1. Elektrische Festigkeit 1.1. Ladungstransport im Isolierstoff Atome und Moleküle erscheinen nach außen elektrisch neutral. Lösen sich aus dem Atomverband ein oder mehrere Elektronen, so entstehen neben den negativen Elementarladungen der Elektronen (-1,602e-19 C) noch ein- oder mehrfach geladene positive Ionen. Bei diesem vorgang muß die sogenannte Ionisierungsarbeit geleistet werden, die bei Rekombination der Ladungen wieder frei wird. Die elektonegativen Gase, wie die Halogene, Sauerstoff usw., neigen zur Bildung von negativen Ionen. Die Masse der Ionen ist sehr viel größer als die der Elektronen. Alle Stoffe bilden Ionen, die zusammen mit den Elektronen beim Anlagen eines elektrischen Feldes als Ladungsträger dienen. Je nach Aggregatzustand sind diese Ladungsträger mehr oder weniger beweglich, in festen Isolierstoffen z.B. gibt es nur sehr wenige bewegliche Teilchen. Die beweglichen Ladungsträger eines Isolierstoffes bilden den Ableitstrom. Er läßt sich durch Vermehrung der Ladungsträger und durch Erhöhung der Beweglichkeit (durch Druckerniedrigung und/oder Temparaturerhöhung) vergrößern. Wird der Isolierstoff sließlich leitend, so spricht man von einem Durchschlag. 1.2. Der elektrische Durchschlag von Gasen Untersuchungen über der Durchschlag von Gasen sind auch für das Verständnis von Durchschlagsvorgängen in flüssigen und festen Isolierstoffen von Bedeutung. Nach eintritt eines Durchschlags kommt es nämlich bei jeder Art von Dielektrikum zu Gasenentladungen. Als Isoliermittel haben Gase ein weites Anwendungsfeld, vor allem in form atmosphärischer Luft. Chemisch reine Gase sind vollkommene Isolatoren, die Gasmoleküle sind neutral. Durch radioaktive Strahlung des Bodens, Ultraviolettstrahlung, atmosphärische Vorgänge usw. entstehen immer einige Elektronen und Ionen. Ihre mittlere Lebensdauer ist sehr kurz, da sie durch Rekombination wieder neutralisiert werden. Abb.1 Anordnung mit Abb.2 StromdichteFeld homogenem Feld beziehung Legt man an eineAnordnung nach Abb.1 mit homogenem Feld eine Gleichspannung an, so bilden Ionen und Elektronen zwischen den Elektroden den Ableitstrom. Zunächst ergibt sich ein etwa proportionaler Anstieg der Stromdichte mit dem Feld, bis bei einem bestimmten Feld alle entstehenden Ladungsträger zur entgegengesetzten Elektrode gelangen. Die Stromdichte beträgt dann etwa 1e-9 A/cm2. Von diesem Sättigungspunkt (Es, Js) an bringt eine Felderhöhung zunächst keine Stromdichtezunahme, bis infolge beginnender Stoßionisationen (Feld Eo) Ladungsträger entstehen. In Abb.2 ist dieser Verlauf aufge-zeichnet. Die Stoßionisation tritt ein, wenn die Feldstärke genügend hohe Werte erreicht hat, ein Elektron auf seiner Bahn zwischen zwei Zusammenstößen so zu beschleunigen, daß es aus einem Molekül ein weiteres Elektron herausschlägt. Dabei entsteht ein positives Ion. Bei ausreichender Feldstärke ist also jedes Elektron in der Lage, neue Elektronen zu Befreien. Von hier an kann sich die Entladung selbst tragen, und es kommt bei weiterer Spannungssteigerung zum Durchschlag in Form eines Funkens. Bei ausreichender Leistung der Spannungsquelle bildet sich dann ein Lichtbogen aus. 1 Die Durchbruchspannung im homogenen Feld hängt nach dem Paschen’schen Gesetz (Abb.3) vom Produkt zwischen Druck und Elektrodenabstand. Abb.3 Paschen’schen Gesetz Bei etwa 1 cm Schlagweite und Normaldruck kann man inhomogenen Feld für Luft als Festigkeit etwa 30 kV/cm annehmen. Mit der Temperatur nimmt die Gescwindigkeit der Molekularbewegung und damit die Energie der Bewegten Teilchen zu. Die Stoßionosation setzt also bei steigender Temperatur schon bei kleineren Spannungen ein, die elektrische Festigkeit wird kleiner. Neben diesen Einflüssen ist aber die Feldform der Elektrodenanordnung von großem Einfluß. Im inhomogenem Feld kommt es an Stellen großerer Feldstärke zuerst an Stoßionisation. An solchen Stellen glimmt dann die Luft und die Strecke schlägt eher durch als im homogenen Feld bei gleichem Elektrodenabstand. 1.3. Townsend-Mechanismus Der Durchschlag von Gasen erfolgt bei kleinen Drücken und Schlagweiten nach dem TownsendMechanismus. Hiernach können durch fremde Einflüsse entstandene und im Feld beschleunigte Elek-tronen, deren kinetische Energie die Ionisierungsspannung der betreffenden Gasmoleküle überschreitet, durch Stoßionisation neue Ladungsträger bilden. Dabei ensteht eine Elektronenlawine, die in Richtung von Kathode zu Anode läuft.Tritt als Folgeerscheinung der Lawine eine ausreichende neue Anzahl von Ionen in Kathodennähe auf, so erfolgt schlißlich ein vollkommener Durchschlag. Es kann gezeigt werden, daß bei einem solchen Aufbau der Entladung die statische Durchschlagsspannung Ud des homogenen Feldes bei konstanter Temperatur nur vom Produkt aus Druck p und Schlagweite s abhängt. Die Ionisierungskoeffizient der Elektronen kann in seiner Abhängigkeit von der Feldstärke E durch den Ansatz : p α = A ⋅ p ⋅ exp − B ⋅ E beschrieben werden, wobei A und B empirische Konstanten sind. Für den Townsend-Mechanismus gilt, bei homogenem Feld, folgende Zündbedingung : αs = k = const Bei erfüllung dieser Gleichung wird E = Ed = Ud /s. Eingesetzt und nach Ud aufgelöst erhält man das Paschen-Gesetz : p⋅s Ud = B ⋅ = U d ( p ⋅ s) A ln ⋅ p ⋅ s k 1.4. Kanal-Mechanismus Bei größeren Drücken und Schlagweiten erfolgt die Entladung in Gasen nach dem von Raether, Loeb und Meek untersuchten Kanal-Mechanismus. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, daß eine vom Kopf 2 einer Elektronenlawine ausgehende Photonen-Strahlung neue Lawinen auslöst und ein gegenüber dem Lawinenaufbau sehr schnelles rückartiges Vorwachsen eines Kanals einsetzt. Der Übergang einer Entladung vom Townsend- in der Kanalaufbau kann bei gegebener Schlagweite durch verschiedene Parameter begünstigt werden: je größer das Produkt ps ist, um so unwahrscheinlicher wird es, daß eine einzelne Lawine vor Erreichen der kritischen Verstärkung die Entladungsstrecke durchlaufen kann. Für Spannungen bis etwa 5% über dem statischen Wert von Ud kann in Luft mit einer Entladung nach dem Townsend-Mechanismus nur für etwa ps < 100 torr.cm gerechnet werden. Bei höheren Werten entsteht ein Durchschlag nach dem Kanal-Mechanismus. 1.5. Spitze positiv, Platte negativ Bei steigender Spannung kommt es zunächst an der Spitze zur Stoßionisation. Die positiven Ionen wandern reltiv langsam zur Platte. Vor der Anode bilden sich eine positive Raumladung. Sie entlastet den Raum vor der Spitze und wälzt die Beanspruchung auf die übrige Strecke ab (siehe Abb.4). Abb.4 Spannungsaufteilung bei positiver Spitze a. Potentialverteilung ohne Stoßionisation b. Potentialverteilung nach Einsetzen der Stoßionisation Der Gebiet der Stoßionisation wird also zur Platte hingedrängt. Man erkennt dies im Versuch bei weite-rer Spannungssteigerung daran, daß büschelartige Kanäle zur Kathode hin vorwachsen und schließlich den Durchschlag einleiten. 1.6. Spitze negativ, Platte positiv Auch bei dieser Anordnung kommt es vor der Spitze zuerst zur Stoßionisation. Die positiven Ionen wandern zur Kathode und bilden dort eine positive Raumladung. Die zur Anode fliegenden Elektronen kommen im Gebiet niedriger Feldstärke und bilden eine sich langsam bewegende negative Raumladung. Das Gebiet zwischen Spitze und der positiven Raumladung wird elektrisch stark belastet und die übrige Strecke entlastet (Abb.5). Abb.5 Spannungsaufteilung bei negativer Spitze a. Potentialverteilung ohne Stoßionisation b. Potentialverteilung nach Einsetzen der Stoßionisation 3 Es kommt nur um die Spitze herum kräftig zu glimmen. Die Durchschlagspannung kann etwa das Doppelte des Wertes bei positiver Spitze betragen. 