V P GÖ Die 7 Todsünden No. 1 2016 Verpackerei Görisried Vorwort von Karlheinz Knebel, Bischofsvikar 5 Sünden im System von Heinz Schütz 7 Ausstellungsfotos 7 Index 107 Impressum und Bildnachweis 109 5 Vorwort von Karlheinz Knebel, Bischofsvikar Die Ausstellung Die 7 Todsünden in der V erpackerei Görisried von Michaela und Bruno Wank steht im Zusammenhang mit der Ausstellung im Diözesanmuseum St. Afra der Diözese Augsburg, die unter demselben Thema stand. Die Präsent ation im Diözesanmuseum hatte neben einem großen Theorieteil mit verschiedensten wissenschaftlichen Artikeln im Katalog versucht das T hema mit historischen wie zeitgenössischen Exponaten zu behandeln. In der Verpackerei G örisried sollen allein zeitgenössische Künstler und K ünstlerinnen aus ihrer Perspektive sich d iesem Thema nähern. 21 Persönlichkeiten haben sich mit ihren Werken betei ligt. Jede/r hat ihren Blick auf den Menschen und das Thema der S ünde gerichtet. Es geht nicht um eine Deutung der s trengen theologischen Definition, sondern darum den M enschen in seiner Verwoben heit in Lust, Sinnlichkeit, Trägheit, Gewalt, Z erstörung, Aggression, ja Todesverfallenheit zu z eigen. Jedes Kunstwerk ist eine eigene Welt, stellt eigene Fragen und Rätsel und bedarf damit einer eigenen Deutung im Kopf des Betrachters. M anches erschließt sich oder regt zu weiteren Fragen an oder bleibt einem verschlossen. Die Ausstellungsräume der Verpackerei geben den Objekten einen eigenen Rahmen. Man ist wie in einer Werkhalle und findet Kunst an ungewohnten Orten. Da laufen H eizungsrohre, beim Eingang der Männertoilette steht das Objekt der Dreckschleuder, die Frage nach der Lust zur Z erstörung durch Schallwellen und schrille Töne ist dann gegenüber bei den Damen. Köpfe hängen an dünnen Fäden, andere sind mit dem Leben bedroht in Erinnerung von water boarding. In den Kellerräumen findet man in einem großen Rock eines Hochzeitskleides Bilder von einem Fest zum 1. Mai. In der Empfangshalle eine Anspielung auf den Planet der Affen und eine Welt voller W affen. Das Beichtgespräch lädt zu einem Künstlergespräch ein. Künstler und Betrachter kommen zusammen, um sich auszutauschen über die Bedeutung der Kunst und des Kunstbetriebes in unserem Leben. Im letzten Raum der Kelleranlage begegnen wir den 7 Werken der Barmherzigkeit von Martin Schmidt. Dass die 7 Todsünden eingebunden sind mit der Siebenzahl in die Frage nach dem Heiligen Geist, der Zuwendung zum Nächsten und damit auch die Frage wie findet der Mensch Erbarmen und Erlösung weitet die Fragestellung. Das letzte Werk thematisiert den Tod. Die Bilder eines Kataloges haben nochmals eine andere Aussagekraft und zeigen uns die Objekte auch aus der anderen Sichtweise des Objektivs der Kamera. Die Ausstellungsatmosphäre tritt zurück. Wir haben aber die Bilder vor uns und damit eine andere Möglichkeit Wirklichkeit zu gewinnen. Möge der Katalog helfen, sich der verschiedenen Kunstwerke zu nähern und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Wir erleben eine Welt voller Vielfalt und fast un endlicher Deutungen, je nach der Perspektive des Betrachters. Auch die Welt der Kunst bietet uns viele Deutungen und Bilder, die wieder offen sind für den, der sich damit auseinandersetzt. Kunst verändert unseren Blickwinkel auf die Welt, sie eröffnet uns neue Perspektiven, die wir sonst oft gar nicht hätten. Der Dialog zwischen Kunstwerk und Betrachter kann neue