BASF / Springer & Jacoby / Hyperloop / Luxus-Spezial OKTOBER 2016 / 3. JAHRGANG OKTOBER 2016 © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 INSPIRIERT. EIN ANTRIEB, DER ZWEI KRÄFTE VEREINT. Der BMW 740Le iPerformance www.bmw.de/7er/ iPerformance © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung Freude am Fahren BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 ELEKTRISIERT. VORWORT Mein Unternehmen: vernetzt. Meine Steuerberaterin: mit mir verbunden. DER BMW 7er JETZT ALS PLUG-IN-HYBRID. Mit der sicheren DATEV-Cloud. FOTO: DAVID MAUPILÉ KLAUS BOLDT / Chefredakteur „Wieder einmal kommt eine INNOVATION aus den USA. Und nicht aus Düsseldorf oder Dresden. Wir sollten uns nicht daran gewöhnen.“ Der aus Südafrika stammende und heute in den USA lebende Unternehmer Elon Musk, liebe Leser, gehört mit seinen Gründungen Paypal, Tesla und Space X zu den inspirie rendsten und erfolgreichsten Figuren der Wirtschaftswelt. Vor drei Jahren hat er in einem Thesenpapier die Idee vom Hyper loop in die Welt gesetzt: seine Fantasie vom überschallschnellen Transportmittel der Zukunft – von einem Passagierflugzeug ohne Flügel, das mit 1.220 Stundenkilome tern durch eine Vakuumröhre jagt und für die Strecke von Hamburg nach Berlin eine Viertelstunde braucht. Wir haben uns gefragt, wie es heute um die se buchstäblich abenteuerliche Idee steht, und uns vor Ort in Los Angeles bei den Betreibern des MuskProjekts umgesehen: Ist der Hyperloop technisch machbar und, wenn ja, auch wirtschaftlich sinnvoll? Die BILANZLeute Jürgen Schönstein und Vol ker ter Haseborg sind dem nachgegangen und haben die aufregende Geschichte vom Duell zweier Männer aufge schrieben, die entschlossen sind, den Hyperloop zu verwirklichen – nicht eines fernen Tages, sondern in drei, spätestens vier Jahren. Dass der Kampf um diese Innovation wieder einmal an der USWestküste Westküste ausgefochten wird und nicht in Düsseldorf oder Dresden, halten wir weder für naturgegeben noch schicksalhaft. Auch deshalb haben wir den Grün derwettbewerb „Start me up!“ ins Leben gerufen. Er geht jetzt in seine zweite Saison: Wer sagt denn, dass nicht ein hiesiger Gründer oder eine Gründerin das Rennen um den Hyperloop noch für sich entscheiden kann? Die BILANZ ist ab sofort auch im Abonnement erhältlich für 49 Euro im Jahr. Schließen Sie eines ab, Sie werden es nicht bereuen. Mehr unter: www.bilanz.de/abo. Herzliche Grüße, Gemeinsam mit Ihrem Steuerberater und den Software- und Cloud-Lösungen von DATEV entlasten Sie Ihr Unternehmen bei zahlreichen Geschäftsprozessen – etwa beim Rechnungswesen oder in der Personalwirtschaft. Dank des leistungsstarken DATEV-Rechenzentrums mit Sitz in Deutschland wird die digitale Zusammenarbeit mit Ihrem Steuerberater erleichtert. Sprechen Sie mit Ihrem Steuerberater oder informieren Sie sich auf www.datev.de/vertrauen bzw. unter 0800 1001116. Kraftstoffverbrauch BMW 740Le iPerformance Limousine und BMW i8 in l/100 km (kombiniert): 2,2–2,1; CO2-Emission in g/km (kombiniert): 51–49; Stromverbrauch in kWh/100 km (kombiniert): 13,3–11,9. Abbildung zeigt Sonderausstattungen. BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 INHALT NAMEN & NACHRICHTEN 8 BDI Irrungen und Wirrungen: Der scheidende BDI-Präsident Grillo vermasselt die wichtigsten Personalentscheidungen. 10 COMMERZBANK So wird das nichts: Aufsichtsratsvorsitzender Müller sorgt für Kontinuität – der Existenzkrise. 10 PRO SIEBEN SAT 1 Die Sendergruppe bekommt einen Head of Cosmetics – und das hat nichts mit der Bilanz zu tun. 10 Zwei Firmen im Duell. Oben: die Zentrale von HTT. S. 50 TOP-ARBEITGEBER: Der Führungsnachwuchs mag Institute wie Fraunhofer. S. 20 4 BILANZ / OKTOBER / 2016 Prominente Neuzugänge beim Investmentfonds von ExStanley-Morgan-Deutschlandchef Dirk Notheis. FAST WIE APPLE: Sir James Dyson und seine Strategie von morgen. S. 28 12 HAUSBESUCH: 16 Beim Kaschmirkönig Brunello Cucinelli in Solomeo. S. 78 AUF EIN WORT Merck-Vorstand Kai Beckmann erklärt, warum er 300.000 Euro für Namensrechte am Stadion von Darmstadt 98 zahlt und die Sportstätte trotzdem ganz anders heißt. MACHTNETZ Rolf Buch führt ein Dax-Unternehmen, das mehr wert ist als die Deutsche Bank, gleichwohl kaum jemand kennt: den Immobilienkonzern Vonovia. Der Erfolgsmensch hat ein paar mächtige Gegner. FOTOS: HYPERLOOP TRANSPORTATION TECHNOLOGIES, BRUNELLO CUCINELLI, MARIO WEZEL, DYSON HYPERLOOP: DIE GROSSEN VON GESTERN Erwerben Sie einen Eigentumsanteil an einem NetJets Flugzeug und erhalten Sie Zugang zu über 700 Privatjets weltweit. Nur NetJets bietet Ihnen die Größe, Sicherheit und Leistungsfähigkeit einer kommerziellen Fluggesellschaft, kombiniert mit der Flexibilität und Schnelligkeit eines Privatflugunternehmens. netjetseurope.com +49 89 2323 7549 Alle von NetJets® Europe angebotenen Flugzeuge werden von NetJets Transportes Aéreos S.A., einer EU-Luftfahrtgesellschaft, betrieben. © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 AUS DER REDAKTION UNTERNEHMEN & MÄRKTE IDEEN & INNOVATIONEN 20 50 Das Geldgewerbe ist out: 10.000 Nachwuchskräfte urteilen über Deutschlands beliebteste Unternehmen. Alle Namen von Platz 1 bis 101. 26 60 TEMPO, TEMPO! 36 64 68 70 42 46 78 82 Eine Tasche als Fetisch: die „Birkin Bag“ Häuser über 100 Mio. Besuch in Bangkoks „Mandarin Oriental“ Sunny Side Up! Oldtimer-Mekka Pebble Beach Cucinelli, König Kaschmir 84 NEUES VOM GRÖSSTEN 84 WIE GEHT’S EIGENTLICH ... 75 € JÜRGEN SCHÖNSTEIN S. 50 Das Direkt-Depot der ING-DiBa: kostenlose Depotführung und über 5.000 Fonds und ETFs gebührenfrei kaufen. Jetzt einfach wechseln. GELDANLAGE AUF VIER BEINEN Siegerkranz statt Nullzins: Beteiligungen an Rennpferden. Illy ist Kult unter Espresso-Trinkern. Der Chef erklärt, warum. ... Heinz Dürr und Hilmar Kopper? BAADERS BESTE Sein Tipp: Luxusstullen auf Sylt. THOMAS SCHRÖDERS FLASCHENPOST Ein legendärer Kalifornier. 105 REGISTER, IMPRESSUM 106 BILANZ-GEWINNERIN JULIA JÄKEL DIE NÄCHSTE BILANZ ERSCHEINT AM 4. NOVEMBER 2016 6 „Als Kanadier hasst der Hyperloop-Boss Rob Lloyd Verspätungen. Der Grund, warum er uns trotzdem warten ließ, bot uns gleich den passenden Gesprächsstoff.“ WELTBESTER KAFFEE Zu Trump ist alles gesagt, aber noch nicht von jedem. PulitzerPreisträger Neil Barsky kennt noch andere Facetten. 48 74 76 BILANZ UNDERCOVER Das Gute an eigenen Investment-Entscheidungen? Sie zahlen sich aus. LUXUS-SPEZIAL 64 TREFFEN SICH DREI WERBER ... Streng geheim: Ein Mittelständler packt aus, wie die Autokonzerne mit ihm umgehen. KOWALSKYS CRASHTEST PRIVAT Kein Witz: Werbemann Fred Baader interviewt Reinhard Springer und Konstantin Jacoby, die Werbehelden der 90er-Jahre. 40 FRED BAADER Unser Technik-Guru probiert drahtlose Kopfhörer aus. SIR JAMES WILL’S WISSEN Kreativtechniker James Dyson kann viel mehr als Staubsauger. Die rasenden Zeitläufe verunsichern viele Menschen und führen zu allerlei Übel. BILANZ-Kolumnist Wolfgang Kaden über „Change“ als Überlebensweisheit. „Reinhard Springer und Konstantin Jacoby haben seit 15 Jahren kein Interview gegeben. Für mich (M.), ihren Exkonkurrenten, machten sie eine Ausnahme.“ S. 36 63 32 START ME UP! – ES GEHT WIEDER LOS Der Gründerwettbewerb von BILANZ sucht junge Neckermänner und Daimlers. TRANSPARENZ IST TRUMPF Inhalt vor Schönheit: Die Wissenschaftler in der BILANZ-Jury kürten den besten Geschäftsbericht. 28 JETS OHNE FLÜGEL Der Hyperloop soll schneller als der Schall Menschen und Fracht befördern. Besuch bei zwei Teams, die um die Wette entwickeln. „Auch Dirk Ahlborn will in L. A . den Hyperloop bauen – mit freien Mitarbeitern aus aller Welt, die übers Internet kooperieren. Ich traf Ahlborn in Berlin.“ VOLKER TER HASEBORG S. 55 FOTOS: GIANNI OCCHIPINTI, ANDREAS FRIESE, TOMAS MUSCIONICO DEUTSCHLANDS BESTE ARBEITGEBER Bei Eröffnung des ersten Direkt-Depots bis 30.11.2016 erhalten Sie 75 Euro Gutschrift, sofern Ihr Depot innerhalb von 6 Wochen nach Eröffnung ein Volumen von mindestens 5.000 Euro aufweist. ing-diba.de BILANZ / OKTOBER / 2016 © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 Prämie NAMEN UND NACHRICHTEN NAMEN & NACHRICHTEN na an die Presse durchgeflüstert haben. Doch statt in Ruhe eine gütliche Einigung mit dem beziehungsreichen BDI-Mann Schweer zu suchen, wie es Mitarbeiter empfahlen, verlor Grillo die Nerven und bestand auf einer Brachial-Aktion. Was unangenehme Folgen mit sich bringt: Denn weder verließ Schweer den Verband „auf eigenen Wunsch“, noch hatte ihm der BDI den üblichen Dank für vergangene Dienste abgestattet. Schweer ist nun vor das Berliner Arbeitsgericht gezogen (Aktenzeichen: 23 Za 11 591/16). Die BDI-Verteidiger spielen auf Zeit und wollen erst einmal feststellen lassen, ob das Arbeits- oder doch das Landgericht zuständig ist. Das dauert. Vermutlich länger als ein Jahr. Dass die Trennung für den notorisch finanzschwachen BDI, der sich noch von einem „Förderkreis“ mit drei bis vier Millionen Euro im Jahr bezuschussen lässt, dadurch billiger wird, ist unwahrscheinlich. Allein Grillo, obwohl er ein Ehrenamt be- BUNDESVERBAND DER DEUTSCHEN INDUSTRIE ENDE MIT SCHRECKEN Ausgerechnet zum Ende seiner Amtszeit vermasselt der scheidende BDI-Präsident wichtige Personalien. Seinem Nachfolger hinterlässt er einen Spitzenverband im Niedergang. offenkundig verschlüsselte Signale. Ulrich Grillo (57), Präsident des Bundes verbands der Deutschen Industrie (BDI), sorgt kurz vor dem Ende seiner Amtszeit am 31. Dezember für Unruhe. Der BDI, 8 BILANZ / OKTOBER / 2016 Zuerst meldeten sich seine VizePrä sidenten. Sie nahmen Anstoß daran, dass sie, erstens, nicht in die Suche nach ei nem KerberNachfolger eingebunden worden waren und dass ihnen Grillo, zweitens, den Neuen kurzfristig per Te lefonanruf serviert habe. Dabei erfuhren sie, drittens, zum ersten Mal, dass Grillo, viertens, schon seit Monaten von der Ent scheidung des geschätzten Kerbers, den Verband zu verlassen, gewusst habe. Doch damit nicht genug, verkündete der BDI am 15. August auch noch, dass Dieter Schweer (63), Kerbers Stellvertre ter, „auf eigenen Wunsch“ ausscheide. Von einem Wunsche Schweers konn te indes keine Rede sein: Es war ein Raus schmiss klassischen Stils. Präsident Gril lo verdächtigt Schweer der Ruch und Treuelosigkeit: Der ehemalige Journalist („Wirtschaftswoche“) soll BDIInter ganisation wie dem BDI überfordert sei. Wie Grillos bestallter Nachfolger Dieter Kempf mit dieser Truppe den Bedeutungsverlust des Industrieverbands auf aufhalten will, ist schleierhaft. Der künftige Präsident, ehedem Chef der Datev und der IT-Branchenvereinigung Bitcom, verfügt zwar über Verbandserfahrung. Er steht als Steuerberater und Genosse im Ruhestand aber nicht im Ruf, ein politisches Schwergewicht zu sein, und ein Industrieller ist er schon einmal gar nicht. Kempfs Nominierung belegt auch, dass kaum ein Unternehmer noch bereit ist, sich öffentlich für die soziale Marktwirtschaft ins Zeug zu legen: Die vielen Absagen, die sich Grillo einhandelte, als er einen Nachfolger für den Präsidentenposten suchte, belegen dies eindrucksvoll. Obendrein muss sich Kempf noch darauf einstellen, das Budget zu kürzen: Der Baukonzern Hochtief tritt zum Ende des Jahres aus dem Verband aus. Beitragseinbuße: mehr als 700.000 Euro. Lieber Mittelstand, reduzieren Sie jetzt Ihre Kosten beim Briefversand. Ganz einfach nur ein Klick und der Postbote stellt zu! Profitieren Sie jetzt durch den digitalen Rechnungsversand von Deutsche Post. FOTOS: PICTURE ALLIANCE, ULLSTEIN HORCH: BDI-Präsident Grillo hört der als einflussreichste Unternehmer organisation des Landes gilt, vertritt mit rund 180 Mitarbeitern die Interessen von 38 Wirtschaftsverbänden. Das Jahres budget liegt bei knapp 27 Millionen Euro. Doch im Hause herrscht eine gewisse Desorganisation. Mitte August hatte Grillo zur allge meinen Verblüffung bekannt gemacht, dass der BDIHauptgeschäftsführer Mar kus Kerber, eine joviale Natur, sein Amt im kommenden Jahr niederlegen und im April 2017 durch den EonManager Joa chim Lang (49) ersetzt werde. Die Personalie sorgte für Aufruhr in der Berliner Pressure Group. Grillo, der seine Schaffens und Leistungskraft ab Januar wieder den Duisburger Grillo Werken zur Verfügung stellen kann, was diese bitter nötig haben, musste viele Be schwerden entgegennehmen. kleidet, lässt sich vom BDI 180.000 Euro im Jahr alimentieren. Als Entschädigung dafür, dass er als Verbandsfunktionär keine Zeit habe, um Aufsichtsratsmandate wahrzunehmen. Auch die Qualität der Verbandsarbeit dürfte leiden: Schweer zog bei vielen BDI-Streichen die Fäden und galt als grauer Kardinal des Verbands. Einflussreiche BDI-Mitglieder bezweifeln zudem, dass Lang die richtige Wahl als Hauptgeschäftsführer ist. Der Jurist arbeitet seit 2007 für Eon-Chef Johannes Teyssen (der auch dem BDI-Förderkreis vorsitzt) als Berlin-Repräsentant und hat sich in der Rolle dessen, der gegen den Atomausstieg agitierte, wenig Freunde im Kabinett gemacht. Wieder andere geben zu bedenken, dass Lang (einst Referent der CDU-Bundestagsfraktion und Koordinator für Europapolitik im Kanzleramt) bisher kaum Management-Erfahrungen sammeln konnte und mit einer vielschichtigen Or- Weniger Porto- und Materialkosten sparen Ihnen bares Geld Kein Ausdrucken, Kuvertieren und Frankieren Briefzustellung per Postboten verbessert Ihren Zahlungseingang Rechnungen landen im Briefkasten und nicht im Spam-Ordner * is! ostenersparn Bis zu 35 % K ST ost.de/SPARPO Jetzt unter ep vereinbaren in rm Te d un informieren * Das Einsparpotenzial ist abhängig von verschiedenen Faktoren wie z.B. Material-, Prozess- und Portokosten. Wie hoch Ihr individuelles Einsparpotenzial ist, erfahren Sie unter epost.de/sparpost © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 BILANZ FORD PRÄSENTIERT NAMEN & NACHRICHTEN DAUERKRISE Warum Oberaufseher KlausPeter Müller die größte Altlast des Instituts ist. VERLAUFEN: Müller (r., mit Zielke) hat die Bank in den Schlamassel geführt. Das ganze Elend des deutschen Geldgewerbes lässt sich derzeit am besten an der Commerzbank besichtigen: An die 10.000 (von ca. 50.000) Arbeitsplätze will Vorstandschef Martin Zielke (53) streichen, die Kosten um eine Milliarde Euro senken – eine Operation, mit der fallende Erträge ausgeglichen und die Talfahrt der Aktie gestoppt werden sollte. Der Reaktion der Börse auf den Rettungsplan war verheerend: Die Aktie verlor mehr als fünf Prozent. Gewiss, Altlasten und die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank machen das Geldverdienen mühsam. Das erlebt auch die Deutsche Bank. Allerdings gibt es einen Unterschied: Die Deutsche Bank verbraucht dafür „nur“ das Geld ihrer Aktionäre, die Commerzbank vergeudet auch noch das Geld der Steuerzahler. Dies hat Oberaufseher Klaus-Peter Müller (72) offenkundig nie daran gehindert, der Bank seine Strategie des Durchwurschtelns aufzudrücken, zum Wohle des Machterhalts, und wenn’s sein 10 muss, dafür auch die Regeln guter Unternehmensführung zu schleifen. Jüngstes Beispiel: die Personalie Markus Beumer (52). Vor wenigen Monaten noch hatte Müller dem Vorstand versprochen, ihn zum Nachfolger des zur UBS desertierten Institutsleiters Martin Blessing (53) zu befördern, wenig später hievte er dann Zielke auf den Posten. Auslöser für Müllers Wende waren nicht etwa Vorbehalte aus dem Aufsichtsrat, dem für Vorstandspersonalien zuständigen Gremium. Vielmehr hatte der Bund, der die Bank mit Milliarden aus der Steuerkasse gerettet hat und ca. 15 Prozent der Aktien hält, Einspruch eingelegt. Nicht einmal jetzt, bei der Trennung von Beumer, traut sich Müller, jene Macht auszuüben, die das Aktiengesetz dem Aufsichtsrat gibt. Beumers Vertrag lief noch bis 2020. Bei jeder normalen Aktiengesellschaft hätte der Aufsichtsrat die Personalie alleine entscheiden, doch Müller unterschreibt keinen Scheck ohne den Segen aus Berlin. Eine solche Peinlichkeit leistete sich die Bank nicht zum ersten Mal. 2013, als die Manager Ulrich Sieber und Jochen Klösges gehen mussten, verweigerte sie auf Anweisung Berlins die zustehende Abfindung. Im Fall Siebert musste das Arbeitsgericht die Bank überzeugen, deutlich mehr als die vom Bund bewilligte Million zu zahlen. Plus die happigen Honorare für die Anwaltskanzlei Hengeler, die für Müller den Fall übernommen hatte. Wer glaubt, die Praxis eines ferngesteuerten Aufsichtsratsvorsitzenden gehe mit Müllers Ausscheiden 2018 zu Ende, wird sich wohl täuschen. Sein designierter Nachfolger steht vor allem für Kontinuität: der ehemalige Commerzbank-Vorstand Stefan Schmittmann (59), der Ende 2015 in den Vorruhestand wechselte. Ehrlicher wäre es, wenn ein Vertreter des Bundes in das Gremium eingezogen wäre. Andererseits: Warum soll ein Politiker sich das antun, wenn er auch so seinen Willen bekommt? PRO SIEBEN SAT 1 GESCHAFFEN, UM IHRE ZEIT ZU VEREDELN. FACELIFTING Ein Head of Cosmetics für die Sendergruppe. Was macht ein Head of Cosmetics bei einem TV-Sender? Mit dieser Bezeichnung steht jetzt Susanne Cornelius (46) im Organigramm von Pro Sieben Sat 1. Die Marketing-Expertin leitete bei Henkel bislang die Vermarktung von Klebstoffen. Bei P7S1 soll Cornelius das Kosmetikgeschäft in Schwung bringen – nach Art des Hauses. Die Sendergruppe bietet jungen Internetfirmen, die auf den Massenmarkt zielen, Werbezeiten gegen Umsatz- oder Kapitalbeteiligung an. In der Reisebranche hat das mit Weg.de gut geklappt, auch das Vergleichsportal Verivox floriert. Kosmetik soll das nächste große Geschäft für Internetfirmen und TV-Vermarkter werden, hofft P7S1. F o r d V i g n ale e r ö f f n e t Ih n e n e i n e g a n z n e u e We lt i n d i v i d u e lle r u n d exklusiver Ser viceleistungen. Mehr unter fordvignale.com RANTUM CAPITAL NEUE BEI NOTHEIS Die Ex-Manager Kley und Eberhardt finden Arbeit. Der ehemalige Merck-Chef Karl-Ludwig Kley (65) und der langjährige Rheinmetaller Klaus Eberhardt (68) sind bei der Frankfurter Fondsgesellschaft Rantum Capital eingestiegen. Die prominent besetzte Truppe stellt Mittelständlern Geld zur Verfügung, wenn Bankenfinanzierungen nicht ausreichen. Organisationsleiter ist der frühere Morgan-Stanley-Deutschland-Chef Dirk Notheis, namhaft sekundiert von früheren Anführungskräften wie Rainer Hunold (Ex-Air-Berlin-) und Michael Rogowski (Ex-Voith- und -BDI-Boss). Auch Thomas Ebeling von Pro Sieben Sat 1 findet sich unter den Akteuren. Kley und Eberhardt sollen in der Pharmazie- bzw. Autobranche für Wirbel sorgen. FOTO: PICTURE ALLIANCE COMMERZBANK BILANZ / OKTOBER / 2016 © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 AUF EIN WORT Erlebnis über das Ergebnis“. Ist das die Einstellung, mit der die Firma Merck assoziiert werden soll? Kai Beckmann (51), Vorstand des Pharmaunternehmens Merck (12,8 Mrd. Euro Umsatz), über den Stadionnamen des SV Darmstadt 98. Herr Beckmann, der SV Darmstadt spielt in dieser Saison nicht mehr im „Merck-Stadion am Böllenfalltor“, sondern im „Jonathan-HeimesStadion am Böllenfalltor“, benannt nach dem an Krebs verstorbenen Darmstadt-Fan. Was versprechen Sie sich von dem Verzicht auf das Namensrecht, das Sie 300.000 Euro im Jahr kostet? U nser Ziel ist es, die Initiative „Du musst kämpfen“ noch bekannter zu machen, eine von Heimes und der Tennisspielerin Andrea Petković gegründete Initiative zur Unterstützung krebskranker Kinder. Jonathan Heimes war ein besonderer Mensch, der sich trotz seiner Erkrankung unermüdlich für Krebskranke eingesetzt und Tausende Menschen inspiriert hat. Zudem ist der Ideengeber der Umbenennung Jonathan Heimes’ Vater, Martin Heimes, seit fast 25 Jahren Merck-Mitarbeiter. Diese Konstellation ist eine besondere: Merck hat ohne Zögern die Gelegenheit genutzt, Jonathans Lebenswerk zu würdigen. Mannschaft, Fans, der ganze Fußball in Darmstadt – da ist eine Verbundenheit zu spüren, die über Ergebnisse hinausgeht. Vor dem Hintergrund des Bundesliga-Aufstiegs und des Schicksals von Jonathan Heimes ist klar, dass hier ganz andere Tugenden eine Rolle spielen: Tradition, Leidenschaft, Kampfeswille. An diese Begriffe kann Merck anknüpfen. Schließlich feiern wir 2018 unser 350-jähriges Jubiläum. B B Wird Merck in der nächsten Saison wieder vom seinem Namensrecht Gebrauch machen? Die Umbenennung ist eine einmalige Sache, sie ist auf die Saison 2016/17 beschränkt. Während dieser Saison soll die Aufmerksamkeit auf die Initiative gelenkt werden, damit sie einen richtigen Schub bekommt, um so viele Spenden wie möglich zu sammeln. B 12 Fußballfans meiden häufig die of f iziellen, meist von Sponsoren gekauf ten Stadionnamen. Hat Merck bewusst den Namenszusatz „am Böllenfalltor“ beibehalten, um etwaigen Zorn der Anhängerschaf t entgegenzuwirken? B IM STADION: Merck-Vorstand Kai Beckmann mit der Tennisspielerin Andrea Petković, Mitgründerin der Initiative zur Unterstützung von krebskranken Kindern. Für die Fans war und ist es das Stadion „am Böllenfalltor“. Diese Verbundenheit zum Standort hat Merck 2014 gespürt und umgesetzt. Die Entscheidung, den Zusatz beizubehalten, war damals und diesmal sehr bewusst gewählt. Auch für Jonathan Heimes war es das „Bölle“. Die letzten Wochen haben gezeigt, dass die Lilien-Fans den neuen Stadionnamen nicht nur in ihren Sprachgebrauch einfließen lassen – sondern ihn mit Stolz verwenden. B Welchen Effekt hat die Namensrechte-Partnerschaft auf das Image des Unternehmens Merck? Die gute Sache steht im Vordergrund. Uns interessiert mehr, wie viele Spenden die Initiative erzielen kann. Merck ist ein werteverbundenes Unternehmen, wir messen daher eine konkrete Wirkung nicht, diese Umbenennung passt einfach zu uns. Das haben wir an den bisherigen Rückmeldungen direkt mitbekommen. B Der SV Darmstadt ist nur mittelprächtig in die Saison gestartet: ein Sieg, ein Unentschieden, drei Niederlagen. Die „SZ“ schrieb: Dem Darmstadt-Fan gehe „erkennbar das FOTO: J. FERREIRA/MERCK NAMEN & NACHRICHTEN Mehr Privatsphäre geht nicht. Wie häufig besuchen Sie das Bölle und wie erleben Sie die Stimmung? Ich versuche, mit meiner privaten Dauerkarte möglichst oft im Jonathan-Heimes-Stadion am Böllenfalltor zu sein. Es ist schön zu sehen, wie eine ganze Stadt hinter diesem Verein steht. Und ich bin mir sicher: Auch in der kommenden Saison wird es Erstliga-Fußball in Darmstadt zu sehen geben. „Auf ein Wort“ ist eine Gesprächsreihe von BILANZ-Online. Das ungekürzte Interview mit Kai Beckmann finden Sie ab 4. November auf: www.bilanz.de/redaktion/kai-beckmann Und trotzdem kennt man mich persönlich. Gegendarstellung SWISS First Sie schreiben in der BILANZ vom 03.06.2016 auf Seite 12 unter der Überschrift „WACKELKANDIDAT“ in Bezug auf meine Person und eine Klage meiner Cousinen: „Vor zwei Jahren hatten sie Klage gegen Koepff, ...erhoben. Sie verlangen Schadenersatz in Höhe von 40 Millionen Euro.“ Hierzu stelle ich fest: Diese Klage wurde nicht gegen mich erhoben. München, den 12. Juli 2016 Dr. Klaus-Philipp Koepff Anm. der Red.: Herr Koepff hat Recht. Es wurde allerdings ein Rechtsanwalt damit beauftragt, entsprechende Schadensersatzansprüche auch gegen ihn zu prüfen und ggf. geltend zu machen. swiss.com/rst BILANZ / OKTOBER / 2016 © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 Made of Switzerland. First of all you. Das Leben, so sagt man, ist kein Wunschkonzert. Was aber, wenn doch? Dann sind Sie mit Sicherheit Gast in SWISS First. Willkommen am Ort, wo alles so läuft, wie Sie sich das wünschen. In SWISS First begrüßt Sie die Flight Attendant mit Ihrem Namen und liest Ihnen alle Wünsche von den Lippen ab. Sie möchten einfach nur Ihre Ruhe haben? Schon geschehen. Sie haben Lust auf etwas Feines zum Essen? Dann können Sie sich Ihr Menü gleich selbst zusammenstellen. Die neueste SWISS First: Boeing 777-300ER. Seit Mitte 2016 ist die neue Boeing Bestandteil der Langstrecken otte von SWISS. Bestückt mit einer exklusiv für SWISS gestalteten First Class. Und diese setzt neue Maßstäbe im Bereich Komfort. Ihr First Class Fauteuil ist Ihre Oase der Ruhe und lässt sich auf Knopfdruck in ein Zwei-Meter-Flachbett verwandeln. Passend zum bequemen Bett wartet bereits ein für SWISS entworfenes Zimmerli of Switzerland Pyjama in Ihrer Größe auf Sie. Und wenn Sie keine Lust zum Schlafen haben, genießen Sie beste Bordunterhaltung auf dem großen 81-cm-Bildschirm. Viele SWISS First Gäste schätzen den Flughafen Zürich wegen seiner kurzen Umsteigezeiten, der hervorragenden Infrastruktur und der außergewöhnlichen SWISS Lounge im Dock E. Auch die Zeit kann iegen: SWISS First Lounge. Zugegeben, der Flughafen ist in der Regel nicht der Ort, wo man zu viel Zeit verbringen möchte. Aber die SWISS First Lounge im Dock E ist die berühmte Ausnahme der Regel. Auf einer Fläche von 750 Quadratmetern eröff ffnet sich hier eine kleine Luxuswelt für Sie. Mit großzügigen Lounges, Gourmet-Restaurants, Bistros, modernen Arbeitsplätzen, Konferenzräumen, Entspannungsbereichen und Hotelzimmern mit Duschen. Und da wäre noch dieser Weinhumidor mit über 1000 Flaschen Wein aus aller Welt ... Zum Glück geht der Topservice in der SWISS First nahtlos auch im Flugzeug weiter. Zur Auswahl stehen mehrere Vorspeisen, Hauptgänge, edle Weine, Champagner und Desserts. Darunter auch zahlreiche Schweizer Spezialitäten aus regionalen Produkten, die von Spitzenköchen zubereitet wurden. Wie auch immer Sie sich Ihren Flug vorstellen, in SWISS First dreht sich alles nur um Sie. swiss.com/rst Made of Switzerland. © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 NAMEN UND NACHRICHTEN MACHTNETZ WANDERFREUND ROLF BUCH RALPH HECK (59) Mit Glück kann man Buch und McKinsey-Veteran Heck beim Wandern in den Bergen treffen. Dann reden sie über Gott und die Welt, bisweilen aber auch über Geschäftliches. Das geht mit Heck gut, weil er für McKinsey-Verhältnisse ein ausgesprochener Freigeist ist. Der Chef des Immobilienkonzerns Vonovia hat sein Handwerk bei Bertelsmann gelernt. Zur Reife kam es erst, nachdem er den Familienbetrieb verlassen hatte. GESCHÄFTSFREUND JÜRGEN GERDES (52) Buch und Gerdes haben viele Geschäfte miteinander gemacht – und sind dabei gemeinsam aufgestiegen, Buch bei der Bertelsmann-Servicetochter Arvato, Gerdes bei der Deutschen Post, bis in den Vorstand. Das verbindet. COACH WULF BERNOTAT (68) Seinen Aufsichtsratsvorsitzenden bei Vonovia hat Buch mal als „größten Glücksfall“ bezeichnet. Das Führungsduo des Immobilienkonzerns gilt als ideale Ergänzung: ein Vorstandschef voller Tatendrang und ein unabhängiger Oberaufseher, der ihm den Rücken freihält. MENTOR HARTMUT OSTROWSKI (58) Der frühere Bertelsmann-Primus (2008 bis 2011) förderte in dem Gütersloher Medienhaus Rolf Buchs Karriere wie kein Zweiter. Nach Ostrowskis frühem Ausstieg ist daraus eine echte Männerfreundschaft geworden. BARBARA HENDRICKS (64) Hauswirt Buch schätzt an der Bundesministerin, die unter anderem für den Wohnungsbau zuständig ist, Pragmatismus und Berechenbarkeit. Die gemeinsamen NRW-Wurzeln fördern das wechselseitige Verständnis wohl auch noch. 16 UNTER DEN CHEFS der Dax-Konzerne geben derzeit die Abflauer und Schrumpfer den Ton an, in Banken und Energieunternehmen etwa. Doch es gibt aber auch noch Dynamiker, die Tempo bolzen, so wie Rolf Buch (51). Als der Ingenieur vor drei Jahren den Immobilienkrösus Deutsche Annington übernahm, hatte der 190.000 Wohnungen im Bestand. Heute managt der in Vonovia umfirmierte Konzern fast die doppelte Anzahl. Eine feine Erfolgsgeschichte. Demnächst will Buch für knapp drei Milliarden Euro noch das Wiener Wohnungsun- ternehmen Conwert konfiszieren. Bei seinem Ex-Arbeitgeber Bertelsmann wachsen angesichts von Buchs Darbietungen (Vonovia hat einen höheren Börsenwert als die Deutsche Bank) die Zweifel, ob man den Mann nicht doch hätte befördern sollen – statt ihn hinauszudrängen (sein Nachfolger hat das Medienhaus schon wieder verlassen). Dabei