1.7. Elektrischer Festigkeit flüssiger Isolierstoffe Im Gegensatz zu den Gasen streuen die Werte der Durchschlagspannung in Flüssigkeiten stark. Der Mechanismus ist nict völlig geklärt. Man nimmt an, daß Stoßionisation und Wärmewirkung des Isolationsstromes den Durchschlag einleiten. Dazu kommt, da0 Verunreinigungen zu Gebieten höherer Feld-stärke gezogen werden. Sie lagern sich dort aneinander und bilden praktisch eine Brücke, die den Durchschlag begünstigt. Zur Prüfung von Isolieröl muß man eine bestimmte Anordnung verwenden und einen genau definierten Spannungsanstieg erreichen. Damit man gute Isoliereigenschaften erhält, muß der Fremdionengehalt der Isolierflüssigkeit möglichst klein sein, damit der Isolationsstrom, der im wesentlichen von den Fremdionen getragen wird, keine (oder sehr kleine) Erwärmung der Flüssigkeit verursacht. Gute Isolieröle haben etwa 1e7Ωm spezifischer Widerstand und eine Festigkeit von 250 kVef/cm im homogenen Feld. 1.8. Der Durchschlag in festen Isolierstoffen Infolge der dichteren Lagerung der Moleküle bei festen Stoffen ist die elektrische Festigkeit wesentlich größer und der Mechanismus des Durchschlages ist auch anders. Er bewirkt bei festen Stoffen die Zerstörung des molekularen Gefüges. Diese Zerstörung kann durch verschiedene Ursachen hervorgerufen bzw. eingeleitet werden. Mechanische Kräfte des elektrischen Feldes. Wird die Feldstärke ausreichend groß (1e7 V/cm), so werden die Atome in ihre Bestandteile zerlegt, weil der Kern (positiv) und die Elektronen (negativ) im Feld entgegengerichteten Kräften ausgesetzt sind. Zerstörung des Gefüges durch Stoßionisation. Wie bei den Gasen können im Isolierstoff befindliche freie Elektronen bei großen Feldstärken eine solche Energie erreichen, daß sie zur Stoßionisation führt. Dieser Vorgang hat wegen der damit verbundenen Erhöhung der Stromstärke im Isolator eine Erwärmung des Gefüges zur Folge. Im festen Isolierstoff eingeschlossene Luftteile werden wegen ihrer kleineren Dielektrizitätskonstanten elektrisch höher beansprucht als der Isolierstoff selbst. Bei einer bestimmten Feldstärke werden die Luft-einschlüsse zum Glimmen angeregt, was einen Temperaturanstieg bewirkt. Auserdem bilden sich aus der Luft Ozon und Stickstoffverbindungen, welche den Isolierstoff chemisch angreifen. Das Zersetzungsprodukt enthält Kohlenstoff, der einen guten Leiter darstellt. Wärmedurchschlag. Praktisch ist der Durchschlag eines festen Isolierstoffes fast immer ein Wärmeproblem. Wichtig dafür ist, daß die spezifische Leitfähigkeit der festen Isolierstoffe mit der Temperatur zunimmt. Die meisten festen Isolierstoffe sind inhomogen, so daß Stellen höherer Leitfähigkeit mit Stellen kleinerer Leitfähigkeit abwechseln. Wird an eine derartige Isolierplatte Spannung gelegt, so wird in den Bereichen höherer Leitfähigkeit die Stromdichte am größten sein (J=σE), so daß deren Leitfähigkeit noch mehr steigt, der Strom weiter wächst, usw.. Es kann sich nun ein stabiler Zustand herausbilden, wenn bei einer Temparatur die abgeleitete Wärme in dem Kanal gleich groß ist wie die vom Isolationsstrom erzeugte. Wird dagegen die erzeugte Wärmemenge größer als die Abgeleitete, so wächst der Strom und damit die Erwärmung; der Isolierstoff wird thermisch zerstört. Als Ursache für die Erwärmung ist nicht nur die Leitfähigkeit des Isolierstoffes (bei Gleichspannung stimmt das). Bei Wechselspannung entstehen auch dielektrische Verluste. Die Isolierstoffe sind nicht, in Abb.6 Isoliermaterial bei Wechsespannung 4 kleinen Teilchen, elektrisch gleichförmig ; das Verhältnis C/R hat, an verschiedenen Punkten des Isolierstoffes, verschiedene Werte. Man kann sich den Isolierstoff als einen Kondensator vorstellen, der aus in Reihe geschalteten Parallelschaltungen Ci//Ri besteht. Bei Anlegen einer Wechselspannung treten frequenzabhängige Umladungen der Kapazitäten auf, die in den Isolationswiderständen Ri Joule’sche Wärme erzeugen. Die andere Erscheinung erklärt das Auftreten dielektrischer Verluste bei homogenem Isolierstoff. Dieser ist aus elektrischen Dipolen aufgebaut, die unter dem Einfluß einer angelegten Wechselspannung ihre Polarisationsachse drehen. Diese Drehungen sind mit molekular “Reibung” verbunden und so entsteht Wärme. 1.9. Der unvollkommene Durchbruch Frage : Wie sich die elektrische Belastung auf die Reihenschaltung zweier Isolierstoffe verteilt ? Nehmen wir ein unendlich großen Plattenkondensator an. Zwischen die Platten werden zwei Dielektrika mit den relativen Dielektrizitätskonstanten ε1 und ε2 gebracht (Abb.7). Abb.7 Geschichtetes Dielektrikum Längs einer Kraftlinie des Feldes, zwischen beiden Platten, muß, im ladungsfreien Raum, die dielektrische Verschiebung konstant sein : D1= D2 oder ε1E1= ε2E2 Die angelegte Spannung ist : U= a1 E1 + a2 E2 So, die Feldstärke in Medium Nr.1 und Nr.2 sind : U U E1 = und E 2 = ε ε a 1 + a 2 ⋅ r1 a 2 + a1 ⋅ r2 ε r2 ε r1 Ist das Material 1 Luft (εr1 =1) und das Material 2 Glas (εr2 =6), so herrscht in der Luft die sechfache Feldstärke derjenige im Glas. Die dielektrische Belastung wird also auf die Luftschicht gedrängt, so diese durchschlägt. Die Isolation bricht (vielleicht) nicht völlig zusammen, da ja das Glas noch isoliert. Der unvollkommene Durchbruch muß vermieden werden; man achtet daß alle Luftblasen aus Öl, Hartpapier oder Kabeln entfernt werden. Ganz allgemein muß man vermeiden, daß eine Isolation aus mehreren Stoffen mit stark verschiedenen Dielektrizitätskonstanten besteht, da sonst das Material, mit dem kleinsten εr am stärksten beansprucht wird. Literaturverzeichnis P.Böning - Kleines Lehrbuch der elektrischen Festigkeit. G.Braun, Karlsruhe, 1955. W.Boeck - Hochspannungspraktikum. T.H.Darmstadt, 1972. D.Kind - Einführung in die Hochspannungs-Versuchstechnik. Vieweg, Braunschweig, 1972. C.Brinkmann - Die Isolierstoffe der Elektrotechnik. Springer, Berlin, 1975. 5 2. Zerstörungsfreie Hochspannungsprüfungen Bei der Untersuchung einer Isolierung bestimmt die Durchschlagsspannung die obere Grenze des Span-nungsbereichs. Aus der Kenntnis der Durchschlagsspannung und aus den Durchschlagsspuren läßt sich jedoch meist keine Aussage über die Durchschlagsursache ableiten, da die Isolierung vor allem bei fes-ten Isolierstoffen und bei Anwendung leistungsstarker Hochspannungsquellen im Bereich des Durch-schlags zerstört wird. Dielektrische Untersuchungen, die einen Durchschlag vermeiden, sind daher ein wichtiges Hilfsmittel zur Beurteilung von Isolierstoffen und Isolieranordnungen. 