Sichtweisen auf den Menschen und die ihn umgebende Wirklichkeit geben. Dabei ist der Künstler oft nur ein Bote, ein Vermittler durch seine Gestaltung. Er weiß nicht, was sein Werk anstößt und bewegt. Es wäre schön, wenn wir immer wieder Möglichkeiten finden können zusammen mit Künstler innen und Künstlern einen Blick auf diese Welt und den Menschen in ihr zu werfen. Themen wie Sehnsucht nach Erlösung, Faszination Schönheit, aber eben auch die Frage nach sich öffnenden Abgründen und Bedrohungen lassen uns, wenn auch nicht auf den ersten Blick, die Frage nach dem stellen, der allem zu Grunde liegt und es trägt. 7 Sünden im System von Heinz Schütz Am Anfang der kurzen Einführung in die Sieben- Todsünden-Ausstellung sei die Aufmerksamkeit auf eine alltägliche Restaurantszene gelenkt: Eine Frau und ein Mann sitzen an einem Tisch. Sie tunken die Reste der öligen Tomatensauce aus ihren Tellern, löffeln ein Tiramisu, trinken Rotwein und während die Frau das leere Glas auf den Tisch zurück stellt, seufzt sie: „So, jetzt haben wir aber wieder gesündigt.“ Legt man das überlieferte Todsündenregister mit s einem Verweis auf die Völlerei zugrunde, sind die beiden ihrer zukünftigen Verdammnis in die Hölle womöglich ein winziges Stück näher gerückt. Allerdings denkt das wohlig gesättigte Paar, wenn es nach dem Verzehr eines Zweigängemenüs von Sünde spricht, nicht an Völlerei, sondern an die konsumierten Kalorien. „Sündigen“ bedeutet hier, den A nsprüchen des herrschenden Ge sundheits- und Schlankheitskultes nicht zu genügen, wobei sich auch hier, beim Bekenntnis zum Schönheits ideal schlank, wiederum das Todsündenregister heranziehen und auf die darin verzeichnete Eitelkeit verweisen ließe. Auch diese Betrachtung liegt dem Paar durchaus fern: Das Wort „sündigen“ hat im Alltagsgebrauch seine religiös-moralische Bedeutung abgestreift. Es weist nun in erster Linie auf die Nichteinhaltung herrschender Normen und Ansprüche und damit verbunden die Angst vor Stigmatisierung: Dicksein wurde zum Mangel erklärt und zum Zeichen sozialer Deklassierung. Auf der einen Seite stehen nun diejenigen, die leiden, weil sie nichts zu essen haben, und auf der anderen Seite diejenigen, die sich diätetisch „ foltern“, um nicht zu viel zu essen. Doch bleiben wir bei der Verwendung des Begriffs Sünde. Eine Internetrecherche mit dem Suchwort Avaritia – diejenige der Sieben Todsünden, die sich mit Geiz und Habgier übersetzen lässt – führt rasch auf eine im Google-Ranking vorne stehende Webpage mit folgender Begrüßung: „Herzlich Willkommen bei erbsünde! erb sünde ist ein Mode- und Designlabel mit Sitz in München. Erweitert um die Marke erbsündchen für Kinder bietet es: Zeitlose, gut sitzen de ebooks und Schnittmuster auch für große Konfektionsgrößen (…).“ Wer dann die „ Galerie“ der „erbsünde“ mit ihrer durchaus biederen Mode anklickt, findet die nach den Sieben Todsünden be nannten Labels Avaritia, Acedia, Gula, Invidia, Ira, Luxuria und Superbia, dane ben Namen wie – die Hauptsache es klingt scharf, verführerisch, exotisch oder süß – Chilli, Delicia Ber tioga, Pipoga. In einer der Beschreibun gen heißt es: „Am Donnerstag wurde (…) eine neue erbsünde veröffentlicht: Avaritia (…) Der Schnitt wurde diesmal nach der Sünde Habgier benannt und der Name passt ganz hervorra gend, denn wenn man anfängt für den Schnitt nach Stoffen und Tüll zu s uchen, verfällt man in einen Rausch. Man will nur noch haben, haben, h aben.