Lausitz-Kirchentag

Predigt zu Ezechiel 36,33-36
Lausitzkirchentag in Cottbus - 4. Juli .2015
Dr. Christian Stäblein
In Gottes Wort passen alle aufs Bild. So ist der Garten Eden.
Liebe Gemeinde heute, wenn die kleine Pia ein Bild malt, dann lässt sie immer auf dem Blatt
einen kleinen Kreis in der linken Hälfte frei. Das hat sie schon früh so gemacht und irgendwie
immer beibehalten. Sie malt nicht so gut wie die tollen Bilder, die wir hier am Anfang von
Euch gesehen haben. Aber Pia malt auch gerne schöne Phantasiebilder, Eden-Paradiese nennt
sie die – und dann bleibt eben links ein kleiner Kreis frei. Wofür? frage ich. Für die Menschen, sagt sie und lächelt. Für wen genau? Frage ich. Sie guckt mich an: Na alle. Und weil da
alle hingehören, lasse ich den Kreis frei. Alle könnte ich ja nicht malen. Dann wär‘s ja wie
beim Foto: Könnten Sie noch mal näher, nein noch näher zusammen rücken. Und am Ende
fehlt jemand, ist nur halb drauf, die Füße abgeschnitten oder die Zöpfe. Nee, sagt Pia, da links
auf das Blatt der offene Kreis und da sind alle drin im Bild vom Eden-Paradies.
Und man wird sagen: Dies Land war verheert, und jetzt ist’s wie der Garten Eden, und diese
Städte waren zerstört, öde und niedergerissen und stehen nun fest gebaut und sind bewohnt.
So, liebe Gemeinde, die Worte des Propheten Ezechiel vor vermutlich gut 2500 Jahren, so
sein Bild, das der Prophet malt und vor Augen sieht. Und es ist, als wäre auch da ein Kreis im
Bild, in den alle hineingehören. Die Israeliten, die fern der Heimat sitzen und auf ihre Rückkehr warten. Innerlich zerrissen sind sie, weil sich längst Gruppen gebildet haben. Die einen,
die sagen: lasst uns nicht zurück gehen, hier im fernen Babylonien ist es viel besser, hier ist
auch Garten Eden, unser Gott ist auch hier. Und da sind die anderen, die daran festhalten: wir
kehren zurück, wir bauen das Land, das einst unseres war, wieder auf. Wir vertrauen, dass es
werden wird wie vor dem Verlust. Zerrissen das Volk, zerrissen die Menschen, innerlich, untereinander. Und doch alle vereint in diesen Worten von Ezechiel, vereint in seinem Bild: es
wird sein wie der Garten Eden, weil Gott mit aufbricht ins Neue und mit zurückkehrt ins
scheinbar Verlorene.
Gottes Wort führt alle aufs Bild – so stelle ich es mir auch heute vor, wo wir die Worte von
Ezechiel wieder hören. Und ich ahne und habe jetzt ja auch gesehen, was da so alles in Kreisen auf das Bild kommt, heute. Die einen, die sagen: seht, wie hat sich unsere Gegend herausgemacht, die schönen Dörfer und Städte, anders als früher, als die Kohle fast nur Dreck brachte, jetzt sind neue Landschaften entstanden. Und die anderen, die sagen: ein Paradies an Heimat geht verloren, wenn wir nicht aufhören, wenn wir nicht aussteigen. Und dann noch mal
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andere, die sagen: Es ist alles viel komplizierter und der Prediger kann das doch gar nicht wissen, wie kompliziert: Energiewende? Einstieg? Ausstieg? Strukturwandel? Es ist alles noch
komplizierter und es gibt noch viel mehr Themen als nur dieses eine und jedes wieder so
kompliziert. Ja, ich ahne nur und höre: Hier und da zerrissen wohl die Menschen zwischen
Glück und Glück und zwischen Angst und Angst, zerrissen zwischen einer paradiesischen
Landschaft direkt vor Augen und wüsten Bildern im Kopf, zerrissen von der Sorge, der Kreis
um uns herum könnte so oder so leer werden, ohne Menschen, ohne Arbeit, ohne Heimat.
Zerrissen immer wieder, ja, aber alle auf einem Bild, das ist das erste, was Gottes Wort sieht,
verspricht. Wir, Ihr seid alle auf dem einen Bild von Gottes Versprechen: es war verheert, ihr
ward zerrissen, aber jetzt ist’s wieder wie der Garten Eden.
Jetzt? Mögen Sie fragen und haben ganz recht. Die Worte vom Propheten Ezechiel sprechen
vom Jetzt und meinen ein Dann. Denn es heißt: Und man wird sagen: Dies Land war verheert
und jetzt ist’s wie der Garten Eden.