hätten die Gütersloher wissen müssen, was er taugt: Von 2003 bis 2007 gewann Buch fünf fünfmal hintereinander den Bertelsmann-Unternehmerpreis. Als er in den Vorstand berufen wurde, durfte er nicht mehr teilnehmen. FOTOS: PICTURE ALLIANCE (6), BERTELSMANN STIFTUNG, HANSEVENTURES BAUHERRIN GEGNER I GEGNER II THOMAS RABE (51) HEIKO MAAS (50) Der frühere Punkmusiker und heutige Trockenruderer und Bertelsmann-Chef (auf dem Bild mit Eigentümerin Liz Mohn) drängte Buch aus dem Unternehmen. Das Verhältnis zwischen beiden gilt als „professionell, aber sehr kühl“. Mit den Darbietungen des Bundesjustizministers kann Buch nicht immer zufrieden sein. Das gilt besonders für die Mietpreisbremse: Sie wirkt für den Vonovia-Primus wie eine Baubremse. BILANZ / OKTOBER / 2016 OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 17 ANZEIGE ANZEIGE ” ERKLÄRT Ein Ziel von Deutsche Post DHL: die CO2-freie Zustellung Wir nehmen unsere Verantwortung für den Umweltschutz ernst und weiten die CO2-freie Paketzustellung schrittweise aus. LOGISTIK BR AUCHT NACHHALTIGE MOBILITÄT Jürgen Gerdes, Konzernvorstand Post – eCommerce – Parcel von Deutsche Post DHL Group Es geht nicht nur um Image, sondern auch um zukünftigen Erfolg Das enorme Wachstum des Online-Shoppings stellt für die Deutsche Post eine große logistische Herausforderung dar. Täglich müssen Millionen Briefund Paketsendungen zugestellt werden. Vor diesem Hintergrund setzt sich der Bonner Konzern ein ambitioniertes Ziel: die Verbesserung der eigenen CO2-Effizienz um 30 Prozent bis 2020 im Vergleich zu 2007. Der Bau Z AHL DER WOCHE 10.000 eigener Elektrofahrzeuge für eine emissionsfreie Zustellung ist da ein folgerichtiger Schritt. Der in Eigenregie entwickelte und gebaute StreetScooter mit vollelektrischem Antrieb ist bereits in mehreren Städten wie zum Beispiel Bonn, Köln und Bochum im Einsatz. Auf der „IAA Nutzfahrzeuge“ feierte gerade das größere Modell Work L – mit doppelt so großem Laderaum – Premiere. Ab 2017 will die Deutsche Post DHL jährlich 10.000 StreetScooter produzieren. Mittelfristig will der Logistikkonzern seine Zustellflotte in Deutschland komplett durch die Elektrofahrzeuge ersetzen. DEUTSCHE POST PRODUZIERT STREETSCOOTER IN EIGENREGIE E- M OB I L I T Y A L S W E T T BE W E R B S VO RT E I L T L IC H L E I SE , S AU BE R , W I RT S C H A F Der StreetScooter schnell Das Fahrzeug fähr t bis zu 80 km/ h dem auf ng tellu Zus die und ist sowohl für städ im ng tellu Zus die für Land als auch zu bis : tischen Raum ausgelegt. Leistung rt 50 kW. Die notwendige Energie liefe ium Lith rke ssta ung eine besonders leist e. Ionen-Batteri E-Bikes und E-Trikes Zusteller fahren mit E-Power: Das E-Bike von StreetScooter erlaubt eine Nut zlast bis zu 50 kg, das E-Tr ike hat sogar Plat z für sechs Briefbehälter mit bis zu 90 kg Nut zlast. Zustellung per Drohnen Der Paketkopter 3.0 kann vollautoma. tisiert Pakete aufnehmen und zustellen den Post die obt erpr 3 Bereits seit 201 in Transpor t von Waren per Paketkopter ieten Geb en geografisch schwer zugänglich unter realen Bedingungen. Elektrisch fahren, weniger fahren llung Packstation, Paketkasten, Abendzuste die n, ione Opt tellZus he und Co.: Zahlreic u daz en trag , sind lich mög auf Wunsch die bei, Sendungen rasch auszuliefern und rn. inge verr zu tlich Anzahl von Fahrten deu Interview mit Jürgen Gerdes, ” Konzernvorstand Post – eCommerce – Parcel von Deutsche Post DHL Group Mit unseren StreetScootern realisieren wir das bislang größte E-Mobilitätsprojekt in Deutschland. Frage: Herr Gerdes, mit Ihrem StreetScooter nehmen Sie in Sachen E-Mobilität eine Vorreiterrolle ein. Was treibt Sie an? Jürgen Gerdes: Mir ist klar, dass wir als Marktführer in der Logistik auch der Umwelt gegenüber eine besondere Verantwortung haben. Der kommen wir bei der Brief- und Paketzustellung jetzt mit zeitgemäßen E-Fahrzeugen nach, bei denen auch die Wirtschaftlichkeit stimmt. Frage: Welche Resonanz hat diese Entwicklung gebracht? Jürgen Gerdes: Ausschließlich positive! Dort, wo die StreetScooter bereits im Einsatz sind, hören wir von Kommunen wie Kunden nur Anerkennung. © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 Und unsere Zusteller lieben dieses neue Betriebsmittel, mit dem sie emissionsfrei zustellen. Kein Wunder – sie haben es ja auch maßgeblich mitentwickelt. Frage: Wie wird sich die E-Mobilität in der Logistik insgesamt entwickeln? Jürgen Gerdes: Ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Initiative da wichtige neue Impulse setzen kann. Denn ob Sie Handwerker nehmen, Lieferdienste oder städtische Betriebe: Für all diese Einsatzgebiete ist ein Fahrzeug wie der StreetScooter wie geschaffen. Und jedes einzelne Fahrzeug kommt der Umweltbilanz zugute. Der StreetScooter der Deutschen Post wurde von der Aachener Konzerntochter StreetScooter GmbH speziell für die vielseitigen Anforderungen der Brief- und Paketzustellung entwickelt. Dazu muss das Fahrzeug unter anderem bis zu 300 Stopps und Anfahrvorgänge bewältigen und äußerst robust sein. www.deutschepost.de Sehen Sie sich online mehr zum Thema an. Mit dem schwarz-weißen QR-Code gelangen Sie ganz einfach zur weiterführenden Internetseite. Sie benötigen dafür ein Handy oder Smartphone mit eingebauter Kamera und ein entsprechendes Leseprogramm („QR-Reader“). UNTERNEHMEN UND MÄRKTE UNTERNEHMEN UND MÄRKTE BMW TOP, POST FLOP Die Autoindustrie – außer VW – lockt, Forschungsinstitute sind attraktiv, Post und Bertelsmann nicht: Der Führungsnachwuchs beurteilt Deutschlands Arbeitgeber. TEXT / MICHAEL GATERMANN 20 erns und Feuerns in den USA abgeschaut haben, schwören auch hiesige Nachwuchskräfte nicht länger Firmentreue bis zur Rente. Neun von zehn jungen Berufstätigen sind grundsätzlich offen für Angebote, jeder fünfte ist sogar aktiv auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber. Besonders wechselwillig sind die jungen Leute nach drei bis fünf Jahren im Job, viele Abwanderungswillige kommen vor allem aus den Branchen Medien und Werbung sowie Banken und Versicherungen. Chancen gibt es genug, zwei Drittel der Nachwuchskräfte haben im vergangenen Jahr mindestens ein Wechselangebot erhalten, im Schnitt bekam jeder 3,6 Anfragen. Vor zehn Jahren lag der Durchschnittswert bei 2,7 Anfragen pro Jahr – der Nachwuchs wird knapper, die Nachfrage steigt. Anton Wolf sei in seinen zwei Jahren bei BMW noch nicht angesprochen worden, sagt er: „Mir gefällt’s hier.“ Immerhin hat er schon Karriere gemacht, ist vom ARBEITET, WO VIELE HINWOLLEN: BMW-Entwickler Anton Wolf freut sich über „komplett flexible Arbeitszeiten“. Entwickler zum Product Owner aufgestiegen: So nennt BMW diejenigen, die für ein Entwicklungsteam von drei bis neun Köpfen die Aufgaben planen, das Projekt organisieren und die Abnahmekriterien definieren – Projektmanager, aber ohne disziplinarische Verantwortung für die Mitarbeiter. Wolf kann sich zurzeit keine reine Managementkarriere vorstellen: „Ich will nicht weg von der Technik.“ BMW bietet dafür eigens konzipierte Fachlaufbahnen (s. Interview auf Seite 24). FOTO: ELIAS HASSOS D er Mann hat täglich oder wöchentlich Erfolgserlebnisse, kein Wunder, dass Anton Wolf (29) sagt: „Meine Arbeit macht mir Spaß.“ Die schnell getakteten Erfolge sind typisch für die Abteilung, in der Wolf werkelt: Er ist Ingenieur mit Abschluss in Elektrotechnik, beschäftigt in der Vorserienentwicklung bei BMW, Deutschlands beliebtestem Arbeitgeber beim Fach- und Führungsnachwuchs. Rund 10.000 Berufseinsteiger hat das Berliner Forschungsinstitut Trendence nach ihren Erfahrungen und Wunscharbeitgebern (s. Tabelle auf Seite 22) befragt, aber auch erhoben, aus welchen Branchen sich die meisten absetzen wollen, wann junge Leute am empfänglichsten für Abwerbeangebote sind und was sie im Job besonders zufrieden oder unzufrieden macht. Auffällig ist die geringe Bindung an den Arbeitgeber: Seit Deutschlands Unternehmen sich die Mentalität des Heu- Mit der Arbeitsbelastung kommt der Mann zurecht: Er versucht, im Schnitt bei 40 Stunden pro Woche zu bleiben. „Wir haben komplett flexible Arbeitszeiten, ohne Kernzeit, und können auch von zu Hause aus arbeiten.“ Arbeit bedeutet den Jungen nicht notwendig Last: „Die Belastung und die Verantwortung sind zwar hoch, aber sehr spannend“, sagt Christina Haxter (28), „wir kommen frisch von der Uni und übernehmen hier die Verantwortung für BILANZ / OKTOBER / 2016 Personal und große Geldsummen in unseren Projekten.“ Haxter ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Hannoveraner Anwendungszentrum Holzfaserforschung der Fraunhofer-Gesellschaft. Fraunhofer rangiert weit oben auf Platz sieben – bei den Frauen sogar auf Platz zwei – der Rangliste der beliebtesten Arbeitgeber, noch vor McKinsey oder Siemens. „Wir sind an der Schnittstelle zwischen Universität, Forschung und Wirtschaft“, erklärt Antje Kückemanns, Che- fin des Talentmanagements bei Fraunhofer, die Beliebtheit der Gesellschaft, deren 24.000 Mitarbeiter anwendungsorientierte Forschung betreiben. „Das Gute ist: Wir müssen sehr nahe am Markt sein.“ Nachwuchskräfte könnten sich bei Fraunhofer orientieren, ob sie dort eine Karriere im Management oder als Forscher machen wollen, ob sie lieber in die Industrie wechseln, die sie aus den Projekten kennenlernen, oder ob sie sich mit einem Start-up selbstständig machen. OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 21 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE UNTERNEHMEN UND MÄRKTE Die 101 beliebtesten Arbeitgeber Das Image der Unternehmen Die Ergebnisse der Trendence-Umfrage beim Führungsnachwuchs: Autobauer liegen vorn, nur VW ist dank Dieselkrise auf Platz 31 abgestürzt. Das Geldgewerbe gilt als unattraktiv: Deutsche Bank rangiert nur auf Platz 61, die Commerzbank schafft es gar nicht in die Liste. BMW steht für hohes Gehalt, McKinsey für sehr viel Arbeit: Welche Vorstellungen die Befragten von bestimmten Firmen haben. ARBEITGEBER positive Gedankenverbindung % 1,00 BMW Gutes Geld, schicke Autos, aber immer noch männerdominiert: das Bild von BMW. BOSCH Einfallsreich sind sie, die Schwaben, aber nach Stuttgart geht man nicht gern. 0,95 Hohes Gehalt Innovationskraft Hochtief 0,90 Attraktive Produkte Hohes Gehalt J. P. Morgan 0,90 Arbeitsaufgaben Karriereperspektiven 1 BMW Group 8,56 35 Festo 1,79 68 Merck 1,00 2 Bosch-Gruppe 8,02 36 EY (Ernst & Young) 1,74 68 Pro Sieben Sat 1 3 Audi 7,71 37 Beiersdorf 1,67 71 General Electric 4 Google 6,40 38 KfW-Bankengruppe 1,56 72 5 Daimler/Mercedes-Benz 5,80 39 Bain & Company 1,53 72 6 Porsche 5,68 40 ARD 1,48 72 Lufthansa Informationstechnik 0,90 7 Fraunhofer-Gesellschaft 5,21 40 RWE 1,48 75 Deutsche Telekom 0,87 8 McKinsey 4,44 42 KPMG 1,47 75 Münchener Rück 0,87 9 Siemens 4,43 43 Henkel 1,40 75 SMA Solar Technology 0,87 10 Boston Consulting 4,25 44 ZDF 1,38 78 Voith 0,86 11 Continental 4,18 45 Deutsche Bahn 1,35 79 Rewe 0,83 12 Max-Planck-Gesellschaft 4,13 46 Deloitte 1,34 80 Liebherr 0,82 13 Zentrum f. Luft- u. Raumfahrt 3,70 46 Johnson & Johnson 1,34 81 Vattenfall 0,81 14 IBM 3,60 48 Roland Berger 1,32 82 MAN 15 Apple 3,41 49 Novartis 1,30 83 B. Braun Melsungen 16 ABB 3,35 50 Amazon 1,27 83 Bundesnachrichtendienst -2 -1 Attraktiver Standort Chancengleichheit Arbeit-Privat-Balance Eigenverantwortung Chancengleichheit Attraktiver Standort 0 1 2 -2 -1 0 1 0,79 GOOGLE Hier entsteht stürmisch Neues, aber wie steht es um Ethik und Verantwortung? McKINSEY Kohle und Karriere top, das Kollegiale und die Arbeitszeiten nicht. 0,78 Innovationskraft Hohes Gehalt 0,78 Arbeitsaufgaben Karriereperspektiven Internat. Umfeld Internat. Umfeld 17 BASF 3,21 51 Adidas 1,24 83 Vestas 0,78 18 Bayer 2,81 51 Helmholtz-Gemeinschaft 1,24 86 Diakonie 0,77 19 Auswärtiges Amt 2,64 51 Solarworld 1,24 87 Caritas 0,74 20 Lufthansa Group 2,51 54 Schaeffler 1,21 87 Procter & Gamble 0,74 21 Accenture 2,48 55 Goldman Sachs 1,19 87 Thyssen-Krupp 0,74 22 Eon 2,30 56 Linde 1,18 90 Bilfinger 0,73 23 Microsoft 2,29 57 Dm-Drogerie Markt 1,15 90 Fresenius 0,73 24 Ges. f. Intern. Zusammenarbeit 2,22 58 Lufthansa Technik 1,14 90 Trumpf 0,73 25 Roche 2,14 59 Capgemini 1,13 93 Strategy& 0,72 26 Airbus Group 2,12 60 Kuka 1,12 94 Rolls-Royce 27 ESA 2,05 61 Deutsche Bank 1,10 95 28 Allianz-Gruppe 2,04 62 Deutsche Bundesbank 1,09 29 Bosch Rexroth 2,01 62 Ferchau Engineering 30 Price Waterhouse Coopers 1,99 64 31 Volkswagen 1,93 32 Europäische Zentralbank 33 33 -2 -1 CSR* Sichere Anstellung Kollegialität CSR* Arbeit-Privat-Balance 0 1 2 -2 -1 0 1 0,70 FRAUNHOFER-GESELLSCHAFT Hier kann man sich selbst sowie neue Technik entwickeln. Bertelsmann 0,67 Internation. Umfeld Innovationskraft 95 Hugo Boss 0,67 Hohes Gehalt Arbeitsaufgaben 1,09 97 Freudenberg 0,66 Arbeit-Privat-Balance Eigenverantwortung Boehringer Ingelheim 1,08 98 Enercon 0,64 65 Rheinmetall 1,06 99 Deutsche Post DHL 0,59 1,90 66 EnBW 1,04 99 Kienbaum 0,59 SAP 1,82 66 Shell 1,04 99 Morgan Stanley 0,59 ZF Friedrichshafen 1,82 68 Evonik Industries 1,00 -2 -1 2 Attraktiver Standort VOLKSWAGEN Geld ist nicht alles: Der Dieselbetrug hat das Image beim Nachwuchs ruiniert. Quelle: Trendence; Umfrage unter 10.000 Nachwuchskräften der deutschen Wirtschaft, Frühjahr 2016 22 negative Gedankenverbindung 2 Attraktiver Standort Unternehmenserfolg Guter Führungsstil Dienstleistungen CSR* Hohes Gehalt 0 1 2 -2 -1 *CSR: Corporate Social Responsibility, gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens BILANZ / OKTOBER / 2016 0 1 2 „Wir begleiten viele Ausgründungen“, sagt Antje Kückemanns, „das startet in der Regel mit den ersten Schritten noch während der Tätigkeit bei Fraunhofer.“ Die Selbstständigkeit ist für viele junge Arbeitnehmer ein Thema. Sechs Prozent der von Trendence Befragten gaben an, sich damit zu beschäftigen, drei Viertel von ihnen haben auch schon eine ganz konkrete Idee. Christina Haxter forscht bei Fraun hofer, auch für ihre Promotion, in ei nem Projekt mit Volkswagen am The ma „Großserienfähiger Leichtbau“. Die Ingenieurin will bei Fraunhofer bleiben: „Auf längere Sicht möchte ich die Ver antwortung für bestimmte Themenbe reiche und auch Personalverantwortung übernehmen.“ Anders als die populäre Forschungs branche ist das Geldgewerbe neuerdings deutlich unbeliebt. Die Deutsche Bank rangiert nur auf Platz 61 der begehrten Arbeitgeber, die Commerzbank schafft es gar nicht unter die Top 100, in denen immerhin Exoten wie der Bundesnach richtendienst (Rang 83) und die Diakonie (86) Platz finden. Am besten schneidet noch die Allianz (Platz 28) ab. „Hier ist es gar nicht, wie man es sich bei einer Versicherung vorstellt“, sagt Lucija Tomsic (27) und rühmt die Inter nationalität des Hauses, „ich bin positiv überrascht, wie cool ich das finde.“ Die Betriebswirtin arbeitet als Executive Assistant beim Chef von Allianz Global Benefits, wo betriebliche Vorsorgepro gramme konzipiert und vermarktet wer den. Mittelfristig will Tomsic auf jeden Fall eine Station im Ausland machen, langfristig will sie ins Management. „Da muss ich schauen, dass die Karriere mit einem Familienleben vereinbar ist“, sagt die junge Frau, „aber da tut sich was, daran wird kräftig gearbeitet bei der Allianz.“ Sylvain Newton, im Personalwesen der Allianz auch für das Recruiting und Talentmanagement verantwortlich, gibt da selbst ein Beispiel. Er arbeitet in einem 80ProzentJob. Job. „So kann ich zweimal pro Woche die Kinder von der Schule abholen und mich um sie kümmern“, sagt Newton. „Hohe Flexibilität für ganz indi OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 23 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE UNTERNEHMEN UND MÄRKTE 150 Arbeitszeitmodelle im Einsatz BMW-Personalvorstand Milagros Caiña Carreiro-Andree erklärt, was der beliebte Autobauer zu bieten hat. FLEXIBILITÄT IM ANGEBOT: BMW- Personalvorstand Carreiro-Andree. B BMW ist beliebtester Arbeitgeber beim deutschen Führungsnachwuchs. Wie erklären Sie sich das? Ich sehe mehrere Gründe: Ein wesentlicher Faktor sind unsere attraktiven und hochemotionalen Produkte. Mindestens ebenso wichtig sind die spannenden Aufgaben, die wir als BMW Group bieten: vom Elektroantrieb bis zum autonomen Fahren – bei uns arbeitet man an der Mobilität der Zukunft. Der dritte Faktor ist unsere besondere Unternehmenskultur – trotz der Größe haben wir uns etwas vom Familienbetrieb bewahrt, das merken Sie, wenn Sie durch unsere Werke oder das Entwicklungszentrum gehen. 24 Was machen Sie besser als die anderen Konzerne der Branche? BMW hat frühzeitig mutige strategische Entscheidungen getroffen. So haben wir uns aus der Formel 1 verabschiedet und uns in Richtung nachhaltige Mobilität entwickelt. Nicht nur mit dem Elektroauto-Pionier „I3“, sondern auch in seiner Produktion, wo wir den Wasserverbrauch deutlich reduziert haben, unseren Strom aus Windkraft selbst erzeugen, den Einsatz des recycelbaren Werkstoffs Karbon voranbringen und Sitze einbauen, bei denen das Leder umweltverträglich mit Olivenblättern gegerbt wird. Das kommt auch bei unseren Mitarbeitern an. B Was antworten Sie? Wir machen deutlich, dass wir bei BMW an Lösungen arbeiten, die weltweit die Zukunft der individuellen Mobilität betref betreffen: vom elektrischen Antrieb bis zum autonomen Fahren. Daran mitgestalten zu können finden junge Menschen rund um den Globus spannend – wir bekommen auch viele Bewerbungen aus dem Silicon Valley. B Nein, ganz und gar nicht. Mobilität spielt für die Jungen eine tragende Rolle, auch wenn es heute nicht immer um den Besitz eines eigenen Autos geht. Die jüngeren Generationen möchten vor allem eins: Individualität. Jeder einzelne möchte Leben und Arbeiten auf seine Art verbinden. Dem kommen wir mit einer größtmöglichen Flexibilität entgegen, zum Beispiel mit der Möglichkeit, mobil von überall zu arbeiten. Wir haben über 150 Arbeitszeitmodelle im Einsatz und orientieren uns an den Lebensphasen der Mitarbeiter: Voll- oder Teilzeit, Sabbatical oder zusätzliche Urlaubstage – es ist für jeden etwas dabei. B B B Die junge Generation gilt doch als weniger autobegeistert – spüren Sie das nicht? Ist die klassische Karriere, also hierarchischer Aufstieg Richtung Vorstand, noch das vorherrschende Ziel? Früher wollte ja auch nicht jeder Vorstand werden. Aber heute streben mehr junge Menschen eine Fachkarriere an. Sie fragen: Was sind die Aufgaben und wie wirkt sich das auf die Gesellschaft aus? KARRIERE BEI FRAUNHOFER: Christina Haxter forscht an Leichtbaukonzepten für Automobile. Wie wichtig ist das Thema WorkLife-Balance? Was kommt bei Ihren regelmäßigen Mitarbeiterbefragungen heraus? 90 Prozent der befragten Mitarbeiter sagen, dass sie stolz sind, bei BMW zu arbeiten. Ebenso viele attestieren uns, dass das Unternehmen verantwortungsvoll handelt. Spielraum für Verbesserungen gibt es offensichtlich beim Thema Prozesse und Strukturen. Wir arbeiten dran. FOTO: MARIO WEZEL, BOMMI SCHWIERZ B viduelle Karrieremodelle“, verspricht der Personalmanager. Alte Vorstellungen von der Laufbahn sind obsolet, beobachtet er: „Heute ändert sich alles sehr schnell, wir suchen nach Kandidaten für Jobs, die es vor drei Jahren noch gar nicht gab.“ „Das Umfeld ändert sich rasend schnell“, registriert auch Theresa Best (26), die am Junior Managers-Programm von Bosch, der Nummer zwei unter den beliebtesten Arbeitgebern, teilnimmt. Deshalb mag sie kein Karriereziel anvisieren: „Jedenfalls habe ich keine hierarchische Position auf Dauer im Sinn. Wichtig ist, dass ich in spannenden Projekten arbeite und ich mich entwickle, nicht stehen bleibe.“ Theresa Best ruft aus Singapur an, der vierten Station ihrer Management-Ausbildung. Hier arbeitet die Wirtschaftsinformatikerin an den Computernetzwerken des Konzerns für Asien. Ihr Programm soll sie zur Führungskraft machen. Nach sechs bis acht Jahren soll sie eine BILANZ / OKTOBER / 2016 Abteilung leiten. Warum hat sich Best für Bosch als Arbeitgeber entschieden? „Das Gesamtpaket stimmt“, sagt sie und zählt auf: „Schon der Bewerbungsprozess lief sehr gut, und das Junior Managers-Programm bietet viele Möglichkeiten – Auslandsstationen, Vielfalt und eine gute Perspektive.“ „Bei uns können Sie die Branche wechseln und trotzdem im Unternehmen bleiben“, rühmt Daniela Lohre, weltweite Leiterin Talent Relationship Management bei Bosch, „das finden viele spannend.“ Die Produktpalette der Schwaben reicht vom internetfähigen Backofen bis zum Fahrassistenzsystem. „Sinnstiftende Arbeit“ suche der Nachwuchs mehr als die klassische Karriere, beobachtet Lohre. Damit das Privatleben nicht zu kurz kommt, gibt es bei Bosch mehr als 100 Arbeitszeitmodelle, zudem lässt sich Heimarbeit flexibel verabreden. So werden auch Hobbys oder Familienpflichten für Führungskräfte nicht zur Karriere- bremse, sagt Daniela Lohre: „Zum einen lässt sich viel Arbeit problemlos von zu Hause erledigen, zum anderen haben wir auch Chefs, die sich ihren Job teilen.“ Beides kein Thema für die Nachwuchskraft Theresa Best. „Ich arbeite gern“, sagt sie auf die Frage nach dem Gleichgewicht von Arbeits- und Privatleben: „Work und Life sind für mich kein Gegensatz; wenn man mal etwas mehr arbeitet, kann man das sehr gut wieder ausgleichen.“ Auch bei ihren Altersgenossen in der Trendence-Umfrage taucht hohe Arbeitsbelastung nicht prominent auf, wenn nach Gründen für Unzufriedenheit und damit verbundenen Abwanderungswünschen gefragt wird. Da führt ein Klassiker die Liste an, dem auch mit den schönsten Personalentwicklungsplänen nicht beizukommen ist: Häufigster Auslöser von Unzufriedenheit ist der unmittelbare Vorgesetzte – Stromberg lässt grüßen. OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 25 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE GALA DER SIEGER Adidas schafft beim Wettbewerb „Der beste Geschäftsbericht“ das Triple. Männer im OLYMP SCHNELLER, WEITER, HÖHER – UND TRANS PARENTER: A didas’ Vorstandschef Herbert Hainer (62) wundert sich nicht: „In den Jahren mit Olympischen Spielen sind wir offenbar besonders fit.“ Im Rio-Jahr 2016 gewann der Sportartikelkonzern aus Herzogenaurach zum dritten Mal das Gesamtclassement beim „Besten Geschäftsbericht“ wie in den Olympia-Jahren 2008 und 2012. Mehr als 100 Gäste aus Industrie, Finanzwelt und Medien feierten das Triple von Adidas-Meistertrainer Hainer in der Alten Börse zu Frankfurt. Der Sieg in der Disziplin „Wer informiert seine Aktionäre am besten?“ hat in der Finanzgemeinde 26 besonderes Gewicht, zumal unter Börsenfachleuten und Fondsmanagern. Ein Team unter Leitung von Professor Jörg Baetge sowie Benedikt Wünsche von der west fä lischen Wil helms-Universität in Münster hat die Geschäftsberichte der 100 größten deutschen börsennotierten Aktiengesellschaften anhand von 300 Kriterien auf seine inhaltliche Qualität geprüft (zur Methode siehe Baetgeanalyse.de). Der Wettbewerb, gefördert von Evonik, dem Aktionärsforum und der Deutschen Börse, offenbart schonungslos, welche Unternehmen tricksen oder verschleiern und welche ihre Investoren offen und umfassend informieren. Wie wichtig eine ehrliche Kommunikation der Börsenfirmen mit ihren Aktionären ist, machte Carson Block, Chef des US-Hedgefonds Muddy Waters Capital, in seiner Grundsatzrede deutlich: „Inhaltlich gute Geschäftsberichte sind die Basis der Kapitalmarktkultur und Voraussetzung für einen funktionierenden Börsenmarkt“ (ein Podcast der Rede ist abrufbar unter Bilanz.de). A ktionärsaktivist Block deckt Missmanagement und Berichterstattungs-Schmu bei Unternehmen auf und FOTOS: JOPPEN, ADIDAS Der Geschäftsbericht des Sportartikelherstellers Adidas ist Qualitätsführer unter den deutschen Börsenunternehmen. BILANZ / OKTOBER / 2016 © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 OLYMP Luxor Bügelfrei. Knitterfrei. 100 % Baumwolle. Comfort fit oder modern fit. OLYMP Krawatte Reine Seide. 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Buckenmaier • Woha Darmstadt Henschel • Karstadt Deggendorf Wöhrl DessauRoßlau Karstadt Dillingen Hertle Donauwörth Woha Dortmund Anson’s • Karstadt • Peek & Cloppenburg Dresden Karstadt • Peek & Cloppenburg • Sinn Leffers • Wöhrl Düsseldorf Anson’s • Galeria Kaufhof • Karstadt • Peek & Cloppenburg Eberbach Müller Ehingen Modepark Röther Eisenach Schwager Elsfleth Mode W Emmendingen MODEBOX Emmerich Alexander Erding Gewandhaus Gruber Erfurt Breuninger Erlangen Peek & Cloppenburg • Wöhrl Eschwege Blumenstiel Essen Anson’s • Karstadt • Peek & Cloppenburg Esslingen Karstadt • Kögel Euerdorf Mützel Flensburg Peek & Cloppenburg Frankfurt am Main Anson’s • Galeria Kaufhof • Karstadt • Peek & Cloppenburg Freiburg Breuninger • Galeria Kaufhof • Karstadt Freudenstadt Peters Friedrichshafen HEKA Fulda Hohmann + Heil Fürstenfeldbruck Fuchsweber Fürth Wöhrl Geilenkirchen Stamm Geislingen Rösch Gießen Karstadt • Köhler Goch Alexander Göppingen Metzmeier Göttingen Karstadt Greven Ahlert Großostheim AUBI Günthersdorf Peek & Cloppenburg Günzburg Schild Hagen Sinn Leffers Hamburg Anson’s • Galeria Kaufhof • Karstadt • Peek & Cloppenburg • Sinn Leffers Hameln Wellner Hamm Peek & Cloppenburg Hanau Peek & Cloppenburg Hannover Galeria Kaufhof • Karstadt • Peek & Cloppenburg Haslach Giesler Heidelberg Kraus Heidenheim Hail • Steingass Heilbronn Galeria Kaufhof • Modepark Röther Heinsberg Stamm Hilden Peek & Cloppenburg Hildesheim Adamski Hof Wöhrl Hohenthann Kirner Hürth Peek & Cloppenburg Husum C. 