2.1. Verluste im Dielktrikum Ein ideales ist völlig verlustfrei und wird durch : r Dielektrikum r D=ε ⋅E [C/m2] wo ε = ε0 ⋅εr [F/m] ist die reelle Dielektrizitätskonstante. Im wirklichen Dielektrikum treten Verluste auf, deren physikalische Ursachen sind : -Leitungsverluste Pl durch Ionen- oder Elektronenleitung ( σ > 0 ). -Polarisationsverluste Pp durch Orietierung-, Grenzflächen- und/oder Deformationspolarisation. -Ionisationsverluste Pi durch Korona- oder Teilentladungen. Diese Verluste haben bestimmte elektrische Wirkungen als Folge, die für zerstörungsfreie Hochspannungsprüfungen ausgewertet werden können. Die wichtigsten Meßgrößen sind : Leitungsstrom bei Gleichspannung, Verlustfaktor bei Wechselspannung und Teilentladungs-Kenngrößen bei Wechselspannung. Diese Größen ändern sich bei jedem Prüfling mit der Höhe der Prüfspannung, der Temperatur, der Zeit, den Eigenschaften des Dielktrikums, der Struktur, der Reinheit und der Vorgeschichte. In Bild 2.1 ist ein allgemeines Ersatzschaltbild für ein verlustbehaftetes Dielektrikum gegeben. Während das ideale Dielektrikum durch eine reine Kapa-zität Cd dargestellt werden kann, läßt sich das auftreten von Leitungsverlusten durch die Parallelschaltung eines Widerstandes Rl berücksichtigen. Polarisationsverluste generieren eine Wirkkomponente des Verschiebungsstroms, die durch den Widerstand Rp nachgebildet werden. Impulsförmige Teilentladungen sind durch den rechten Zweig beschrieben ( R1, C1, R2, C2 und F ). 2.2. Messung des Leitungsstromes bei Gleichspannung Das Ohm'schen r rGesetz läutet: [A/m2] J =σ ⋅E und so, die spezifischen dielektrischen Verluste sind : r r [W/m3] p diel = J ⋅ E = σ ⋅ E2 = ρ ⋅ J2 ′ Abb.2.1 Ersatzschaltbild für ein Dielktrikum mit Verlusten Die Leitfähigkeit von Isolieranordnungen mit flüssigen und/oder festen Stoffen ist durch Ionenleitung gegeben und deshalb sehr stark von Temparatur und Verunreinigungen (Feuchtigkeitsgehalt) aghängig. Der Leitungswiderstand Rl einer Isolieranordnung kann durch Strommessung beim Anlegen einer Gleichspannung ermittelt werden. Wegen der gleichzeitigen Gültigkeit unterschiedlicher Mechanismen ist das Ergebnis zeitabhängig; zu bekommen vergleichbare Werte soll die Meßung zu einem 6 bestimmten Interval nach Anlegen der Hochspannung erfolgen (z.B. eine Minute). Aus dem Widerstanswert kann man die spezifische Widerstand (ρ) und/oder die spezifische Leitwert (σ) errechnen. Eine einfache Anordnung zur Untersuchung von Isolierstoffplatten ist schematisch in Abb.2.2 dargestel-lt Die meist 100 V oder 1000 V betragene Prüfspannung wird zwischen Elektrode 1 und Erde angelegt. Abb.2.2 Anordnung zur Messung der spezifischen Widerstand einer Isolierstoffplatte bei Gleichspannung Die Meßelektrode 2 wird über einen empfindlichen Strommesser geerdet, die zur Ausschaltung von Randfeldeinflüssen und Oberflächenströmen unbedingt erforderliche Schutzringelektrode 3 wird direkt geerdet. Bei den meisten Isolierstoffen liegt σ im Bereich von 10-14...10-8 S/m, woraus sich die zu messenden Ströme in der Größenordnung Picoampere bis Nanoampere ergeben. Die Meßleitungen müssen entsprechend sorgfältig abgeschirmt sein. Gleichspannungsmessungen zur Bestimmung des Leitungsstromes sind nicht nur zur Ermittlung der spezifischen Widerstand von Bedeutung, sondern vor allem auch zur Überprüfung des Zustandes von Isolierungen mit hoher Kapazität. 2.3. Dielktrische Verluste bei Wechselspannung Es isat möglich zu zeigen, daß die zeitliche Polarisation nacheilt die elektrische Feldstärke : [C/m2] P t = ε 0 χ E = ε 0 ( χ ′ − jχ ′′) E Die Verschiebungsdichte wird : [C/m2] D = ε 0 E + P t = ε 0 ε r E = ε 0 ( ε r′ − jε r′′) E Die Stromdichte ist durch : ∂D [A/m2] J = σE + = σ E + jω D ∂t gegeben. Die Leistungvolumendichte wird : [W/m3] s = E J * = E (σ E * − jω D * ) = σE 2 + ωε 0 ε r′′E 2 − jωε 0 ε r′ E 2 Oder anders geschrieben : [W/m3] s = pl + ph − jq h In die obengeschriebene Beziehung, treten die Leitungs-(l) und Hystereseverluste (h) ein. Mikroscopisch gesehen, der dielektrische Verlustfaktor tan δ ist definiert als Quotient aus der Wirkleistungsdichte und Blindleistungsdichte : ε r′′ p σ tan δ = = + [W/Var] q ωε 0 ε r′ ε r′ Wenn wir über das ganze Isoliermaterialvolumen integrieren, der Verlustfaktor ergibt sich als : 7 tan δ = ∫∫∫ pdv P = ∫∫∫ qdv Q diel = I wirk I blind [W/Var] wo Iwirk die Wirkkomponente und Iblind die Blindkomponente des Stromes sind. 2.4. Ersatzschaltbilder einer teilentladungslosen Isolation bei Wechselspannung Reihenschaltung. Der Isolierstoff sei durch eine Reihenschaltung Widerstand-Kapazität nachgebildet. Abb.2.3.Reihenersatzschaltbild einer Isolation Gemäß Ohm'schen Gesetz : 1 U = Z I = Rs + [V] I jωCs Die komplexe Leistung ist : I2 1 2 * 2 [VA] S = U I = Rs + = P − jQ I = Rs I − j jωCs ω Cs Für den dielektrischen Verlustfaktor gilt dann : P [W/Var] tan δ = = ωRs Cs Q Der komplexe Strom der durch den Isolierstoff fließt, ist gegeben bei : 1 Rs + j ωCs U [A] I = =U = I wirk + jI blind 1 Z 2 Rs + 2 2 ω Cs Und so, man bemerkt daß δ ist der Winkel zwischen dem durch das Dielektrikumfließenden Strom und seiner Blindkomponente. Parallelschaltung. Der Isolierstoff sei durch eine Parallelschaltung Widerstand-Kapazität nachgebildet. Abb.2.4. Parallelersatzschaltbild einer Isolation Ein ähnlicher Schritt wie vorher, führt zum Folgenden : 1 I = YU = + jωCp U Rp 1 S = UI* = − jωCp U 2 = P − jQ Rp 8 [A] [VA] I wirk P 1 [W/Var] = = Q ωR p Cp I blid Für eine feste Frequenz sind beide Ersatzschaltungen gleichwertig, und die Elemente können entsprechend umgerechnet werden. Die Frequenzabhängigkeit ist in beiden Fällen gerade entgegengesetzt. Für 50 Hz ist das Unterschied nicht wichtig. tan δ = 2.5. Messung des elektrischen Verlustfaktors und der Kapazität Die Messung der dielektrischen Verluste und der Kapazität bei Wechselspannung erfolgt in der Hochspannungstechnik mit Brückenschaltungen. Die Scheringbrücke ist eine aus Kondensatoren und Widerständen gebildete Wechselstrombrücke. Abb.2.5. Schaltung der Scheringbrücke Bei abgeglichener Brücke gilt für die Impedanzen/Admitanzen der Bruckenzweige : Zx Z4 = ZeZ3 oder Z x Y e = Z 3Y 4 Unter verwendung der Reihenschaltung für den Prüfling egibt sich : 1 1 + jωC4 Rx + jωCe = R 3 jωCx R4 Diese Gleichung muß für die reellen als auch für die imaginären Anteile erfüllt sein, was einem Abgleich der Scheringbrücke nach Betrag und Phase entspricht. Es ergeben sich die Beziehungen : Ce R 3 = und ωR x Ce = ωR 3 C4 Cx R 4 Daraus folgt für die Kapazität und für der Widerstand des Prüflings : C4 R4 Cx = Ce und Rx = R3 R3 Ce Und so, für den dielektrischen Verlustfaktor ergibt sich : tan δ = ωR x Cx = ωR 4 C4 Die zu bedienenden Abgleichelemente sind in einem geerdeten Gehäuse untergebracht; der Prüfling Rx, Cx - und ein möglichst verlustfreier Etalonkondensator Ce liegen an Hochspannung. Das Nullindikator NI darf nur für 50 Hz empfindlich sein. Die Brückeneckpunkte müssen durch Überspan- 9 nungsschutzvorrichtungen gesichert werden, um bei einem Durchschlag des Prüflings Überspannungen im Niederspannungskreis zu verhindern. 