Das ist die große Kunst der Bildermaler, der Visionäre, dass sie sehen, was noch nicht ist,
aber werden wird. Pia, wie stellst du dir das vor, frage ich, alle in einem Kreis? Auch die Eltern, die schon lange auseinander, weil sie sich am Ende nur noch gestritten haben? Auch die,
die, weil es sie selber zerreißt, andere zerreißen? Alle in einem Kreis? Pia schaut nur kurz,
was ich sage. Dann schlägt sie sich gegen die Stirn, ruft: Ich hätte wohl doch ein Kreuz in den
Kreis malen sollen. Es sind ja alle in Christus da. Huch, ist das noch Pia, die da denkt? Oder
bin das schon ich. Ein Kreuz in dem Kreis auf dem Bild, alle in Christus, der das Böse wegnimmt. Das Unversöhnte. Nur durch das Kreuz passen wir alle da hin, so könnte es Pia meinen, so meinen wir es heute, wenn wir Kreise zum Kreuz bringen. Und innerlich ein Kreuz in
die Kreise setzen.
Liebe Gemeinde, das ist die große Kunst des Propheten Ezechiel, des visionären Bildermalers
fern der Heimat: Vom Gott erzählen, der zusammen führt, in dem er annimmt, indem er
vergibt. Der nicht nur äußerlich, der innerlich wieder aufbaut. Das ist die große Kunst seiner
Worte von vor 2500 Jahren für heute: uns zusammen führen in einem Bild, in dem auch der
andere sein darf. Der andere, der Fehler macht wie ich. Der andere, der nach dem richtigen
Weg sucht wie ich. Der andere, der nach Hoffnung fragt wie ich. Weil es am Ende gut sein
wird, können wir auf dem Weg dahin pflanzen, malen, singen, natürlich auch: streiten, diskutieren, uns in die Haare kriegen und hoffentlich auch in den Armen liegen. Weil es mit Christus im Kreis gut sein wird, deshalb können wir von dort losgehen – gefragt, ja kritisch befragt:
Was tut ihr? Welcher Weg ist richtig? Was habt ihr vor? Fragen von Gott, Fragen vor Gott an
uns.
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Liebe Gemeinde, Gottes Bild ist anders als das Foto auf der letzten Familienfeier, wo Onkel
Herberts Füße und sein lichtes Haar rechts abgeschnitten waren und Susannes Neugeborenes
links auch nur halb zu sehen. Man hätte noch näher zusammen rücken sollen, aber: ging nicht.
Foto hin oder her. Gottes Bild ist anders als unsere Alltagsbilder, Fixierungen, bei denen wir
schnell sagen: der gehört da nicht hin und den will ich da nicht sehen. Gottes Bild ist wie Pias
und wie Eure schönen Paradiesbilder, die Ihr gemalt habt, Kinder. Auf Gottes Bild sind wir
alle drauf. Er nimmt uns mit in den Kreis, für den versprochen ist, was man sagen wird: Das
Land war verheert, ihr ward zerrissen, siehe, jetzt ist’s wie der Garten Eden. Übrigens: das
macht den Garten Eden aus, dass er Platz hat für Zerrissene. Enttäuschte. Und Glückliche.
Wäre Pia hier, ja würde sie es hier geben – und ich ahne, es gibt sie hier unter Euch - , Pia
würde sich wahrscheinlich umgucken, wenn ich sagen würde: alle hier in Deinem Kreis, der
Ministerpräsident, die Menschen aus der Stadt, die Kinder aus den Dörfern im Spreewald, die
Sorben und Wenden, die polnischen Geschwister, der Bischof, der Liedermacher, die alten
und die neuen, die kleinen und die großen Unternehmer, die Bergleute, die Tourismusförderer, die Dichter und Denker, die für die Bewahrung der Schöpfung Engagierten, die Umgesiedelten, die Bangenden, die Flüchtlinge, die Christen und die, die aus der Distanz schauen –
alle in Deinem Kreis! Und Pia würde staunen und lächeln und sagen: so war’s ja gedacht,
gemalt. So hat Gott es gemeint. Ein Vorschein vom Garten Eden eben – wie auf Euren Bildern, Kinder, wie bei Ezechiel. Wie am Ende der Tage. Bis dahin, sagt Pia, und schaut mich
energisch an und grüßt zum Abschluss, bis dahin sucht ihr bitte den bestmöglichen Weg. Aber
ja, sage ich: den mit Gott im Rücken, den Weg der Vergebung und Hoffnung - aus Gottes
Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
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