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Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 OLYMP Level Five Casual Hemden, Polos, Strick. Body fit. © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 OLYMP Casual Hemden, Polos, Strick. © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE OLYMP FACHHÄNDLER CASUAL Aalen Funk • Saturn Ansbach TC I. Buckenmaier Augsburg Jung • Peek & Cloppenburg Bad Kötzting Schödlbauer Balingen Bugatti-Shop Berlin Anson’s • Peek & Cloppenburg Biberach Kolesch Bocholt Peek & Cloppenburg Bonn Anson’s Bremen Anson’s Dortmund Anson’s Düsseldorf Anson’s Emmendingen MODEBOX Erfurt Breuninger Erlangen Peek & Cloppenburg Essen Anson’s Esslingen Kögel Frankfurt am Main Anson’s Freiburg Breuninger Geislingen Rösch Großostheim AUBI Hamburg Anson’s Hannover I.G. von der Linde Karlsruhe Anson’s • Breuninger Kempten Reischmann Kiel Anson’s Kirchheim unter Teck Eck am Markt Kleve Alexander Köln Anson’s • Peek & Cloppenburg Krefeld Anson’s Landshut J. N. Oberpaur Lauchringen Banholzer Leipzig Breuninger Ludwigsburg Breuninger • J. N. Oberpaur Mannheim Engelhorn Mülheim Anson’s München Hirmer Nürnberg Anson’s • Breuninger Oberhausen Peek & Cloppenburg Offenburg Zinser Öhringen Bär Ortrand Die Hemden Ravensburg Bredl • Reischmann Rees Alexander Regensburg Peek & Cloppenburg Reutlingen Breuninger Rottenburg am Neckar Weippert Saarbrücken Anson’s Saarlouis Pieper Schorndorf Bantel Schwäbisch Gmünd Röttele Sindelfingen Breuninger Singen Heikorn • Zinser Straubing Hafner Stuttgart Breitling • Breuninger • HSG Flughafen • Peek & Cloppenburg Sulzbach Anson’s • Breuninger Tübingen Zinser Villingen-Schwenningen Broghammer • Götz Waldshut-Tiengen May Winnenden HAR.DY Winterbach Raithle OLYMP GROSSE GRÖSSEN Bad Kötzting Schödlbauer Berlin Hirmer Bremen Hirmer Dresden Hirmer Frankfurt am Main Hirmer Hamburg Hirmer Hannover Hirmer Karlsruhe Hirmer Köln Hirmer • Weingarten Leipzig Hirmer Mannheim Hirmer München Hirmer Münster Hirmer Nürnberg Hirmer Stuttgart Hirmer OLYMP STORES Aachen Aquis Plaza Aschaffenburg City Galerie Augsburg City-Galerie Bamberg Grüner Markt 1 Berlin ALEXA • Mall of Berlin Bielefeld Niedernstraße 18 Bonn Markt 39 Braunschweig Schloss-Arkaden Bremen Waterfront Dortmund Thier-Galerie Dresden Altmarkt-Galerie Düsseldorf Düsseldorf Arcaden Erlangen Erlangen Arcaden Essen Limbecker Platz Frankfurt am Main Schillerstraße 14 • Skyline Plaza Freiburg Kaiser-Joseph-Straße 250 Graz (Österreich) Shoppingcity Seiersberg Hamburg Alstertal-Einkaufszentrum • Elbe-Einkaufszentrum • Europa Passage • Flughafen Airside Hameln Stadt-Galerie Hannover Ernst-August-Galerie Heidelberg Hauptstraße 90 Heilbronn Stadtgalerie Ingolstadt Westpark Karlsruhe Ettlinger Tor Kassel Königs-Galerie Kempten Forum Allgäu Koblenz Löhr-Center Köln Rhein-Center Konstanz LAGO Laatzen Leine-Center Leipzig Höfe am Brühl Leverkusen Rathaus-Galerie Linz (Österreich) Haid Center Ludwigshafen Rhein-Galerie Lüneburg Kleine Bäckerstraße 8 Mülheim an der Ruhr Rhein-Ruhr-Zentrum München Flughafen Airport Center (Landside) • Olympia-Einkaufszentrum • Pasing Arcaden • PEP Einkaufszentrum • Riem Arcaden Münster Münster Arkaden Neu-Isenburg Isenburg-Zentrum Neuss Rheinpark-Center Nürnberg City-Point Pforzheim Schlössle-Galerie Regensburg Regensburg Arcaden Salzburg (Österreich) Europark Schweinfurt Stadtgalerie Siegen City-Galerie Stuttgart Königsbau Passagen • Milaneo Sulzbach Main-Taunus-Zentrum Trier Trier Galerie Ulm Blautal-Center Viernheim Rhein-NeckarZentrum Weiterstadt LOOP5 Wiesbaden LuisenForum OLYMP ONLINE breuninger.de • hemden.de • hemden-meister.de • herrenausstatter.de • hirmer-grosse-groessen.de hirmer.de • just4men.de • mode-schoedlbauer.de Alle Produkte, Bezugsquellen und Informationen unter: OLYMP.COM SO SEHEN SIEGER AUS: Das gilt zumindest für Adidas-Chef Herbert Hainer (oben, Mitte). Gute gelaunt präsentierten sich aber auch Aktionärsaktivist Carson Block (o. r.), Börsenvorstand Gregor Pottmeyer (u. r.), Forschungsleiter Jörg Baetge und Benedikt Wünsche (im Bild mit Moderatorin Annette Pawlu), Chefredakteur Klaus Boldt (o. l .) sowie Herausgeber Arno Balzer. schlägt mit Leerverkaufsattacken sein Kapital daraus. Nicht alle Börsenfirmen nehmen die Kommunikation mit dem Kapitalmarkt so ernst, wie es sich gehört. DIE GEWINNER Ausgerechnet ein vermeintlicher Vorzei gekonzern wie Siemens hat seine Erläu terungen zu Forschung und Entwicklung sowie zur Strategie auf ein Minimum zu sammengestrichen. Und auf einen „Brief des Vorstandsvorsitzenden an die Aktio näre“, Standardelement jedes Reports, verzichten die Münchener gleich ganz. Welche Börsenkonzerne ihre Aktionäre am besten informieren* DAX M-DAX TEC-DAX S-DAX 1 / Adidas 67,69** 2 / Deutsche Telekom 66,52 3 / Pro Sieben Sat 1 66,29 1 / DMG Mori 66,72 2 / Wacker Chemie 65,70 3 / Norma Group 65,11 1 / United Internet 50,88 2 / Software 50,67 3 / Freenet 48,12 1 / Wüstenrot & Württembergische 47,77 2 / Puma 46,19 3 / Rational 44,88 * aufgeteilt nach Aktienindizes ** von 100 erreichbaren Punkten / Quelle: Baetge Analyse OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 27 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE UNTERNEHMEN UND MÄRKTE FAST WIE APPLE Einerseits Öffnung, andererseits Omertà: Gewiss, Dyson war nie ein besonders mitteilsamer Charakter und hat auch selten über geplante Produkte oder Projekte geplaudert, aber mittlerweile haben die Engländer bei der Geheimniskrämerei mit Apple gleichgezogen. Wie steht es mit dem geplanten Elektroauto, dessen Finanzierung angeblich mit Staatsgeldern unterstützt wird, wie der „Guardian“ berichtete? Welche Haushaltsgeräte nach Staubsauger, Ventilator und Föhn könnten als Nächstes dysonifiziert werden? Der Robotertechnik und Rechnerprogrammen will sich Dyson verstärkt widmen. Doch was steht an? Aussagen und Geständnisse? Von den Dyson-Leuten nicht zu bekommen. Selbst dann nicht, wenn man sie mit ins Hinterzimmer nimmt, wo die großen Jungs mit den Murmeln spielen. Wie sind die Schreibtische im neuen Gebäude in Malmesbury angeordnet? Keine Antwort. Was bedeuten die Kennziffern auf jenen schwarz-roten Skizzenbüchern, die jeder Neuling bei der Einstellung bekommt? No comment. Nach welchen Kriterien archiviert Dyson diese „Sketchbooks“? Alles streng vertraulich, Betriebsgeheimnis. Staubsauger sind längst nicht mehr der einzige Artikel im Sortiment des britischen Milliardärs: Sir James Dyson strebt nach Höherem. TEXT / DIRK RUSCHMANN HERZSTÜCKE: Der digitalgesteuerte Kleinmotor schnurrt in den neuesten Dyson-Modellen und treibt das Geschäft voran. Der Impeller dreht sich 110.000-mal pro Minute. Auf dem rechten Foto: der neue Konzern-Campus in Malmesbury. 28 Saugroboter über Fliesen, Parkett und Teppichboden und schlürft die Teilchen weg. Dyson steht für Technik, und Dyson steht für: teuer. Der neue Fön, „Supersonic“, kostet 399 Euro und ist damit der teuerste Vertreter seiner Art auf Erden. Sein Herzstück ist der kleinste, leichteste und fortschrittlichste Dyson-Antrieb aller Zeiten: achtmal schneller und nur halb so schwer wie alles Bisher-Dagewesene. Entwicklungskosten: 64 Millionen Euro. Vier Jahre lang waren 103 Ingenieure mit der Erschaffung des „Supersonics“ beschäftigt. Zwei Stunden Autofahrt westlich von London: das friedvolle, mittelalterliche Malmesbury. Am Ortsrand, hinter Pflanzenwall und Pförtnertor gesichert wie das Spionageministerium, steht ein Glasbau mit wellenförmigem Dach. Hier erfindet Sir James Dyson, 69 Jahre alt und fünfeinhalbfacher Milliardär, biedere Haushaltsgeräte neu oder überarbeitet sie von Grund auf, verpasst ihnen eine neuartige Gestalt und verkauft sie zu unchristlichen Preisen – der „Cinetic Big Ball“-Staubsauger, bei Dyson wie immer beutellos, kostet 529 Euro. En passant, wenn auch nicht gerade im Vorbeigehen, hat er vor einem Jahr für 90 Millionen Dollar den Batterie-Hersteller Sakti 3 annektiert, dessen Erzeugnisse von Amts wegen für Akkus genutzt werden sollen, um die Leistungskraft kabelloser Sauger zu erhöhen. Inoffiziös aber könnte die Übernahme auch den Weg ins Elektroauto-Geschäft ebnen. Neu ist schließlich auch die direkte Ansprache der kaufkräftigen Kundschaft in eigenen Niederlassungen, von denen es bislang freilich erst deren zwei gibt. Neben der Filiale in London, eine zweite in Tokio, an der exquisiten Omotesando Avenue. MULTITALENT James Dyson: Designer, Entwickler, Unternehmer, Mitglied der Royal Society. Hier mit Digitalmotoren für künftige Robotik-Anwendungen. FOTOS: DYSON L ondons Oxford Street, zwischen Rolex und Omega, gegenüber dem Feinkaufhaus Selfridges und gleich neben Self Tesla: Hier öffnete im Juli ein Laden, so modernistisch und gelackt wie ein Apple Store. Hier jedoch wuseln keine Jünglinge in blauen T-Shirts um Holztische herum, hier trägt die Angestelltenschaft weiße Oberhemden und serviert Orangensaft. Futuristisch anmutende Geräte thronen auf schneeweißen Podesten oder hängen, in Einzelteile zerlegt, an Erklärtafeln. An den Wänden: bombastische Videoschirme. In einem Glaskasten streicht eine mechanische Hand durch ein Bündel Haare, das von einem Föhn belüftet wird. Dekorativ sind 64 Versionen von Schmutzpartikeln wie Mehl, Sand oder Nüsse in Gläschen mit Schraubverschluss auf Regalen verteilt, darunter fährt ein BILANZ / OKTOBER / 2016 DER ERFOLG gibt dem Briten recht. Seit der Firmengründung marschiert Dyson voran, vom Staubsauger (1993) über den Händetrockner (2006) und den Ventilator (2009) zum Heizlüfter, zum Luftbefeuchter, zum Luftreiniger mit Geruchsneutralisation – zum „Supersonic“-Fön. Dysons Hauptprodukt ist jedoch nach wie vor der Staubsauger. In Deutschland beansprucht er seit dem vergangenen Jahr die Marktführerschaft mit einem Anteil von 19,5 Prozent. Miele und Bosch-Siemens liegen auf den Rängen. Der Sprung an die Tabellenspitze gelang vor allem dank der schnurlosen, Akku-betriebenen Staubsauger, von denen jeder kluge Hausmann einen verlangt. 1979 hatte der damals 32-jährige James in einer zugigen Werkstatt erste Experimente mit Fliehkraftabscheidern angestellt, deren er in Sägewerken zufälligerweise ansichtig geworden war: Ohne Filter trennte ein mit Rohren verbundeOKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 29 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE AHNENTAFEL: Im Foyer der Zentrale hat Dyson die Ahnengalerie seiner Staubsauger ausgestellt. Die Reihe ist acht Meter lang. KANTINE: An der Decke hängt ein britisches Überschallkampfflugzeug aus dem Kalten Krieg, ein großer Salat an der Theke kostet 2,30 Euro. Nebenan befindet sich das mit Reflektorglas beplankte Haus D9, wo Geheimprojekte entwickelt werden. DER CHEF: Max Conze in seinem Glaskasten-Büro. ner Metallbehälter, ein sogenannter Zyklon, Holzspäne aus der Luft. 5.127 (sic!) Prototypen später, die er aus Messingblechen gelötet, getrennt und neu verlötet hatte, fand Dyson für seine Entwicklung endlich einen Lizenznehmer: In Japan kam 1990 sein Sauger schließlich unter dem Namen „G Force“ auf den Markt. Mit den Lizenzeinnahmen baute er in Malmesbury eine eigene Fabrikationsanlage auf. 1993 dann etablierte er die Dyson Company, eine britische Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Zahl der Sauger-Weiterentwicklungen dürfte heute bei mehr als 50 liegen. Zum Erfolg trägt die hohe Erneuerungsfrequenz bei. Sein deutscher Vorstandschef Max Conze, ehedem bei Procter & Gamble unter Vertrag, nennt das „sich selber überholen“. Mehr als die Hälfte der aktuellen Produkte, sagt Conze, „hat vor 18 Monaten noch nicht existiert“. Conze, 47 Jahre alt, stieß 201o zu Dyson und übernahm Anfang 2013 die Führung. Er kümmert sich um Marketing, Verwaltung und Überwachung der Firmenprozesse – damit James Dyson und die mehr als 700 Ingenieure und Wissenschaftler weiterhin tun können, Geschäft aufgebaut. 2015 holte Sir James dann Jake und dessen Leuchtenfirma in den Konzern, um ihn als Nachfolger auf aufzubauen. Tochter Emily entwirft Mode in ihrem hippen Laden „Couverture“ in Notting Hill, Sohn Sam ist Gitarrist bei den Chemists und betreibt das Musiklabel Distiller Records. „Ich werde niemals verkaufen oder die Firma an die Börse bringen“, sagt James Dyson. Vor dem Firmengebäude steht heute ein „Sea Truck“, flankiert von einem Senkrechtstarter-Kampfjet „Harrier“, einem Helikopter und einem in der Mitte aufgeschnittenen Austin Mini – die Ingenieure auf dem Campus sollen sich von der Technik inspirieren lassen. „Wir wollen unsere Ingenieure und Wissenschaftler ermuntern, alles anders zu machen“, sagt Dyson – anders als die anderen. Das heißt auch, nicht auf Erfahrungswissen zu setzen: „Erfahrung kann ein Hemmschuh sein.“ Also gibt es bei Dyson zahllose hochfliegende Ideen, das Ausprobieren noch der abseitigsten Theorien und viel Versuch & Irrtum im täglichen Betrieb: Für den neuen Föhn war der Weltmarkt für Echthaar zeitweise leergekauft, weil Dy- 30 UMSATZ 3 Mrd. Euro 2,2 2 1,6 1,8 1 2013 14 15 EBITDA 300 Mio. Euro 573 483 400 415 200 2013 14 15 SEINE LEIDENSCHAFT hat er an seinen Sohn Jacob vererbt, genannt Jake. Der hat sich mit ausgeklügelten LED-Lampen ein FOTOS: DYSON AUF ERFOLG GETRIMMT was sie am liebsten tun: tüfteln, forschen, ausprobieren. Der Umsatz, erzielt in 75 Ländern, sprang 2015 um Olympia-hafte 26 Prozent auf 2,2 Milliarden, der Gewinn um 19 Prozent auf 573 Millionen Euro. In China haben sich Einnahmen zuletzt verdreifacht. „2020 könnte China unser größter Markt sein“, sagt Conze. „Chinesen mögen moderne Technik.“ Bei der Entwicklung neuer Ideen setzt Dyson am liebsten auf junge Leute, die gerade ihren Abschluss erworben haben – so, wie er selber es bei seinem Förderer Jeremy Fry erfahren hatte. Dyson, noch Student für Möbeldesign und Innenarchitektur am Royal College of Art und voller Ideen, hatte Fry um ein Darlehen zur Firmengründung gebeten – doch der gab ihm stattdessen einen Job bei seiner Technikfirma Rotork. Dort entwickelte der junge Mann den Wassertransporter „Sea Truck“, für den ihm die Hochschule ein Diplom verlieh. Fortan verlegte er sich vom Design auf die Technik. BILANZ / OKTOBER / 2016 son über 1.600 Kilometer Haare aller Farben und Kräuselstufen auf alle möglichen Arten beföhnte und bearbeitete. Die Versuch-macht-klug-Methode brachte auch den Händetrockner hervor, die Techniker experimentierten mit beschleunigter Luft für eine andere Anwendung, an der immer noch geforscht wird; welche, will Conze natürlich nicht sagen. Als sie feststellten, dass das Luftschild einen Scheibenwischer-Effekt auf nasse Flächen ausübt, habe ein Ingenieur bemerkt, dies könne „die Lösung“ für die bis dahin recht nutzlosen Lufttrockner sein, erzählt Conze – so sei der „Airblade“ entstanden. Wenn sich Sir James in seiner Firma aufhält, kann jeder durch die offene Tür sein Büro betreten. Bei Besprechungen bittet er Neulinge wie Chefingenieure, ihm ihre Ideen zu präsentieren. Er gilt als streng beim Nachfragen, man könne schließlich immer weiterarbeiten, Dinge besser machen – aber es mache Spaß, sagen Jungingenieure in Malmesbury, wo das Durchschnittsalter 26 Jahre beträgt. Bei Apple schlotterten allen die Knie, wenn Steve Jobs nur in Sichtweite kam. James Dyson lässt sich sein Geschäft etwas kosten. Für wichtige Projekte hält er die Kasse offen. 18 Jahre habe die Entwicklung der aktuellen Generation von Elektromotoren gedauert. „James hat immer wieder neu investiert“, sagt Conze. Jetzt seien die Digitalantriebe mit diversen Patenten geschützt: Ein nur noch pflaumengroßer Elektromotor, der auf rund 110.000 Umdrehungen pro Minute kommt und neue, leichtgewichtige Geräte wie den Staubsauger und den Haartrockner erst möglich macht, bildet heute die Kerntechnik des Konzerns, nicht mehr der Zyklon. James Dyson ist nicht mehr Mister Staubsauger, sondern Mister Digitalmotor. In die Batterietechnik soll in den kommenden fünf Jahren über eine Milliarde Euro fließen. Sakti 3 forscht an der Solid State Battery, die ohne Flüssigkeiten auskommt. „Wenn es gelingt, dann sprechen wir, grob gesagt, von doppelt so viel Leistung bei doppelter Ausdauer“, sagt Conze. Damit täte sich eine neue Welt an möglichen Anwendungen auf. Teuerste Produkte, tadellose Technik und unverwechselbares Design. Dazu elegante Geschäfte in bester Lage, ein Gründer, auf den sich alle Blicke richten, eine verschwiegene Firmenkultur – und Spekulationen über ein Elektroauto: Die Parallelen zu Apple sind unübersehbar, auch wenn James Dyson abwinkt. „Es ist ein Kompliment, mit Apple verglichen zu werden, aber wir sind anders.“ OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 31 AUF KURS MIT KADEN UNTERNEHMEN UND MÄRKTE Immer schneller dreht sich in der Unternehmenswelt das Rad der Veränderung. Zu schnell für viele Zeitgenossen. S o genau kann wohl kaum ein Siemens-Angestellter überblicken, wie viele Neuorganisationen der Münchener Konzern in den vergangenen zwei Jahrzehnten hinter sich gebracht hat. Unternehmensteile wurden losgeschlagen, andere zugekauft, Abteilungen neu geschnitten oder gleich aufgelöst, Zuständigkeiten wechselten in immer kürzeren Abständen. Das vorerst letzte dieser ehrgeizigen Programme, die stets alles besser machen sollten, legte der neue Vorstandschef Josef Käser vor zwei Jahren auf, kurz nach Dienstantritt. Und siehe, mit der diesjährigen Halbjahresbilanz konnte er erste Erfolge vermelden: den höchsten Auftragsbestand aller Zeiten, fast sieben Prozent Plus beim Umsatz. 32 Heißt das für die Mitarbeiter, dass sie endlich in geordneten Bahnen arbeiten können? Von wegen. Als Käser die schönen Zahlen verlautbarte, warnte er Aktionäre und Mitarbeiter vor neuen Erschütterungen. Schnelligkeit, Anpassungsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft seien mehr denn je gefordert. „Unordnung ist die neue Weltordnung“, vernahm die Belegschaft von ihrem obersten Chef. Siemens ist überall. „Change“ heißt im Manager-Denglisch die alles beherrschende Überlebensweisheit der Wirtschaftswelt. Während in früheren Zeiten, bis in die Siebziger des vorigen Jahrhunderts hinein, die Unternehmen vielleicht alle zehn Jahre ein Reformprogramm durchliefen, löst heutzutage eine Umorganisation die nächste ab. ILLUSTRATION / STEPHEN WILSON „Never stop reorganizing“ nennt man das. Die Veränderungsgeschwindigkeit und -häufigkeit wird wie ein Naturgesetz vorgegeben – vom Wettbewerb, von der Technik, von der Beraterzunft. Und kaum einer fragt, ob die unmittelbar Betroffenen, die Mitarbeiter, dieses Tempo mitgehen können und wollen; ob die Turbomaschine der modernen Unternehmenswelt nicht viele, womöglich die meisten Menschen überfordert. Der Mitarbeiter der Zukunft, so war kürzlich einer Studie der OECD (zitiert in der „FAZ“) zu entnehmen, werde „sich schneller anpassen müssen an das Tempo, das Roboter und Algorithmen in der Arbeitswelt 4.0 unerbittlich vorgeben“. Schneller als bisher schon? Wer soll da mithalten? Die solchermaßen gehetzte Gesellschaft wird noch mehr Erschöp- fungs-Diagnosen produzieren, noch mehr Enttäuschung, Verängstigung und Orientierungslosigkeit. Mit politischen Folgen: Der Widerstand, der sich derzeit im Zulauf zu vermeintlichen Heilsbringern aus populistischen Parteien niederschlägt, dürfte weiter wachsen. Nationalismus und Regionalismus erblühen, weil die Menschen die Vielschichtigkeit und das Veränderungstempo der globalen Wirtschaft nicht (mehr) verstehen – und sich in eine überschaubare Welt zurücksehnen. Das Freihandelsabkommen TTIP, das den Warenaustausch über den Atlantik fördern soll, halten hierzulande nur noch 17 Prozent für eine „gute Sache“ – und das in einem Land, das wie kaum ein anderes in der Welt seinen Wohlstand auf dem Export gründet. Sogar der deutsche Industrie- BILANZ / OKTOBER / 2016 verbandschef Ulrich Grillo muss einräumen: „Die Reaktion, sich ins Schneckenhaus zurückzuziehen, ist nachvollziehbar.“ Zu besichtigen sei eine „Gesellschaft der Angst“, wie der Soziologe Heinz Bude es formuliert. 55 Prozent der Deutschen blicken angstvoll in die Zukunft, ermittelte die Stiftung Zukunftsfragen. Es ist die Sorge ums eigene Wohlergehen, um den sozialen Status. Aber auch „die Angst um den Kollaps des ganzen Systems“ (Bude) angesichts einer höchst labilen Weltwährungsordnung, unaufhörlich steigender privater und staat licher Verschuldung, entfesselter Finanzmärkte. Bude registriert einen „Zustand zermürbender Gereiztheit“, eine „riesige Stimmungsirritation“, „Statuspanik in der gesellschaftlichen Mitte“. Das allgegenwärtige hohe Tempo der Veränderung habe dafür gesorgt, dass es keine „verlässlichen Lebensmodelle“ mehr gibt. Dass sich das Rad immer schneller dreht, dafür sorgt vom allem der scheinbar unaufhaltsame Vormarsch der digitalen Technik und des Silicon-Valley-Kapitalismus. Gordon Moore hat recht behalten. Der ehemalige Chef des Chipherstellers Intel sagte 1965 voraus, dass sich die Leistung von Computerchips jedes Jahr verdoppeln würde. Und so kam es – wenn es auch im Schnitt anderthalb Jahre wurden. Das Tempo, das die Informationstechnik vorgibt, revolutionierte das gesamte Wirtschaftsgeschehen. Zeit ist seitdem mehr als je zuvor das wichtigste Wettbewerbselement: Wer zuerst mit OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 33 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE 34 „Nationalismus und Regionalismus erblühen, weil die Menschen das TEMPO DER VERÄNDERUNG in der globalen Wirtschaft nicht (mehr) verstehen.“ in einem festgelegten Tempo umgesetzt werden sollen – und welche nicht. Doch erstens will kein vernünftiger Mensch eine solche Abkehr von einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, und zweitens würde die Mehrheit gewiss auch keinen damit verbundenen Verzicht auf Wohlstand akzeptieren. So bleiben nur die kleinen Stellschrauben. Zunächst bei jedem Einzelnen. Jeder kann versuchen, aus seinem Leben das Tempo etwas rauszunehmen, die Ansprüche an die Mehrung materieller Güter zurückzuschrauben, sich der Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit zu entziehen. Alsdann, auch der Staat ist gefordert. Die Beseitigung obrigkeitlicher Regularien am Ende des vorigen Jahrhunderts hat viele Kräfte in der Wirtschaft freigesetzt, und sie hat mit mehr Wettbewerb für sinkende Preise gesorgt. Aber in manchen Bereichen wurde auch offenkundig zu heftig dereguliert. Die Mehrheit der Bürger wünscht, dass der Gesetzgeber den Wettbewerb wieder mehr einhegt. Da ist sicherlich einiges machbar. Etwa auf den Finanzmärkten, die nicht unwesentlich zur Tempoverschärfung und zu der verbreiteten Unsicherheit beitragen. Schließlich und nicht zuletzt: die Unternehmen. Jene Institutionen, die das Tempo des Wandels im Wesentlichen vorgeben. Natürlich sind auch dort die Führungskräfte Getriebene. Doch nicht selten drängt sich mir der Eindruck auf, dass viel häufiger als sachlich geboten umorganisiert, verändert, reformiert wird. Und das, ohne die Mitarbeiter einzubeziehen. „Change“ als Selbstzweck. Vor allem, wenn ein neues Management antritt (was auch immer häufiger geschieht), das unbedingt seine eigene Duftmarke setzen möchte. Industrieweit sei ein „unproduktiver, krankmachender Aktionismus“ anzutreffen, vermerkt der Münchener Professor Thomas Hutzschenreuter. „Verändern müssen sich alle“, schreibt er, „doch nicht alle müssen alles verändern.“ Der Betriebswirt schätzt, dass 70 bis 80 Prozent der Veränderungsprozesse scheitern. Das Fachmagazin „Harvard Business Manager“ überschrieb einen Beitrag, der sich mit den Fehlern beim sogenannten Change-Management beschäftigte, mit der schönen Zeile „Lost in Transformation“. Wir selbst also, der Staat, die Unternehmen – alle drei könnten ja gemeinsam versuchen, mal ganz anders zu verändern: diesmal zurück zu menschlichem Maß. WOLFGANG KADEN Der ehemalige Chefredakteur des „Spiegels“ und des „Manager Magazins“ gehört zu den renommiertesten Wirtschaftsjournalisten des Landes. HAT KADEN RECHT? IHRE MEINUNG IST GEFRAGT AUF WWW.BILANZ.DE/IHRE-MEINUNG/KADEN ILLUSTRATION: ALEXANDRA COMPAIN-TISSIER FÜR BILANZ einem Produkt oder einer Dienstleistung antritt, wird großartig belohnt; wer zu spät kommt, den straft der Markt unbarmherzig ab. „Rapid prototyping“ heißt es heute: so schnell wie möglich von der Idee zur Testversion und zum Produkt. Moores Gesetz soll nun allmählich auslaufen, ist zu lesen. Doch ruhiger wird es deswegen nicht zugehen. Mit der Industrie 4.0, der Vernetzung aller Dinge in der Wirtschaft, startet gerade die nächste große Umwälzung. Seit einigen Jahrzehnten verschärft sich stetig der globale Kampf um die Gunst der Kunden – seit die Japaner vor rund 40 Jahren zum Großangriff auf die westlichen Hersteller bliesen und überfallartig ganze Industrien hinwegfegten. 1994 erschien das Buch „Hyperwettbewerb“ des amerikanischen Betriebswirtschafts-Professors Richard A. D’Aveni. Er lehrte, dass die Ära eines rücksichtslosen Konkurrenzkampfs angebrochen und die Zeit der Besitzstandswahrung in der Unternehmenswelt ein für allemal abgelaufen sei: „Vornehmer Wettbewerb durch stillschweigende Übereinkunft und Vermeidung direkter Wettbewerbsschlachten gehört nun der Vergangenheit an. Es gilt nicht mehr als unfein, den Konkurrenten zu ruinieren.“ Die „cut-throat competition“, wie man in den USA sagt, dieser Halsabschneider-Wettbewerb, ist heute Realität in nahezu allen Bereichen des Wirtschaftslebens. Das nutzt fraglos dem Verbraucher. Doch der ist zumeist auch Arbeitnehmer oder Gewerbetreibender. Und in dieser Eigenschaft sieht er sich einem Veränderungsdruck ausgesetzt, den die überwiegende Mehrheit der Menschen als deutlich zu hoch empfindet und unter dem sie leidet. Was tun? Es fällt mir, offen gestanden, schwer, ein realistisches Ausstiegsprogramm zu skizzieren. Wahrscheinlich hat Richard Koo von Nomura recht, wenn er sagt: „Wir können nicht zurückkehren in eine Welt, in der uns niemand jagt.“ Der technische Fortschritt – der uns das Leben so viel angenehmer macht, als es für unsere Vorfahren war – lässt sich nicht bremsen. Nur eine Behörde in einer Zentralverwaltungswirtschaft könnte bestimmen, welche Neuerungen BILANZ / OKTOBER / 2016 © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE UNTERNEHMEN UND MÄRKTE „UMSATZ IST EITELKEIT... ... Ertrag ist Vernunft.“ Gespräch mit den Werbehelden der 80er- und 90er-Jahre: Reinhard Springer und Konstantin Jacoby. ÜBER IHNEN NUR DER HIMMEL, UM SIE HERUM NUR DER WIND. REINHARD SPRINGER (L.) UND KONSTANTIN JACOBY: „Burn Rate! INTERVIEW / FRED BAADER FOTOS / GIANNI OCCHIPINTI Ich hörte ein Wort wie „Burn Rate“! Was soll das heißen? Das heißt doch nix anderes als „Loch in der Tasche! Die Kohle fließt raus!“. J / Frauen. S / Man könnte sogar etwas klagen: „Wir haben zu D-Mark-Zeiten verkauft!“ Hätten wir noch etwas gewartet, wären Euros geflossen. Der Vollständigkeit halber muss ich aber sagen: Es kommt natürlich darauf an, was man mit dem Geld gemacht hat. Glücklicherweise ist unser Geld weitestgehend in Immobilien angelegt. Und dadurch sind wir eher durch Zufall im Fahrstuhl der Immobilien-Explosion mitgefahren. B B B Die große Zeit der Werbeagenturen ist vorbei, richtig? Jacoby / Also, die geile Zeit der Werbeagenturen ist vorbei. Der Dream-Arbeitsplatz, wo die Leute unbedingt hinwollten – das ist definitiv vorbei. B Wer vor 30 Jahren auf eine Party ging und sagte, er sei in der Werbung, der wurde umringt von … … Menschen. Heute sind andere Branchen interessanter. Springer / Wenn du sagst, du bist ’ne große Nummer bei Facebook oder planst eine neue Serie für Netflix, dann hat das heute eine ganz andere Attraktion. B Also war es schlau von Ihnen, die Agentur rechtzeitig verkauft zu haben. Später wäre sie erheblich billiger gewesen. J / Weiß man nicht. Zumindest kann man sagen, dass die Agentur nach unserem Ausstieg im Jahr 2000 mehrere Jahre weitergewachsen ist. 36 Haben Sie mit Immobilien mehr verdient als mit Werbung? S / Nein, definitiv nicht. Man muss das ja in Relation sehen: Wenn man bedenkt, dass ich mal 50.000 Mark in eine Werbe-GmbH gezahlt habe, dann war der prozentuale Gewinn natürlich viel größer. Ich persönlich habe meine IncomeZiele sowieso weit übererfüllt. Damit hatte ich nie gerechnet, dass ich mal viel Geld verdienen würde. J / Das klingt jetzt so superschlau, dass man auf den Immobilienzug gesetzt hat. Aber das war ja nicht Cleverness, das war reine Hosenscheißerei. Weil: Ak- tien und Private Equity und das ganze Börsengequatsche – davon hatten wir beide keine Ahnung. B Das „nächste große Ding“ anzugehen und dort zu investieren – eine solche Überlegung gab es nie? S / Der liebe Gott gönnt einem einen Schuss, ganz selten einen zweiten. B Etwas Neues im Mediengewerbe. Das Filmgeschäft, hätte Sie das nicht reizen können? J / Wir haben immer gesagt: „Wir wollen das mit der Werbung nicht ewig machen.“ Ich von mir aus hätte das vielleicht noch ein paar Jahre länger machen können – aber da Reini fünf Jahre älter ist als ich und wir immer gleich getaktet waren, sollte der Ausstieg dann eben 2000 sein. Und das haben wir bereits im Jahr 1994 kundgetan. „Wir geben jetzt 50 Prozent der Agentur-Anteile den Mitarbeitern, schenken sie ihnen quasi. Dann sind wir noch fünf Jahre voll an Bord, und dann sind wir frei.“ Das war der Plan, und das haben wir auch so kommuniziert, auch den Kunden. Für mich war klar: Wenn wir da ausscheiden, dann mach’ ich Feierabend. Weil: Wir haben ja beide nicht zu wenig gemacht im Arbeitsleben! Wenn mich die Leute später auf Partys angesprochen haben: „Wie, du machst jetzt nichts mehr?