“ Das klingt kurios und abgedreht. Dabei ist gewissermaßen bezeichnend, dass die irrtümliche Benennung der Todsünde als Erbsünde das störende Wort „Tod“ unausgesprochen lässt. Die Todsünden werden ihres einstigen Schreckens beraubt und werbetechnisch als Attraktion verkauft. Die Habgier wird dabei zum stimu lierenden Habensrausch verklärt. Wie bereits im Restaurant fällt auch hier auf, wie der Begriff der Sünde das Terrain des Religiösen verlassen hat. Was der Essenssünder mit dem Tod sünder noch teilt, ist allenfalls das schlechte Gewissen. Es bedarf eines kurzen Blicks in die Geschichte, um heute die religiös fundierte Bedeutung der Sieben Todsünden zu erahnen. Kleiner Rückblick Die Ausformulierung der Todsünden weist zurück ins vierte und fünfte Jahrhundert. Sie vollzog sich im mönchischen Umfeld der Klöster und Wüsten. Bereits der im Jahr 354 geborene Euagrios Pontikos – er lebte als Einsiedler in der ägyptischen Wüste – benennt acht Laster, die das Seelenheil bedrohen. Weiterentwickelt wurde die Acht lasterlehre von dem auch „Wüstenvater“ genannten, Priester, Abt und Schriftsteller Johannes Cassianus. Der im Jahr 604 verstorbene Papst Gregor I. formulierte dann die sieben Laster der bis heute weitergereichten Todsünden-Liste. Sie besteht aus: Superbia Hochmut (Übermut, Hoffart, Eitelkeit, Stolz) Avaritia Gier (Geiz, Habgier, Habsucht) Luxuria Wollust (Unkeuschheit) Ira Zorn (Wut, Vergeltung, Rachsucht) GulaVöllerei (Gefräßigkeit, Schwelgerei, Maßlosigkeit, Selbstsucht) InvidiaNeid (Missgunst, Eifersucht) AcediaTrägheit des Herzens / des Geistes (Überdruss) Wie mehrfach herausgearbeitet wurde, können Hochmut, Gier, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Trägheit eng mit einer charakterologischen Typologie in Verbindung gebracht werden. Der persönliche Charakter liefert sozusagen die Disposition zur Verfehlung, was wiederum nicht bedeutet, dass jede Verfehlung aus der Todsünden-Liste tatsächlich eine Todsünde ist. So unterscheidet die katholische Kirche zwischen „läss licher Sünde“ und „Todsünde“.: „Die Todsünde“ – so ihr Katechismus – zerstört die Liebe im Herzen des Menschen durch einen schweren Verstoß gegen das Gesetz Gottes. In ihr wendet sich der Mensch von Gott, seinem letzten Ziel und seiner Seligkeit, ab und zieht ihm ein minderes Gut vor. (…) Die lässliche Sünde lässt die Liebe bestehen, verstößt aber gegen sie und verletzt sie.“ Die schweren Verstöße werden insbesondere durch die Zehn Gebote d efiniert. Bei der grundsätzlichen Erörterung wird das Prinzip der Liebe in den Vordergrund gestellt. Trotz der als grenzenlos erachteten Liebe Gottes, droht jenen, die von ihr abfallen, die Verdammnis, die Hölle und der ewige Tod nach dem Tod. Jenseits der christlichen Lehre kann der Katalog der Todsünden als Reflexionsmöglichkeit verstanden werden, der wie ein begrifflicher Spiegel Einblick in das eigene Verhalten gibt und zur Selbsterkenntnis beiträgt. Er lässt sich auch als Lehre der Mäßigung und als moralischer Ratgeber verstehen. Sobald jedoch mit dem Begriff Sünde christliches Territorium betreten wird, tritt die Selbst evidenz moralischer Prinzipien im Sinne von Immanuel Kants „Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir.“ in den Hintergrund. In der christlichen Lehre steht auch noch die Hölle als drohende Strafe unter mir. Selbst wenn es so aussehen mag, dass moralische Grundsätze unveränderlich für immer gelten, ist ihre Bedeutung, wie eben auch die der Sieben Todsünden, dem historischen Wandel unterworfen. Um damit auf den Anfang der Einführung und auf unsere Gegenwart zurückzukommen: Insbesondere nach dem skandalösen Bankendesaster, bei dem die Verluste sozialisiert wurden und die Gewinne privatisiert blieben, wurde immer wieder die persönliche Gier der Banker für das Desaster verantwortlich gemacht. Richtig betrachtet ist die Gier hier keine V erfehlung Einzelner. Die gegenwärtige Wirtschaft basiert auf dem Prinzip des permanenten Wachstums und der Kapitalakkumulation. In diesem Sinne ist die Gier ins S ystem gewandert, wobei eine Art neuer Klassengesellschaft verhindert, dass alle daran partizipieren. Sowohl das alles durch dringende Wettbewerbs prinzip, das jede und jeden Einzelnen mit dem Satz „Du bist der Größte“ zum Erfolg peitschen will, als auch die digitale Kommunikation, die den Selfie-Rausch beflü gelt, frönen der Superbia, die sich hier als „Ich bin so super“ übersetzen ließe. Wenn Köche in zwischen zu Fernsehstars, Entertainern und Lebensberatern mutiert sind, wird die Gula – die Völlerei und Schwelgerei – zumindest sym bolisch verklärt – realiter sitzen die Fernseh zuschauer ohne Zugriff auf die Filets, Ragouts und Hähnchenschenkel mit leicht wässrigem Mund vor den Bildschirmen. Die solcherma ßen ins sozio-ökonomi sche System gewanderten Todsünden drohen nicht mehr mit Strafe, sondern ganz im Gegen teil: sie versprechen Lust, Erfolg und Anerkennung. In d iesem Sinne wurden denn auch der eingangs angedeutete Umgang mit der Sünde zur V erlockung und das Wort „Sünde“ zum Attraktor. Wie nun geht die Kunst mit den Sieben Todsünden um? Es gibt eine lange Tradition der Darstellung der Sieben Todsünden, wobei lange Zeit Allegorien zum Zweck der Belehrung, Abschreckung und Bekehrung überwiegen. Bis heute werden sie in den unter schiedlichsten Gattungen thematisiert, sei es in der bildenden Kunst, der Literatur, der Oper, im Film und selbst in der Pop-Kultur. Zu Beginn dieses Jahres widmete sich das Diözesanmuseum St. Afra in Augsburg der Todsünde in der Kunst. Die Ausstellung konzentrierte sich – nicht nur, aber doch in erster Linie – auf die Geschichte. In der von Bruno und Michaela Wank geleiteten Verpa ckerei werden nun ausschließlich Positionen zeitgenös sischer Künstler und Künstlerinnen vorgestellt. Geht man sozusagen von der systemischen Infiltra tion der Sieben Todsünden aus und stellt die Frage, wie Kunst damit umgeht, lautet die Antwort: es gibt u nterschiedlichste Ansätze. Künstler können savonaraleske Asketen sein aber auch Grenz überschreiter, die den sinnlichen Exzess als Befreiung suchen, um gezielt in jene Bereiche vorzudringen, die die Liste der Todsünden zum Tabu erklärt. Sie können reflektieren oder gestalten, sachlich dokumentieren oder politisch a gitieren, sie können ernst, distanziert, zynisch oder ironisch sein, wobei dem ironischen Unterton, seit dem Aufstieg der Postmoderne eine b esondere Bedeutung zukommt. Die Pluralität der Ansätze spiegelt sich in der Ausstellung der Verpackerei. Grundsätzlich gilt: Eine Reihe von Arbeiten wurde eigens für „Die Sieben Todsünden“ produziert, andere wurden bewusst ausgewählt und kommentieren nun im Kontext der Ausstellung das Thema. Allen g emeinsam ist, dass sie die Sieben Todsünden weniger auf die Vergangenheit, als auf die Gegenwart beziehen. In einigen allegorisierenden Positionen kann