2.6. Messung von Teilentladungen bei Wechselspannung Ionisationsverluste. In festen Isolierstoffen können sich gas- oder luftgefüllte Hohlräume befinden: Luftblasen, Schichtungsspalten oder Risse. Die Feldstärke in diesen Hohlräumen ist entsprechend dem Verhältnis der Dielektrizitätskonstanten größer als im umgebenden Isoliermaterial. Wird bei eine Steigerung der Feldstärke in einem der Hohlräume die Durchbruchfeldstärke erreicht, dann tritt in diesem der vollkommene Durchbruch ein. Dabei wird Wirkleistung umgesetzt. Hätten alle Hohlräume die glei-che Größe, dann würde die Spannungscharakteristik des Verlustfaktors an dieser Stelle eienen Sprung aufweisen. Bei Hohlräumen untzerschiedlicher Größe ist die Durchbruchfeldstärke nicht gleich. Aus diesem Grunde hat die Spannungscharakteristik nue ein mehr oder weniger scharfes Knie, das "Ionisa-tionsknie". Durch die Durchbrüche wird der Isolierstoff im laufe der Zeit erodiert und durch Entla-dungsprodukte wie Ozon, Stickstoffoxyde und Wasser chemisch angegriffen. Die Betriebsspannung eines Gerätes muß unbedingt unterhalb der Ionisationsspannung liegen. Bild 2.6 zeigt als typisches Beispiel einer Anordnung mit Teilentladungen eine Isolierung mit festem Dielektrikum, die eine Hohlraum enthält. Im selben Bild ist die Ersatzschaltung für impulsförmige Teil- Abb.2.6. Anordnung mit Teilentladungen und Ersatzschaltung entladungen dargestellt. C2 entspricht der Hohraumkapazität die beim erreichen der Zündspannung Uz über die Funkenstreke F und der Widwerstand R2 entladen wird. C1 entspricht der im Reihe zum Hohlraum leigenden, Cd der parallelen Kapazität der teilentladungslosen Anordnung. Für sinusförmige Prüfspannung ergibt sich als Leerlaufspannung an C2 : C1 C1 u 20 (t ) = u (t ) = U$ sin ωt [V] C1 + C2 C1 + C2 $ , wenn der Scheitelwert der Der Scheitelwert der Prüfspannung erreicht die Einsetzspannung U e Leerlaufspannung gerade gleich Uz wird. Daraus folgt die Beziehung : C1 + C2 U$ e = Uz [Vmax] C1 10 Abb.2.7. Ersatzschaltbilder zur Teilentladungsberechnung Man kann annehmen, daß im kurzem Zeitinterval der Teilentladungsdauer, der Isolierstoff wird von der Quelle abgetrennt. Entsprechend, man erhält (Abb.2.7) : Cd C1 u 2 ( t1 ) i (t ) = exp( − t / T ) wo T = R2 C = R2 + C2 ≅ R 2 ( C1 + C2 ) R2 Cd + C1 weil Cd >>C2 ist. Normalerweise C2>>C1 ist und so, die Zeitkonstante ergibt sich : T ≅ R 2 C2 → kΩ ⋅ pF → T ≈ 10 −9 s Liegt die Prüfspannung oberhalb der Einsetzspannung, so erfolgt ein wiederholtes Aufladen von C2. Die bei jedem Impuls in der Entladungsstelle ausgeglichene Ladung beträgt : Qa = ( C1 + C2 )U z während C1 nur die scheinbare Ladung Q1s zugeführt wird : Q1s = C1U z ≠ Qa Es ist daher grundsätzlich unmöglich die wirkliche Ladung Qa zu messen. Die meßtechnisch erfaßbare Ladung Q1s wird mit ∆Q bezeichnet. Messung der scheinbare Ladung. Ein mögliches Schltbild für die Messung der scheinbare Ladung ist im Bild 2.8 eingetragen. Abb.2.8. Prüfkreis zur Messung der scheinbare Ladung Cpr - Prüfling mit Teilentladungen; Ce - Etalonkondensator; Zq - Quellenimpedanz und Filter; Zm - Meßimpedanz (R, L, C Parallelschaltung); C0, V0 - Kalibrierungskreis. Der Strom der durch den Prüfling fließt wird bei der Meßkapazität integriert und so entsteht eine mit der scheinbare Ladung proportionale erfaßbare Spannung : 1 t ukap (t ) = ∫0 i kap (τ )dτ = k ⋅ ∆Q C Experimentell läßt sich der Übertragungsfaktor der Meßanordnung mit Hilfe eines Impulsgenerators Kalibrierungskreis - bestimmen, der eingeprägte Ladungsimpulse (C0V0) abgibt. Bei der Durchführung von Teilentladungsmeßungen kann als Ce ein besonderer Koppelkondensator vorgesehen werden; die Meßimpedanz kann dann in der Erdverbindung von Ce liegen. 11 Aus dem Verlauf bestimmter Teilentladungskenngrößen, wie scheinbare Ladung, Häufigkeit, Energie und zeitlicher Verlauf der Impulse, kann unter günstigen Bedingungen der Einfluß von inneren Ionisationsvorgängen auf die Qualität einer Isolieranordnung beurteilt werden. Literaturverzeichnis D.Cristescu - Supratensiuni si izolatia retelelor electrice. EDP, Bucuresti, 1983. D.Kind - Einführung in die Hochspannungs-Versuchstechnik. Vieweg, Braunschweig, 1972. E.Flegler - Einführung in die Hochspannungstechnik. G.Braun, Karlsruhe, 1964. 12 3. Elementare Prozesse in Gase 3.1. Grundlagen der kinetischen Gastheorie Der Gasdruck p. Das Gesetz von Boyle : (3.1) pV=C=konstant p - Gasdruck V - Gasvolumen Voraussetzung : die absolute Temperatur ist konstant T=konst. Das Gesetz von Gay-Lussac : V T (3.2) = Voraussetzung : konstanter Druck p. V0 T0 V0 und T0 sind Bezugsgrössen. Beide Gesetze gelten für ideale Gase. Die Konstante C in Gl. (3.1) ist Temperatur abhängig. Bei einer Bezugstemperatur T0 es gilt : V0 C0 / p und so V= T= T pV0 = C0 T0 T0 Oder auch : C0 (3.3) mit R = Gaskonstante R= 8,3144 J grd-1 mol-1. pV = RT T0 Hypothese von Avogadro : bei gleichen Bedingungen (p, T) enthalten gleiche Volumen unterschiedlicher Gase die gleiche Anzahl N 0x von Molekülen : Avogadrosche Zahl. N 0x =6,023 1023 Moleküle/mol Unter mol versteht man die Menge eines Gases, dessen Masse in Gramm dem Molekulargewicht entspricht. Bei 0°C und 760 torr (101.308 Pa) beträgt das Volumen eines mol 22,4 dm3 . Die Gasdichte N, d.h. die Anzahl der Moleküle pro Volumeneinheit, beträgt : N 0x (3.4) N= V Und Gl. (3.3) wird : RT R R p= =N x T Hierin ist : x = k Boltzmannsche Konstante. V N0 N0 Universelles Gasgesetz : k=1,38 10-23 J grd-1. (3.5) p= NkT Die molekulare Geschwindigkeitsverteilung. Die Geschwindigkeiten der Moleküle oder Teilchen sind statistisch verteilt und unterliegen der Boltzmann-Maxwell-Verteilung : 2 v 2 dv dN v 4 v (3.6) = exp − N π vw vw vw Wo : v w - die wahrscheinlichste Geschwindigkeit; dN v - relative Anzahl derjenigen Teilchen, die eine relative Geschwindigkeit N v v + dv zwischen und besitzen. vw vw 2 Die mittlere Geschwindigkeit ist : (3.7) v = vw . π Die quadratischmittlere Geschwindigkeit ist : (3.8) v eff = Die kinetische Energie der Teilchen wird : 1 2 3 (3.9) mv eff = kT 2 2 Und das liefert folgende Abhängigkeiten : 13 3 v . 2 w (3.9a) v eff = 3kT m 8kT πm , v= , vw = 2 kT m Mittlere Molekülgeschwindigkeiten bei 25°C und 0,1MPa Gasart H2 O2 N2 Luft CO2 1740 437 467 490 372 v [m/s] Sind im Gas auch Elektronen vorhanden, so unterliegen auch sie dieser Geschwindigkeitsverteilung. Zum Beispiel : 1 1 3 m1v12eff = m2 v22eff = kT 2 2 2 Achtung me - Elektronenmasse mp - Protenenmasse ca. 1840 me Die freie Weglängeλ. Ist die Länge des Weges, die ein Teilchen zwischen zwei Zusammenstössen zurücklegt. Sie ist keine Konstante, auch nicht bei konstantem Druck und konstanter Temperatur. Beim Flug der Elektronen (Kugel von Radius r2) in, sagen wir, x-Richtung zu den Molekülen (Kugel von Ra-dius r1) wird, pro Flächeneinheit der Querschnitt Nπ ( r1 + r2 ) gesperrt ( N - Zahl der Teilchen pro Vo-lumeneinheit ). Von den n(x) an der Stelle x noch vorhandenen Elektronen werden innerhalb der Strecke dx durch Stösse dn Elektronen gestreut, so daß sich die Zahl der noch nicht kollidierten Elektronen ver-mindert um : 2 dn = −n( x) Nπ ( r1 + r2 ) dx Die Integration dieser Gleichung mit der Anfangsbedingung n(x=0)=n0 gibt : 2 (3.10) [ ] n( x) = n 0 exp − Nπ ( r1 + r2 ) x 2 Die mittlere freie Weglänge λ ist die Summe der von allen n0 Elektronen individuell zurückgelegten Wege n(x) dx gleich ist dem Mittelwert aller Weglängen multipliziert mit der Gesamtzahl der Anfangs-teilchen n0 : (3.11) n0 λ = ∫0 n( x)dx ∞ Die mittlere freie Weglänge wird : 1 (3.12) λ = 2 Nπ ( r1 + r2 ) λ ist umgekehrt proportional zum effektiven Wirkungsquerschnitt der Teilchen π ( r1 + r2 ) und so von 2 der Partikelgröße abhängig. Treffen rasche, im elektrischen Feld beschleunigte Elektronen auf praktisch stillstehenden Gasmoleküle, so wird mit r2 << r1 die mittlere freie Weglänge für Elektronen : 1 λe = π r12 N Stoßen bewegte Ionen auf ruhende Gasmoleküle, so wird mit r2=r1=r : 1 λi = 4π r 2 N Stoßen bewegte Gasmoleküle auf Gasmoleküle, so ergibt sich die freie Weglänge für das Gas selbst : 1 λg = 4 2π r 2 N Mittlere freie Weglänge (25°C und 0,1 MPa) Gasart H2 O2 N2 117,7 67,9 62,8 λ [nm] 14 CO2 41,9 Aus der Gl. (3.5) folgt daß : p N= ist. kT Also, die freie Weglänge ist direkt proportional zur Temperatur und indirekt proportional zum Druck : p T (3.13) λ( p, T ) = λ0 0 p T0 Die Verteilung der freien Weglängen läßt sich aus Gl.