Rede von Roland Studer zum Tag des Weissen Stocks 2016

Es gilt das gesprochene Wort
Tag des Weissen Stocks 15. Oktober 2016, auf dem Bundesplatz
Roland Studer, Sektionenratspräsident
Sehr geehrte Frau Nationalrätin
Sehr geehrter Herr Präsident
Liebe Mitglieder und Sympathisanten des Blindenwesens
Zuerst möchte auch ich Sie hier auf dem Bundesplatz in Bern herzlich begrüssen und
Ihnen für Ihr Engagement danken. Unser Verband, der Schweizerische Blinden- und
Sehbehindertenverband, interpretiert Ihr zahlreiches Erscheinen als ein starkes
Zeichen für die Wichtigkeit unserer Anliegen. Ihre Anwesenheit ermöglicht es dem
SBV, gegenüber der Bundesverwaltung und der Politik mit Nachdruck und grosser
Legitimität auftreten zu können.
Herzlichen Dank für Ihr Kommen!
Sie alle wissen, wie wichtig für blinde und sehbehinderte Menschen, aber auch für
ältere Mitglieder unserer Gesellschaft, die taktil-visuellen Leitlinien sind. Die Leitlinien
machen es Betroffenen möglich, sich selbstständig zu orientieren und
fortzubewegen.
Das System funktioniert aber nur, wenn dieses lückenlos ist, sprich nicht einzelne
Elemente daraus entfernt werden.
Sie erinnern sich an den Aufschrei, als das Bundesamt für Verkehr die SBB mittels
einer Verfügung aufforderte, ein Element dieses Systems im Bahnhof Löwenstrasse
in Zürich zu entfernen.
Der SBV hat, zusammen mit anderen Organisationen des Blindenwesens und der
Fachstelle für behindertengerechtes Bauen, eine Beschwerde beim
Bundesverwaltungsgericht eingereicht.
Hintergrund war, dass das Bundesamt für Verkehr 2012 mit der Revision der
Ausführungsbestimmungen zur Eisenbahnverordnung die taktil-visuellen
Markierungen auf Perrons stark eingeschränkt hat.
Und jetzt wird es etwas technisch.
Im Fall des Bahnhofs Löwenstrasse hat das Bundesamt für Verkehr
verlangt, dass die Abgangsmarkierungen, welche dort quer über die ganze
Perronbreite durchgezogen wurden, auf die Breite von 2,10 m gekürzt und eine
Leitlinie von 2 m Länge, welche um einen Pfeiler führt, entfernt werden müsste.
Wir haben diese Anordnung mit unserer Beschwerde angefochten weil:
1. die Massnahme dazu führt, dass Menschen mit Sehbehinderung im Sinne des
Behinderten Gleichstellungsgesetzes benachteiligt werden.
2. die Plangenehmigung 2006 auf der Basis der damals geltenden Regelung erfolgte
und somit rechtmässig ist 3. die Massnahme unverhältnismässig ist.
Nun hat das Bundesamt für Verkehr, wie Sie durch unseren Verband oder aus der
Presse erfahren habt, nach einer Begehung mit Fachleuten vor Ort, die Verfügung im
Fall Bahnhof Löwenstrasse zurückgezogen und wird die Massnahmen neu beurteilen
Die Verhandlungen mit dem Bundesamt für Verkehr werden zeigen, ob die
Bestimmung der neuen Ausführungsbestimmung zur Eisenbahnverordnung in
unserem Sinne korrigiert werden können oder ob wir deren Rechtmässigkeit
gegebenenfalls an einem anderen Fallbeispiel doch noch gerichtlich klären lassen
müssen.
Und darum, liebe Sympathisantinnen und Sympathisanten, sind wir hier.
Nämlich, um zu manifestieren, dass wir ein lückenloses taktil-visuelles
Leitliniensystem verlangen, welches blinden und sehbehinderten Menschen ihre
Mobilität selbstständig ermöglicht. Wir fordern ein Leitliniensystem, welches vor allem
auf die Bedürfnisse der Betroffenen Rücksicht nimmt.
Im Weiteren fordern wir, dass, wie im Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG)
vorgesehen, rasch mit der Anbringung der Leitlinien auf allen Bahnhöfen und
öffentlichen Plätzen vorwärts gemacht wird. Im Behindertengleichstellungsgesetz
wird zugesichtert, dass dies bis 2023 fertig gestellt werden muss. Wir fordern dieses
Datum mit Nachdruck ein.
Es reicht aber nicht, wenn die taktil-visuellen Leitlinien angebracht sind, sie müssen
auch benutzbar sein.
Das Motto der heutigen Kampagne zum Tag des Weissen Stocks lautet:
"Halte die weissen Leitlinien frei für Blinde und Sehbehinderte."
Ist dies nicht gewährleistet, kann die Mobilität ebenfalls eingeschränkt werden und es
besteht erhebliche Verletzungsgefahr.
Um die breite Bevölkerung dafür zu sensibilisieren, haben wir nicht nur einen Flyer
erstellt, sondern verteilen zusätzlich Pflaster mit aufgedruckten Leitlinien. Dies nach
dem Motto: „Wenn die Leitlinien nicht frei sind, könnten blinde oder sehbehinderte
Menschen ein Pflaster benötigen“.
Wir alle hier setzen ein Zeichen für unsere Forderung.
Wir sind jederzeit bereit, für alle Bevölkerungsgruppen gängige Lösungen zu finden.
Wir scheuen uns aber auch nicht, notfalls unser Recht auf dem Rechtsweg
einzufordern, wenn unseren Ansprüchen nicht Rechnung getragen wird.
Ich danke Ihnen nochmals für Ihr Engagement und ihr Kommen.
Wir fordern Sie auf, weiterhin achtsam zu sein, dass bestehende Leitlinien nicht
entfernt werden.
Fordern Sie Ihre Mobilität zusammen mit uns ein.
Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.