der G egenwartsbezug exemplifiziert werden: Res Ingold greift die emblematischen Mittel der zeitgenössischen Werbung auf und erweitert sozusagen die Liste der T odsünden in die Gegenwart. Mit dem Begriffspaar „crimine“ (Verbrechen) und „insolvenza“ (Insolvenz) etwa stößt er unmittelbar auch ins Herz der Finanzkrise vor. Mit zeit genössischen Ikonen wie Apple-Logo, Donald Duck, Disney-Schneewittchen und Zorn-Smilie verkörpert Torsten Mühlbach die Sieben Todsünden auf buttonartigen Tondi. Ins Zentrum der Ausstellungs halle stellt er als Allegorie einer hochgerüsteten Spaßgesellschaft eine auf einen Holzwagen montierte, sich drehende und wie eine Diskokugel glitzernde Rakete – Titel der Installation: „Planet der Affen“. Allegorisierend sind auch die frei hängenden, auf Stoff gemalten Bilder von Sofi Bird Møller. Im Rekurs auf Illustrationen eines Em blembuchs aus dem 18. Jahrhundert eröffnet sie surreale Assoziationsräume, die sich der klaren begrifflichen Festlegung entziehen. Interessanter weise lenkte der Surrealismus die Aufmerksamkeit auf den Zusammenhang zwischen Emblematik und Bedeutungen, die in der Psyche verborgen schlummern. Er wählte dabei nicht zuletzt Hierony mus Bosch zum Vorbild. Einige der ausgestellten Arbeiten lassen sich explizit auf eine ausgewählte Todsünde beziehen. Wenn sich Moritz Walser in seiner Performance in Zuckerwatte hüllen lässt und sich zum Verna schen anbietet, kommt Gula, aber auch Luxuria ins Spiel. Im Bezug auf die beiden Todsünden vergleichbar, präsentiert ein Video von Susanne Wagner einen mit weißer Salatsauce übergossenen und auf einem Salatbett angerichteten Callboy. Das Performancekonzept, das auf einer Erzählung von Mason Williams und einer Fotoserie respektive einem Film von Ed Ruscha basiert, kehrt die dort angelegten traditionellen Geschlechterrollen um. Ein düsteres Gegenstück zu Wagners „Kristijan“ liefert eine Videoprojektion von Johannes Evers. Die auf den Mund eines Liegenden zielende Infiltration einer weißen Flüssigkeit evoziert das in amerikanischen Foltergefängnissen praktizierte Waterboarding. Am deutlichsten und v ehementesten ist in der Ausstellung der Bezug auf das, was in todessündiger Terminologie Wollust genannt wird. Ugo Dossis Zeich nungen umkreisen Erotismen. Duncan Robertson installierte ein Brautkleid als Zelt, in dessen Schoss sich eine saturnalische Szene abspielt, die bei den alljährlichen E ster-Maifeiern in Edinburgh aufgenommen wurde. In der Gegenüberstellung eines, so weit man sieht, nackten M annes und einer nack ten Frau, die wechselseitig immer schneller hörbar atmen, setzt Samaya Almas Thier o rgiastische Vorstellungen beim Betrachter frei. Besonders hervorzuheben ist die Komplexität von Julian Rosefeldts Film „Deep Gold“. Er geht von Luis Buñuels surrealisti schem Film „L’age d’or“ aus und lässt Traumwelt und G eschichte, Erotik und Politik einander durchdringen. Der zu Beginn erwähnte charakte rologische Bezug der Todsünden kommt in den subtil gearbeiteten, Bronze in allen Schattierungen einsetzenden Masken Bruno Wanks zur Geltung und auf andere Weise in W olfgang Kaisers Installation mit ihren Köpfen und Kopffragmenten, in denen das Material zum glänzenden Illusionsträger wird. Ein sozusagen eigenes Kapitel bildet der Rekurs auf die Todsünde als Sünde. Gregor P assens sieben Zipfelmützen erscheinen wie verführe rische Schlangen, Guido Weggenmann lässt eine monumentale, mechanische