(3.10) und (3.12) angeben : Nλ λ n( x ) (3.14) → = exp − Clausius-Weglängengesetz. λ n0 N 3.2. Teilchenbewegung im schwachen elektrischen Feld Auch im feldfreien, gasgefüllten Raum befinden sich Ladunsträger; sie werden gebildet durch: ♦ die sehr kurzwellige Strahlung aus dem Weltraum, die kosmische Strahlung, die, im wesentlichen, aus sehr energiereichen Protonen besteht; ♦ die Strahlung, ausgehend von radioaktiven Bestandteilen der Erdkruste; ♦ die Radiumemanation (RaEm) der Luft (ca. 3 10-17 g/cm3); ♦ extrem kurzwelliges UV-Licht Der Ionengehalt der atmosphärischen Luft unterliegt ständigen Schwankungen und ist vom Ort abhängig : er ist groß in der Höhe und klein über dem Meer. Als Hauptprozess wirkt somit die Rekombination der Ladungsträger. Da etwa gleichviel positive und ne-gative Ionen sind, wird die Abnahme der Ladungsträger je Zeiteinheit gegeben sein durch : dN i+ = dN i− = − ρN i+ N i− dt Mit N i+ = N i− = N i und Ni = Ni0 für t=0 2 dN i = − ρN i dt Und so : Ni t dN i N ρ - Rekombinationskoeffizient. ∫ N 2 = − ρ ∫ dt ⇒ N i (t ) = 1 + N i 0 ρ t i0 Ni 0 i 0 Die Halbwertdauer tH , innerhalb der sich die Anzahl der Ionen auf die Hälfte reduziert, beträgt : 1 (3.15) tH = N i0 ρ Merke : für die Durchschlagprozesse, insbesondere bei kurzzeitigen Spannungsbeanspruchungen, ist das ständige Vorhandensein von Ladungsträger von größter Bedeutung. Die schweren Ionen sind praktisch nicht am Anfang des Entladungsprozesses beteiligt; von Wichtigkeit sind die wenigen Elektronen. Das Anlaufstromgebiet. Bei kleinen Werten der Feldstärke E (eigentlich r E/p)r finden keinerlei feldbedingte Ionosationsprozesse statt. Unter der Einwirkung der Feldkräfte F = qE überlagert sich der thermischen Bewegung der geladenen Teilchen eine Geschwindigkeitskomponente in Feldrichtung, welche zu parabolischen Bahnbewegungen führt. Es liegt eine gerichtete Bewegung vor, welche durch die Drift-geschwindigkeit rvE : r b - Beweglichkeit der Teilchen v E = bE beschrieben werden kann. Von der Mechanik schon bekannt : r r r e r r F = ma ⇒ a = E a - Beschleunigung, e - Elementarladung. m Durch die Zusammenstöße der Ionen mit neutralen Molekülen in den Zeitintervallen ∆t werden erstere ständig abgebremst und ändern durch die elastischen Stößen ständig ihre Richtung. Während diesen elas-tischen Stößen, wird die im Feld aufgenommene Energie im Mittel wieder in ungeordnete 15 thermische Bewegung übergeführt, so daß die gerichtete Bewegung im Mittel wieder mit der Geschwindigkeit Null beginnen muß. Die Länge des Weges zwischen zwei aufeinanderfolgenden Stößen ist : 1 eE 2 1 x = aτ 2 = τ 2 2 m wo τ = λ v ist der mittlere Zeitinterval zwischen zwei Stößen. Es ergibt sich : 1 e λ r r vE = E 2mv Für die Elektronenbeweglichkeit die Berechnung ist noch komplizierter. Die Abhängigkeit, die in Gl. (3.16) zu sehen ist, ist angenähert gültig. Man kann doch verstehen daß schwere Ionen besitzen eine geringe Beweglichkeit; leichte Elektronen eine sehr hohe (Massenabhängigkeit). Aufgrund dieser Beweglichkeit der Ladungsträger tritt zwischen zwei parallelen Elektroden (Plattenfeld E) ein Strom auf, dessen Dichte gegeben ist durch : (3.17) J = e( N + v E+ + N − v E− ) = eE ( N + b + + N − b − ) = σ E Wo J - Stromdichte in Am-2; e - Elementarladung in C; N - Dichte der Ladungsträger in m-3; vE - Driftgeschwindigkeit in ms-1; E - elektrische Feldstärke in Vm-1; b - Beweglichkeit der Ladungsträger in m2V-1s-1 sind. Aus der Gl. (3.17) ergibt sich eine ohmsche Leitfähigkeit eines Gases, wenn die Ladungsträgerdichte konstant bleibt. Diese Konstanz ist nur bei sehr kleinen Feldstärken gewährleistet, da sehr bald eine Ladungsträgerverarmung eintritt : der Strom erreicht dann einen Sättigungswert, dessen Größe von der stetigen Ladungsträgererzeugung durch die Fremdionisation abhängt. Der Sättigungsstromgebiet. Dieser Sättigungsstrom ist berechenbar, wenn die Anzal j1 der je Sekunde und Volumeneinheit sich neu bildenden geladenen Teilchen bekannt ist : (3.18) j 1 = ρN + N − Die Sättigungsstromdichte Js wird, bei einem homogenen elektrischen Feld, von der Länge l des Feldraumes abhängen : (3.19) (von der Feldstärke unabhängig) J s = e ⋅ j1 ⋅ l Bei diesem Sättigungsstrom wird die bei einer ursprünglich homogen verteilten Ladungsträgerdichte vorhandene konstante Feldstärkeverteilung im Elektrodenzwischenraum dadurch gestört, daß in der Nähe der Elektroden eine Ladungsträgerkonzentration stattfindet. Die Sättigungsfeldstärke ist durch : l j1 ρ (3.20) E s = 4 ,25 + gegeben. b + b− Beispiel. Gegeben : Elektrodenabstand 100 cm N + ≈ N − = 10 3 cm -3 (3.16) b + ≈ b − = 1,5 cm 2 V -1 s-1 ρ = 2 ⋅ 10 −6 cm 3 s -1 e = 1,6 ⋅ 10 −19 C Damit wird j1 =2 10-6 103 103 =2 cm-3 s-1 Die Sättigungsstromdichte ergibt sich : Js=1,6 10-19 2 100=3,2 10-17 A/cm2 Die dazu notwendige Feldstärke wird : E s = 4 ,25 100 2 ⋅ 2 ⋅ 10 −6 ≈ 0,3 V / cm 1,5 + 1,5 16 (relativ klein). 3.3Hohe Feldstärken Beim normalem Gasdruck p bleibt der Sättigungsstrom trotz Erhöhung der Feldstärke praktisch konstant. Bei einer für jedes Gas charakteristischen Größe von E, nimmt der Strom sehr stark zu. Bei varia-blem Druck ist diese Erscheinung von E/p abhängig. Die Ursache : Einsetzen einer Stoßionisation, d.h. einer Ladungsträgervermehrung durch Zusammenstöße der im Feld beschleunigten Ladungsträger mit neutralen Gasmolekülen, die ionisiert werden. Stoßionisation. Bohrsches Atom-Modell genügt zum Verständnis der Stoßionisation. Mit der Stoßionisation verbundene Sekundärprozesse können genau nur mit der wellenmechanischen Atomstruktur erklärt werden. Nach Bohr : - Elektronen umkreisen den Atomkern auf diskreten, kreisförmigen Quantebahnen ohne Energieverlust. - Elektronen können von einer Quantenbahn auf die andere springen, unter Änderung der Energiestufe des Atoms : Energiezufuhr ist notwendig für Sprung von innere auf äußere Bahn; Energieabgabe in Form eines Lichtquants hν (Photon) bei umgekehrtem Prozess. Im Grundzustand besetzen die Elektronen die innersten Schalen; Der Bahndurchmesser ist proportional zu n2 (n=1,2,...), die Energiesprünge nach außen zu 1/n2. Die Ionisationsenergie, Wi, ist die zur völligen Freisetzung eines Elektrons aus dem Atomverband notwendige Energie : (3.21) WiK = e(VK − V∞ ) wo e - Elementarladung; VK - Potential des Elektrons in der K-Schale; V∞ - Potential des freien Elektrons. Die Ionisationsenergie kann sehr veschieden sein, je nach der Gasart; außerdem können für jedes Gas mehrere Ionisationsenergien existieren, wobei aber nur die kleinste für den Gasdurchschlag von Interesse ist. Ionisation durch Elektronenstöße : wegen der großen Beweglichkeit werden mit zunehmender Stärke des elektrischen Feldes nur freie Elektronen aus dem Feld die zur Ionisation notwendige Energie aufbringen. Nehmen wir an, daß ein Elektron mit der Geschwindigkeit Null, in Feldrichtung startet und dei freie Weglänge λ durchläuft. Die aufgenommene Energie wird : λ W = eU = e∫ E (x )dx 0 Für W=Wi und E(x)=konstant ergibt sich : eEλi = Wi = eU i wo Ui die Ionisierungsspannung ist. (3.22) Die Ionisationskoeffizienten. Es gibt : - Elektronenionisationskoeffizient α - Anzahl der ionisierender Zusammenstößen eines Elektrons, in die Feldrichtung, pro Wegeinheit; - Ionenionisationskoeffizient