“ – dann hab’ ich immer zurückgefragt: Hab’ ich vielleicht zu wenig für die deutsche Wirtschaft getan? Zu wenig für den Nachwuchs, für die Entwicklung der Kreativität in Deutschland? „Nein, nein“, hat da jeder gesagt. Na also, warum soll ich da denn jetzt weitermachen? Ich gehe nun mal gerne Boot fahren oder segeln. B Okay, der Normalfall sieht anders aus. Wer sich vorzeitig aus dem Job verabschiedet, genießt eine Zeit lang seine Unabhängigkeit und das Dolce Vita, nach sechs Monaten aber wird ihm langweilig. Sie, Herr Springer, sind doch bis heute noch in diversen Beiräten engagiert. S / Ganz nach meiner Maxime „Es ergibt sich“ bin ich durch Zufall in diesen und jenen Beirat gekommen. Ich mache es BILANZ / OKTOBER / 2016 gerne, weil es einen gewissen Unterhaltungswert bietet und weil es das Hirn fordert. Fürs Hirn muss man ja was tun. Das kann man auch durch Plauderei, aber die Plauderei wird ein bisschen spicier, wenn es um konkrete Probleme spicier und Themen geht. Also, das ist alles prima. Aber das sind sechs Sitzungen im Jahr, volumenmäßig nicht der Rede wert. B Sie könnten sich um weitere Mandate bemühen. S / Ja, aber dazu habe ich keinen Bock. Verstehen Sie, wir haben S & J vollblutmäßig betrieben, wir hatten Spaß daran, wir haben uns gekümmert, haben jede Fußleiste geputzt – wir haben das wirklich mit Vollgas gemacht. So, und wenn Sie das dann mal ganz sein lassen und in eine völlig andere Welt gehen – dann ist das auch sehr interessant. Wenn Sie zum Beispiel mal zu Fuß über die Alpen laufen, dann ist das eine ganz andere Dimension. Dazu braucht man aber auch Zeit und muss im Kopf frei sein. Sonst stürzt man gleich ab. So was ist natürlich nicht die übliche Nummer nach dem Motto: „Wenn du nicht hart arbeitest, kommt kein Orgasmus.“ B Sind Sie Freunde? B S & J hat rund 30 Jahre existiert, die letzten neun Jahre ohne ihre Gründer. Was hat zur Insolvenz geführt? S / Joa. J / Joa ....... joa. Wir kamen ja aus sehr unterschiedlichen Lebenskreisen. Ich war Single, bin mit Holger Jung, Kempi (André Kemper, heute Chef der Daimler-Werbeagentur Antoni), Lewi (Hans-Jürgen Lewandowski, heute: Werbefilmregisseur) und einigen anderen, ungebundenen Wahnsinnigen ’rumgezogen. Reini hatte Frau und kleine Kinder. S / Ich sag’ das genauso umgekehrt: Wir haben uns immer super verstanden! Von Anfang an – bis heute. Und wir haben uns wechselweise als Testamentsvollstrecker eingesetzt. Noch Fragen? J / Ich weiß einfach, Reini würde in allen wichtigen Fragen ebenso reagieren wie ich. Das war in der Firmenführung so und ebenso im Privaten. OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 37 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE UNTERNEHMEN UND MÄRKTE vom Hocker reißt. Media-Einkäufer, die das können, kenne ich nicht. B S / Wir hätten ja sehr gerne gesehen, wenn die Marke weitergelebt und prosperiert hätte. Aber man muss fairerweise sagen: Es ist uns nicht gelungen, Leute ins Cockpit zu setzen, die die Idee der Firma, ihren Charakter, so aufgegriffen hätten, dass sie weiter vorangetrieben worden wäre. J / Wenn ich mich noch an diese drei Jahre später im Beirat erinnere – schrecklich: Wir hatten ja nichts zu tun, waren ja keine wirklichen Aufsichtsräte im Sinne einer Aktiengesellschaft, die neuen Inhaber hatten nun mal das Sagen. Und das Unerfreuliche in den Beiratssitzungen war, dass wir dauernd sagen mussten: „Hey, Leute, was ist denn hier los, das haben wir doch immer ganz, ganz anders gemacht!“ Und dann hieß es: „Die Zeiten haben sich geändert, und jetzt gibt’s den Neuen Markt, wir müssen investieren.“ Da wurde so viel Geld durch die Gegend geschoben, dass uns schwarz vor Augen wurde. Wir beide hatten doch immer gelehrt, dass man ein bisschen mehr einnehmen muss, als man ausgibt. Das war ja ein Prinzip, mit dem wir hervorragend gefahren sind – und das sollte jetzt nicht mehr gelten? „Tja, man muss jetzt schnell sein“, hieß es. Burn Rate! Ich hörte ein Wort wie „Burn Rate“! Wie bitte? Was soll das heißen? Das heißt doch nix anderes als „Loch in der Tasche! Die Kohle fließt raus“! Oder was heißt das, bitte? Solche Worte wollte ich dann auch nicht mehr lernen. Das heißt nicht, dass die neuen Herren nicht ihre eigene Duftmarke setzen sollten. Aber man fragt sich, warum Leute, die erfolgreich das Vaterunser gelernt hatten, jetzt plötzlich Islam beteten? 38 B Wer waren Ihre fünf besten Leute bei S & J? S / Na, das sind die, die bis heute überlebt haben. 50 Prozent der Leute, die heute an den Schaltstellen der Werbeagenturen sitzen, waren bei S & J. Jean-Remy von Matt, André Kemper, Hartwig Keuntje, Michael Trautmann, Guido Heffels, Holger Jung – ich könnte sie alle aufzählen. Auch die auf Industrieseite! Gerade habe ich zum Beispiel gelesen: Claudia Crasemann, eine ehemalige S & J-Texterin, ist heute die weltweit Marketingverantwortliche bei Ikea. B Warum hat die Internationalisierung nicht geklappt? S / Wir waren nur an Europa interessiert. Wir hatten einfach keine Lust, weltweit herumzufliegen. B Bis auf Serviceplan ist eine Internationalisierung noch keiner deutschen Agenturgruppe gelungen. J / Ich sag’ jetzt mal ganz selbstbewusst: Wenn wir beide wirklich scharf darauf gewesen wären, dann hätten wir das sicher hinbekommen. Waren wir aber nicht. S / Außerdem haben wir immer nach alten, konservativen, hanseatischen Grundsätzen gehandelt. Die moderne Welt tickt ja so: Verschulde dich wie blöd, kaufe zu, werde riesig! Und – wie Air Berlin – bleibe dann immer ein Minusladen. Da waren wir auch nicht scharf drauf. Bei uns galt die Regel: „Umsatz ist Eitelkeit, Ertrag ist Vernunft.“ J / Die mangelnde Internationalisierung der deutschen Agenturen hängt ja mit was sehr Einfachem zusammen – mit den Nationalsozialisten. Die Deut- schen haben durch den Nazi-Wahnsinn die nationale Karte so unter den Stapel gesteckt, dass sie nicht mehr auf den Tisch kommt. Sowohl bei Saatchi, also den Engländern, als auch bei den Franzosen, den Italienern, den Amerikanern und allen anderen – immer förderten die nationalen Unternehmen ihre nationalen Werbeagenturen.Und das hat in Deutschland null stattgefunden. Wird vermutlich auch nicht mehr stattfinden. B Große Teile der Werbebudgets fließen heute ins Internet. Finden Sie diese Entwicklung folgerichtig und überzeugend? S / Folgerichtig, ja. Eine große Dimension der Zukunft ist die Digitalisierung, zu der auch das Internet gehört. Also wird hier kommuniziert, also muss eine Marke auch auf diese Bühne. Aber Werbung und Markenauftritte sind da fast immer Single Shots. Die Herausforderung der ungezählten Auftrittsmöglichkeiten bleibt, in den Köpfen der Shopper Begehrlichkeit auf die Marke zu wecken. Nicht nur auf das Angebot von drei Hämmern zum Preis von zwei im Baumarkt. B Eine immer wichtigere Rolle spielen die Mediaagenturen, die Anzeigen und Werbespots in den verschiedenen Medien platzieren. Inzwischen nehmen Mediamanager sogar Einfluss auf Werbeideen und -strategien. S / Ach, daran liegt es, dass so viele Marken unter Wert daherkommen oder dass Priceoff the Name of the Game ist?! Die Verteilung von Werbemaßnahmen auf verschiedene Werbeträger ist eine Brot-und-Butter-Fähigkeit. Die Marmelade bleibt, eine Geschichte erzählen zu können, die die Leute Könnten Sie heute, mit über 60 Jahren, noch mal eine erfolgreiche Agentur gründen? Vor dem Hintergrund der neu definierten, sogenannten werberelevanten Zielgruppen von 20 bis 59 Jahren? S / Sie meinen, mit über 60 versteht man nicht, was einen Digital Native von 20 anmacht? Ich habe eine Tochter, die ist zwölf. Und mit dem Online-Spiel „Minecraft“ und allem, was es an Digitalem gibt, spielt sie besser als mit jedem Klavier. Aber es gab bisher nichts, was ich nicht auch verstehen würde, wenn ich mir ein paar Minuten Zeit dafür nähme. Der Erfolg einer Werbeagentur liegt nicht im Verständnis der Zeit. Sondern in ihrer Struktur und der Führung der Mitarbeiter. Und da stehen die Zeichen – trotz Wikipedia und Google – auf Alarm. Noch nie hatten die Menschen so wenig Bock auf die Firmen, in denen sie arbeiten, wie heute. J / Wenn man sich die Vergreisung der nördlichen Hemisphäre vor Augen hält, sollte man besser eine Werbeagentur für die Zielgruppe 40 bis 80 gründen. Oder besser gleich was anderes starten. Ich schiebe lieber frischere Projekte an und spende dort meine Erfahrung als Oldtimer. B Sind Sie immer noch Esoteriker, Herr Springer? S / Was soll das denn sein, bitteschön? B Eine spezielle Sichtweise auf die Welt in Bezug auf Philosophie, Spiritualität, Ernährung, Meditation, Astrologie etc. S / Also, ich denke gerne mal nach, so gut es mir gegeben ist, aber sonst ... B … keinen Kaffee, keinen Alkohol? S / Wissen Sie, warum ich keinen Kaffee trinke? Weil ich Kaffee nicht mag, der schmeckt mir nicht – tut mir leid. Und Alkohol? Ich trinke hin und wieder Rotwein. Und wenn er mir schmeckt, dann kann es schon mal vorkommen, dass ich drei Glas trinke. BILANZ / OKTOBER / 2016 B Und Sie, Herr Jacoby, sind Sie denn wenigstens immer noch Choleriker? J / Nun, ich sage gern, wenn mir was nicht passt, wie neulich im Nespresso-Geschäft: Ich wollte bloß schnell mal eine Tüte Kapseln kaufen – ich trinke nämlich gern Kaffee! Da habe ich mich erst mal in die übliche lange, lange Schlange stellen müssen – obwohl zig schicke Damen herumliefen, die mir schnell hätten etwas Kaffee verkaufen können. Taten sie aber nicht. Weil sie mit der Erfassung der Kundendaten, der Nespresso-Philosophie oder der superexklusiven Nespresso-Chat Platform oder sonst einem Marketingscheiß beschäftigt waren. Nach über 20 Minuten Warten für ein bisschen Kaffee habe ich dann der Geschäftsführerin gesagt: „Verehrte Dame, ich besitze diverse Nespresso-Maschinen an verschiedenen schönen Plätzen – aber jetzt hole ich sie alle zusammen und fahre sie mit meinem alten Mercedes-Geländewagen platt. Das Video stelle ich dann auf Youtube und erzähle, warum ich einfach kein Nespresso-Kunde mehr sein will. Weil man als Kunde von Ihnen nur marketingverarscht und exklusiv gefoltert wird.“ B B Was war der größte Irrweg im Werbegeschäft der vergangenen 40 Jahre? S / Sich zu wichtig zu nehmen und zu denken, Werbung sei Kunst. SPRINGER UND JACOBY waren in den 80er- und 90er-Jahren die Superstars der deutschen Werbung und das Maß der Dinge. Ihre Hamburger Agentur stand für kluge, plakative, unterhaltsame, fast britisch-exzentrische Werbung. Mit ihren Ideen überzeugten sie inhabergeführte Unternehmen (Sixt, Miele) ebenso wie Dax-Konzerne (Telekom, Mercedes-Benz). Gegründet 1979, verschwand Springer & Jacoby 2010 schon wieder vom Erdboden. Ein kurzes, wildes Leben. Zwischen Anfang und Ende lagen Triumphe über Triumphe, der Ausstieg der Gründer im Jahr 2000 und der spätere Verkauf und Bankrott der Firma. Was, würden Sie sagen, ist der Gewinn, was der Verlust nach dem frühen Ausstieg aus dem Agenturleben? Privatier und Autoenthusiast Konstantin Jacoby (62, Ferrari, Mercedes-Geländewagen) lebt in Palma, geht gern segeln oder sitzt auf der Terrasse seines Stadtpalais, das er zusammen mit seiner Lebenspartnerin und seinem 20-jährigen Sohn aus früherer Ehe bewohnt. Nachdenken über Kommunikation tut er gelegentlich auch noch. Unentgeltlich oder bezahlt. Auf Mallorca, auf Sylt oder in Hamburg. Empfinden Sie sich auch selbst als bedeutungslos? Reinhard Springer (68) wohnt abwechselnd in Hamburg, München, London oder auf Mallorca. Immer zusammen mit seiner Freundin, die Head of Media einer großen Beratungsfirma ist. Springer war zweimal verheiratet, er hat zwei Töchter (12 und 30) und einen Sohn (34). Auch Reinhard Springer ist noch im Hintergrund aktiv, hat Beiratsmandate, hält Marken-Workshops ab, berät, betreut. Aber immer nur, „wenn’s sich ergibt“, wie seine magische Formel lautet. J / Bedeutungslosigkeit – als Verlust und gleichzeitig als Gewinn. Sie sind in dem Augenblick, wo Sie Ihre Firma verkauft haben und sich nicht noch in irgendwelchen Aufsichtsräten ’rumdrücken, einfach und schlicht: bedeutungslos. B Programm, dass ich sowieso nicht auf den Gedanken käme: Was ist Gewinn, was Verlust? Du wanderst über die Alpen, fliegst nach Hawaii, es ist einfach so viel los! J / Nein, ich beschreibe es nur. Ich empfinde keinerlei Verlust, ich fühle mich keinen Millimeter mehr oder weniger bedeutend als vor dem Ausstieg. Und du, Reini? S / Ich denke gerade darüber nach. Also, der Gewinn überwiegt, der Gewinn ist ja Freiheit. Und da ist es wieder so: Es kommt drauf an, was man draus macht. Meine jetzige Lebenspartnerin ist 42 – da ist so viel Farbe und so viel Action im OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 39 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE In den Fängen Ein Mittelständler hat für uns protokolliert, wie Autokonzerne mit Zulieferern umspringen. Vorsicht, dies ist keine Satire! des Frettchens TEXT / PETER A. NEUMAYER D urch die Glaswände des BMW-Baus an der Bremer Straße 6 in München knallt die Sonne ins Foyer, und wir schwitzen schon, bevor es überhaupt losgeht. Hier, im Zentrum Informationstechnik (ITZ), sitzt der Einkauf des Automobilkonzerns. Gleich mehrere Grüppchen von Lieferanten warten vor der elektronischen Eingangskontrolle auf ihre Abfertigung. Man spricht mit gedämpfter Stimme, man lacht nervös, man späht unruhig über die Schulter. 40 Wir warten auf den jungen Mann, den wir „das Frettchen“ nennen: weil er sich mit Vorliebe in den Details eines Angebots festbeißt. Für BMW geht es heute um eine Petitesse, für uns um ein Drittel unseres Jahresumsatzes. Mit einiger Verspätung tänzelt das Frettchen lächelnd die Treppe hinunter, um uns abzuholen: einer von den Schmalhüftigen. Dreitagebart, Anfang 30, weißes Hemd, offener Kragen, der blaue Anzug modisch eng geschnitten. Man führt uns in eine der ungezählten Besprechungszellen im dritten Stock, die unter BMW-Leuten als „die Folterkammern“ bekannt sind. DER ZWEITE MANN vom BMW-Einkauf wartet bereits. Er hat den Dell-Rechner aufgeklappt: Ende 40, Leiter der zuständigen Unterabteilung, braunbeige farbene Kombination von C & A , Krawatte. Wir nennen ihn „Mäusegeier“, weil er mit Vorliebe ruhig in der Thermik unserer Zahlen kreist, um plötzlich auf eine von ihnen niederzustoßen. Zwei gegen zwei, Duell in der Hitze. „Johnny Guitar – Wenn Frauen hassen“. Auch wir packen unseren Laptop aus. Zack. Vier Stühle, ein Tisch. Wie im Knast mit grauer Kunststoffplatte. Die Zelle ist so klein, dass wir Ellenbogen an Ellenbogen sitzen, Knie an Knie. So sieht’s aus, wenn ein Autokonzern mit einem Zulieferer verhandelt. In der Ecke lehnt aus unerfindlichem Grunde ein Spaten mit rotem Blatt. Eine stumme Drohung: Die wollen uns vergra ben, wenn sie mit uns fertig sind? Es ist sehr heiß. Und die nächsten vier Stunden bietet uns das Milliardenunternehmen BMW nicht einmal einen Schluck Was ser an. Schließlich gehören wir zur nie drigsten Kategorie der Konzerndenke: den kleinen Lieferanten. Seit Wochen fordert das Frettchen von uns immer weitere schriftliche Daten und Details für unser Angebot an. Wir füllen Hunderte sogenannter „Preisblät ter“ für jede Schraube aus, erstellen Mit arbeiterlisten mit Qualifikationsangaben („Skill 3B“), liefern Stundensätze für das BMWProjekt („9,85 Euro“), berechnen Umlagen für unser Management, defi nieren die Anzahl der geplanten Meetings und der vorgesehenen Abstimmungs schleifen mit den zuständigen Fachab teilungen des Konzerns und liefern Begründungen aller Art zu jedem Detail, in das sich das Frettchen schon in der Vorbereitung verbissen hat. Nun wollen wir die einzelnen Punkte unseres Angebots mit den beiden Män BILANZ / OKTOBER / 2016 nern vom Einkauf durchgehen. Doch der Geier schiebt seinen Computer fein lächelnd wieder ein Stückchen von sich weg. „Leider“ gebe es „seit gestern“ eine neue „Vorgabe“ des Vorstands für den Einkauf: Der „Kostendruck“ im Konzern sei so hoch, dass alle Lieferanten „vorab“ einen Beitrag leisten müssten. Er denke da an „mindestens 15 Prozent“ und schlage vor, diesen Betrag schon einmal abzuzie hen, bevor man sich in weitere Einzelhei ten unseres Angebots vertiefe. Sind unsere „Preisblätter“ und „Pro duktbeschreibungen“ Makulatur, bevor die Verhandlungen überhaupt laufen? Ein Hund kann riechen, wenn einem mulmig wird – das Frettchen auch. Die nächste Stunde sind wir damit beschäftigt, den Angriff des Mäusegei ers abzuwehren und ihn zurück an den Laptop zu zwingen. Widerwillig lässt er nun das Frettchen los, damit es sich auf die Zahlenkolonnen stürzt – und gleich zum Auftakt die Streichung ganzer Kos tenpositionen verlangt. WÄHRUNGSRISIKEN? Die habe natürlich der Zulieferer zu tragen. Frachtkosten? Das sei nicht die Sache von BMW, son dern unsere. Sorry. Bei anderen Posten verlangt das Frettchen glatt Kürzungen von 40 Prozent, obwohl wir unsere eige nen Ausgaben millimeterweise nachwei sen können. Der Geier lehnt sich zufrie den auf seinem Stuhl zurück, den Bauch UNTERNEHMEN UND MÄRKTE nach vorn gewölbt und die Daumen im Hosenbund. Bei einer Kostenposition blaffe ich ehrenfest: „Das haben wir doch schon vorab verhandelt und erheblich gekürzt.“ Nun hält es den Geier nicht mehr im Hin tergrund: „Ich werde dafür bezahlt, mir heute jede Position noch einmal genau anzuschauen. Die BMW AG verschenkt kein Geld.“ Nach weiteren zwei Stunden, meh reren Drohungen und höhnischen Be merkungen („Uns kommen die Tränen“) und immer neuen Abstrichen für uns frage ich ermattet: „Sind wir durch?“ Das Frettchen nickt. Aber der Geier, der in der vergangenen halben Stunde mit fast geschlossenen Lidern im Hintergrund lauerte, stößt nun wieder aus der Sauer stoffarmut der Folterkammer herunter: „Ich würde jetzt gern zum Schluss noch auf die 15 Prozent Lieferantenbeitrag zu rückkommen.“ Es ist nie zu Ende. Nie. Postskriptum: Zwei Wochen später liegt die offizielle Bestellung der BMW AG im Briefkasten mit dem Zusatz: „Wenn wir innerhalb von 14 Tagen keine schriftliche Antwort erhalten, gehen wir davon aus, dass Sie unseren Auftrag im vollen Umfang akzeptieren.“ Und wiede rum eine Woche später trifft eine Mail eines hochrangigen BMWManagers bei uns ein: „Wir stehen beim Budget mit dem Rücken an der Wand, und ALLES kommt noch einmal auf den Prüfstand.“ OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 41 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE Unsere Vision: der beste Kaffee der Welt … Superpremium … weltweit nur eine einzige Mischung … Qualitätskontrolle … Glück in der Nische … pure Magie Im Kaffeemarkt geht es zu wie bei einer irischen Hochzeit: Fäuste fliegen, Pfosten splittern, und Stuckbrocken pfeifen durch die Luft. Doch Luxusröster Andrea Illy sucht keine Deckung: Der Tumult schert ihn nicht die Bohne. TEXT / STEPHAN KNIEPS FOTOS: ILLY, STEFANO GUIDANI A 42 ndrea Illy (52) will gerade etwas ausholen, du lieber Himmel, und über den Börsengang sprechen, den er nicht plane – er wiederhole: nicht! –, als eine Nachlässigkeit, ein Versehen, nein: eine grobe Unbesonnenheit ihn veranlasst, die Augenbrauen so langsam hochzuziehen, als hingen Gewichte daran: „Ich empfehle, ihn heiß zu trinken.“ Illy nickt zu meiner Espressotasse, die halb voll auf seinem Teak-Schreibtisch steht. Der Eingriff in den Gesprächsverlauf war erforderlich und unaufschiebbar, weil er, Illy, die Ansicht vertritt, dass ein heißer Espresso „pure Magie“, ein lauwarmer aber ein Frevel, eine Übeltat, eine Gottlosigkeit sei. „Für mich“, sagt Illy, „ist Espresso ein Lebenselixier. Mein Tag beginnt mit einem Espresso. Ohne Milch und Zucker. Es ist wahrscheinlich das komplexeste Getränk der Welt.“ Illy ist il Presidente, der Verwaltungsratsvorsitzende von Illycaffè. Das Unternehmen, ein Ensemble von waschbetongrauen, zweistöckigen Nutzbauten mit roten Fensterrahmen, hat seinen Sitz am Rande der Hafenstadt Triest, in der Via Flavia 110. Hinterm Firmengelände: Bahngleise. Vorm Firmengelände: die vierspurige Nuova Sopraelevata, der Neue Damm. Rechts geht’s nach Slowenien, links nach Triest. Die Sonne lacht, und der Adria-Wind lacht mit und weht den BILANZ / OKTOBER / 2016 Duft gerösteter Kaffeebohnen durch die Zona industriale. Unter Illys Büro auf der Wiese steht ein Rasenmäherroboter und hört dem Gras beim Wachsen zu. Illycaffè, 1933 von Großvater Francesco etabliert, hat sich einen Namen gemacht mit dem Illy-Blend, einem Mixtum compositum von neun Arabica-Sorten. Seit vielen Jahren bringt man auch von der Kritik wohlwollend besprochene Kaffee- und natürlich Espressomaschinen zum Verkauf. 2015 ließ Illy einen neuen Umsatzrekord in die Register eintragen: 437 Millionen Euro. Bei il Presidente im Büro hat sich eine ganze Batterie Managementliteratur im Regal verklemmt: „Eating the Big Fish“, „Advanced Learner’s“, „The Luxury Stra- STRENGE AUSLESE: Andrea Illy (Foto links) prüft jede einzelne Bohne dreimal, bevor er sie in seiner Fabrik rösten lässt. tegy“, „Leading Change“ und dergleichen. Im kleinen Kühlschrank lagern drei Flaschen Wasser und zwei Heineken. Auf seinem Brettrechner liest er Hermann Hesses „Siddhartha“, einen Riemen, der im 6. Jahrhundert v. Chr. spielt, und zwar in Indien, wo man lieber Tee trinkt als Kaffee. Illy trägt einen dunkelblauen Anzug von Loro Piana und schwarze Kniestrümpfe. Er sieht aus wie ein Mann, der einen schönen Abend genießen will. An den Kragenaufschlag hat er sich einen silberfarbenen Anstecker genadelt, der die Form einer Espressotasse hat. Er ist überhaupt ein strenger, sachlicher Mann: Er liest nicht nur schlechte Bücher, sondern hat auch Stil und weiß Bescheid und leitet in seiner Freizeit folgerecht den nationalen Luxusgüterverband Altagamma. Die Firma Illy, sagt der Gründerenkel, „wurde geboren mit dem Traum, den besten Kaffee der Welt zu machen, und wir arbeiten nach wie vor an dieser Vision“. Da ist mal ein Mann, der eine Mission hat im Leben! Das stetig-standhafte Umsatzwachstum von Illycaffè ist in der Tat bemerkenswert angesichts des zähen und mit wachsender Erbitterung geführten Konkurrenzkampfes auf dem Kaffeemarkt: Am aggressivsten geht die deutsche Multimilliardärsfamilie Reimann (s. BILANZ 9/16) vor, die in den vergangenen drei Jahren u. a . das niederländische sche Kaf Kaffeehaus OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 43 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE 44 1,5 Mrd. LAVAZZA Italiens größte Kaffeemarke Lavazza (Umsatz: 1,5 Mrd. Euro) aus Turin feiert in diesem Jahr ihr 121-jähriges Bestehen. Präsident des Unternehmens ist Alberto Lavazza (75), Nachfahre in dritter Generation des Firmengründers Luigi Lavazza. Die Geschäfte führt der frühere Fiat-Manager Antonio Baravalle. Nach den gelungenen Übernahmen der französischen Kaffeemarke „Carte Noir“ und des dänischen Kaffeerösters Merrild sollen die Einnahmen bis 2021 auf zwei Mrd. Euro klettern. Dass Starbucks 2017 die erste Italo-Filiale eröffnet, kommentierte Antonio Baravalle mit den Worten: „Sie kommen hier in eine Kultur des Kaffees. Und ich spreche von Kaffee – nicht von Erdbeer-Frappuccino.“ 942 Mio. SEGAFREDO 1973 übernahm der damals 25-jährige Massimo Zanetti die in Bologna ansässige Kaffeerösterei Segafredo und machte sie mit trickreichen und blitzsauberen Offensivaktionen zum heute (hinter Lavazza) zweitgrößten Kaffeeunternehmen Italiens. Heute in Treviso angesiedelt und seit 2015 an der Börse immatrikuliert, dehnt sich Massimo-ZanettiBeverage mit Unerschrockenheit aus: Im August eröffnete eine Segafredo-Espresso-Bar im Irak, und zwar in Dohuk (falls Sie in der Nähe sind). Zuvor hatte MZB die portugiesische Firma Nutricafès niedergeworfen. Der Umsatz wurde zuletzt mit 942 (Vorjahr: 781) Mio. Euro angegeben. Der Börsenwert beträgt ca. 250 Mio. Euro. noch Bestand“ habe und wenn ja, „wie groß unser Wachstumspotenzial ist“. Denn ihre Unabhängigkeit will die Familie auf jeden Fall bewahren. Das Ergebnis stellte zufrieden: alles paletti. Illycaffè könne „in den kommenden sieben bis zehn Jahren substanziell wachsen: bis zu einem Umsatz von einer Milliarde Euro“. Dennoch nahmen die Illys die Umwälzung in der Branche zum Anlass, einen Wechsel an der Spitze vorzunehmen: Andrea Illy, der bis dahin auch die Geschäftsführung innegehabt hatte, beschränkt sich seit April auf die Presidenza. Erstmals vertraute die Verwandtschaft einem Fremden die Firmenleitung an: Massimiliano Pogliani (50). Er kommt von Vertu, einem Hersteller bizarrer Luxus-Mobiltelefone. Vorher hatte er für Saeco (Kaffeemaschinen) und Nestlé gewirtschaftet. „Ich bin nicht der beste Manager auf der Welt“, teilt il Presidente feierlich mit. „Ich bin der Manager, der diese Firma an diesen Punkt geführt hat. Aber jetzt habe ich einen Manager gefunden, der besser ist als ich: Massimiliano Pogliani ist ein Kaffee- und Marketing-Experte und ein guter Anführer. Ein Treffer.“ Gesten-, kenntnis-, vor allem aber umfangreich kann er über die aktuellsten Aufgaben, modernsten Kompetenzen Und ihr hohes Ansehen lassen sich die Italiener von der Kundschaft auch gut be zahlen: Ein halbes Pfund Illy kostet mehr als acht Euro, ungefähr doppelt so viel wie Lavazza oder Segafredo und dreimal mehr als das Pulver, das Tchibo verkauft. „Wenn es das Beste sein soll“, sagt Andrea Illy, „dann kann es nur eine Mischung geben.“ Im „SuperpremiumSegment“ sei seine Marke zu Hause. O MANN, ER LIEBT DAS ZEUG (seinen ers ten Kaffee trank er mit vier, seinen letz ten Espresso vor fünf Minuten), er liebt seine Würze, sein Odeur, seine Schwär ze, sein Arom. Jede Bohne lässt er vorm Rösten dreimal umdrehen, zweimal an hauchen und einmal polieren. Doch sein Qualitätsvorsprung schmilzt. Und auch was die Wirtschaft lichkeit und das Haushalten angeht, sind seine Möglichkeiten begrenzt. In den 90erJahren Jahren stob Illy zwar einige Male nach Japan und studierte die Fertigung bei Toyota. Autobauer gelten ja als die fortgeschrittensten Autoritäten in Sa chen Workflow und Wirksamkeit. 2009 nahm er die Dienste von PorscheConsul ting in Anspruch, um ein paar Cent bei der Fabrikation der 250GrammDose einzusparen. Aber weil selbst die sparsamste und zweckmäßigste Herstellung, die Illy caffè ersinnt, von den Branchenführern in null Komma nix nachgeäfft werden kann (was praktisch nie vorkommt, da sie bereits die ausgepichteste Haushäl terei betreiben), haben auch die besten italienischen Häuser der Finanzkraft und Gewaltbereitschaft der Super und Siegermächte nur wenig mehr entgegen zusetzen als Raffinatezza und Resistenza. Und so liefen in der Branche Gerüch te um, dass sich der Widerstandskämpfer Andrea Illy neue Munition an der Börse verschaffen wollte – wie vor ihm schon „Segafredo“ Zanetti. Aber, wie gesagt: kein Börsengang. „Assolutamente no.“ Allerdings habe er die Unternehmens beratung Roland Berger sicherheitshalber beauftragt, die Firmenstrategie in Augen schein zu nehmen und einer Prüfung zu unterziehen: ob sie „in Anbetracht der Konsolidierungswelle im Kaffeemarkt FOTO: ILLY Jacobs Douwe Egberts („Senseo“, „Ja cobs“), die USFirmen men Peet’s Cof Coffee & Tea, Caribou Coffee und zuletzt den Kaf Kaffeerös ter Keurig versklavt hat. Mehr als 32 Milliarden Euro ließen sich die Reimänner ihre Beutezüge kosten. Selbst Marktführer Nestlé („Nescafé“, „Nespres so“) kommt langsam ins Schwitzen. Aber auch in den unteren Abteilun gen vollziehen sich dramatischdarwi nistische Eigentumstransformationen: Lavazza (1,5 Mrd. Euro Umsatz) aus Tu rin, Italiens größte Kaffeefirma, stürmte den französischen Marktführer Carte Noir; kurz darauf vergriff sich Massimo Zanetti („Segafredo“) an der portugiesi schen Nutricafés und an Club Coffee in Kanada. Allenthalben wird gebündelt, verdichtet, gerafft. Ob die vergleichsweise schmal gebau ten Italiener auf längere Sicht ihren Spaß mit den internationalen Großkraftwer ken Jacobs Douwe Egberts oder Nestlé haben, muss man bezweifeln. Viel zu lange, sagen Fachleute wie Jeffrey Young von der Beratungsfirma Allegra World Coffee, hätten sie sich auf die angeblich Cof überlegene Güte ihrer Marken verlassen. Doch „Genuss, Gesundheit und Nachhaltigkeit“, jene Winkelthemen, auf die ein Qualitätsmanager wie Illy immer gesetzt hat, beschäftigen heute selbst sol che Kaffeekonglomerate, denen es ehe dem immer nur um tiefe Preise und hohe Werbebudgets gegangen war. Nicht zuletzt Kaffeeketten wie Star bucks und ungezählte Regionalanbieter haben die qualitative Vorrangstellung von Edelröstern wie Illy längst untermi niert, indem sie einen Kult ums Koffein inszenierten, für den sich inzwischen schon 15Jährige Jährige begeistern. Leute, die früher einfach nur eine Tasse Kaffee tranken, befassen sich neuerdings mit den Weisen und Arten des Röstens, Mahlens, Brühens und Aufsetzens. Gewiss, die IllyMischung gilt in Fachkreisen als ganz noble Nummer: „Illy ist ein Synonym für italienischen Spitzen kaffee“, flötet Holger Preibisch vom Deut schen Kaffeeverband. „Der Marktanteil in Deutschland mag sehr gering sein, aber Illy hat eine unglaubliche Strahlkraft, eine tolle Reputation im Markt.