle, sind bedeutende Aushängeschilder unseres
Landes. Das gilt sowohl für die Forschung als auch für die Weiterentwicklung der medizinischen
Behandlungspraxis, wie etwa im Bereich Telemedizin. Wir tun gut daran, diese
wissenschaftlichen
Leuchttürme
Sachsen-Anhalts
solide
zu
finanzieren
und
weiterzuentwickeln.“
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