β - Anzahl der durch den Zusammenprall von positiven Ionen auf neutrale Gasmoleküle neu erzeugten Elektronen und positiven Ionen, in die Feldrichtung, pro Wegeinheit; - Sekundärelektronen- Emission durch positiven Ionen γ - gleich der Anzahl von Elektronen der von einen positiven Ion aus der Kathode ausgelöst sind. Die Elektronenlawine. Beachten wir nun ein homogenes Feld zwischen zwei Elektroden, siehe Abb.3.1; in dem Abschnitt dx treten eine Anzahl n von Elektronen ein. Die Zunahme an Elektronen beträgt : dn = α n dx Sind an der Kathode (x=0) n0 Anfangselektronen, so wird : n dn x ∫ n = ∫ αdx n0 0 17 und wenn E von x unabhängig ist, es ergibt sich α=konstant : (3.23) daß zeigt eine Elektronenlawine. n x = n 0 exp(αx ) Anzahl der Elektronen an Anode. n d = n 0 exp(αd ) Die Multiplikation mit der Elementarladung liefert einen Strom : Abb.3.1 Die Elektronenlawine I = I 0 exp(αd ) Diese Gleichung kann zur experimentellen Bestimmung von α dienen, wenn an der Kathode genügend Ladungsträger produziert werden. Der gesamte Vorgang verläuft aber noch unselbstständig, da I mit I0 verschwindet : unselbstständige Entladung. Photoionisation. Photonen werden beim Rückfall des angeregtn Atoms in der Grundzustand abgegeben. Umgekehrt kann die Photonenenergie absorbiert werden. Es kann eine Anregung (Anregungs-Energie We) oder eine Ionisation (Ionisationsenergie Wi) auftreten, gemäß : hν ≥ We bzw. hν ≥ Wi Wie beim Elektronenstoß kann auch hier stufenweise Anregung bis zur Ionisation erfolgen. Angeregte Gasatome können Moleküle bilden, deren Ionisationsenergie kleiner ist als die der Atome. Kathoden-Prozesse : γ-Prozesse. Bei allen Durchschlagsprozessen findet auch eine Ladungsträgerbildung an den Elektroden statt, insbesondere an der Kathode, die Elektronen abgeben kann. Die notwendige Auftrittsarbeit Wa wird : - von der kinetischen Energie des im Feld beschleunigten Ions; - durch die bei der Neutralisation (Elektron - positives Ion) frei werdende Energie aufgebracht. Die Sekundärelektronen-Ausbeute ist daher sehr stark von der Geschwindigkeit der positiven Ionen abhängig. Die selbstständige Entladung : der Durchschlag. In einem homogenen Plattenfeld befinden sich n0 Anfangselektronen an der Kathode. An der Anode treffen dann n = n 0 exp(αd ) Elektronen ein und werden dort neutralisiert.Die aus diese Elektronenlawine zurückbleibenden positiven Ionen der Anzahl (n-n0 ) wandern zur Kathode und lösen dort γ(n-n0) neue Elektronen aus : Elektronen- Anzahl der Elektronen Anzahl der Elektronen lawine die die Kathode verlassen die an der Anode eintreffen 1 n0 n0 exp(αd) 2 γ n0 (exp(αd)-1) γ n0 exp(αd)(exp(αd)-1) 2 2 3 γ n0 (exp(αd)-1) γ2 n0 exp(αd)(exp(αd)-1)2 Anzahl der zurückbleibender positiven Ionen n0 exp(αd)- n0 γ n0 (exp(αd)-1)2 γ2 n0 (exp(αd)-1)3 usw. Bei diesem kontinuierlichen Rückkopplungsprozess wird somit die Elektronenanzahl an der Katho-de stets durch die Summe aus fremderzeugten Anfangselektronen und feldstärkebedingten Sekundäre-lektronen gebildet. Die gesamte Anzahl der Elektronen die an der Anode eintreffen ist : 18 n ges = n 0 exp(αd ) 1 − γ ( exp(αd ) − 1) Also, unabhängig von der Anzahl der Anfangselektronen, bzw. unabhängig vom Sättigungsstrom, wird der Strom, in unserem Experiment, unendlich groß wenn : (3.24) Zündbedingung ---> Durchschlag. 1 − γ ( exp(αd ) − 1) = 0 3.4. Technische Schlagweiten Bei großem Elektrodenabständen, normaler oder größerer Luftdichte und stark gekrümmten Elektroden-anordnungen, entwickelt sich grundsätzlich jeder Durchschlag - unabhängig von der Art der anliegenden Spannung - aus den Vorentladungen heraus. Eine Berechnung dieser Durchschlagsspannungen ist nicht bekannt. Die Durchschlagsspannungen müßen daher entweder experimentell bestimmt oder durch reprä-sentative Vergleichsanordnungen abgeschätzt werden. Viele Einflußgrößen sind bekannt : - Polaritätseinfluß durch Raumladungsbildung tritt auf bei -> allen Spannungsarten - DC, AC, Stoß-Spannungen; -> unszmmetrischen, inhomogenen Elektrodenanordnungen; (schon diskutiert im Kap.2). - Isolierstoff-Barrieren. Bei stark inhomogenen Feldern kann das Vorwachsen der positiven Raumladung bereits durch sehr dünne Schirme aus festem Isolierstoff stark gebremst werden : -> die sich auf dem Schirm ansammelnden positiven Flächenladungen vergleichmäßigen den Feldvelauf; -> die Photoionisation auf der Schirm-Rückseite wird stark behindert. Eine Verbesserung ist vor allem bei Gleichspannungen erreichbar, aber auch bei positiven StoßSpannungen. Die AC-Festigkeit wird ebenfalls erhöht, da die positive Polarität den Durchschlag hervorruft. Im homogenen Feld ist ein Isolierschirm ohne Einfluß. - Luftdichte. Nach Gl. (3.13) ist die freie Weglänge λ direkt proportional zur absoluten Temperatur T und indirekt proportional zum Gasdruck p. Für den in der Praxis äußerst wichtigen Fall der Frei- luftisolation (Energieübertragungsleitungen, Schalt- und Umspannstationen, Laborprüfungen) kann man dabei wegen der nicht zu stark veränderlichen Luftverhältnisse die Durch- oder Überschlagsspannungen als direkt proportional zur Größe p/T, der Luftdichte, velaufend annehmen. - Luftfeuchtigkeit. Wassermoleküle sind schwach elektronegativ und erhöhen die Durchschlagfestigkeit der Luft, sofern der Taupunkt nicht erreicht wird. Im homogenen Feld ist der Einfluß sehr klein. Im inhomogenem Feld ist der Einfluß am größten bei Gleichspannung. Steht nur wenig Zeit für die Entwicklung des Durchschlages zur Verfügung, so wird der Einfluß geringer. - Regen und Fremschichten. Eine reine Gasisolation ist aus mechanischen Gründen oftmals nicht anwendbar. Feste Isolierstoffe übernehmen die mechanischen Anforderungen an ein Isoliersystem (Hängeisolatoren bei Freileitungen, Stützisolatoren bei Unterwerken). Die Grenzschichten zwischen dem Gas und dem festen Isolierstoff bestimmen daher die Isolierfestigkeit wesentlich. Feuchtigkeit in der Luft reduziert im allgemeinen die Überschlagsfestigkeit dieser Grenzschicht, vor allem bei einer Betauung. Besonders stsrk ist dieser Einfluß bei Verschmutzung : Salzablage- rungen, Industrieverschmutzung, Abgasverschmutzung, Landwirtschaftverschmutzungen. Regen und Nebel bringen eine erhebliche Reduktion der Überschlagsfestigkeit dieser Grenzschichten. 19 3.5. Schwefelhexafluorid (SF6) als Isoliergas SF6 zeichnet sich durch eine sehr hohe Ionisierungsenergie (19,3 eV) aus. Sie allein erklärt aber nicht die gegenüber N2 oder Luft teilweise sehr hohe Durchschlagfestigkeit, die wesentlicher durch den elektro-negativen Charakter bestimmt wird. Quantitative Angaben über die Elektronegativität (Elektronenaffini-tät) von SF6 liegen noch kaum vor. Massenspektroskopische Untersuchungen zeigen, daß die Anlage-rung von Elektronen an neutrale SF6 - Moleküle SF6 + e − → SF6− bei sehr kleiner kinetischer Energie der Elektronen erfolgt. Die großen Abmessungen der Moleküle vergrössern den Wirkungsquerschnitt und erleichtern die Anlagerung von Elektronen. Sehr leicht werden auch SF5− Ionen unter Bildung einesFluoratomes gebildet SF6 + e − → SF5− + F − . Die gegenüber Luft stark erhöhte Durchschlagsfestigkeit des SF6 beruht im wesentlichen auf der starken Elektronenaffinität dieses Gases. Der wirksame Ionisierungskoeffizient α' , setzt sich aus zwei Anteilen zusammen : dem eigentlichen Ionisationskoeffizient a - dieser Anteil trägt zu einer starken Ladungsträ-gervermehrung bei zunehmender Feldstärke (für p=konst.) bei. Die dadurch gebildeten Elektronen wer-den auf dem Weg zur weiteren Stoßionisationen teilweise rasch an SF6 -Moleküle angelagert, was durch einen Anlagerungskoeffizienten η ausgedrückt werden kann. Somit ist α' = α − η. Einige technische Angaben sind in Abb.3.2 dargestellt. Abb.3.2. Technische Angaben und Vergleich SF6 - N2 . Abb. 3.3. 