“ UNTERNEHMEN UND MÄRKTE und neuesten Unterschiede zwischen Entrepreneur und Manager referieren und dabei doch stets im entseelten Vokabularium der Managementliteratur bleiben. Er hat seine Ratgeberbücher gelesen. Das muss der Neid ihm lassen. Dem neuen Chef steht ein Unternehmen zu Gebote, das traditionellerweise den Modernisten der Gilde angehört. Als die Konkurrenz ihren Kaffee noch in Tüten füllte, presste Illy ihn schon in Druckbehälter. Unlängst entwickelte das Unternehmen eine Mobilanwendung, mit der Kaffeetrinker Orte finden, wo sie einen Illy-Blend Blend kaufen oder schlürfen können, und auch im Kapselgeschäft sind die Triester tätig, sogar im Kapselland USA. WACHSTUMSCHANCEN RECHNET sich Illy vor allem im Endverbrauchergeschäft aus. Bislang verdient das Unternehmen 80 Prozent seiner Einnahmen mit Großkunden: Weltweit beliefern die Italiener rund 100.000 Cafés, Bars und Restaurants (in Deutschland etwa Vapiano) sowie Fluggesellschaften. Spätestens in zehn Jahren, sagt Illy, werde ein Gleichgewicht hergestellt sein. Zustattenkommen sollen dabei die 2004 eingeführten Illycafés, Espressobars nach italienischem Vorbild. Zuletzt eröffnete man in Busan, Paris, San Fran- cisco und Amsterdam. In Deutschland („ein Schlüsselmarkt“) kam im März in der Düsseldorfer Kö-Galerie die sechste Kaffeestube hinzu. Nächstes Jahr sind München und Frankfurt an der Reihe. Bei dem Tempo muss man freilich aufpassen, dass einem die Füße nicht einschlafen. Starbucks hat 144, Segafredo 76 Filialen. Ob die Familie ihre Umsatzziele erreicht, ist zwar noch nicht bekannt. Dass sie aber geschäftstüchtig ist, weiß man. So verfügt die Sippe 2004 unter dem Dach der Gruppo Illy, ihrer Obergesellschaft (geleitet von Andrea Illys Bruder Riccardo), über ein paar Firmen, die Marmelade, Schokolade, Wein und Eiscreme herstellen oder nur vertreiben. Umsatz: 43 Millionen Euro. Erstrangig ist für il Presidente, das Unternehmen an die nächste und die übernächste und die überübernächste Generation weiterzugeben. Er selbst hat drei Töchter. Es sieht also gut aus. Sein langfristiges Ziel aber wird er wohl nicht mehr erleben: die Aufnahme in den Klub der Hénokiens – einer Organisation, die nur Familienunternehmen aufnimmt, die mindestens 200 Jahre alt sind. Die Firma Illy könnte im Jahr 2133 Mitglied werden. Aber es ist natürlich nicht ausgemacht, dass es sie dann noch gibt. STAPELWARE: Pro Monat verlassen jede Menge Kaffeesäcke das Illy-Werk in Triest. BILANZ / OKTOBER / 2016 OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 45 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE UNTERNEHMEN UND M RKTE NEUER DONALDISMUS Der Trump-Kenner Neil Barsky über seine Begegnungen mit dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten, Märchenerzähler und Katastrophenunternehmer. INTERVIEW / JÜRGEN SCHÖNSTEIN FOTOS / ALEX TREBUS B Herr Barsky, erzählen Sie uns mal das Netteste, was Sie über Donald Trump sagen können. Er ist von sich überzeugt, und er ist zäh. Als er Anfang der 90er-Jahre mit dem Rücken zur Wand stand, als er den Banken ein paar Milliarden Dollar schuldete und alles für ihn auf dem Spiel stand, gab er nicht auf. Er hat gekämpft wie ein Wilder, und wie man auch an seinem Wahlkampf sehen kann, hat er ein beachtenswertes Talent, die Schwächen seiner Gegner aufzuspüren. B Das klingt mehr nach einer Liste schlechter Eigenschaften. Seine schlimmsten Eigenschaften sind ja gar nicht sein Ego, sein Narzissmus oder seine Überheblichkeit – sein schlechtester Charakterzug ist sein zynischer Opportunismus, seine Bereitschaft, alles und jeden durch den Dreck zu ziehen. B Reden Sie hier von Trump als Poli tiker oder als Unternehmer? Als Unternehmer steht der doch ganz weit unten auf der Liste der Erfolgreichen – aber er hat die Öffentlichkeit einseifen können, ebenso wie er damals die Banken eingeseift hatte. B NEIL BARSKY: Der 58-jährige frühere Reporter („Wall Street Journal“), Hedgefonds-Manager und Dokumentarfilmer hat 2014 mit Bill Keller, dem Ex-Chefredakteur der „New York Times“, das „Marshall Project“ gegründet, eine Enthüllungsplattform, die über Missstände im US-Straf US-Strafjustizsystem berichtet. Im April erhielt das Marshall Project den Pulitzer-Preis. 46 Trump, der schlechte Unternehmer? Ist er ein Unternehmer? Er ist ein Promoter, der eine Menge Geld mit einer Realitäts-Fernsehschau verdient hat und damit, seinen Namen für alle möglichen Geschäfte herzugeben. Aber so weit ich weiß, hätte er keine Chance, zum Beispiel auf den Kapitalmärkten irgendwelche Gelder zu mobilisieren, wie das ein echter, erfolgreicher Unternehmer könnte. Ich glaube, dass die Geschäftswelt ihn nie richtig für voll genommen hat. B LOB VOM ALLERWERTESTEN: Gerahmte Trump-Beschwerde. Ist das Trumps Masche: selbst die absurdesten Dinge so lange zu wiederholen, bis man sie ihm glaubt? Als Gerald Ford im Wahlkampf 1976 die sowjetische Präsenz in Polen bagatellisiert hatte, wurde er zu Recht so behandelt wie ein Sitzenbleiber in der zweiten Klasse. Heute ist der Preis, den man zahlen muss, wenn man die Öffentlichkeit belügt, so niedrig wie niemals zuvor. Leute wie Trump, die es mit Tatbeständen nicht so genau nehmen, kommen damit nicht nur durch, es zahlt sich für sie sogar aus. B Seit den 90er-Jahren hat Trump bei jeder Präsidentschaftswahl seine Kandidatur angekündigt – ohne dass je etwas daraus geworden wäre. Was lief diesmal anders? Den Republikanern ist acht Jahre lang jedes Mittel recht gewesen, um die Person Barack Obama zu untergraben, nicht politisch, sondern als Mensch. Da war alles drin: der Rassismus, das Ehrabschneidende, die komplette Ablehnung der Person – das hat Trump den Weg geebnet. Und vor vier oder fünf Jahren hat Trump dann den Birther-Mythos vorangetrieben, mit der Behauptung, er habe „aus zuverlässigen Kreisen“ gehört, dass Obama von Geburt gar kein Amerikaner sei. Das war eine Riesenlüge, und das war der Moment, an dem die Republikaner ihre Chance verspielt hatten, ihn in seine Schranken zu weisen. B Presse und Fernsehen haben seinen Unfug eifrig weiterverbreitet. Wenn Sie die Zeitungen lesen, dann sind die schon ziemlich kritisch: Die „New York Times“ oder die „Washington Post“ nehmen ihn ziemlich gründlich unter die Lupe, überprüfen seine Behauptungen. Da kann man eigentlich nicht viel rummäkeln. Beim Fernsehen sieht das anders aus. CNN-Chef Jeff Zucker sagte mal sinngemäß, dass er zwar nicht glaube, dass Trump gut fürs Land sei, aber er sei in jedem Fall gut für die Einschaltquoten. B Was war Ihre beste Story, die Sie je über Trump geschrieben haben? BILANZ / OKTOBER / 2016 Ja, ein Großteil der Amerikaner glaubt immer noch, dass Trump ein goldenes Händchen habe. Sie halten ihn für die Verkörperung des Erfolgs, obwohl er eine lange Reihe von Pleiten hingelegt hat und eine lange Reihe von Klagen am Hals hatte. Das ist wirklich eine merkwürdige Diskrepanz. Vor allem die politischen Reporter haben lange gebraucht, bis sie erkannt haben, dass er unternehmerisch eine Katastrophe war. B Ich würde sagen: die Story, dass er nie der Immobilienkönig gewesen war, für den er sich ausgegeben hat. In den 80er-Jahren wurde in New York ja enorm viel gebaut, doch Trump hatte in der Zeit eigentlich nur zwei oder drei Projekte verwirklicht. Das war nichts im Vergleich zu anderen. Aber es wurde so viel über ihn geschrieben, und er war geschickt darin, diese Popularität in Kredite umzumünzen. Es war sicher nicht alles schlecht, er hat auch ein paar Mal gut investiert, aber meine größte Story war, dass er nie so viel wert war, wie er behauptete. B Wie hat Trump darauf reagiert? B Haben Sie den Brief noch? B Er wollte keine Gegendarstellung? Er hat mir einen Brief geschrieben, in dem er mich als eine „Schande“ für meinen Berufsstand bezeichnete. Ich habe ihn eingerahmt und an die Wand gehängt. Von Trump kommend, betrachte ich so etwas als eine Auszeichnung. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich jemals etwas richtigstellen musste. Und ich glaube nicht, dass Trump das jemals gefordert hat. B Mythos Trump – ein Mythos? Vielleicht liest man im Politikressort den Wirtschaftsteil nicht? Ich kapier’s nicht. Die Wirtschaftspresse hat ihn ja immer ziemlich kritisch gesehen, da war ich nicht der Einzige. Auch meine Konkurrenten von der „New York Times“ oder dem „Philadelphia Enquirer“ sind ziemlich hart rangegangen – leicht hatte es Trump jedenfalls nicht. Aber seine große Stärke ist eben, dass er seine eigene Geschichte sehr gut verkaufen kann. Und er weiß, dass man sie nur häufig genug erzählen muss, damit Leute sie für wahr halten. Das macht die politische Presse ganz verrückt, weil die es nicht gewohnt ist, dass jemand so unverblümt, schamlos und selbstbewusst Sachen frei erfindet. B Was zum Beispiel? B Wie stellen Sie sich einen Präsidenten Trump vor? Was wird er tun? Es musste immer alles großartiger sein. Seine erste Frau Ivana war nicht nur eine gute Skiläuferin – nein, sie musste eine Olympia-Skiläuferin sein, obwohl es dafür keine Belege gab. Marla Maples, seine zweite Frau, wurde für ihn zum Supermodel. Selbst seine Gegenspieler mussten immer großartig sein. Von mir erzählte er, ich sei ein Weltklasse-Pokerspieler. Wäre ich sicher gern, aber ich habe keine Ahnung, wie er darauf kam. Doch es ging ihm damit ja nur darum, dass ihn nicht irgendein kleiner Schreiberling demontiert hatte. Er lebt da in seiner ganz eigenen Welt. In der ist er der Größte. Das kann ich nicht sagen. Aber ich bin mir sicher, dass Amerika und die Welt auch einen Präsidenten Donald Trump überleben werden. OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 47 UNTERNEHMEN UND MÄRKTE Wie geht’s eigentlich ...? UNTERNEHMEN UND MÄRKTE EINST CHEF DER DEUTSCHEN BAHN EINST CHEF DER DEUTSCHEN BANK HEINZ DÜRR HILMAR KOPPER ein Lebenswerk erklärt niemand leichtfertig für voll„Die Texte müssen in ordentlichem Deutsch geschrieben sein, endet, auch Unternehmer Heinz Dürr nicht. Deshalb damit man die Schauspieler auch verstehen kann“, sagt der beschäftigt sich der 83-Jährige auch drei Jahre nach Schwabe Dürr. Eine andere Bühne, auf der der Mann mitspielt, dem offiziellen Beginn seines Ruhestands noch täglich ist die der Start-up-Welt. Sie erinnert ihn allerdings zuweilen auf mit dem Dürr-Konzern, der unter anderem etwas ungute Weise an seine Zeit als Chef Lackieranlagen für die Automobil-Industrie der Deutschen Bahn – immer dann, wenn herstellt und 1895 von seinem Großvater Paul Verluste nicht durch Gewinne, sondern Dürr (1871 – 1936) gegründet wurde. Dürr ist durch externe Geldgeber, damals war’s der Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrats, seine Bund, in aller Bequemlichkeit ausgeglichen Tochter Alexandra Mitglied im Aufsichtsrat, werden. und die Familie ist weiterhin Hauptaktionär. Bei Ubitricity, das intelligente Ladeka„Die Firma ist keine Finanzanlage, die nur bel für Elektroautos herstellt, hat er sich mit Geld produzieren soll. Es geht darum, sich als einer Millioneninvestition beteiligt. Seither Weltmarktführer weiterzuentwickeln.“ führt er den Aufsichtsrat und gibt seine ErMit einem Teil des Geldes, das der Konfahrungen weiter. „Ich versuche den jungen zern abwirft, finanziert der Ex-Chef die Leuten beizubringen, dass die Einnahmen HEINZ DÜRR Heinz- und Heide-Dürr-Stiftung, die er mit am Ende größer sein müssen als die AusgaF *16. Juli 1933 in Stuttgart seiner Frau vom Berliner Gendarmenmarkt ben und eine gute Idee allein nicht ausreicht.“ F Gelernter Schlosser, Maschinenaus leitet. Den Großteil der rund 2,5 MillioDürr lebt mit seiner Frau in Berlin. 1991, baustudium nen Euro investieren die Dürrs in Wissenals er die Führung bei der Bahn übernahm, F 1969 Geschäftsführer Firma Dür r schaft und Forschung, Bildung und Soziales zog er in die Hauptstadt und blieb. Heute F 1980 – 1990 Vorstandsvorsitzender sowie Kunst und vor allem Kultur. führt er in seinem Haus in Zehlendorf „ein AEG (Foto: 1981 mit Kanzler Schmidt) Sein „besonderes Anliegen“, sagt Dürr, ganz normales Leben“, gelegentlich besucht F 1991 – 1997 erster Vorstandssei das deutschsprachige Autorentheater. von seinen Töchtern und Enkeln. vk vorsitzender der Deutschen Bahn enn Hilmar Kopper (81) aus der Stube seines Kopper freilich: Neben seinem Deutsche-Bank-Engagement 320 Jahre alten, denkmalgeschützten Fachwerk(nach seiner Ablösung 1997 durch Rolf E. Breuer leitete er bis hauses schaut, dann sieht er „bis zum Horizont 2002 den Aufsichtsrat) kam er addiert auf mehr als 60 Mandate kein menschliches Bauwerk, nur Wald und Wiein Kontrollgremien, zuletzt gab er Anfang 2013 die Oberaufsicht sen – wunderschön“. Und wenn er Glück bei der HSH Nordbank ab. Heute arbeite er hat, schaut ein Hase zu ihm hinein oder ein nur noch ehrenamtlich. Geld zu verdienen Falke lässt sich auf einem seiner Terrassen„gehört sich für mein Alter nicht“. stühle nieder: „Die Tiere kommen hier bis an Kopper fördert und berät in Frankfurt meine Tür.“ Seit 15 Jahren wohnt der frühere gleich drei Kultureinrichtungen: das Städel, Deutsche-Bank-Chef (1989 – 1997) mit seiner das Karikatur- sowie das Historische MuseFrau, der Willy-Brandt-Witwe Brigitte Seeum; ferner unterstützt er die Kronberg-Acabacher, in diesem Haus im Westerwald bei demy, eine Ausbildungsstätte für BratschisMontabaur. ten und Violisten. Die Lage sei ideal: Mit seiner S-Klasse „Ich genieße es am meisten, das zu tun und („Wenn man 17 Jahre lang Daimler-Auf Daimler-Aufzu sagen, was ich möchte. Das ist die größte sichtsrat war, fährt man nichts anderes Erleichterung.“ Zu Deutsche-Bank-Zeiten HILMAR KOPPER mehr“) gleitet er in einer Stunde sowohl wurde Kopper seine Unbekümmertheit zum F *13. März 1935 in Westpreußen nach Frankfurt als auch nach Köln. In beiVerhängnis, als er jene 50 Millionen Mark F 1954 Abitur in Köln den Städten besucht das Ehepaar gern Oper Schulden des Baulöwen Jürgen Schneider F Lehre bei der Deutschen Bank oder Museen; in Frankfurt besitzt Kopper als „Peanuts“ bezeichnete; der Begriff wurde F 1977 Berufung in den Vorstand auch noch ein Büro. Zweimal die Woche 1994 zum Unwort des Jahres gewählt. Ärgert F 1989 – 1997 Vorstandssprecher der fährt er dorthin, „aber ich will nicht so tun, ihn das noch? „Ach, Sie wollen ja nicht wissen, Deutschen Bank (Foto: 1996 mit als würden da Berge von Papier auf meinem wie viele Manschettenknöpfe in ErdnussHelmut Kohl, Jürgen Sarrazin (r.)) Schreibtisch liegen“. Genug gearbeitet hat form ich zugesandt bekommen habe.“ kni F Mehr als 60 Aufsichtsratsmandate W 48 FOTOS: ANDREAS FRIESE, BERND HARTUNG, ULLSTEIN, PRIVAT S BILANZ / OKTOBER / 2016 OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 49 IDEEN UND INNOVATIONEN IDEEN UND INNOVATIONEN SCHWEBEN MIT ÜBERSCHALL Die Idee, es jetzt zu tun, sie jetzt zu bauen, hatte Tesla-Gründer Elon Musk: Hyperloop, eine Magnetschwebebahn, die mit 1.220 Sachen durch die Finsternis einer luftleeren Röhre jagt. Hyperloop One setzt auf das große Geld aus dem Silicon Valley. TEXT / JÜRGEN SCHÖNSTEIN 50 BILANZ / OKTOBER / 2016 . Rob Lloyd ist unrasiert. Und spät dran. Und erkennbar unfroh darüber: Es tue ihm leid, aber er komme „gerade vom Flughafen: alle Straßen verstopft“, entschuldigt der 60-jährige Boss der Firma Hyperloop One seine 45-minütige Verspätung. Wir haben während des Wartens seinen rund 200 Technikern und Ingenieuren bei der Arbeit zugeschaut: in einer ehemaligen Lagerhalle in Downtown Los Angeles. Sie entwickeln ein Hochgeschwindigkeits-Verkehrsprojekt, das die Welt mal wieder umkrempeln soll. Das Tempo, das sie anschlagen, ist entsprechend hoch: Obwohl vom Hyperloop-One-System noch nicht mal ein Modell existiert oder eine einzige Trasse auch nur vermessen wurde, soll in spätes- tens vier Jahren die erste kommerzielle Strecke in Betrieb genommen werden. Die Idee für ein Transportmittel, das sich in einer Röhre ohne Luftwiderstand fortbewegen kann, reicht so weit zurück wie die Geschichte der Eisenbahn selbst. Zu Papier gebracht wurde die Invention erstmals von dem englischen Ingenieur, Erfinder und Druckluftexperten George Medhurst anno Tobak 1812 – acht Jahre nach Erfindung der Dampflokomotive, aber 13 Jahre bevor überhaupt die erste Eisenbahnstrecke geschient worden war. Doch zum Durchbruch der Idee oder zumindest zu ihrer Inangriffnahme verhalf ihr erst der Internetmilliardär, Elektroauto-, Raumfahrt- und Kreativunter- OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 51 IDEEN UND INNOVATIONEN DIE AMERIKANER nehmen das Projekt Hyperloop schon deshalb ernst, weil Elon Musk es propagiert, der Mann, dem nichts schiefgeht. Noch sind die meisten Fragen freilich unbeantwortet: Es ist weder beschlossen noch besiegelt, weder ausgekocht noch abgemacht, ob zunächst Fracht oder Mensch expediert, ob Großräume erschlossen und verkehrsverknotet oder ob Fernziele verbunden und verknüpft werden sollen. Noch sind Konstrukteure und Ingenieure sich nicht einig, ob die Kabinen durch die Inhaltslosigkeit selbst oder durch extrem verdünnte Luft rasen und welche Probleme dabei auftreten. Und schon gar nicht steht fest, wie viele Strecken betrieben und wie sie bezahlt werden sollen. Doch die Westküste der USA ist das Land der Pioniere, Schausteller und Traumtechniker. Ein Landstrich im Zustand der Dauererregung. Und so kam es, dass die orthodoxen Risikokapitalisten im Siliziumtal, dessen Verkehrsadern zwischen San Francisco und San José tagtäglich zur Stoßzeit verstopfen und versumpfen und sich sklerotisch verschließen, die Idee des Hin-und-her-Rasens mit Gefallen betrachteten. Zumal der Name „Musk“ lieblichen Wohlklang besitzt. Folge ist, dass heute gleich zwei Teams um die erste funktionstüchtige Hyperloop-Strecke miteinander im Wettbewerb stehen: Keine 20 Kilometer von Lloyds Hyperloop One entfernt, versucht der deutsche Traumtänzer und Bankkaufmann Dirk Ahlborn (s. S. 55) mit seiner Firma Hyperloop Transportation Technologies, den vor ihm liegenden Konkurrenten einzuholen. Doch der verfügt über einen uneinholbaren Vorsprung. Der Frage nach seiner Finanzierung ausgesetzt, sieht sich Lloyd zu einem Eigenlob provoziert: „Wir haben in knapp zwei Jahren 130 Millionen Dollar auftreiben können.“ Genug, um jeden Monat bis zu 20 neue Ingenieure einzustellen – beachtlich für eine so junge Firma. Der Risikofinanzier Shervin Pishevar und der Ex-Space-X-Ingenieur Brogan BamBrogan (inzwischen im Streit ausgeschieden) haben Hyperloop One 2013 in die Register eingetragen, wenige Monate, nachdem Musk sein Thesenpapier angeschlagen hatte. Im Beirat sitzen Autoritäten wie Jim Messina, einst Berater von US-Präsident Obama, und der Raumfahrtunternehmer Peter Diamandis. Im September 2015 verpflichteten sie den Kanadier Lloyd als Geschäftsführer: Er kommt vom Netzwerkausrüster Cisco, wo er mit einer Abfindung in Höhe von elf Millionen Dollar außer Kraft gesetzt worden war, nachdem man ihn bei der Nachfolge des Vorstandschefs John Chambers leider übergehen musste. Lloyd rückte schon bald von Elon Musks Idee ab, eine Expressverbindung zwischen L.¦A . und Frisco zu bauen. Ihm schweben Kurzstrecken vor: „Wir könnten zuallererst mit einem Frachtsystem anfangen, das eine Alternative zu überlasteten Verkehrsverbindungen wäre.“ Ganz nach seinem Geschmack wäre „vielleicht eine 50 Kilometer lange Prototyp-Strecke in dicht besiedelten Großräumen, wo wir die Transportzeiten um Stunden verkürzen könnten“. Ein derartiges Frachtsystem eigne sich sowohl für Europa als auch für die Staaten am Golf. Eine Vereinbarung mit DP World, dem drittgrößten Hafenbetreiber der Welt mit Sitz in Dubai, ist bereits unterschrieben. Im Passagierverkehr ist ein System aus innerstädtischen Knotenpunkten in einem radialen Netz denkbar, das 200 Kilometer weit reicht. „Pendler könnten trotz dieser Entfernung in elf Minuten an ihrem Arbeitsplatz sein – das würde den Arbeitsmarkt und die Idee eines Wirtschaftsraums ganz neu definieren.“ Zunächst jedoch müssen die Hyperloop-Leute die Technik ihres Superzuges definieren: Wollen sie beim passiven Magnetschwebesystem bleiben, in dem die Passagierkabine mit Dauermagneten bestückt ist und die Röhre als ultralange elektrische Spule wirkt? Oder lieber ein aktives benutzen wie beim Transrapid? Man denke über das eine wie das andere nach, sagt Andrea Vaccaro, der bei 60 PASSAGIERE PRO POD: So heißen die Waggons im pfeilschnellen Hyperloop – der so wie im Bild aussehen kann. Oder ganz anders. 52 FOTOS: HYPERLOOP ONE, TOMAS MUSCIONICO nehmer, Wirtschaftsweltstar sowie Allround-Weise -Weise Elon Musk (45). Musk hatte sich darüber er- und aufgeregt, dass der Bundesstaat Kalifornien zwischen 40 und 70 Milliarden Dollar in eine klassische Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitslinie von San Diego nach Sacramento stecken will. Zu langsam, zu altmodisch, zu teuer. Von verschleppten Konzepten, stati schem Vorankommen oder gar fatalen Kurzschlüssen gar nicht zu reden. Musk war sehr unzufrieden. Im August 2013 veröffentlichte er sein „Hyperloop-Alpha-Thesenpapier“. Es entfachte noch im 3.700 Kilometer entfernten Weißen Haus eine Helle und Begeisterung, dass US-Präsident Barack Obama eine Nacht lang keinen Schlaf fand. Für ein Zehntel der veranschlagten Baukosten versprach Musk ein Doppelröhrensystem, das Los Angeles und San Francisco mit kleinen, rund 1.220 Stundenkilometer pfeilschnellen Passagierschlitten („Pods“) verbinden würde. Keine geölten Blitze auf Rädern, sondern rasende Schwebeteilchen: eine Kreuzung aus Transrapid und Rohrpost. ROB LLOYD IST SIEGESSICHER: „ Deshalb heißen wir ja Hyperloop One.“ BILANZ / OKTOBER / 2016 © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 IDEEN UND INNOVATION IDEEN UND INNOVATIONEN IDEEN UND INNOVATIONEN 54 fahrenen Zeitvorteile nicht zu verspielen – niemand weiß es. Im Auftrag von Hyperloop One kalkulierte die Wirtschaftsprüfungsfirma KPMG die Baukosten. Ergebnis der ersten Modellrechnungen: 33 bis 35 Millionen Euro pro Kilometer – ungefähr so viel, wie die Deutsche Bahn für eine ICE-Teilstrecke zwischen Berlin und München für 1.000 Meter ausgab. „Aber wir können dafür die drei- oder vierfache Leistung erbringen“, sagt Lloyd. Und ein Fahrtausweis werde am Ende nicht teurer sein als ein normales Bahn-Billett. Natürlich hat der Mann vom deutschen System-Flop Transrapid gehört – und verwahrt sich gegen einen Vergleich: „Nein! Nein! Bei allem Respekt für deutsche Ingenieurskunst und Gründlichkeit: Der Fehler des Transrapid war, dass er zu lange brauchte, um den technischen Erfolg auch in ein reales Verkehrsprojekt umzumünzen.“ Er, Lloyd, arbeite eng mit denkbaren Kunden zusammen. Ein Transrapid-Schicksal könne er ausschließen. Die erste Magnetschlittenfahrt in der Wüste Nevadas, die Hyperloop One im Mai inszenierte, war eine nette Schau für die Geldgeber, gab aber wenig Aufschluss über das, was am Ende herauskommen wird. Denn um Hyperloop zur Marktreife zu bringen, bedarf es noch ein paar Hundert Millionen Dollar mehr. Wirklich wahr: An diesem Punkt des Gesprächs klingelt das Telefon. Ungelogen. „Ein wichtiger Anruf“, sagt Lloyd. „Entschuldigen Sie mich einen Moment.“ Nach fünf Minuten ist er wieder zurück: Ein lange umworbener Investor habe ihm gerade die größte Einzelbeteiligung an Hyperloop One zugesagt. Wer und wie viel, das könne er leider nicht verraten – doch es sei „eine enorme Menge Geld“. Genug, um aufs Gas zu treten. Radikal digital: Ein Deutscher entwickelt den Hyperloop ohne Geld. TEXT / VOLKER TER HASEBORG ... Dirk Ahlborn zeigt sich von Hyperloop One unbeeindruckt. „Eine typische Silicon-Valley-Firma: Da geht’s darum, so viel Geld wie möglich aufzutreiben, es so schnell wie möglich auszugeben und dabei so groß wie möglich zu erscheinen.“ Und die Testfahrt im Frühjahr? „Kann man bei jeder Achterbahn auf dem Rummelplatz sehen.“ Hyperloop One, ausgestattet mit 130 Mio. Dollar, beschäftigt 200 Techniker. Hier arbeitet eine „Bewegung”: HTT-Chef Ahlborn mit Kollegen. FOTOS: GOOGLE, TOMAS MUSCIONICO, HYPERLOOP TRANSPORTATION TECHNOLOGIES Hyperloop One für die Betriebssicherheit des Systems zuständig ist. Fenster oder nicht? Beides möglich. Überirdisch auf Pfeilern, wie von Musk vorgeschlagen, oder unterirdisch in Röhren? Oder gar unter dem Meer? Werde alles am Rechner durchgespielt. Nicht einmal der Röhrendurchmesser steht fest. Vaccaro sagt nur „etwa elf Fuß“, also 3,65 Meter. In dieser Größe sind jedenfalls die Röhrensegmente ausgelegt, die auf dem Hof in Los Angeles zusammengeschweißt werden für die Montage auf der Teststrecke in Nevada. Ja, alles sei noch ungeklärt, sagt Doug Hart, Professor am MIT in Boston. Er hat ein Hyperloop-Studentenprojekt betreut und damit gegen 900 Hochschulteams einen Wettbewerb gewonnen, den Elon Musk über seine Weltraumfirma Space X ausgelobt hatte. Wenn es darum gehe, Magnetschwebetechnik in eine nahezu luftleere Röhre zu packen, sagt Hart, „dann wissen wir doch noch nicht einmal, welches Wissen uns fehlt“. Musks Vorschlag, etwa ein Tausendstel des atmosphärischen Luftdrucks beizubehalten und diese Restluft mittels einer Turbine um die patronenförmige Kabine herumzuleiten, löse immerhin ein paar der Probleme. Doch selbst geringster Luftdruck ruft Widerstand hervor: Auch die dünnste Luft erhitzt sich, wenn man sie zusammenpresst, und Strömungen können die Kabine ins Rütteln bringen – Vibrationen, die katastrophale Folgen haben. Hyperloop One wisse noch nicht einmal, wie der Prototyp aussehen soll, der 2020 durch die erste kommerzielle Tunnelstrecke schießen soll. Von einer Marktreife seien die Konzepte weit entfernt: „Wer da jetzt schon viel Geld hineinsteckt, ist nicht bei Sinnen“, sagt Hart. Bis zu 60 Personen sollen in einem „Pod“ Platz finden. Mit zwei bis drei Pods pro Minute hätte das System eine Transportkapazität von 173.000 bis 260.000 Passagieren am Tag – vorausgesetzt, man bringt die schnell genug in die Röhre. Wie solche „Bahnhöfe“ indes aussehen könnten, die ohne Bahnsteig auskommen und wo Passagiere in Minutenschnelle einund aussteigen müssten, um die einge- Den Konkurrenten Dirk Ahlborn, der nur ein paar Kilometer entfernt an seiner Hyperloop-Version arbeitet, nimmt Lloyd nicht ernst: „Wir sind die Einzigen, die das Zeug haben, dieses Projekt durchzuziehen“, sagt er. „Darum nennen wir uns ja auch ,Hyperloop One‘.