Hand verlockend und Besitz ergreifend winken, Alexander Laner präsentiert drei Apparate: eine hochmotorisierte Schub karrenmaschine, die eine schwarze Reifenspur, wie eine Teufelssignatur hinterließ, ein Weinglas im Kubus, das bei einer bestimmten, vom B etrachter ausgelösten Frequenz zerspringt und eine Wasser schleudernde Dauerrein-Waschmaschine. Zum Ritual der Reinwaschung gehören im kirchlichen Zusammenhang das Weih wasser und die Beichte. In ihrer Videoinstallation „Gläubiger & Schuldner“ pendeln die bei den Künstler der EMPFANGS HALLE zwischen dem Brunnen, der vor einem Münchner Luxusquartier steht und dem Weihwasserbecken der Abtei St. Bonifaz in einer end losen Schleife hin und her. Mit der Anspielung auf „kulturelle Verpflichtungen“ richteten Karolin und Daniel Bräg einen Raum ein, in dem die Künstler den „Kunstsündern“ Absolution erteilen. Zumindest im Kontext der Ausstellung, erscheint das rote Container atelier, zu dessen Besuch Sebastian Mayrhofer einlädt, wie ein auf die schräge Bahn geratener Kunstraum. Im letzten Ausstellungs raum werden, als Gegenentwurf zu den Sieben Todsünden, die kirchlich sanktionierten Sieben Werke der Barmherzig keit herbeizitiert, als da sind: Hungrige speisen Durstige tränken Fremde beherbergen Nackte bekleiden Kranke besuchen Gefangene besuchen Tote bestatten Mit seinen großformatigen, fotorealistischen Bleistiftzeichnun gen bebildert Martin Schmidt den Kanon der guten Taten mit Motiven aus dem Alltag der Gegenwart. Wenn er dabei etwa „Hungrige speisen“ mit einem Foto aus einem Luxus kochbuch illustriert, blitzt, jenseits der Guttat, der politisch- soziale A bgrund in den gegenwärtigen gesellschaftlichen Ver hältnissen auf. Ganz am Ende des letzten Ausstellungsraums steht, wie der Verweis auf die letzte Instanz, ein Skulpturenpaar von Elke Härtel. Sie bezieht sich nicht auf die Sünde, sondern auf den Tod: Eine alte Frau, wird von einem gnomartigen Alien hinweggeführt. Nachdem die Sünde als Sünde und der Tod als Tod erwähnt wurde, sei ans Ende eine letzte Frage in den Raum gestellt: Was wäre denn, wenn der Tod in der Todsünde eine Sünde Gottes wäre? 17 Ausstellungsfotos 1 6 7 8 2 3 1 Peccato / Triptichon 2016 Res Ingold Druck auf Hartschaum 2 Hab nichts mehr außer mich 2015 Guido Weggenmann Kunststoff, Getriebemotor, Holz, Stahl 3 Planet der Affen 2015 Torsten Mühlbach Holz, Elektromotor, Spiegelsteine 4 4 Si /No 2016 Gregor Passens Keramik, farbig glasiert 5 Blumenkrieg 2014 Duncan Robertson Stickrahmen, Blumenstoffe, Stickerei 6 6 6 Die 7 Todsünden 2015 Bruno Wank Bronze 7 Die 7 Todsünden 2016 Torsten Mühlbach Mülltüten auf Sperrholz g etackert 1 7 3 8 2 7 6 8 8 sugar-daddy 2016 Moritz Walser Performance, Zuckerwattenmaschine, Ventilator, D rehpodest, Scheinwerfer 9 Freude am Fahren 2014 / 2016 Alexander Laner BMW 700, Motor auf Schubkarrengestell, Gummiabrieb auf Boden 10 4 9 10 Beichten gehen 2016 Karolin und Daniel Bräg Kunstsündenbeichtgespräch 11 Dreckschleuder 2014 Alexander Laner Geschirrspülmaschinenteile, Steuerungstechnik, Glasvitrine 12 Theremin 2014 Alexander Laner 3 modifizierte Radios, Glasvitrine, Verstärker, Lautsprecher, Weinglas 13 Deep gold 2013 / 2014 Julian Rosefeldt 1-channel film b/w, sound, shot on HD 16 23 14 14 Lennox Gula, S.S.S., Esohre Dulp, Möller, Der hl. Horst 2006–2016 Wolfgang Kaiser Polyurethan, blattvergoldet 15 Lot 2016 Johannes Evers HD-Video 16 The callboy 2010 / 2014 