20 Die Abb.3.3 stellt, für konstantem Druck (p=1 bar) und konstanter Schlagweite d=1 cm, die Durchschlagsspannung von SF6 und Luft bei Kugelfunkenstrecken verschiedenen Durchmessers dar. Die star-ke Reduktion von UD bei SF6 im stärker inhomogenen Feld (kleine Kugelradien) ist deutlich sichtbar. Literaturverzeichnis W.Zaengl - Grundzüge der Hochspannungstechnik. Vorlesung an ETH Zürich, 1974. E.Flegler - Einführung in die Hochspannungstechnik. G.Braun, Karlsruhe, 1964. G.Dragan - Tehnica tensiunilor inalte. Litografia UPB, 1987-1989. 21 4. Hochspannungsstromkreise mit Entladungsstrecken In der Hochspannungstechnik treten Stromkreise mit Entladungstrecken, die einen bestimmten Betriebs-strom führen; sehr often man bemüht sich diese Stromkreise wieder stromlos zu machen. Bei genügen-der Erhöhung des in Reihe mit der Entladungsstrecke liegenden Widerstandes reißt die Entladung ab, der Strom sinkt auf vernachlässigbar kleine Werte und wird praktisch unterbrochen. Wird der Strom in einem Stromkreis oder Stromzweig durch Öffnen eines Schalters zum Verschwinden gebracht, so han-delt es sich im Grunde auch um die Stromunterbrechung in einer (durch den sich öffnenden Schalter ge-bildeten) Entladungstrecke. Bei der Trennung der im geschlossenen Zustand fest aufeinander liegenden Schaltstücke (die Schaltkontakte) mit einem meist vernachlässigbar kleinen Widerstand wird der durch Bildung der Entladungstrecke wirksam werdende Widerstand nicht plözlich unendlich groß. Die Berüh-rungsflächen trennen sich nicht an allen Stellen gleichzeitig. Infolge der Elastizität der Werkstoffe nimmt vielmehr die Gräße der Berührungsflächen ständig ab, bis sie auf eineige wenige durch die Unebenheiten der Oberfläche bedingte Flächenelemente verringert hat. Auf diese zieht der Strom mit entsprechender Steigerung der Stromdichte zusammen. Hierdurch erhitzen sich die Berührungsflächen vor der endgül-tigen Kontakttrennung so stark, daß es an dem als Kathode wirkenden Schalterstück zu einer Thermoemission von Elektronen und zu einer Verdampfung der letzten metallischen Brücken zwischen den Schaltstücken kommen kann. Also, wird ein Schalter unter Strom geöffnet, so entsteht zwischen seinen Schaltstücken ein Lichtbogen. 4.1. Eigenschaften des Lichtbogens Ein Lichtbogen ist eine durch hohe Temperatur leitend gewordene Gassäule. Ihre Leitfähigkeit entsteht meistens durch Thermoionisation und nimmt mit steigender Temperatur rasch zu (Abb.4.1). 0.3 0.2 σ [S/m] Gas N2 , p=0,1 MPa 0.1 0 3600 3800 4000 4200 4400 4600 4800 5000 T [°K ] Abb. 4.1 Leitfähigkeit von Stickstoff bei 1 bar Liegt an einer leitend gewordenen Gassäule eine Spannung, so findet eine Stromleitung statt, indem sich unter der Einwirkung des elektrischen Feldes die Elektronen mit großer Geschwindigkeit zur Anode, die Ionen - zufolge ihrer größeren Masse lengsamer - in die andere Richtung, zur Kathode, bewegen. Dabei können im Lichtbogenraum weitere freie Ladungs-träger entstehen durch : ♦ Teilchenzusammenstöße (Stoßionisation); ♦ Herausreißen von Elektronen aus der heißen Kathode durch das elektrische Feld (thermische Elektronen-emission). a) Die Spannungs-Strom-Charakteristik des Lichtbogens Die Aufrecherhaltung der Temperatur im Lichtbogenplasma, und damit seiner Leifähigkeit, hängen von dem Energiebilanz des Lichtbogens ab. Diese Energiebilanz wird bestimmt : ♦ durch die in jeder Sekunde im Lichtbogen entstehende Wärmemenge entsprechend der in ihm umge setzten elektrischen Leistung uB(t)iB(t) (uB - Lichtbogenspannung, iB - Lichtbogenstrom) und ♦ durch die vom Lichtbogen in selber Sekunde durch Wärmeleitung und/oder Strahlung nach außen abgegebene Wärmemenge. Sind diese Wärmemengen in jedem Augenblick gleich, so brennt der Lichtbogen stabil. Ein stationärer (Gleichstrom-Lichtbogen) kann infolgedessen nur dann stabil brennen, wenn sein Strom iB(t) durch außere Mittel konstant gehalten wird. Stört man seine Wärmebilanz, z.B. durch Beblasung mit einem Gas oder Bespülung mit Öl, und sinkt dabei seine Temperatur, so sinkt auch seine Leitfähigkeit. Damit steigt die Spannung uB am Lichtbogen; er nimmt, um den Wärmeverlust und 22 uB [u.r.] Temperaturab-fall auszugleichen, mehr Leistung auf. Steigt umgekehrt die Temperatur des Lichtbogens vorübergehend, so erhöht sich seine Leitfähigkeit; seine Spannung uB geht zurück. Damit sinkt seine Leistung, weil der Lichtbogenstrom konstant gehalten wird, und die Temperatur geht zurück. Anders verhält sich ein Lichtbogen, der an konstanter 6 uB Spannung liegt. Wird ein solcher Lichtbogen - z.B. 5 durch Störung seiner Wärmebilanz - zu heiß, so nimmt 4 er, ent-sprechend seiner steigenden Leitfähigkeit, mehr UB iB = konst Strom und damit mehr Leistung auf; er wird dadurch 3 heißer, seine Leitfähigkeit und seine Temperatur 2 steigen noch weiter. Der umgekehrte Vorgang, Abkühlung des Lichtbogens, führt zu seinem 1 Erlöschen. Demzufolge kann ein Licht-bogen, der an iB 0 0 1 2 3 4 5 6 konstanter Spannung liegt, nicht stabil brennen. Abb.4.2 U-I Charakteristik eines Gleich- Der stationäre Gleichstrom-Lichtbogen ist durch uB(t)iB(t)= =konst beschrieben. Der Lichtbogen hat eine strom-Lichtbogens nichtlineare negative Kennlinie. Bei einem Wechselstrom-Lichtbogen, wie er in 5 den Wechselstrom Hochspannungsschal-tern ωθ=0,125 auftritt, ändert sich die Bogenstromstär-ke iB(t) 2P0/IB√2→1 4 entsprechend der Frequenz. Bei der Aufstellung der Energie-bilanz für einen sol-chen 3 Lichtbogen ist außer der zugeführten und der ωθ=0,25 abgegebenen Leistung auch die im Lichtbogen 2 selbst gespeicherte Energie Q zu ωθ=0,5 berücksichtigen. Die Energiebilanz hat die ωθ=1 ωθ=∞ 1 Form : (4.1) dQ = (u B (t )i B (t ) − P0 )dt 0 wobei P0 die durch Wärmeleitung oder 0 50 100 150 Strahlung abgegebene Leistung ist. Aus der Theorie des stationären Lichtbogens nach ωt {grd] O.Mayr läßt sich herleiten, daß der Wider-stand Abb.4.3 Dynamische Bogenkennlinie (Halbperiode) R der Lichtbogenstrecke angenähert : Q( t ) (4.2) R( t ) = K exp − ist. Q0 Dabei sind K und Q0 Konstanten und Q die im Lichtbogen gespeicherte Wärmemenge.Aus (4.2) folgt : Q0 dR( t ) dQ( t ) (4.3) =− ⋅ dt R( t ) dt und damit wird (4.1) zur Gleichung des dynamischen Lichtbogens : 1 di B ( t ) 1 du B ( t ) (4.4) Q0 − = u B ( t ) i B ( t ) − P0 u B ( t ) dt i B ( t ) dt Sie gibt die Zusammenhang zwischen Lichtbogenstrom iB(t) und Lichtbogenspanung uB(t). Diese nicht-lineare Gleichung ergibt für ein Lichtbogen, der von einem stationären Wechselstrom : (4.5) i B ( t ) = I$B sin ω t durchfloßen wird, die Lichtbogenspannung zu : 23 2 P0 sin ωt (4.6) uB ( t ) = mit (4.7) und ϕ = arcctg( 2ωϑ ) ( ) $I 1 − sin 2ωt + ϕ B 2 1 + ( 2ωϑ ) Q0 P0 wo ϑ ist die thermische Zeitkonstante des Lichtbogenwiderstandes. Sie ist diejenige Zeit, die der Licht-bogenwiderstand R brauchen würde, um auf das e-fache anzusteigen, wenn ihm plözlich keine Energie mehr zugeführt würde (uB iB = 0) und die Leistungsabnahme konstant bliebe (P0 = konst). Abb.4.3 zeigt die aus Gl.