“ ... BILANZ / OKTOBER / 2016 Dem 39-jährigen Ahlborn, Gründer von Hyperloop Transportation Technologies (HTT), fehlt es an Geld, aber nicht an Selbstbewusstsein. Davon hat er so viel, dass er Weizenfelder darauf anbauen könnte. Keine 20 Kilometer von Hyperloop One entfernt, arbeitet er an seiner ganz eigenen Hyperloop-Version. Ahlborn ist Berliner, in Wedding geboren, in Reinickendorf und Spandau aufgewachsen. Ein umtriebiger, straßenschlauer Kerl. Nach der Schule machte er eine Lehre bei der Berliner Bank, zog mit 19 Jahren aber nach Italien und gründete dort nach und nach ein paar Firmen, die sich mit er neuerbaren Energien befassten – Solar an la gen, Pel let-Hei zun gen und dergleichen. Auch im Immobiliengeschäft hatte er wohl eine Zeit lang einiges laufen. Vor sieben Jahren verliebte er sich in eine Amerikanerin, sie wurde schwanger, Ahlborn verkaufte seine Firmen, zog zu seiner Freundin nach Los Angeles, arbeitete zunächst in einem Gründerzentrum, denn aufs Gründen verstand er sich ja, und zog dann mit Kollegen die Internetplatt form Jumpstart fund auf, die auf dem sogenannten Crowd sourcingModell beruht, bei dem Sachverständige aus aller Welt und solche, die sich dafür halten, über das Internet zusammenarbeiten. Ins Büro kommt praktisch niemand. Das Internetlexikon Wikipedia etwa ist ein solches Angebot, das von „ausgelagerten Menschenmengen“ unablässig vervollständigt wird. Den Initiator Musk hat Ahlborn noch nie getroffen. Warum auch? Von dessen Ideen für die Hyperloop-Technik findet sich bei Ahlborn sowieso nicht mehr viel. Er will sein eigenes Ding drehen. „Ich wollte keine Firma gründen, sondern eine Bewegung“, sagt er. Die Kräfte der Selbstüberschätzung, die in ihm arbeiten, sind groß. Bei Konkurrenten ruft Ahlborn deshalb immer wieder Heiterkeit hervor. Seine „Bewegung“ umfasst mittlerweile angeblich mehr als 800 Menschen. Ingenieure, Programmierer, Gestalter, Finanzexperten – Leute, die bei Apple, Boeing, Facebook, der Nasa oder an Universitäten arbeiten und sich mit Hyperloop nur nebenbei beschäftigen. Ein Gehalt beziehen die Teilzeitkräfte nicht, die besten von ihnen aber Ak tienoptionen – wenn es eines Tages mal so weit ist mit dem Börsengang. Zu Ahlborns Konföderation gehören mutmaßlich über 35 Forschungseinrichtungen und Firmen, darunter Oerli kon Ley bold in Köln („Benötigen Sie Vakuum? Seit über 165 Jahren liefern wir Pumpen...“) und Reflekt aus München, eine Anstalt, die Anwendungen zur rechnergestützten Erweiterung des Sinneserlebens entwickelt. Reflekt-Bildschirme könnten eines Tages für eine scheinbare Aussicht aus der ge schlos senen Hy perloop-Kapsel sorgen. Den Überblick bewahren 35 fest angestellte Kräfte. Gegenüber dem ebenfalls 2013 gegründeten Rivalen Hyperloop One habe er „zwei Jahre Vorsprung“, sagt Ahlborn wohl rein gefühlsmäßig, denn begründen lässt sich seine These nicht. Wie viel Geld schon in HTT steckt? Ahlborn rechnet großzügig ArbeitsOKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 55 stunden, Patente, Finanzmittel zusammen... ... und kommt auf „ungefähr 80 Millionen Dollar“. Geld sei sowieso und überhaupt gar kein Problem. „Die Investoren stehen Schlange.“ Welche das sind, mag er nicht verraten. Aber das mindert nicht seine erhabene Stimmung. Einer seiner 800 Freien hätte sogar 1,7 Millionen Dollar in HTT investiert. Auch diesen Namen kann er leider nicht nennen. Unter der HTT-Postanschrift findet man eine Lagerhalle mit Bogendach in der Nähe von Santa Monica, ein paar Kilometer vom Stillen Ozean entfernt. Was im Silicon Valley die Garagen waren, sind in L.A . die Lagerhallen. Es gibt zwei Sitzungsräume, aber Sitzungen finden praktisch nie statt. Was in der Natur des Geschäftsmodells liegt. Das Allerheiligste steht in der Halle ganz hinten: „Unsere Kapsel, unsere Rohre, eine Vakuumpumpe.“ Zutritt strengstens untersagt. In „zwei Monaten“, kündigt Ahlborn an, werde er der Welt in diesem Schau-Raum seinen Hyperloop präsentieren: ein Modell aus Kohlefaser. Das Modell aus Pappe kommt dann weg. Ahlborn ist selten daheim, die meiste Zeit befindet er sich auf Reisen. Er hat immer Englische Wochen, ewiger Schichtdienst. Ende September war er in Berlin: Verkehrstechnik-Messe Innotrans. Ich treffe ihn am HTT-Stand in Halle 20: Ahlborn ist 1,95 Meter groß, er trägt einen dunkelblauen Nadelstreifen-Anzug, dunkelblaue Turnschuhe, ein hellblaues, weit aufgeknöpftes Hemd, fliederfarbene Socken mit blauen Punkten. Grau ist alle Theorie und Blau die Farbe der Optimisten. Ich soll mir seinen Hyperloop gleich einmal ansehen. Ein Mitarbeiter setzt mir eine Datenbrille auf: Ich blicke in einen Wagen, der 28 Passagiere in 36 Minuten von Los Angeles ins 560 Kilometer entfernte San Francisco bringen soll. Raumgefühl: ähnlich wie im ICE. Die Fenster sind keine Fenster. Es sind Bildschirme. Man rast ja nicht durch eine Glasröhre. Ahlborn braucht jetzt einen Espresso. Er geht zu einem Kaffeestand, setzt sich mit dem Pappbecher nach draußen auf eine Steinmauer. „Hier geht es nicht um Science-Fiction. Der Hyperloop kommt. Schneller, als manche Leute denken.“ Er will den Leuten zeigen, dass er kein Schaumschläger ist. Hyperloop- OneMitgründer Brogan BamBrogan („ein netter Kerl“) hatte HTT als Versammlung von „Sommerpraktikanten“ verspottet. HTT will dieselbe Technik nutzen wie Hyperloop One: ein passives Magnetschwebesystem in Stahlröhren mit einem Durchmesser von 3,7 Metern. Befördert werden sollen Menschen. Fracht – das sei zu einfach, sagt Ahlborn verächtlich in Richtung Hyperloop One. Die Streckenkosten beziffert er mit elf Millionen Euro je Kilometer, damit wäre Ahlborns System dreimal billiger als Hyperloop One. Fernbeziehun gen werden bald kein Problem mehr sein. Eine zentrale Rolle in seiner Fantasie spielen offenbar die Digitalfenster des HTT-Schlittens. Jeder Passagier soll in den Fenstern sehen, was ihn interessiert: Filme zum Beispiel. Werbeeinblendungen würde HTT vermarkten und auch am Direktverkauf teilhaben. Die Fahrt mit dem Hyperloop finanzieren dann praktisch jene Firmen, die ihre Waren feilbieten. Und wenn nicht – selbst mit einem Ticketpreis von 30 Dollar würde sich eine Strecke wie Los Angeles–San Francisco nach acht Jahren alleine tragen. Ja, auf seine Monitorfenster ist Ahlborn ganz besonders stolz. Er redet fast ein bisschen zu viel von ihnen. Wie jemand, der meint, dass er Flugzeuge bauen könnte, weil er eine bessere Idee für den Bildschirm in der Sitzlehne hat. Der übliche Digital-Populismus. Man kennt die Geschichten vom Kühlschrank, der den Quark selbst bestellt, wenn er alle ist. Noch in diesem Jahr will HTT in Kalifornien mit dem Bau einer acht Kilometer langen Teststrecke beginnen. In Quay Valley, zwischen Los Angeles und San Francisco. Der Bauantrag ist gestellt, aber der Flächennutzungsplan noch nicht verabschiedet. Sobald die Genehmigung da ist, „dauert es noch 36 Monate, bis der Hyperloop fährt“. Es könne sogar sein, dass sein „Pod“ zuerst durch Europa jage – in der Slowakei. In Bratislava soll „ein lokales Projekt“ entstehen, später werde die Stadt mit Wien und Budapest verbunden. „Da wird es demnächst was Neues geben.“ Plötzlich ruft er: „Oh, shit, ich muss los“ und springt auf. Er hat einen Termin am Messestand der Deutschen Bahn. Wenig später sitzt Ahlborn an einem Tisch mit Christoph Kraller. Kraller ist Geschäftsleiter der Südostbayernbahn, er trägt eine Bahn-Uniform mit roten Streifen am Ärmel und Namensschild: „Herr Kraller“ glüht vor Freude. Er will in seinen Waggons die Technik von HTT ausprobieren – die digitalen Fenster etwa oder einen Reiniger, der Bakterien und lästige Gerüche aus dem Abteil verbannt. „Seine Leistung ist das Hirn“, sagt Kraller und zeigt auf Ahlborn. „Meine Leistung wird sein, das auf die Schiene zu bringen. I find’ des superspannend!“ Dirk Ahlborn nickt. Endlich mal einer, der ihm glaubt. . ZUKUNFTSTRAUM 38 Passagiere sollen eines Tages in Ahlborns Jagdschlitten Platz finden – falls der jemals gebaut wird. 56 FOTOS: HYPERLOOP TRANSPORTATION TECHNOLOGIES, ANDREAS FRIESE IDEEN UND INNOVATIONEN „DAS IST NICHT SCIENCE-FICTION“: Der Berliner HTT-Chef Dirk Ahlborn ist überzeugt, das Hyperloop-Rennen zu gewinnen. BILANZ / OKTOBER / 2016 © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 Hand in Hand ist … ... gemeinsamen Plänen den perfekten Rahmen zu geben. SIE SIND DIE GRUNDLAGE IHRES ERFOLGS. Ein garantiertes Erfolgsrezept für Gründer? Gibt es nicht. Vor allem harte Arbeit erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Unternehmer ihr Ziel erreichen. Dabei spielt Ihre Gesundheit eine entscheidende Rolle. Die Geschäftsidee feintunen, strategische Meilensteine definieren, loslegen – wer sich selbstständig macht, weiß für gewöhnlich, wo er hinwill. Das Gros der Gründer arbeitet dann mit aller Kraft darauf hin, den Traum vom erfolgreichen Start-up zu verwirklichen. Das geht oft bis tief in die Nacht – und nicht spurlos an der eigenen Verfassung vorbei. Auf einmal ersetzen Schokoriegel und Filterkaffee das Abendessen, das Squashtraining fällt aus und der Schlaf war auch schon erholsamer. Kaum verwunderlich, wenn Kör Körper und Geist da irgendwann nicht mehr mitspielen. Rückenschmerzen, Übergewicht, Burnout? Typische Unternehmerleiden. Ohne den Geschäftsführer droht dem personell chronisch schmal ausgestatteten Start-up dann schnell das Aus. Regelmäßige Pausen, gesunde Ernährung und Sport können zwar helfen, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Doch im akuten Fall geht nichts über eine optimale medizinische Versorgung. Diese hängt wiederum stark von der Versicherungssituation des Unternehmers ab. Grundsätzlich darf er zwischen der gesetz gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der privaten Krankenversicherung (PKV) wählen. Für die GKV muss ein Antrag auf freiwillige Mitgliedschaft gestellt werden. Mit einem Beitragssatz von aktuell durchschnittlich 15,1 Prozent ist sie besonders anfangs günstig. Darin enthalten sind aber kein Anspruch auf Krankengeld und nur ein überschaubarer Leistungskatalog. Zudem steigt der Beitrag mit dem Einkommen. Dem ge- Die fünf wichtigsten Unterschiede Gesetzliche Krankenversicherung • Beitragshöhe richtet sich nach Bruttoeinkommen, Miet- und Pachteinnahmen sowie Kapitalerträgen • Gesetzgeber gibt den Leistungskatalog in hohem Maße vor • Bei fehlerhafter Beitragsbemessung gibt es keine Beitragsrückerstattung – Nachforderungen hingegen schon • GKV-Mitglieder können via Antrag als Gründer freiwillig gesetzlich versichert bleiben • Familienmitglieder mit geringem oder ohne Einkommen sind kostenlos mitversichert Private Krankenversicherung • Beitragshöhe ergibt sich aus gewählten Leistungen und erwartetem Risiko (Alter und Gesundheitszustand) • Leistungskatalog lässt sich individuell zusammenstellen • Nichtinanspruchnahme von Leistungen kann zu Beitragsrückerstattungen führen • Antragsteller werden Gesundheitsprüfung unterzogen und unter Umständen abgelehnt • Familienmitglieder benötigen eigenen beitragspflichtigen Vertrag genüber stehen die Vorteile der PKV. Ihre Beiträge errechnen sich unabhängig vom Einkommen, was Planungssicherheit verschafft. Außerdem lässt sich ihr Leistungsumfang nach dem Baukastenprinzip frei gestalten. Das kommt Selbstständigen entgegen. Sie erhalten das, wofür sie bezahlen, und können den Tarif auf ihre Bedürfnisse abstimmen. Schwere Erkrankungen sollten zum Beispiel unbedingt abgesichert sein – eine Erkältung hingegen dürfte die wenigsten Gründer von der Arbeit abhalten. Aus diesem Grund treffen Selbstständige mit einem höheren Selbstbehalt oft die bessere Wahl. Ein garantiertes Gesundheitsrezept gibt es nicht. Wohl aber passende Absicherungen für alle, die eigentlich keine Zeit haben, um krank zu sein. Beispielrechnung BILANZ werb rwettbe e d n ü r G e Up!“: „Start M 3.2017 Bis 31.0 en! teilnehm ter fos un Mehr In anz.de www.bil Bestimmte PKV-Tarife sind günstiger als der niedrigste GKV-Tarif. Hand in Hand ist … Der niedrigste Beitrag in der GKV liegt bei € 253,46 monatlich (15,1 % von € 1.452,50, berücksichtigt ist der durchschnittliche Zusatzbeitrag von 1,1 %), aber nur, wenn und solange die Bundesagentur für Arbeit einen Gründerzuschuss zahlt. Ihr Businessplan steht. Für die Zukunft Ihres Unternehmens haben Sie an alles gedacht – aber wie sieht es mit Ihnen persönlich aus? Wenn es um Ihre Kranken-, Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherung oder Ihre Altersvorsorge geht, können Sie sich als Gründer auf die HanseMerkur verlassen. Setzen Sie auf die Stärke der Gemeinschaft eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit und stellen Sie mit uns Ihr individuelles Versicherungspaket mit Tarifen nach Maß zusammen! Wie können wir Ihre Pläne unterstützen? Den Start Fit Tarif erhält ein 30-Jähriger bei der HanseMerkur dagegen schon für € 203,61 (inkl. Gesundheitsrabatt) und der Beitrag verändert sich nicht, wenn das Einkommen steigt! © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 IDEEN UND INNOVATIONEN IDEEN UND INNOVATIONEN BEWERBEN SIE SICH BEI FEIERN UND VERKAUFEN Was beim Roboter-Programmierer und „Start me up!“-Sieger Artiminds zuletzt geschah. „DIE GENERATION Y TICKT ANDERS“: Artiminds-Leute nassforsch beim Sommerfest in Karlsruhe. Nervös machen mich solche Termine mit Produktionsleitern und Chefstrategen nicht mehr. Das werde ich nur, wenn mir eine Veranstaltung genau 30 Sekunden pro Folie Zeit lässt, das kann ich nämlich nicht gut: Ich spreche frei oder gar nicht. Vor dem Rückflug treffe ich mich am Flughafen noch mit einem Vertriebsmann. DEUTSCHLANDS GRÜNDERWETTBEWERB MIT DEM HÖCHSTDOTIERTEN HAUPTPREIS FREITAG, 9. SEPTEMBER Firmenchef Sven Schmidt-Rohr (34) über bewegende September-Tage: SAMSTAG, 3. SEPTEMBER Bei einem Start-up kümmert sich der Chef um alles. Für uns heißt das: Fleisch und Tofu in den Kofferraum, später Planschbecken aufblasen, mit Wasser füllen und uns an den Grill stellen. Abends wird in einem gemieteten Zirkuszelt zu Reggaeton, Pop und Schlager getanzt. Die Generation Y tickt anders; um sie zu motivieren, ist es wichtig, dass man sich auch mal außerhalb des Büros zu einer Feier trifft. Aber das artet nicht aus wie bei der Ergo-Versicherung. bleiben so nah an der neuesten Forschung und mit den Studenten in Kontakt. Jedem Gründer empfehle ich, sich einen Mentor zu suchen. Unserer ist länger als 35 Jahre im Geschäft, Vorstand eines sehr bekannten Unternehmens und im Übergang in den Ruhestand, weshalb er bei Treffen immer sehr gut vorbereitet ist und sich viel Zeit nimmt. Wir sehen uns ein- bis zweimal im Monat, gerade berät er uns zu unserer geplanten Finanzierungsrunde. Er hilft uns sehr, uns in unseren Entscheidungen sicherer zu fühlen – oder auch noch mal länger über etwas nachzudenken. Bisher haben wir sehr viel aus der Uni heraus rekrutiert. Jetzt muss es schneller gehen: Vertrieb, Marketing, Entwicklung, wir müssen alle Teams ausbauen. Erster Ansprechpartner ist für uns das Cyberforum, ein lokales Hightech-Unternehmer-Netzwerk in Karlsruhe. Mitarbeiter zu gewinnen ist heute, wie ein Produkt zu verkaufen: Man muss mit seiner ganzen Story überzeugen. Gerade als kleine und noch relativ unbekannte Firma. MITTWOCH, 14. SEPTEMBER BILANZ, Deutsche Bank, Hanse Merkur, Daimler, Maschmeyer Group und Pro Sieben Sat 1 haben eine Initiative für Gründergeist und innovatives Unternehmertum gestartet. Wir suchen junge und jung gebliebene Frauen und Ausgerechnet heute, wo es ohnehin zeitlich eng ist, kommt eine Anfrage rein, die sofort bearbeitet werden muss. Dumm, wenn dann die studentischen Mitarbeiter ihre Stunden schon verbraucht haben. Die Antwort auf die Frage „Wer macht das jetzt?“ heißt dann zwangsläufig: die Chefs. 60 BILANZ und seine Partner unterstützen die Gründerbewegung mit Geld und Geist: Der Sieger von „Start me up!“ erhält 100.000 Euro Preisgeld sowie ein Coaching bei der Investor-Legende Peter Thiel im Silicon Valley. „Das wichtigste Unternehmen der Welt von morgen kommt vielleicht aus Deutschland – und hat vor einem Jahr vielleicht noch nicht einmal existiert.“ Peter Thiel, Gründer-Legende im Silicon Valley und Unterstützer von „Start me up!“ UNSERE PARTNER FREITAG, 16. SEPTEMBER Auf dem Gang ertönt ein Gong. Das heißt: Es gab einen Sale , in dem Fall sogar einen, mit dem ich nicht gerechnet habe. Ich laufe raus: Wer war das? Unsere Sales sind meist groß genug, um zwei Mitarbeiter einen Monat lang davon zu bezahlen. Sophie Crocoll Männer, die sich nicht mit Mittelmaß und Durchschnitt zufriedengeben, sondern mutig und risikofreudig sind, Menschen, die ihre Talente nutzen – und ein erfolgreiches Unternehmen aufbauen wollen. Eine prominent besetzte Jury kürt den Sieger des höchstdotierten Gründer wettbewerbs: Andreas von Bechtolsheim, Multi-Gründer, Unternehmer, Großinvestor und einer der Superstars des Silicon Valley, ist Vorsitzender der Jury. Weitere Mitglieder der Jury sind unter anderem Karlheinz Brandenburg, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie, Unternehmer und Finanzinvestor Carsten Maschmeyer, Hans Georg Näder, Inhaber des Medizintechnik-Konzerns Ottobock, Daimler-Vorstandsmitglied Wilfried Porth, Eberhard Sautter, Vorstandsvorsitzender der Versicherungsgruppe Hanse Merkur, Christian Sewing, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, Christian Wegner, Vorstand Pro Sieben Sat 1. FOTOS: ARTIMINDS Wir wollen enger mit einem Institut des Karlsruher Instituts für Technologie zusammenarbeiten, also treffen wir uns mit den Verantwortlichen. Die Studenten nutzen kostenlos unsere Software in einem Lernroboter, um sich mit der Industrie 4.0 vertraut zu machen – und wir Seit wir den Gründerwettbewerb „Start me up!“ gewonnen haben, werden wir häufiger eingeladen; an diesem Tag zum Beispiel nach Berlin. Wir sollen digitalisierungswilligen Konzernen berichten, wie wir relativ schnell und günstig entwickeln – und können uns gleichzeitig möglichen Kunden vorstellen. SG N RB U : E W BE HASE P IS 16 B 20 B E R 2017 O T K Z 7. O 1 . MÄR 3 MITTWOCH, 7. SEPTEMBER DIENSTAG, 6. SEPTEMBER e Onlinnz.de ila auf B Wer kann sich bewerben? Jeder, der mindestens 18 Jahre alt ist. Eine Einzelperson, ein Team oder auch ein bereits existierendes Unternehmen. Ein bereits bestehendes Unternehmen, das nicht älter als drei Jahre ist. BILANZ / OKTOBER / 2016 OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 61 IDEEN UND INNOVATIONEN KOWALSKYS CRASHTEST DIE RUHE SELBST ILLUSION: Mit der Datenbrille können Nutzer ihr Sinneserleben um praktische dreidimensionale Effekte erweitern. Kann eine Datenbrille die Fertigung verändern? Die Jungfirma Holo-Light will Unternehmen darauf vorbereiten. A lexander Werlberger (25) könnte sich jetzt hinlegen: Hinter seinem Schreibtisch steht ein graues Auf blasbett, er trägt eine graue Baumwollhose und müsste nur seine ebenfalls grauen Pantoffeln von den nackten Füßen streifen. Aber Werlberger ist seit 15 Monaten Hauptentwickler der Tiroler Firma Holo-Light. Er hat wenig Zeit für Pausen: Seit Mitte Juli nimmt Holo-Light am Techfounders -Programm der Unternehmertum GmbH teil, dem Gründerzentrum an der Technischen Universität München in Garching. Das Programm stattet junge Unternehmen mit 25.000 Euro aus, stellt ihnen ein Büro zur Verfügung und Betreuer zur Seite. Es soll ihnen helfen, ihr Geschäft in 20 Wochen zu entwickeln und Investoren anzulocken. „Wir lernen, wie man mit gro62 ßen Kunden umgeht, wie man verkauft, also wie man eine Firma führt“, sagt Florian Haspinger (25), Chef des Sieben-Mannund-zwei-Frauen-Betriebs, und grinst. Haspinger hat einen Hexenschuss, und so tun die zwei Physiker, was ihnen ohnehin zu liegen scheint: Der Chef sitzt und albert, Werlberger führt das Gerät vor, für das Holo-Light Programme entwickelt und im Gründerzentrum zu weiterer Reife treibt: die Datenbrille „Hololens“ von Microsoft, die aussieht wie eine Kombination aus Skibrille und Visier und zwei- und dreidimensionale Bilder erstellt. Gesteuert wird sie über Gesten und Sprache, Kopf- und Augenbewegungen. Durch die Brille sieht man das Abbild eines Flugzeugs im Raum schweben, zwischen Bildschirmen und Besprechungstisch, etwa eineinhalb Meter über dem Teppich. „Wenn du den Raum nimmer K FOTO: SONY, MICROSOFT ICH SEHE, WAS DU NICHT SIEHST si’gsch, ist das Virtual Reality“, sagt Haspinger. „Für uns ist Augmented Reality, erweiterte Realität, die Zukunft: Du si’gsch die Umgebung – und Objekte werden reinprojiziert.“ Eine Einschätzung, die er mit AppleChef Tim Cook teilt. In einem Interview sagte der kürzlich, virtuelle Realität sei wirtschaftlich von geringerem Interesse. „ Augmented Reality dürfte weitaus wichtiger werden.“ Wie so eine erweiterte Wirklichkeit aussehen kann, wissen viele, seit sie im Juli, über ihre Telefone gebückt, auf Parkplätzen und Friedhöfen Pokémons jagten. Auch Holo-Light kann sich vorstellen, Spiele zu entwickeln – vor allem aber wolle die Firma „der Industrie die Arbeit erleichtern“, sagt Haspinger. Mit einer Datenbrille und entsprechenden Programmen ließen sich beispielsweise Bauteile schneller auf Fehler prüfen. Arbeiter könnten, unterstützt durch dreidimensionale Bilder und Erklärvideos, eine Maschine reparieren. Auch für Ärzte und Händler sei die Technik von Nutzen, sagt Tobias Rappers, der ein Gründerzentrum in Berlin leitet: Ein Chirurg könnte bei Operationen das schlagende Herz vor sich schweben sehen, Autokäufer sich verschiedene Sitzbezüge einblenden lassen. „Wenn etablierte Unternehmen solche innovativen Techniken als abgedrehte Spielerei abtun, besteht die Gefahr, dass sie einen wichtigen Trend und gute Marktchancen verpassen“, sagt Rappers. Dass es dazu nicht kommen muss, zeigt eine Studie der Beratungsfirma Deloitte und des Digitalverbands Bitkom: Deutsche Unternehmen wollen demnach bis 2020 knapp 850 Millionen Euro in das Geschäft mit der scheinbaren und erweiterten Wirklichkeit ausgeben – vor allem, um Anwendungen für den Einsatz der Technik zu entwickeln. Gut möglich, dass Alexander Werlberger das Luftbett in seinem Büro also weiterhin wenig nutzen wird. Sophie Crocoll Der neue Drahtloskopfhörer von Sony hüllt Sie in eine Blase der Musik – oder der Stille. opf hörer? Was für ein langweiliger Markt! Könn te man meinen. Doch das Segment blüht seit Jahren. Zum einen dank kabel loser Kopfsprechhörer – sollte das neue „Iphone“ tatsächlich keine Kopfhörer buchse mehr haben, wird das Geschäft noch anziehen. Zum anderen dank Gerä ten mit aktiver Lärmunterdrückung. Nach meiner Erfahrung ist diese über lebensnotwendig – besonders in zwei Situationen. Erstens im Flugzeug, wenn direkt neben mir die Turbine dröhnt und direkt hinter mir ein Kleinkind, das mit dem Service ebenso unzufrieden ist wie ich, dies aber unverblümter zum Aus druck bringt. Und zweitens auf Messen, wenn man alle zehn Meter in eine neue Klangkulisse gerät und alle drei Meter an einen anderen Promoter, der sein Produktwissen erst wenige Stunden zu vor in einer Druckbetankung vermittelt bekam und nun unter entsprechender Pression steht, dieses wieder abzugeben (wobei Journalisten als Opfer in der inter nen Wertung, so vermute ich, die fünffa che Punktzahl bedeuten). Deshalb war die Elektronikmesse IFA Anfang Septem ber in Berlin das ultimative Testgelände für den neuen „Sony MDR1000x“. BILANZ / OKTOBER / 2016 SONY MDR-1000X Info: www.sony.de Preis: 400 Euro Bewertung: ✶ ✶ ✶ ✶ ✶ ✶ ✶ ✶ ✶ ✶ ✶✶ ✶✶✶ ✶✶✶✶ TECHNOSCHROTT VERZICHTBAR NICE TO HAVE COOL WEGWEISEND EIN SATZ SCHWITZENDER OHREN Das Gerät gefällt mit hochwertigen Le dermuffen und sauberer Aluminiumver schalung. Verbunden wird es via Blue tooth oder – im Flugzeug – mit Kabel. Beeindruckt war ich von der Geräusch unterdrückung: deutlich effektiver als bei verschiedenen Konkurrenzproduk ten mit teilweise klingenderem Marken namen. Die rechte Ohrmuschel dient als Fernbedienung, etwa für die Lautstärke, was recht bequem ist. Auch beim Musik hören und Telefonieren war die Klang qualität tadellos. Und die Batterie war nach zwei Tagen Messe noch deutlich fitter als ich. Weniger schön: Mit 280 Gramm ist der Sony kein Leichtgewicht, die Muffen drücken wegen der harten Federung aufs Ohr, nach einiger Zeit be ginnt man darunter zu schwitzen. Zum Schlafen auf dem Langstrecken flug ist der „MDR1000x“ weniger geeig net als kleine InOhrKopfhörer. Den Praxistest aber hat das Gerät bestanden: Von der nervigen Lärmkulisse der IFA habe ich kaum etwas mitbekommen, und ich konnte mir fast alle Promoter vom Leibe halten. Außer natürlich jenen der KopfhörerKonkurrenz. FAZIT Dichter, fülliger Klang, schön verarbei tet, einfach zu bedienen, effektive Ge räuschunterdrückung: Der „Sony MDR 1000x“ hat mir gut gefallen. Billig ist das Gerät nicht. Aber Ruhe ist heutzutage ja Gold wert. MARC KOWALSKY Der 45-jährige Münchener ist Mitglied der Chefredaktion unseres Zürcher Schwesterblatts und ängstigt die Industrie mit seinem rechtschaffenen und wackeren Verhalten. OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 63 7 FETISCH: Eine „Birkin“ aus Krokodilleder, Beschläge aus Palladium. Versteigert für 106.250 Dollar. TASCHEN LUXUS PRIVAT Monate Geduld FOTO: PICTURE ALLIANCE LIEBE Nur wenige Güter verkörpern den Luxus und seine Folklore so sehr wie die BIRKIN BAG , ein Objekt der Sehnsucht bei Parvenüs und Patriziern. OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 65 1 LUXUS PRIVAT SPEZIALISTEN: In der Maroquinerie de la Tardoire lässt Hermès Variationen aus Kalbsleder anfertigen. TEXT / BROOKE UNGER A uf einem Flug von Paris nach London im Jahre 1983 preis und die Wundersumme von 300.168 Dollar. Nach Ansoll der Schauspielerin Jane Birkin ihre überfüllte gaben des US-Internethändlers Baghunter taugt die „Birkin“ Reisetasche umgekippt und ein ganzer Schwung durchaus als Geldanlage, und zwar als eine ganz hervorragende Inhalt auf dem Kabinenboden gelandet sein. Der mit einer Wertsteigerung von durchschnittlich 14,2 Prozent im Herr neben ihr, ein Galan namens Jean-Louis DuJahr. „Birkins“ sind wie eine Währung: Man kann sie jederzeit mas (1938 – 2 010), las ihn ihr auf, wie es seine Art ist, ganz kain Zahlung geben. valiersmäßig und gentlemanlike. Über den Vorfall kamen die Hermès erklärt die stolzen Preise der „Birkin“ mit ihrer auf aufbeiden ins Gespräch und plauderten über wendigen und kostspieligen Herstellung: unpraktische Taschen im Allgemeinen und Jede Tasche – genäht in einem der 15 franüber jene von Jane Birkin, eine Henkeltasche zösischen Lederwaren-Ateliers des Hauses aus Strohgeflecht, im Besonderen. – ist die création eines einzelnen HandwerDumas, der nicht nur feine Manieren bekers, der zwischen 18 bis 25 Stunden mit ihr saß, sondern als Chef von Hermès auch ein beschäftigt ist und noch länger, wenn er Kronicht minder feines Gespür für Geschäfte kodilleder verarbeitet. und Gelegenheiten, ließ daraufhin eine „Die ,Birkin‘ hat einfach eine außerorTasche entwerfen, die den Vorgaben und dentliche Qualität“, sagt Marissa N. StemWünschen von Jane Birkin, damals eine bepien von Justluxe.com. „Jede ist ein Einzelrühmte Person, aufs Genaueste entsprach stück.