Susanne Wagner HD-Video 16 15 16 17 19 17 Cum inside 2016 Duncan Robertson Skulptur, Videoinstallation 18 Liebesbenzin 2015 Samaya Almas Thier Video- und Soundinstallation 19 18 18 17 20 21 19 19 Gläubiger und Schuldner 2016 Empfangshalle HD-Video 20 21 20 Nefer 2008 Ugo Dossi übertragene Zeichnung, Plexiglas, holografisches Material 21 21 20 19 21 Unkeuschheit 2005–2015 Ugo Dossi / Hara Walther automatische Zeichnungen, Derivate 22 Ex Emblemia 2016 Sofie Bird Møller Acryl auf Industrieprint 22 22 24 23 22 24 23 24 23 7 Werke der Barmherzigkeit 2010 Martin Schmidt Bleistift auf Papier 24 o. T. 2012 Elke Härtel Gips 25 25 Rote Kapelle 2016 Sebastian Mayrhofer Installation während der Ausstellung in Kaufbeuren 25 107 Index 1 Peccato / Triptichon 2016 Res Ingold Druck auf Hartschaum 2 Hab nichts mehr außer mich 2015 Guido Weggenmann Kunststoff, Getriebemotor, Holz, Stahl 3 Planet der Affen 2015 Torsten Mühlbach Holz, Elektromotor, Spiegelsteine 4 Si /No 2016 Gregor Passens Keramik, farbig glasiert 5 Blumenkrieg 2016 Duncan Robertson Stickrahmen, Blumenstoffe, Stickerei 6 Die 7 Todsünden 2015 Bruno Wank Bronze 7 Die 7 Todsünden 2016 Torsten Mühlbach Mülltüten auf Sperrholz getackert 13 Deep gold 2013 / 2014 Julian Rosefeldt 1-channel film b/w, sound, shot on HD 8 sugar-daddy 2016 Moritz Walser Performance, Zuckerwattenmaschine, Ventilator, Drehpodest 14 Lennox Gula, S.S.S., Esohre Dulp, Möller, Der hl. Horst 2006–2016 Wolfgang Kaiser Polyurethan, blattvergoldet 21 Unkeuschheit 2005–2015 Ugo Dossi / Hara Walther automatische Zeichnungen, Derivate 9 Freude am Fahren 2014 / 2016 Alexander Laner BMW Zoo, Motor auf Schub karrengestell, Gummiabrieb 15 Lot 2016 Johannes Evers HD-Video 22 Ex Emblemia 2016 Sofie Bird Møller Acryl auf Industrieprint 16 The callboy 2010 / 2014 Susanne Wagner HD-Video 23 7 Werke der Barmherzigkeit 2010 Martin Schmidt Bleistift auf Papier 10 Beichten gehen 2016 Karolin und Daniel Bräg Kunstsündenbeichtgespräch 11 Dreckschleuder 2014 Alexander Laner Geschirrspülmaschninenteile, Steuerungstechnik, Glasvitrine 12 Theremin 2014 Alexander Laner 3 modifizierte Radios, Glas vitrine, Verstärker, Lautsprecher, Weinglas 17 Cum inside 2016 Duncan Robertson Skulptur, Videoinstallation 18 Liebesbenzin 2015 Samaya Almas Thier Video- und Soundinstallation 19 Gläubiger und Schuldner 2016 Empfangshalle HD-Video 20 Nefer 2008 Ugo Dossi übertragene Zeichnung, Plexiglas, holografisches Material 24 o. T. 2012 Elke Härtel Gips 25 Rote Kapelle 2016 Sebastian Mayrhofer Installation während der Ausstellung in Kaufbeuren 109 Impressum und Bildnachweis Katalog zur Ausstellung Die 7 Todsünden in der Verpackerei Görisried vom 4. bis 19. Juni 2016 Herausgeber: Michaela und Bruno Wank Gestaltung: Schultz Wiegand Druck: DZA Druckerei zu Altenburg GmbH Lektorat: Michaela und Bruno Wank Fotos: Hermann Reichenwallner, Norbert Liesz, Sebastian Mayrhofer, Moritz Walser Bildnachweis: © VG Bild-Kunst, Bonn 2016 für die abgebildeten Werke von: Karolin Bräg, Daniel Bräg, Empfangshalle, Res Ingold, Gregor Passens, Julian Rosefeldt, Susanne Wagner und Bruno Wank © Ugo Dossi © Johannes Evers © Elke Härtel © Wolfgang Kaiser © Alexander Laner © Sebastian Mayrhofer © Sofie Bird Møller © Torsten Mühlbach © Duncan Robertson © Martin Schmidt © Samaya Almas Thier © Moritz Walser © Guido Weggenmann in Kooperation mit dem Bistum Augsburg
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