(4.6) errechnete Lichtbogenspannung uB(t) während einer Halbperiode für verschiedene Werte ωϑ . Der zum Stromanstieg gehörende Scheitelwert der Lichtbogenspannung uB(t) wird mit Zündspitze UZ, ihr Scheitelwert vor dem Stromnulldurchgang mit Löschspitze UL bezeichnet. Je kleiner ωϑ ist, um so größer ist das Verhältnis UZ / UL ; für ωϑ = ∞ ist UZ = UL = 0, für ωϑ → 0 , UZ = UL → ∞ . ϑ = (4.8) b) Temperatur und Querschnitt des Lichtbogens Der elektrische Lichtbogen besteht aus dem Lichtbogenkern und der diesen umgebenden Hülle. Beide, Kern und Hülle, untewrscheiden sich durch ihre verschieden hohen Temperaturen. Der Lichtbogenkern, gekenzeichnet durch sehr hohe Temperatur (3000 - 6000 °K), wird durch den Ladungsträgerfluß gebil-det. Sein Querschnitt ist, bei einem gegebenen Druck, proportional der Stromstärke im Lichtbogen. Die Temperatur in der Hülle kann etwa 400 °K sein. c) Die Spannungsabfälle im Lichtbogen Das elektrische Feld, das die Elektronen und Ionen in der Lichtbogensäule bewegt, besteht aus zwei Teilen : • dem Teil unmittelbar an den Lichtbogenfußpunkten, • dem Teil, der gleichmäßig längs des eigebtlichen Lichtbogens verteilt ist. Demzufolge läßt sich der Spannungsabfall uB in einem Lichtbogen von der Länge lB ausdrücken : uB (4.9) u B ≈ α + β ⋅ l B x=0 Anode Dabei bedeutet : α=αa + αk - Spannungsabfall an den Fußpunkten; β - Spannungsabfall je Einheit der x=lB Kathode αa Lichtbogenlänge; lB - Lichtbogenlänge. Sinkt die Temperatur des Lichtbogenkernes, so βlB verringern sich sein Ladungsträgerfluß und damit αk Stromstärke und Querschnitt des Lichtbogens. 0 lB x d) Leistung und Arbeit im Lichtbogen Die im Lichbogen umgesetzte Leistung ist in jedem Abb.4.4 Spannungsverteilung im Lichtbogen Augenblick gleich dem Produkt aus der Lichtbogen24 spannung uB(t) und Lichtbogenstrom iB(t). Der Licht-bogenarbeit WB während des Abschaltvorganges, d.h. in der Zeit tB, in der er brennt, auch Schaltarbeit genannt, ist demzufolge : (4.9) WB = ∫0 u B (t ) ⋅ i B (t )dt tB Diese Lichtbogenarbeit soll entfernt sein. Dafür gibt es folgende Möglichkeiten : ◊ Wärmestrahlung ◊ Konvektion ◊ Wärmeleitung ◊ bei Flüssigkeitschaltern Verdampfung der Schaltflüssigkeit ◊ Abkühlung der Schaltgase durch Expanmsion. Eine ungenügebde Abfuhr der Lichtbogenwärme hat fast immer die Zerstörung des Schalters zur Folge. Ein Abschaltvorgang hat deshalb um so mehr Aussicht auf Erfolg, je kleiner die Lichtbogenarbeit WB ist. Das erfordert beim Wechselstrom-Lichtbogen möglichst hohe Zündspannung UZ und kurze Ausschalt-dauer, also kleine Lichtbogendauer tB durch hohe Schaltgeschwindigkeit. Insgesamt gesehen wäre es, vom Standpunkt der Schaltkammerbeanspruchung, am günstigen die Licht-bogendauer tB im Wechselstromschalter etwa gleich der Dauer einer Halbwelle zu machen. Noch schnel-leres Ausschalten hat außerdem Unterbrechung des Stromes vor seinem natürlichen Nulldurchgang und damit Überspannungen im Stromkreis zur Folge. 4.2. Die Löschung des Lichtbogens im Hochspannungsschalter In allen zur Zeit üblichen Hochspannungsschaltern verläuft der Abschaltvorgang in drei zeitlichen sehr schnell und pausenlos aufeinanderfolgenden Phasen : ⇒ Öffnen der Kontakte und Ziehen des Lichtbogens; ⇒ Löschung des Lichtbogens; ⇒ Spannungsverfestigung der Hochspannungsstrecke nach dem Lichtbogenabriß gegen die an ihren Kontakten wiederkehrende Spannung (Vermeidung von Rückzündungen). Dabei übernimmt der Lichtbogen in dem Hochspannungsschalter die wichtige Aufgabe des "synchronen Schaltens", d.h. die Unterbrechung des Stromkreises im Zeitpunkt des natürlichen Stromnulldurchgan-ges. Der Lichtbogen ist deshalb ein unentbehrliches Schaltelement, somit eine im Hochspannungsschal-ter erwünschte erscheinung, bei der es nur darauf ankommt, seine schädlichen Auswirkungen einzu-schränken. a) Die Löschung des Gleichstrom-Lichtbogens Das einzige Mittel, einen Gleichstrom-Lichtbogen zu löschen, besteht in der Erhöhung der Lichtbogenspannung, so daß diese größer als die EMK des Stromkreises wird. Das geschiet entweder durch Vergrößern der Lichtbogenlänge lB oder/und durch Erhöhung der Konstanten α und β des Lichtbogens. Für die Lichtbogenverlängerung ist der Begriff die "kritische Länge" eines Lichtbogens, d.h. die Länge oberhalb welche bei gegebenen Werte von α und β ein Lichtbogen nicht mehr bestehen kann. Für einen Gleichstromkreis mit ohmschem Widerstand R gilt : (4.10) E = Ri + α + β l B Dabei sind : E EMK des Stromkreises, R ohmscher Widerstand im Stromkreis, i Stromstärke im Stromkreis, lB Lichtbogenlänge, Konstanten des Lichtbogens. α,β Aus Gl. (4.10) folgt : 25 E − (α + β l B ) . R Bei der Annahme, daß der Lichtbogen beim Stromwert i=0 erlischt, ergibt sich die größte Lichtbogenlänge zu : (4.11) i= (4.12) l Bm = E −α β Aus Gl.(4.12) ergeben sich zwei Feststellungen : 1. Ist die EMK des zu unterbrechenden Stromkreises kleiner als α, so ist der Strom gleich Null, und es kann kein Lichtbogen entstehen. Das gilt selbst für kleinste Kontaktentfernung (lB ~0). Der Wert von α liegt bei den meisten Schalternin der Größenordnung von 30 V. Daraus läßt sich schließen, daß sich Stromkreise, deren speisende EMK kleiner als 30 V ist, ohne Lichtbogen abschalten lassen, ganz gleich wie groß der Abzuschaltende Strom ist. Als Beispiel hierzu sei der Zellenschalter einer Akku-mulatorenbatterie angeführt. Leider, daß ist nicht der Fall in der Hochspannungstechnik. 2. Die größte Lichtbogenlänge für einen Stromkreis hängt bei gegebener EMK nur von den Werten α und β ab. b) Die Löschung des Wechselstrom-Lichtbogens Ein Wechselstrom-Lichtbogen unterscheidet sich von einem Gleichstrom-Lichtbogen dadurch, daß seine Spannung und sein Strom nach jede Halbwelle durch Null gehen. Diesen Vorgang nutzt der Lichtbogen im Wechselstrom schalter, um den Stromkreis im oder zumindest ganz dicht am Stromnulldurchgang zu unterbrechen. Damit werden, da in diesem Augenblick die in den i2 Induktivitäten der Stromkreise gespei-cherte magnetische Energie L praktisch Null ist, 2 gleichzeitig Schaltüberspannungen vermeiden. Beim Unterbrechen größerer Ströme ist α << βlB . Da man für Wechselstrom-Hochspannungsschalter nahezu konstante Schaltgeschwindigkeit und damit praktisch konstante Geschwindigkeit v der Lichtbo-genverlängerung annehmen kann, ist die Lichtbogenspannung u B (t ) ≈ β l B ≈ β vt . Mit dieser Annahme kann man sich eine angenäherte Vorstellung über die Länge und Dauer der WechselstromLichtbögen in den Hochspannungsschaltern machen. Weiter werden wir nur der einfachste Fall betrachten : Wechsel-stromabschaltung im rein ohmschen Stromkreis. In dem theoretischen Fall eines kurzgeschlossenen rein ohmschen Stromkreises sei E der Effektivwert der EMK des Stromkreises, R sein ohmscher Widerstand und v die konstante Geschwindigkeit der Lichtbogenverlängerung. beim Öffnen des Schalters. Es gilt : (4.13) 2E sin ω t = Ri (t ) + α + β vt oder angenähert : 2 E sin ω t − β vt β vt (4.14) i (t ) = = 2 I sin ω t − R R Dabei stellt 2 I sin ω t den Strom dar, der im Stromkreis fließen würde, wenn er geschlossen bliebe. Literaturverzeichnis O.Mayr - Über die Theorie des Lichtbogens und seiner Löschung. ETZ Nr.64, S.645-652, 1943. H.Schulze - Technik der Wechselstrom-Hochspannungsschalter. V.T.Berlin, 1961. F.Weickert - Hochspannungsanlagen. Fachbuchverlag, Leipzig, 1959. 26
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