“ Hermès kann für die Tasche, die auch hat die börsennotierte und die heute die teuerste und exklusivste innen mit Leder gefüttert ist, eine lebenslanHermès SCA Handtasche der Welt ist. Mehr de luxe geht ge Garantie bieten. Aufgrund ihrer Güte und praktisch nicht. Haltbarkeit gilt sie als beliebtes Erbstück. zuletzt umgesetzt. Die Die Preise der „Birkin Bag“ beginnen bei Doch die vielen Arbeitsstunden und Gründerfamilie hält 5.000, anderen Quellen zufolge bei 7.000 das ausgesuchte Material machen natürEuro pro Exemplar, abhängig von der Art lich nur einen kleinen Teil des Preises aus. knapp 53 Prozent der des Leders und der Ausstattung. Genaues Luca Solca, Luxusexperte bei der Pariser Anteile. Firmenwert: weiß man nicht, weil die „Birkin“ weder in Investmentbank Exane BNP Paribas, veranHermès-Läden noch auf der Hermès-Ingut & gern 40 Mrd. Euro. schlagt die Herstellungskosten mit lediglich ternetseite angeboten wird: Man muss sie 800 Dollar. Solca vermutet, dass Hermès im Laden bestellen – das heißt, man darf es 70.000 „Birkins“ im Jahr herstellt und dass versuchen, denn sie ist schwer rationiert. Und wer das Glück hat, sich eine gute Million im Umlauf befindet. Andere Schätzungen eine Order platzieren zu können, muss geraume Zeit auf die Ausgehen von deutlich weniger Stückzahlen aus. lieferung warten. Vier, fünf, sechs, sieben Monate lang. Bei der tiefen Kluft, die sich bei der „Birkin“ zwischen ProBekannt sind freilich die Preise, die mit „Birkins“ aus zweiter duktionskosten und Verkaufspreis auftut, denken Ökonomen soHand auf Auktionen erzielt werden: Im Frühjahr versteigerte fort an den Begriff vom Prestige- oder Geltungskonsum, den der Christie’s eine mattweiße „Himalaya Niloticus Crocodile“ mit amerikanische Soziologe und Wirtschaftswissenschaftler Thordiamantbesetzten Weißgoldbeschlägen für den Weltrekordstein Veblen (1857 – 1929) in seiner unter Fachleuten berühmten 4,8 Mrd. Euro 66 LUXUS PRIVAT Schrift „Theory of the Leisure Class“ gebestimmt; die Schriftstellerin Wednesday prägt hat, einer eloquenten und beißenden Martin beschrieb in ihrem Buch „Die PrimaKritik am Freizeitverhalten der Oberklasse. ten von der Park Avenue“ den KonkurrenzDoch die „Birkin“ entspricht in mehrfacher konsum reicher New Yorkerinnen am BeiHinsicht zumindest nicht den klassischen spiel der „Birkin“, und der Autor Michael ToVeblen-Gütern. nello nannte das Buch über seine EinkaufsDenn anders als die mit typischen Dopeskapaden in Europa „Bringing Home the pel-G trommelnden „Dionysus“-UmhängetaBirkin“. schen, die sofort als Gucci-Produktion idenWarum hält Hermès den Markt kurz, tifiziert werden, erkennen nur Eingeweihte wenn man viel mehr Taschen verkaufen Weitere 70.000 die stets diskret auftretende „Birkin“ – ein könnte? Weil es nicht genug hervorragende kommen jährlich hinzu. Umstand, den man zurzeit besonders in ChiLeder und Täschner gibt, die sie verarbeiten na schätzt, seit die dortige Regierung scharfe können, wie Hermès sagt? Wie viele genau es sind, Antikorruptionsgesetze erlassen hat und das Das ist es nicht allein. Es gibt daneben verrät Hermès nicht. Markenprotzen deshalb eher verpönt ist. auch gute wirtschaftliche Gründe, warum Unter starkem Geltungsdruck stehen ja das Unternehmen die Wartezeit auf eine bekanntermaßen die „Parvenüs“, die aller Welt von ihrem Em„Birkin“ verlängert, statt ihren Preis zu erhöhen. porkommen künden müssen, während die vornehmen „Patrizier“, Einerseits bildet man damit einen Puffer gegen eine sinkenwie Soziologen und Marketingleute sie nennen, dadurch renomde Nachfrage, die keinen sofortigen Umsatzrückgang zur Folge mieren, dass sie ihrer Mitwelt weismachen, keine Angeber zu sein hätte. Andererseits fördert das Warten auf eine „Birkin Bag“ auch – obwohl sie untereinander ständig Signale senden, die nur so leidie Nachfrage nach anderen Hermès-Produkten: Einen guten se sind, dass die lärmenden Massen sie nicht empfangen können. Teil seiner Einnahmen erzielt Hermès mit Nebengeschäften, mit Je teurer die Luxusgüter seien, lautet die Theorie, desto weBrieftaschen, Gürteln, Handtüchern und so weiter. „Ungeduldiniger wert legten die Käufer auf ein sichtbares Markenzeichen. ge Käufer wechseln zu anderen Produkten der Marke, um ihren Tatsächlich ist es so, dass Gucci oder Louis Vuitton für ihre Hunger zu stillen, bis sie das Objekt der Begierde endlich haben“, dezenter auftretenden Handtaschen höhere Preise anschlagen sagt Jean-Noël Kapferer vom Pariser Inseec Luxury Institute. und dass Daimler umso größere Embleme anbringt, je billiger Gewiss, die maximal zu erzielenden Preise erhöhen die Rendie Modelle sind. dite – doch auch die Gefahr, Pariser „Patrizierinnen“ zu vergrauNoch in einer anderen Hinsicht hält sich die „Birkin“ nicht len und nur „Parvenüs“ zurückzubehalten. Doch anspruchsvolle an die Veblen-Gesetze. Denn Hermès könnte weit mehr Geld für Kundinnen identifizieren sich nicht mit Starlets wie Kim Kardaseine Handtasche verlangen. Doch die Franzosen verknappen die shian oder Tamara Ecclestone, die mit ihrer „Birkin“-Kollektion Ware nicht über eine weitere Erhöhung des Preises, sondern über prunken. Prominente, die mit einer „Birkin Bag“ aus einem SUV die Verlängerung der Warteschlange. steigen, rauben ihr Man kann nicht einfach in eine der 308 Hermès-Boutiquen über kurz oder lang spazieren und erwarten, dass man sie mit einer senfgelben den Nimbus des Ge30-Zentimeter-Palladium-„Birkin“ wieder verlassen könnte. heimnisvollen. Dies gilt auch für den zweiten Klassiker des Hauses, die „KelWie alle großen ly Bag“, benannt nach der monegassischen Fürstin Grace Kelly Luxusmarken will (1929 – 1982). auch Hermès verNach allem, was man weiß, ordern die Leiter der örtlichen meiden, zu sehr heHermès-Läden zweimal im Jahr ein bestimmtes „Birkin“-Kontinrausgestellt zu sein: Prozent beträgt der gent, und mit dem müssen sie haushalten. Sie suchen sich ihre Denn wenn elegandurchschnittliche Kunden sehr genau aus. te Französinnen Hélène LeBlanc, eine Pariser Anwältin, war zunächst abgeihr Interesse an der blitzt, als sie die Hermès-Vorzeigefiliale in der Rue du Faubourg „Birkin“ verlieren, Saint-Honoré aufsuchte, um eine „Birkin“ zu erstehen. Sie konnte werden es auch die einer „Birkin“ im Jahr: Sie die Verkäuferin dann aber doch von ihrer ernsten Kaufabsicht Frauen, die so sein ist eine echte Geldanlage. überzeugen und davon, notfalls auch eine längere Wartezeit auf wollen wie sie. sich zu nehmen. Erst jetzt legte man dann Lederproben und verEin Teil der schiedene Schnallen vor, die sie dann auswählen durfte. Kraft, die der „Birkin Bag“ innewohnt, rührt daher, dass sie ein Die „Birkin“ ist inzwischen ein Topos der Luxusfolklore: In Zufallsprodukt und keine Marketing-Erfindung ist. Gleichzeitig einer Episode von „Sex and the City“ kann Samantha die angebist diese Stärke auch eine Schwäche. Hermès hat es „in 32 Jahren lich fünfjährige Wartezeit auf eine „Birkin“ dadurch abkürzen, nicht geschafft, eine andere ikonische Tasche einzuführen“, sagt dass sie behauptet, die Tasche sei für die Schauspielerin Lucy Liu Mario Ortelli vom Bankhaus Sanford C. Bernstein. MILLION „BIRKIN“ SIND IM UMLAUF. 14,2 FOTO: GETTY IMAGES WERTZUWACHS BILANZ / OKTOBER / 2016 OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 67 LUXUS PRIVAT ZWISCHEN THÉOULE UND L. A . Die teuersten Immobilien auf dem Markt (von denen man weiß). Wie viel: 406 Mio. Euro Wo: Théoule-sur-Mer Was: 1.200 qm, 25 runde Zimmer Das „Palais Bulles“ war der Rückzugsort von Pierre Cardin (94), auf- und abgerundet vom Architekten Antti Lovag, einem Spezialisten für Kugelhäuser. Theatersaal mit 500 Plätzen, Blick vom Wohnzimmer des Blasenpalasts auf die Bucht von Cannes. Wie viel: 134 Mio. Euro Wo: Los Angeles Was: 3.530 qm, 10 Schlaf-, 20 Bade immer Beste Lage am Carolwood Drive in Holmby Hills. Hier hatte einst Barbra Streisand ihr „Mon Rêve Estate“. Im Neubau befindet sich der „Club Mon Rêve“: Salons, Weinkeller, Theater- und Kinosaal. Parkplatz für 50 Autos. 68 häuser überhaupt leisten können, bereits in guten Verhältnissen leben und sich selten wirklich verbessern können. Wer sich dann doch solch unbeweglichen Besitz zulegt, tut dies nicht selten, um sein Geld gewinnbringend anzulegen. Wer diese Häuser verkauft, der verhandelt. Denn er hat es nicht eilig. Reich ist er genug. Wie viel: 142 Mio. Euro Wo: Hillsboro Beach, Florida Was: 6.575 qm, Garage mit 30 Stellplät en Historismus am Atlantik, nördlich von Fort Lauderdale. Imax-Heimkino, Go-Kart-, Eis-, Bowlingbahn. Schwimmbecken mit Vier-Meter-Wasserfall. Zwei Gästehäuser. Teuerstes Wohnhaus Amerikas. Wie viel: 94 Mio. Euro Wo: Théoule-sur-Mer Was: 1.400 qm, 8 Schlaf immer Burgartiger Besitz mit bester Aussicht auf die Vorberge des Esterels. Gebaut vor 116 Jahren, wirkt von außen aber deutlich älter. Dreieckiges Schwimmbecken, in dem man sich keinesfalls verschwimmen kann. FOTOS: GETTY IMAGES, LE PALAIS ROYAL, COLDWELL BANKER, REAL ESTATE Knapp zwei Dutzend Immobilien sind derzeit auf dem Weltmarkt angezeigt, die mehr als 100 Millionen Dollar kosten sollen. Häuser und Wohnungen in dieser Preisklasse sind drei bis fünf Jahre auf dem Markt, bevor sich ein Käufer findet. Dies liegt vor allem daran, dass die Krösusse der Welt, die sich solche Wohn- BILANZ / OKTOBER / 2016 © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 ZEHLES ZIELE Die schöne Illusion am Strom Das moderne Bangkok verliert zunehmend an Exotik – das „Oriental“ aber bewahrt auch nach der jüngsten Renovierung seine unvergleichliche Atmosphäre. D DIE NEUEN SUITEN: FOTOS: MANDARIN ORIENTAL Behaglich wie eine Upperclass-Wohnung. Unten rechts: Die Somerset Maugham Lounge mit dem Goldspiegel aus seinem damaligen Zimmer. er „Authors Wing“ im Oriental in Bangkok ist ein heiterer Ort. Lichtdurchflutet, mit blitzweißen Korbmöbeln und großen grünen Blättern auf den Kissen. Dazu das Klirren feinen Porzellans, ein zarter Duft von Tee und vor den Fenstern ein üppig wuchernder tropischer Garten. Der Authors Wing, ältester Teil des Hotels, mit seiner aufgehenden Sonne im filigranen Ziergiebel feiert die Schriftsteller, die über die Jahrzehnte im Oriental geschrieben, gelitten und gesof gesoffen haben. Aber zwischen der Joseph Conrad Terrace und der Somerset Maugham Lounge stößt man auch auf ein kleines dunkles Büro. Darin viel Mahagoni, eine Sitzgruppe, ein großer Sekretär, ungezählte Fotos: Prinzessin Soraya of Iran (1932 – 2 001), Barbara Cartland (1901 – 2 000), Roger Moore. Und immer zusammen mit einer kleinen, lächelnden Frau: Ankana Kalantananda. 60 Jahre lang war Khun Ankana, wie die Thailänder sagen, als Guest Relations Lady um das Wohlbefinden der Gäste besorgt. Noch heute schaut die 95-Jährige fast jede Woche in der Lobby vorbei. Dann sieht man, wie Stammgäste der zierlichen Dame hinterherrennen. Ihr einfach noch mal die Hand geben! Ankana und die Großen dieser Welt. Mit dem kleinen Büro, Khun Ankana’s Study, hat man ihr schon zu Lebzeiten ein Denkmal gesetzt. Ein Hotel verneigt sich vor seiner Mitarbeiterin. Wo gibt es so etwas noch auf der Welt? Und das ist eigentlich schon das Geheimnis dieses Hauses, das, wiewohl baulich nicht eben spektakulär, über Jahrzehnte unter der Ägide von Kurt Wachtveitl, dem deutschen Generaldirektor, die Liste der besten Hotels der Welt anführte. Die Oriental Family. Viele der 1.200 Mitarbeiter sind schon 30, 40 Jahre dabei, es gibt sogar schon welche in dritter Generation. Das schafft eine eigene, unvergleichliche Atmosphäre. Und natürlich: Da ist der Fluss. Ohne den Chao Phraya, Thailands Strom der Könige, wäre das Hotel wie ein Theater ohne Bühne. Denn der Chao Phraya ist ja nicht nur Wasserstraße oder Freizeitoase wie bei uns Elbe oder Rhein. Der lehmbraune Strom ist Bewegung, Leben, ist Marktplatz und Schnellstraße, Promenade und Abwasserkanal, Müllplatz und Badewanne. Im Oriental sind alle Restaurants, Terrassen, Gärten, Suiten, Fenster, Spiegel, Betten nur auf dieses einzige Schauspiel hin ausgerichtet: den seidiggrauen Uferdunst am Morgen, die glutroten Sonnenlichtspiele am Abend; auf das ewige Kommen und Gehen der Schiffe, die knatternden Langboote der Taxis und Händler, auf die luxuriösen Kreuzfahrt-Jachten und Lastkähne, die aussehen wie die Arche Noah; auf die tuckernden Ausflugsdampfer und hin und her eilenden Hotelfähren. 140 Jahre ist das Haus alt, vielleicht sogar noch etwas älter, seine Anfänge verlieren sich irgendwo im tropischen Nebel. Denn das Oriental wurde nicht wie die meisten europäischen Grandhotels als Palast geboren: Es hat sich hochgedient, ungezählte Besitzer, Brände, Kriege, An- und Umbauten überstanden; die letzte große Renovierung war im vergangenen Jahr. OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 71 LUXUS PRIVAT DAS ABENDLICHE SCHAUSPIEL: Mit Hunderten von Lämpchen, Kerzen, Lichterketten. Links, im Vordergrund, der festlich erleuchtete Als „La grande Dame – Reborn“ präsentiert sich nun das Hoses Haus ist noch immer das Wohnzimmer der Stadt. Seit Jahrtel. Und ich hatte wirklich Angst vor dem Wiedersehen. Zu viele zehnten finden hier die wichtigsten Hochzeitsempfänge statt, wunderbare Erinnerungen, zu viele außergewöhnliche BegegGeburtstagspartys, Nationaltagsfeiern, Konferenzen. Das Hotel nungen verbanden mich mit diesem Haus. Würde es mich noch ist das Zentrum der Bangkoker Gesellschaft und, ganz wichtig, so berühren wie vor zehn, zwanzig Jahren? Hoflieferant und Gästehaus der thailändischen Königsfamilie. Kurt Wachtveitl, besser: Khun Köört, wie sie im Hause sagen, Sogar König Bhumibol (88), dienstältester Monarch der Welt ist 2009, mit 72 Jahren, abgetreten, nun selbst eine Legende. Er und im Land wie ein Halbgott verehrt, hat seinen Achtzigsten im hat das Oriental zum Musterbetrieb gemacht, Leit- und Vorbild Oriental gefeiert. für die Hotellerie ganz Asiens. Und aus der Ferne wollte es scheiIm Zimmer, auf einem Tischchen, empfängt mich vor dem nen, als ob der Glanz der alten Dame nach seinem Ausscheiden grandiosen Flusspanorama dann ein kleiner weißer Schokoladenlangsam verblasst. elefant. So kunstvoll gefertigt, dass man die Stickereien auf seiZudem hat sich Bangkok sehr verändert in den vergangenen ner Satteldecke erkennt. Auf dem Schreibtisch liegt Briefpapier, Jahren: Die goldenen Dächer der Tempel verschwinden immer bedruckt mit dem Namen des Gastes, all dies Oriental-Willhäufiger hinter Hochhäusern. Condominiums vertreiben Kolokommensgrüße. nialvillen. Kühne, kühl gestaltete Wolkenkratzer zeigen jetzt ih„Es sind ja die Kleinigkeiten, an die sich der Gast erinnert“, sagt re verspiegelten Fassaden. Mit Dachrestaurants und Bars unter Amanda Hyndman. Die Engländerin, die 2012 auf den etwas farbfreiem Himmel, die einen atemlos machen. losen deutschen General-Manager, Jan Goessing, folgte, hat zum Aber dann steht man in der alten Halle des Oriental mit ihren High Tea geladen. Sie strahlt in Pastell – wie die Törtchen auf den rostbraunen, hölzernen Tempelglocken, die aussehen wie riesige Étagèren. Dezent geschminkt, das schmale Kleid aus Thaiseide, tränende Herzen; ungezählte Blumenein wenig Gold um Hals und Ohren. So ketten baumeln von der Decke, zu jeder stellt man sich die erste Dame des OrienMANDARIN ORIENTAL BANGKOK Jahreszeit ein anderer Farbenrausch, ein tal vor. Mobkk-reser [email protected] neuer Orchideen-Traum. Bevor sie nach Bangkok kam, leitete 324 Zimmer, 44 Suiten (ab 400 Euro) Die vier Siamesen in weißer Opesie von 2007 bis 2009 mit großem Erfolg Flug: mit Emirates im Airbus A380 retten-Uniform sägen wie gewohnt ihdas zur Mandarin-Gruppe gehörende nonstop von Frankfur t (Geschäftsklasse: ren Haydn und Bach, dazu ertönt ein „Excelsior“ in Hongkong und wechselte praeter propter 2.100 Euro) Gesumm von Stimmen und Gelächter. dann innerhalb der Company nach WasUnd es ist fast körperlich zu spüren: Diehington. Ihr stolzester Moment? „Als ich 72 FOTOS: MANDARIN ORIENTAL / ILLUSTRATION: ALEXANDRA COMPAIN-TISSIER FÜR BILANZ „Authors Wing“, ältester Teil des Oriental, dahinter der renovierte „Garden Wing“, rechts die Terrasse am Fluss. mit gerade 28 Jahren General Manager vom Kor Market; dort, zwischen Hühnern und ,Copthorne‘-Hotel in Aberdeen wurde.“ zu Blumenbildern drapierten Shrimps, Passion and Ambition: Diese beiden spürt man die Fremde. Und natürlich Worte tauchen in allen asiatischen Bemuss man das Haus von Jim Thompson richten über sie auf. „Ich habe den besten besuchen, von diesem schillernden Mann, Job der Welt. Und ich nehme ihn ziemlich ehemals US-Geheimdienst-Offizier, dann ernst.“ Hier, in diesem historischen Raum, Begründer der thailändischen SeidenTee zu trinken, das sei – und sie sagt dies industrie und Anteilseigner des Oriental. nachdrücklich und mit großem Lächeln: Als Kurt Wachtveitl 1967 das Hotel „Amazing!“ übernahm, war der Kunstkenner gerade Hinter diesem Lächeln versteckt sie auf rätselhafte Weise in Malaysia verZähigkeit und Fleiß. Auf ihre Berufung schwunden. Vom Tiger gefressen? Oder nach Asien hat sie sich gewissenhaft voruntergetaucht? Thompsons Haus und bereitet: „Bevor ich nach Hongkong kam, Sammlung, heute Museum, aber sind bis war mein Führungsstil sehr direkt. In in unsere Tage ein Statement für Klasse, Asien, habe ich gelernt, lobt man öffentein Kleinod, dessen Schönheit wehmütig lich, aber kritisiert diskret.“ Heute führt macht. sie nicht nur 1.200 Angestellte; sie beNeun Restaurants verführen allein herrscht, wenn’s nottut, auch einen perim Hotel. Unvergesslich bleiben frische fekten Hofknicks: Rücken gerade, tief das Krustentiere, serviert auf einem Eisberg, Knie! So wie beim jüngsten Besuch des im Seafood-Restaurant „Lord Jim’s“. Und Königs von Bahrain. ein Brunch im „China House“. So viel Tüchtige Frauen sind in der wechsel- AMANDA HYNDMAN: Tüchtige Frauen Schwarz und Gold und roter Lack! Kostvollen Geschichte des Oriental eine über- haben im Oriental Tradition. barster Art-déco-Stil! Man fühlt sich soraschende Konstante: Amanda Hynd man fort in die verruchtesten 30er-Jahre von ist die vierte Chefin im Haus. 1904 war Schanghai versetzt. Und immer wieder, es Madame M. O. Bujault, die unter anderem ein perfektes Corimmer neu das funkelnd festliche Abendspektakel. Ein Schauspiel don bleu zuzubereiten verstand; 1910 folgte Maria Maire, die ihre mit Hunderten von Lämpchen, Kerzen, Lichterketten. Mit SusUmgebung auch mit ihrem exzellenten Golfspiel erfreute; 1947 hi-Buffet, Thai-Delikatessen, Barbecue. Und tausend Gerüchen übernahm Germaine Krull, Kriegsreporterin, das Haus, die ihre gratis. damaligen Gäste wie folgt beschrieb: „Alle Schichten£…£von DiploDann spiegeln sich die Häuser im Fluss. In einem von ihnen, maten über Glücksritter und Spione bis hin zu Gaunern.“ gar nicht so weit entfernt, dem Siriraj-Krankenhaus, verdämmert Je rascher Bangkok in unseren Tagen seine Unverwechselbardas Königspaar. König Bhumibol und Sirikit (84), seine Ehefrau. keit verliert – und immer häufiger an Dubai oder Schanghai erinDer König hat als junger Mann Jazz gespielt, Songs komponiert. nert –, umso intensiver pflegt man im Oriental die Vergangenheit. Jetzt bangen die Menschen um sein Leben. Bangkok ist ein geAmanda Hyndman hat Sinn für Geschichte, sie weiß, dass die fährdeter Ort. Historie des Hauses ihre Chance ist – auch angesichts von Neu„Das Oriental ist eigentlich ein Traum, den wir für die Gäste eröffnungen wie der des „Four Seasons“ im übernächsten Jahr. wahrmachen, die Illusion einer heilen Welt“, hat Kurt Wachtveitl Die gerade abgeschlossene Renovierung ist dabei ihr erster mir einmal erklärt. Je kälter die Welt im Alltag werde, desto mehr Erfolg. Die „Bamboo Bar“ und das Feinschmecker-Restaurant sehnten sich die Menschen in eine vermeintlich schönere Vergan„Le Normandie“ sind jünger, frischer geworden und bewahrten genheit zurück. dennoch ihren Charakter. „We change without change“ change“, nennt sie Manches bleibt. „Da ist die Terrasse über dem Fluss“, notierte das. Die zwölf Garden-Suiten aber sind nagelneu. Und wirken Noël Coward in sein Tagebuch, „wo wir Abend für Abend unsere wie Upperclass-Wohnungen in London oder New York: behagDrinks nehmen, auf das lehmfarbige Wasser blicken und zuschaulich, englisch, gediegen. „Unsere Stammgäste wollen Suiten, keine en, wie die Schlepper sich mit ihren schweren Kähnen gegen die Standardzimmer.“ Strömung flussaufwärts mühen. Es ist ein herrlicher Platz, und Manche kommen 40 Mal in ihrem Leben. „Ein Gast wohnte ich liebe ihn mehr denn je.“ unlängst das 91. Mal bei uns.“ Und für die Könige aus Wirtschaft und Politik wurde die wohl schönste Suite ganz Bangkoks kreiert: die Royal Suite im Authors Wing. Über 300 Quadratmeter groß, SIBYLLE ZEHLE kennt die wichtigsten Köpfe der Wirtschaft und die schönsten Plätze der Welt. mit eigenem Aufzug und Spa-Bereich. Immer wieder entdeckt die Buchautorin Menschen Drei Tage im Oriental rasen vorbei. Wer das alte Bangkok, und Orte mit Charakter und Magie. einen Hauch Geheimnis des alten Siam, spüren will, muss auf die DIESER BEITRAG WURDE UNTERSTÜTZT VON EMIRATES SOWIE DEM MANDARIN ORIENTAL BANGKOK Märkte gehen, den Chatuchak-Wochenendmarkt oder zum Or Tor BILANZ / OKTOBER / 2016 BILANZ OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 73 SUNNY SIDE UP! LUXUS PRIVAT LUFT UNTERM KIEL „Dillennium“-Schlauchboot beim Einparken. TEMPO, TEMPO! D as neueste Spielzeug des Geldadels: ein Schlauchboot! Eine „Scanner Dillennium“ zum Beispiel, zehn Meter lang, 700 PS, nicht ganz 100.000 Euro teuer. Ein echtes Spaßmobil. Es hat praktisch keinen Tiefgang, man kommt mit ihm in seichte Buchten und dank (hochklappbaren) Innenborders fast direkt ins Strandrestaurant. Zu „Juan y Andrea“ auf Formentera etwa, ins „Cala di Volpe“ auf Sardinien oder in den „Club 55“ bei St. Tropez. Auch angenehm: Keine Chromteile, kein ewiges Polieren, und weil Luftkissen keine Spuren hinterlassen, glücken Einpark-Manöver im Hafen auch ohne Fender unfallfrei. Gummiboot statt Großjacht? Neuere Bescheidenheit an mediterranen Hotspots? Im Gegenteil. Ein Schlauchboot ist ein total versnobtes Statussymbol, erkenn- 74 bar nur für Eingeweihte. Wie der rote Autoschlüssel mit dem aufbäumenden Pferd, dem Cavallino rampante, zu dem immer ein Ferrari gehört. Ein Schlauchboot ohne den Besitz einer prachtvollen Ferienimmobilie? Ergibt keinen Sinn – und macht keinen Spaß. Die nächste Frage: Wie häufig wird das Ferienhaus genutzt? Wie viel Ferien machen Sie im Jahr? Leben. Mit Jubel, Trubel, Heiterkeit. Warum auch nicht! Der moderne Lebensstil ist unbeschwerter als noch vor zehn Jahren, internationaler, 24 Stunden im Netz. Alles läuft in hohem Tempo ab. Wer hat den Überblick? Wer kennt sich aus? Leben Sie zeitgemäß? Rechts ein Vergleichstest. ¦ Der deutsche Wirtschaftskapitän erlaubt sich maximal zwei Wochen. Weil: Ohne ihn läuft der Laden ja nicht. Manch junger Start-up-Millionär dagegen urlaubt zwei Monate – und zwar am Stück, sonst hätte er seine Bude ja nicht im Griff. Urlaubstage als Statussymbol. Als Chiffre: Ich habe Geld, ich gönne mir Annehmlichkeiten, aber ich leiste mir vor allem Freiheit. Ein selbstbestimmtes ANNETTE WEBER war von 2007 bis 2015 Chefredakteurin der Modezeitschrift „Instyle“. Die elegante Münchenerin, eine Kultfigur der Szene, schreibt über Luxus, Stil und die Sonnenseiten des Lebens. FOTO: SCANNER FRANCE / ILLUSTRATION: ALEXANDRA COMPAIN-TISSIER FÜR BILANZ Die Frage lautet doch: Genießen Sie eigentlich noch zeitgemäß? GUTE ALTE ZEIT NETTE NEUE WELT Zu Ihrer Oldtimer-Sammlung gehören ein 250er Ferrari Lusso, ein 300er Mercedes SL sowie ein Aston Martin DB5, alle aus den Sixties. Sie fahren damit fast nie – sonst hält Sie Ihr Bankdirektor für verschwendungssüchtig. Sie fahren einen Bugatti Veyron für zwei Millionen Euro und stehen auf der Warteliste für den limitierten LaFerrari. Soll bloß jeder sehen, dass Ihre Geschäfte glänzend laufen. Auch Ihr Bankdirektor. Sie punkten bei Ihren Tischdamen mit Gourmet-Fachsimpelei. Als Feinschmecker verreisen Sie nach dem „Guide Michelin“ und zelebrieren Besuche in französischen Sterne-Tempeln. Sieben Gänge plus, ab 19.30 Uhr. Ihr liebstes Small talk-Thema: „The Worlds 50 Best Restaurants“ – die Internetseite Ihres Vertrauens. Sie kennen jedes „Nobu“ – weltweit –, aber schätzen eine schnelle, ehrliche, internationale Küche. Dinner nie vor 21 Uhr. Ihr Frühstücksritual: italienischer Espresso, Toast, Marmelade, die Tageszeitungen. Ihr morgendliches Start-up: japanischer Matcha-Tee, Müsli, Social Media. Tageszeitungen erst mittags, nur die Meinungsseiten. Sie fliegen Lufthansa First Class, Ihr Status ist HON. Im Ausland buchen Sie einen Chauffeur. Sie fliegen privat, haben eine „Marquis Jet Card“ bei Netjets. Im Ausland fahren Sie Uber und buchen einen Private Concierge. Ihr Deutsch ist ohne Dialekt. Ihr Schwäbisch haben Sie abgelegt. Ihr Englisch ist ohne deutschen Akzent. Sie sprechen vier weitere Fremdsprachen. Festspiele! Bayreuth und Salzburg. Festivals! „Coachella“ und „Burning Man“. Wochenende? Golfen in Kitzbühel. Oder Theater. Sie besitzen ein Abonnement. Langes Weekend? Raven in Tulum. Oder Netflix. Sie sind Abonnent. Auf Ihrem jährlichen Sommerfest auf Sylt singt ein sehr berühmter deutscher Entertainer. Alle freuen sich – wie immer – auf das grandiose Catering. Bei Ihrem Sommerfest auf Ibiza spielt ein angesagter Resident DJ. Alle befürchten – wie immer –, drei Tage abzustürzen. Eine Woche nach Ihrem Fest veröffentlicht die Klatschpresse die schönsten Partyfotos auf ihren Society-Seiten. Ihre Gäste posten stündlich die lustigsten Party-Videos auf Snapchat. Die ganze Welt ist live dabei. Und für Ihr Instagram-Selfie gibt’s 10.000 Likes. UND? TREFFER? Sind Sie ein moderner Mensch? Dann läuft Ihr Leben auf Vollgas wie im genialen Over the Top-Instagram-Profil von Graffiti-Künstler Alec Monopoly. Drehzahl im violetten Bereich. Sind Sie glücklich damit? Falls Sie herunterschalten möchten, besuchen Sie mal Speyer, die malerische, 2.000 Jahre alte Stadt am Rhein. Im September war ich dort beim Altstadtfest. Wir saßen gesellig auf der mittelalterlichen Sonnenbrücke, mit Ruppertsberger Riesling und Blick auf den Kaiserdom. Majestätisch. Idylle aus dem Bilderbuch. Heile Welt. Das Altstadtfest hat nicht mal einen richtigen Hashtag, manchmal ist das Un-Moderne einfach großartig! BILANZ / OKTOBER / 2016 OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 75 LUXUS PRIVAT LUXUS PRIVAT WAHRE WERTE BUGATTI TYPE 55 ROADSTER PORSCHE 935 Beim elitären Concours d’Elegance auf dem Küstengolfplatz von Pebble Beach präsentieren Oldtimer-Fanatiker die teuersten Klassiker der Welt. L AN TUR CIA AS FARINA A PININ 13 0 82 PS m H u b r au (ccm) km/h 340 PS 130 PS 700 3.0 0 0 Preis (Mio. $) 10,4 Baujahr Richard Mattei in seinem Lancia Astura Pinin Farina. Das Cabriolet errang den Titel „Best of Show“ beim Concours d’Elegance. Mattei ist ein gefürchteter Alfa-Romeo-Sammler aus Paradise Valley, Arizona. Hier rollt er unter dem Jubel der Zuschauer am berühmten 18. Loch des Golfklubs Pebble Beach vorbei. Vorkriegs-Alfas werden nur mit Glacéhandschuhen angefasst. Vom Aussterben bedrohte Spezies. 1932 Bei Gooding & Co., dem Auktionshaus von Pebble Beach, stellte der Bugatti Type 55 Roadster mit 10,4 Millionen Dollar einen neuen Weltrekord für die Marke auf. Gooding versteigerte in Pebble Beach 115 Fahrzeuge. Durchschnittserlös: 1,13 Millionen Dollar. Hubraum (ccm) 3.100 Preis (Mio. $) 4,8 Baujahr 1979 Ein Porsche 935, einst im Besitz des Schauspielers Paul Newman (1925–2 008). Verkauft für 4,8 Millionen Dollar. Newman hat den Wagen 1979 beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans gefahren. Es ist einer der teuersten Porsches, die je verkauft wurden. BUGATTI VISION GRAN TUR. FERRARI 250 GT CAL. SPIDER – r km/h 230 km/h PS 240 PS 1.500 Hubraum (ccm) 8.000 Jedes Jahr im August findet auf dem Golfkurs von Pebble Beach an der Küste des Stillen Ozeans bei Carmel der Concours d’Elegance statt, der weltberühmteste Schönheitswettbewerb für klassische Automobile. Nicht Leistung und Schnelligkeit der Veteranen spielen bei dem Contest eine Rolle, sondern historische Akkuratesse, technischer Vorzug und zeitlose Eleganz. Während der zweitägigen Veranstaltung, das Mekka der Oldtimer-Gläubigen, finden ein reger Geschäftsverkehr und Handelsaustausch statt – und natürlich steigt eine Auktion. 115 der an- gebotenen 138 Autos wurden verkauft. Das entspricht einer Rate von 83 Prozent. Vermutungen und Vorahnungen, dass sich der Markt abgekühlt haben könnte, erwiesen sich als unrichtig. Viele Händler und Sammler machten ihren Schnitt. Den Rekordpreis erzielte ein Ja guar D-Type Road ster von 1955, der einem Sammler 21,78 Mil lionen Dol lar wert war. Es ist der höchste Betrag, der jemals für ein briti sches Auto gezahlt wurde. Wer 2017 zugucken will: Der Eintritt in Pebble Beach kostet 325 Dollar. Mindestens. FOTOS: GETTY IMAGES (4), PICTURE ALLIANCE Hubraum (ccm) 76 2.300 19 3 6 P r e is B au jah 180 Hubraum (ccm) 1 k m /h km/h 2.950 Preis (Mio. $) 18,2 Preis (Mio. $) Baujahr 1959 Baujahr Der Ferrari 250 GT California Spider LWB. Feilgeboten für 18,2 Millionen Dollar. Unter den zehn teuersten Autos, die auf dem legendenumwobenen Golfkurs zum Verkauf kamen, fanden sich allein drei Ferraris der Baujahre 1956 bis 1960. BILANZ / OKTOBER / 2016 430 – 2015 Edelautohersteller nutzen den Concours d’Elegance bisweilen, um den Zuschauern auch ein paar zeitgenössische Prachtexemplare vorzustellen. Hier ein Bugatti Vision Gran Turismo. 16 Zylinder, 34 Sachen. OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 77 LUXUS PRIVAT Der Modephilosoph Brunello Cucinelli hat sich im wahren Sinne des Wortes eine schöne Welt geschaffen. König Kaschmir TEXT / THOMAS DELEKAT UND WILMA FASOLA S 78 STRICKMEISTER: FOTO: BRUNELLO CUCINELLI olomeo gibt es wirklich. Das Dorf ist echt, keine Einbildung. 450 Einwohner, ein paar Kilometer von Perugia entfernt, mindestens 800 Jahre alt und trotzdem: Der Ort ist fast zu schön, um wirklich zu sein. Die alten Häuser sehen aus, als hätten die Maler und Maurer erst gestern ihre Gerüste abgebaut, die Bürgersteige sind gefegt, picobello die Straßen, Plätze, Treppen. Die Kirche aufs Natürlichste ausgebessert und instand gesetzt, alles neu gepflastert, alles vom Feinsten, Bäume gepflanzt, Blumen begossen. Schwalben jagen über den Marktplatz, und sollte einmal ein Hund anschlagen in Solomeo, dann wird’s nur ein vornehmes Räuspern sein. Das Idyll ist das Werk von Brunello Cucinelli (63), das Werk des Kaschmir-Königs. In dem Ort, der ihm fast zur Gänze gehört, bewohnt er die Residenz des einstigen Lehnherrn, eine Anlage aus der Renaissance. Aufgewachsen ist der Mode-Milliardär im Nachbarort Castel Rigone unter weniger günstigen Umständen. Kein Wasser, kein Strom, keine Kanalisation im Elternhaus. Der Vater, ein Bauer, musste in die Fabrik, als das Land die Familie nicht mehr ernährte. Zu seinem Milliardenvermögen und in den Besitz des Nachbardorfs Solomeo sowohl wie zu dem Ruf, einer der bedeutendsten und menschlich erfreulichsten Brunello Cucinelli in der Schneiderschule zu Solomeo. BILANZ / OKTOBER / 2016 © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 LUXUS PRIVAT NACH DER LANDFLUCHT DER 60ER-JAHRE war Solomeo nur eines von vielen verfallenen Bauerndörfern in Umbrien. Den größten Teil des Baubestands brachte Cucinelli für Spottpreise in seinen Besitz. Ende der 80er-Jahre begann er, hohe Beträge in die Sanierung des Örtchens zu investieren. Heute verfügt Solomeo über den wirtschaftlichen und organisatorischen Unterbau einer Stadt: mit Bibliothek, Theater und einer namhaften Schule für Traditionshandwerke. Brunello Cucinelli weiß, dass seine Geschichte, wie er sie gern mit viel theatralischer Gestik wiederholt, unschlagbar märchenhaft-exotisch klingt. Er genießt das, er lächelt, er antwortet gern: Als er dem Eigentümer eines Grundstücks seinen Plan eröffnete, hier ein Theater zu bauen, „sagte er zu mir, ich sei komplett 80 durchgedreht. Aber über die Jahre hat auch er gesehen, wie viel Freude die Menschen daran haben, ein Monument zu erleben, das die Jahre überdauern wird“. 800 Cucinelli-Arbeitsplätze hat Solomeo, aber nur 450 Bewohner. Davon stehen 250 beim Padrone in Lohn und Brot. Also im Grunde genommen jeder, der arbeiten kann. „Er war ein guter Mensch“, solle es dereinst in seiner Grabrede heißen, wünscht sich der gute Mann von Solomeo. Das wolle er hören, hat er gesagt. Der Priester solle sagen, dass er, Brunello Cucinelli, einer gewesen sei, „der gearbeitet hat für die Würde der Menschheit. Ein kleines bisschen. Dass ich Unternehmer bin, ist nur das Instrument dafür“. Es stimmt, bei Cucinelli liegt das Grundgehalt 20 Prozent über dem Durchschnitt der Zunft. Aber ebenfalls klar ist: Eine einfache Näherin kommt damit wohl kaum auf die Höhe des deutschen Mindestlohns. Dennoch tritt der Padrone nicht zu Unrecht als „Beschützer“ seiner Leute auf. Sein überzeugendstes Beispiel dafür leistete er sich 2012, beim Börsengang. Die Aktie war vom Start weg 17-fach überzeichnet, kurz vor Weihnachten teilte Cucinelli großzügig aus: 7.000 Euro für jeden der heute knapp 3.000 Mitarbeiter. Gewiss, seinen „humanen Kapitalismus“, wie Cucinelli seine Geschäftsauffassung nennt, erkennen die Leute an. Aber das heißt nicht, dass die Arbeit für ihn immer eine ungemischte Freude wäre: „Il tedesco“, den Deutschen, nennen sie ihn, weil der Chef mit Nachdruck auf Pünktlichkeit und Präzision besteht. Wer glaubt, inmitten einer paradiesisch schönen Arbeitsumgebung mit nachlässig-schlampigen Klamotten am Leib den schönen Gesamteindruck verschandeln zu können, den Cucinelli sich vom Schöpfungsakt handwerklicher Meisterstücke macht: Tja, der bekommt dann was zu hören. Die Qualität ist der Fetisch, ihre Kontrolle exzessiv. Cucinelli interessiert nur allererste Verarbeitung. Le dernier cri ist ihm im Zweifel einerlei. Oh, er könne schon sehr streng sein, erzählt man. Zur Mittagspause auf den Glockenschlag um 13 Uhr will der Padrone alle 800 Lohnempfänger am Mittagstisch sehen. Und zwar zu ihrem eigenen Nutz und Frommen. Besucher, die das einmal erleben durften, berichten vom gemütsstürzenden Anblick fülliger italienischer Bilderbuch-Mamas mit gestärkten Schürzen, die aus Gottes Leibküche servierten. Es muss ein Fest, ein Privileg sein, hier zulangen zu dürfen. Von 14.30 Uhr bis 17.30 Uhr wird wieder gearbeitet. Dann ist Familienzeit. „Nach 17.30 sollen die Menschen Zeit mit ihren Familien verbringen“, hat er in einem Interview gesagt. „Das rettet Ehen. Und wer keine Familie hat, soll erst recht Feierabend machen, denn wie soll er sonst jemals eine gründen können?“ Brunello Cucinelli schildert oft seine harte Jugend, wie der Vater zur Fabrikarbeit gezwungen gewesen war und nachts vor Erschöpfung weinte. „Seitdem habe ich mir geschworen, dass ich die Menschenwürde hochhalte, wenn ich es einmal zu etwas bringen würde.“ Der junge Mann aus der Nähe von Perugia hatte lange nichts mit Mode am Hut. Ingenieur wollte er werden. Er spricht darüber, dass er sich aber doch lieber mit Freunden in Bars herumgetrieben und dass seine Suche „nach fundamentalem Wissen“ viel Zeit gekostet habe. „Wir waren sieben, acht in der Bar, die sich regelmäßig trafen und über Politik, Kultur und moralische Prinzipien diskutierten.“ Er spricht darüber, dass eine Prostituierte namens Leila nach getaner Arbeit sich zu ihm und seinen Kumpels ins Café gesetzt und Karten mit ihnen gespielt habe; dass ihm dabei das Herz blutete und dass das alles die wahre Schule seines Lebens gewesen sei und dass er auf sie eingeredet habe, nicht mehr anschaffen zu gehen – doch, vergeblich. Eine „Lehrerin des Lebens“ sei sie gewesen, eine „Meisterin des menschlichen Leids“, hat er einmal gesagt. Er habe ihren Schmerz gesehen und beschlossen, etwas zu unternehmen, um der Welt mehr Schönheit zu verleihen. FOTOS: BRUNELLO CUCINELLI (2) Unternehmer Italiens zu sein, ist sein Sohn Brunello mit Strickwaren aus Kaschmirwolle gekommen. Zur Lage seiner Firma und zum Stand ihrer Geschäfte sowie zur Modewelt insgesamt vermittelt Cucinelli gern und routiniert einmal einen Überblick. Dazu wirft er mit ein paar Strichen eine Pyramide aufs Papier. Sie illustriert Aufbau und Statik der weltweit bedeutenden Luxusmarken: Danach markieren Chanel, Dior, Hermès und er selbst die absolute Spitze. Darunter, immer noch ein Luxus für wenige: Prada, Ferragamo, Zegna, Armani, Dolce & Gabbana. Noch eine Stufe tiefer hinab, in die Breite eines Millionenpublikums, drängen sich im Sockel: Burberry, Hugo Boss oder Ralph Lauren. „Ich will teuer sein“, hat Brunello Cucinelli einmal gesagt. Er hat auch nichts dagegen, wenn in Hamburg eine Boulevardzeitung empört titelt: „Diese Design-Treter kosten 990 Euro.“ Im Foto ein paar Cucinelli-Turnschuhe, kaschmirgefüttert. Es ist halt Cucinelli. Es ist die Preislage von Superreichen oder Superhelden, von James Bond. Der Auftritt von Daniel Craig alias 007 in „Spectre“ zum Beispiel: Der Bond-Smoking, stichelte nach dem Kinobesuch eine Modejournalistin, stamme aus der Cucinelli-Kollektion und – kleine Information für Herren, die sich 007-artig oder ebenbürtig fühlen: Er kostet knapp 3.800 Euro. Im großen Krisenjahr 2013 sah Cucinelli den Zeitpunkt gekommen, seinen Glaubenssatz, dass Geld so oder so keine Rolle spiele, branchenweit Beachtung zu verleihen. Ein spektakulärer Coup. Ein Husarenstück. Die gesamte Branche wankte damals, die Umsätze knickten weg wie Selleriestängel – aber Cucinelli steifte die Preise herauf. Um 30 Prozent, in wenigen Monaten. Er lag boldtrichtig: Verkauf und Exklusivität seiner Marke spitzten sich zu. Das Geschäft floriert. Seit Jahren. Zuletzt hat Cucinelli 414 Millionen Euro umgesetzt, 16 Prozent mehr als 2014. Und auch in diesem Jahr will er den Umfang seines Unternehmens um ein Zehntel erweitern. Mindestens. LUXUS PRIVAT IM WEHRTURM DES DORFES, neben der Kirche der zweithöchste Bau von Solomeo, hat der Padrone und Vater zweier Töchter sein Lesezimmer. Bilder der Familie, seiner Helden John Lennon, Bill Gates und Mahatma Gandhi an den Wänden. In seinem Hauptwohnsitz, der Renaissance-Villa des einstigen Lehnherrn von Solomeo, hält er 5.000 Bücher vor, teils in dekorativen, wie zufällig platzierten Stapeln über Ablagen und Tische verteilt. In seinen Privaträumen hält es Cucinelli mit Herrschern und Geistesgrößen älteren Datums: Kant, Alexander der Große, Dante, Rousseau, Seneca. Eine bunte Mischung, teils in Büsten vertreten, vom Hausherrn beim Steinmetz in Auftrag gegeben. „Sie haben mich gelehrt, wie ich mit Lebenskrisen umgehen kann, und mich ermutigt, als Beschützer zu denken. Das Leben hat mich gelehrt, ihre Gedanken zu verstehen. Philosophie und Theologie sollten in unserem Leben eine größere Rolle spielen.“ Mit 16, erzählte Cucinelli einmal, habe er zum ersten Mal Kant gelesen. Bis heute beschäftige er sich mit ihm. In dem Gastkommentar für eine deutsche Zeitung stellte er sich selbstbewusst vor als „Unternehmer und Philosoph“. Aber von Pythagoras bis Leila – das weit gespreizte Geistespanorama lässt den verwirrten Besucher in Solomeo schwanken zwischen der Hochachtung für ein früh erwachtes Genie und BILANZ / OKTOBER / 2016 dem Respekt vor einem listigen Propagandisten ehrlich gemeinter Selbstvermarktung. DAS ENDE DER BAR-PHILOSOPHIE von Brunello Cucinelli, die Wende zur ersten selbst verdienten Million, leitete Federica Benda ein, ein Mädchen aus Solomeo, dem Nachbardorf. Die Bendas fabrizierten Hosen, und zwar genau so, wie es jetzt rund tausend andere Betriebe in Umbrien noch immer mit Cucinellis Pullovern tun: in den eigenen vier Wänden, mit den Familienmitgliedern als Belegschaft. Brunello, der Bohemien und Lieber-doch-nicht-Ingenieur nahm Federica zur Frau und sie ihn zum Mann – und wenig später sah man ihn, wie er auf der piekfeinen Düsseldorfer Modemesse fünf Kaschmirpullover ausstellte. Das heißt, er hängte sie einfach übers Treppengeländer. Das erste Geschäftsjahr ging mit 53 Pullovern zu Ende. Cucinelli jubelte. Ein Bombenerfolg, fand er. Das war die Zeit, in der die geniale Hamburger Designerin Iris von Arnim, in der Branche auch „KaschmirQueen“ genannt, die Farben, die Muster von Picasso, Klee, Miro auf den Kaschmirpullover brachte. Die Fertigung der aufsehenerregenden Entwürfe gab sie an Cucinelli, wegen seiner Verbindungen zu umbrischen Familienhandwerkern. Nur wenig später bat Cucinelli sie um Entwürfe für eine eigene Kollektion. Und dann? „Nach drei Jahren wusste er, wie’s geht“, sagt Iris von Arnim. Er lief alleine weiter, zunächst in genau ihren Fußstapfen. Seit 30 Jahren behauptet sich Cucinelli, der Salonphilosoph, im milliardenschweren Luxusmarkt. Der Kampf um die Kundschaft ist hart und ruppig. Aber der Mann aus Solomeo hat sich im Wettbewerb bewährt mit Bauernschläue und einer Sanftheit, die an vereisten Samt erinnert. Unter 800 Euro ist kaum ein Pullover von Cucinelli zu haben, die teuren kosten um die 2.000 Euro. Seit April 2012 ist die Brunello Cucinelli SpA an der Börse und dort mit einem Wert von derzeit etwa 1,25 Milliarden Euro notiert. Der Gründer selbst hält 63,3 Prozent der Anteile – und kontrolliert fünfmal täglich den Aktienkurs. Auch das ist Philosophie, Geschäftsphilosophie, mit einem der ganz großen Branchenphilosophen an der Spitze. Cucinellis offen aufgeschlagenes Poesiealbum mit vermischten Lebensweisheiten aus Kant, Alexander dem Großen, der Prostituierten Leila und den Erkenntnissen zur „Würde der Arbeit“ hat den Vorzug, dass man es zuklappen kann. Was dann den Blick lenkt auf Cucinellis wahre, ziemlich einmalige Größe. Auf Sylvester Stallone beispielsweise, wie er in sein 2.500-Euro-Cucinelli-Jackett schlüpft und sich damit sportlichen, unauf unaufdringlichen, noblen Geschmack zulegt und eine unbezahlbare Jugendlichkeit. OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 81 PRIVAT GELDANLAGE AUFS RICHTIGE PFERD GESETZT Wetten platzieren kann jeder, und Reiten lernt man notfalls auch. Sich aber ein Rennpferd leisten, das können die wenigsten. Es sei denn, man teilt sich seinen Besitz. A TEXT / SOPHIE CROCOLL ILLUSTRATION / JACOB EISINGER 82 ls ihre Stute Estimate vor drei Jahren beim Gold Cup auf der Galopprennbahn in Ascot am Feld vorbei nach vorne donnerte und als Sieger durchs Ziel jagte, geriet Elizabeth II. für ihre Verhältnisse und ein paar Sekunden lang geradezu aus dem Häuschen. „Bravo!“, rief sie, applaudierte, und ihr violetter Hut soll, Augenzeugen zufolge, sogar ein wenig gewippt haben. Mit der Stute Estimate verbindet die Queen vor allem eines: Sie gehört ihr und hatte ihr damit gerade 180.000 Euro eingebracht. Ob Elizabeth II. oder der Emir von Dubai, ob Ex-Tchibo-Stratege Günter Herz, Merck-Chef Stefan Oschmann oder Bankierserbe Helmut von Finck (s. BILANZ 6/2016) – sie leisten sich den Luxus, Rassepferde zu züchten, und den Nervenkitzel, sie ins Rennen zu schicken. Es ist ein riskantes, aber bisweilen eben auch sehr lukratives Geschäft. Oschmanns Hengst Isfahan etwa soll nach seinem Sieg beim Deutschen Derby mehr als eine Million Euro wert sein – vorausgesetzt, er stünde zum Verkauf. Die Gelegenheit, sich in den Besitz eines Siegerpferdes zu bringen, bietet sich nur selten. Und wenn, dann übersteigen die Kosten meist die eigenen Möglichkeiten. Es sei denn, man schließt sich einer Besitzergemeinschaft an wie der Highclere Thoroughbred Racing (HTR) BILANZ / OKTOBER / 2016 in der englischen Grafschaft Berkshire, ihres Zeichens das führende europäische Eigentümerkonsortium für Vollblüter. Bis zu 20 Personen teilen sich den Besitz eines Rosses – sowohl seine Siegprämien als auch gegebenenfalls den Verkaufserlös. Der kleinste Anteil, den man momentan erwerben kann, kostet 8.500 Pfund, umgerechnet fast 10.000 Euro; dazu kommt eine Verwaltungsgebühr von 3.000 Pfund – alles in allem ein Bruchteil dessen, was Alleineigentümer für Unterhalt und Pflege eines Pferdes aufbringen müssen, für Tierarzt und Trainer, Stroh und Stallungen. Welche Pferde gekauft, wie sie auf Rennen vorbereitet und wann sie wieder verkauft werden, das entscheidet HTR. In der Tat sei der Rennpferdehandel in den vergangenen Jahren „unglaublich stark“ gewesen, sagt Gestüts-Chef Harry Herbert. Er habe mit dem Weiterverkauf von Pferden für seine Kunden zuletzt fünf Millionen Pfund eingenommen. Neben den anteiligen Erlösen, die den Miteigentümern zufließen, genießen sie den mit Geld nicht zu bezahlenden Vorzug, dank ihres Standes und ihrer Stellung auch in jenen VIP-Bereich Einlass zu finden, der, etwa beim Royal Ascot, den Prinzen und Premiers und Gestütsbesitzern vorbehalten ist. In Deutschland hat sich der in Köln lebende ehemalige Jockey-Champion Manfred Hofer mit Besitzergemeinschaften einen Namen gemacht: „Meistens kaufe ich drei Pferde, weil bei einem Pferd allein das Risiko sehr groß ist: Es kann sich verletzen oder sich so schlecht entwickeln, dass es gar nicht erst an den Start kommt.“ Mindestens jedes zweite Pferd hätte seinen Anschaffungspreis „wieder reingaloppiert“. Der Hengst Belenus etwa, Deutscher-Derby-Sieger 1999, konnte sein Eignerkollektiv, das Turf Syndikat 99, „richtig ins Plus“ bringen: mit Preisgeldern von 1,3 Millionen Mark in nur einem Jahr. Einer der Mitbesitzer von Belenus war Hans Dieter Wüst, Juwelier aus Mannheim und einst Hobby-Springreiter. „Ich wollte was im Rennsport machen“, sagt er, „aber nicht gleich Unsummen ausgeben.“ Als Mitglied des Galoppersyndikats reiste er mit Belenus von Rennen zu Rennen, „und dieses Erlebnis war ein Traum, nicht nur sportlich“. Geld, sagt Wüst, verdienten freilich nur Pferde auf höchstem Niveau: „Zu behaupten, ich hätte nur Gewinn gemacht, wäre gelogen.“ Eine Beteiligung empfiehlt der Mann deshalb nur jenen Anlegern, die einen Bezug zu Pferden haben und dem Wettkampf selbst ebenso viel abgewinnen können wie Gewinneinnahmen. Zu diesem Sport, sagt Manfred Hofer, gehöre eben, dass die Queen den Besitzern der besten Pferde den Preis überreiche: „Man wird sogar zum Teetrinken in den Buckingham-Palast eingeladen.“ OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 83 BAADERS BESTE FOKUS FLASCHENPOST EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA LUXUSSTULLEN EIN SPRINGENDER HIRSCH Seit dieser Rebensaft vor 40 Jahren in Paris obsiegte, steht Kalifornien auf der Weltkarte der großen Weine. ENERGIE & UMWELT E-MOBILITY Grüner unterwegs INDUSTRIE 4.0 Das Internet der Dinge INTELLIGENT SPAREN Dank Energiemanagement BROT UND BIER 1 Lachsbrot, 1 Krabbenbrot, 2 Bier, 1 offener Weißwein, für 2 Personen: ca. 65 €. Brot und Bier, Gurtstig 1, Keitum/Sylt. TRÜFFEL UND BORDEAUX Ceviche vom Kabeljau, getrüffelte Poularde aus dem Ofen, Wasser, 1 Flasche Château d’Issan, 1995, für 2 Personen: ca. 305 €. Franz Keller Schwarzer Adler, Badbergstr. 23, Vogtsburg-Oberbergen. Die Kellers in ihrem „Schwarzen Adler“ kochen französisch in der Ersten Liga. Gegessen wird, was es anderswo nur sel ten und selten so gut gibt: Hochrippe vom Schwarzwälder Fleckvieh oder Steinbutt aus Wildfang. Der Blick in die Weinkarte macht schwindelig: über 2.600 Positio nen, darunter alle wichtigen Bordeaux. FRED BAADER gehörte zu den großen Figuren der deutschen Werbewirtschaft. 2013 veröffentlichte der Hamburger sein erstes Kochbuch. 84 S tag’s Leap Cabernet Sauvignon“ – ein Wein, der Geschichte ge schrieben hat. Und was für eine! Vor 40 Jahren, am 24. Mai 1976, hatte der junge Engländer Steven Spur rier, Weinhändler und Journalist in Pa ris, die renommiertesten Weinfachleute der Grande Nation zu einer verdeckten Probe in ein Hotel an der Place Vendôme geladen. Aufgabe der illustren Runde: ruhm reichste französische Spitzenweine einem Vergleichstest mit einer Auswahl weithin unbekannter Kreszenzen aus Kalifornien zu unterziehen. Und zwar „blind“. Leichtes Spiel, mag sich die promi nente Tasting Equipe gedacht haben, deren abschätziges Urteil über die zu erwartenden prolligen Fruchtbomben schon gefällt war, bevor die sich über haupt mit der Eleganz, der Finesse und dem unbeschreiblichen Wohlgeschmack der triumphalen Weine aus Bordelais und Bourgogne hatten messen dürfen. Aber – es kam ganz anders. Als die Identität der verkosteten Fla schen gelüftet wurde, erstarrte die Runde. Dann kam es zu Tumulten: Gesiegt hatte im Judgement of Paris auf ganzer Linie 2012 STAG’S LEAP CABERNET SAUVIGNON CASK 23 Um 230 Euro, u.a. bei Hawesko Kalifornien. Siegerwein: „1973 Stag’s Leap Cabernet Sauvignon“, der allererste Jahr gang einer von dem Weinmacher Warren Winiarski gerade neu belebten Winery am Silverado Trail im Napa Valley. Kaliforni sche Weine standen von nun an auf der Weltkarte der großen Weine, und Stag’s Leap blieb einer ihrer Stars bis heute. Den Liebhabern generöser Rotweine, deren wunderbar würzige Üppigkeit von feinsten Tanninen so elegant balanciert werden, dass sie nie satt machen, sei da rum der prächtigste der Stag’sLeapWei Wei ne ans Herz und den Gaumen gelegt: „2012 Stag’s Leap Cabernet Sauvignon Cask 23“, ein Wein, der die Noblesse des Bordelais mit der Urkraft kalifornischer Sonnenfrucht perfekt verbindet. THOMAS SCHRÖDER war viele Jahre Chefredakteur des „FAZ Magazins“. Heute leitet er „Fine – Das Weinmagazin“. Er gilt als bester Weinkenner des Landes. Interview FOTOS: SHUTTERSTOCK, FRANZ-KELLER.DE / ILLUSTRATIONEN: ALEXANDRA COMPAIN-TISSIER FÜR BILANZ Die Jagd auf Sterne und ihr Erhalt ist für manchen Spitzenkoch zu unwirtschaft lich geworden. Alexandro Pape hatte den Mut und tauschte seine zwei Sterne und das Munkmarscher „Fährhaus“ gegen eine Sylter Kneipe, in der es nichts gibt als: Brot und Bier. Z. B . gebeizter Lachs auf Kartoffelbrot mit Gurkenrelish und Saiblingskaviar. Luxuriöse Stullen! OKTOBER 2016 STEFAN SCHULZE-HAUSMANN Der Initiator des Deutschen Nachhaltigkeitspreises über das Umdenken in der Wirtschaft. REAL LIFE. REAL STORIES. REAL IMPACT. BILANZ / OKTOBER / 2016 © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 GETFLOWBOX.COM EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA Editorial 3 Lesen Sie mehr... Nachhaltiges Bauen auf dem Vormarsch Publireportage Energieeffizientes Delitzsch Der demografische Wandel ist eine bundesdeut- lichen Bedürfnisstruktur und Lebensstile zu mehr Jury zum deutschen Nachhaltigkeitspreis würdigte sche Herausforderung. Auch aus der Region Energieeffizienz und Klimakultur motivieren. dieses Engagement mit einer Nominierung in der Delitzsch wandern junge Menschen ab, da es Kategorie «Deutschlands nachhaltigste Städte nicht genügend Arbeitsstellen mit tarifgerechtarifgerech Der Stadt Delitzsch mit ihren ca. 25.000 EinwohEinwoh mittlerer Größe 2015». Und auch im Jahr 2016 ist ter Bezahlung für Gutqualifizierte gibt. Ebenso nern gelingt es auf individuelle Weise, den großen Delitzsch wieder in dieser Kategorie nominiert. klagen Unternehmensinhaber über Überalterung Herausforderungen mit einer aktiven Nachhaltig- Durch einen effizienten Umgang mit Energie und und Fachkräftemangel. Die Stadt Leipzig und die keitspolitik zu begegnen. Dabei setzt die sächsische Ressourcen sowie durch den verstärkten Einsatz Industriestandorte im Norden sind Chance und Stadt deutliche Schwerpunkte in den Bereichen erneuerbarer Energien will die Stadt einen Bei- Herausforderung gleichermaßen. Zum einen Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Delitzsch trag zu einer nachhaltigen Energiepolitik, zum benötigen die dort angesiedelten Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, den CO2-Ausstoß bis Klimaschutz und somit zu einer zukunftsverträg- zahlreiche Fachkräfte, die der Wirtschaft dann hier 2020 um mindestens 75 % zu senken, womit der lichen Entwicklung der Gesellschaft leisten. vor Ort fehlen. Zum Anderen suchen junge Familien Bundesdurchschnitt und die bundespolitischen neuen Wohnraum, den sie auch in Delitzsch auf Ziele weit übertroffen werden. Dass das Erreichen Die Stadt Delitzsch stellt sich damit insgesamt Grund der räumlichen Nähe zu Leipzig finden. dieser Zielsetzung möglich ist, beweist die bishe- sehr aktiv der Aufgabe, die Energiewende und rige Bilanz der Stadt: Von 1990 bis 2007 kann sie den Klimaschutz lokal voranzubringen sowie zu Delitzsch hatte bis 1990 durch die Bergbau- und eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um bereits 60 % erproben, und dies bei einer zugleich herausfor- Chemieindustrie mit starker Umweltverschmut- nachweisen. Eine zentrale Maßnahme ist der Einsatz dernden demografischen und finanziellen Lage. zung zu kämpfen. Die Bewältigung der Folgen des erneuerbarer Energien. So wird heute im Stadtgebiet Bergbaus, die Altlasten der industriellen Nutzungen mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt als Große Kreisstadt Delitzsch und die Pflege und Instandhaltung der Altbausub- insgesamt verbraucht wird. Eine höhere Energieeffi- Markt 3, 04509 Delitzsch stanz im Wohnbestand sind Herausforderungen zienz konnte bei mehreren kommunalen Gebäuden Telefon: +49 (0)34202 67-0 für die Stadt. Gleichzeitig hat sich Delitzsch das durch Einsparungen von bis zu 30 % erzielt werden. [email protected], www.delitzsch.de Ziel gesetzt, in den Bereichen Energieeffizienz und Diese nachweisbaren Erfolge, die auch durch eine www.facebook.com/energieeffizientesDelitzsch Ressourcenschutz eine bundesweite Führungs- überzeugende Einbindung der Bürger ermöglicht rolle einzunehmen. Das Engagement in diesen wurden, brachten der Stadt als eine von fünf Kom- Bereichen wurde bereits durch verschiedene munen den Gewinn des BMBF-Bundesausscheids Wettbewerbe ausgezeichnet. Mit der finanziellen «Wettbewerb Energieeffiziente Stadt». Zudem wurde Unterstützung durch den Bundeswettbewerb Delitzsch als erste Stadt Sachsens mit der Aus- «Energieeffiziente Stadt» des Bundesministeriums zeichnung «European Energy Award» Gold geehrt. Nachhaltiges Bauen erlebt seit einigen Jahren in Deutschland, aber auch international, eine Hochkonjunktur. Nicht erst seit der Weltklimakonferenz 2015 in Paris sollte uns allen bewusst sein, dass wir dringend etwas ändern und aktiv mehr Verantwortung übernehmen müssen, wenn es uns ernst ist mit den Klimaschutzzielen. Das gilt gerade für den Bau- und Immobiliensektor, der für einen enormen Teil des globalen CO2-Ausstoßes und des Ressourcenverbrauchs verantwortlich zeichnet. Deutschland zählt zu den Pionieren beim nachhaltigen Bauen – eine Erfolgsgeschichte, die eng verknüpft ist mit dem Namen DGNB. Als Non-Profit-Organisation, die mehr als 1.200 Mitgliedsorganisationen aus der gesamten Bau- und Immobilienwirtschaft vereint, ist es seit der für Bildung und Forschung (BMBF) und durch den «European Energy Award» in Gold beispielswei- Die Stadt Delitzsch zeigt erfolgreich und auf kreative se erzeugt die Stadt eine Vorbildwirkung für die Art und Weise, dass große kommunale Herausfor- Oberbürgermeister Bürger und möchte sie gemäß ihrer unterschied- derungen als Chancen genutzt werden können. Die Dr. Manfred Wilde © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 Gründung im Jahr 2007 das Ziel, nachhaltiges Bauen zu fördern – mit Hilfe der DGNB Zertifizierung, der Ausbildung von Experten für nachhaltiges Bauen und vielem mehr. Mehr als 1.200 zertifizierte Gebäude und Quartiere sowie über 2.500 qualifizierte Experten sprechen für sich. Eine Idee, die von Beginn an das DGNB Verständnis vom nachhaltigen Bauen geprägt hat und heute zunehmend Gehör und Anwendung findet, ist das Konzept der Lebenszykluskostenbetrachtung. Beim Ressourcenverbrauch und dem Ausstoß klimaschädlicher Gase benötigen wir ganzheitlichere Betrachtungsweisen, um eine Messbarkeit zu erhalten und gleichzeitig Anreize für eine kontinuierliche Verbesserung zu schaffen. Die Ökobilanzierung ist hier ein Werkzeug, das bei der Rohstoffgewinnung ansetzt und sämtliche Phasen im Lebenszyklus des Gebäudes und der darin verbauten Produkte betrachtet. Wenn wir Nachhaltigkeit ernst nehmen wollen, reicht es zudem nicht, allein die Kosten, die in der Planungsund Bauphase eines Gebäudes anfallen, zu betrachten. Das greift zu kurz. Aufgabe ist es, Gebäudekonstruktionen so zu planen und umzusetzen, dass die sukzessive anfallenden Kosten für Reinigung, Modernisierung und Instandhaltung mit entsprechender Vorausschau minimiert werden. Ein Umdenken hin zum nachhaltigen Bauen hat eingesetzt. Jetzt gilt es die Aktivitäten in die richtigen Bahnen zu lenken und Maßnahmen anzustoßen, die mehr bewirken können. Der Weg dahin geht nur über eine integralere Planung, einen frühzeitigen Dialog zwischen den am Bau Beteiligten und, damit verbunden, ein besseres Verständnis für die Notwendigkeiten jedes einzelnen. Dies endet nicht beim Neubau, sondern umfasst auch den Gebäudebestand sowie dessen Betrieb. Hier sind große Hebel, um mehr in Richtung Klimaschutz zu bewegen. 04 Internet der Dinge 05 Brandreport: 3M 06 Energiemanagement 08 Industrie im Wandel 10 Interview: Stefan Schulze-Hausmann 12 Smart Metering 14 E-Mobilität 16 Brandreport: Beegy 17 Gebäudemanagement 18 Smart Home Viel Spass beim Lesen! Davide Ingrosso Projektleiter FOKUS ENERGIE & UMWELT Projektleiter Davide Ingrosso [email protected] Country Manager Jeroen Minnee Titelbild iStock Text SMA Design Smart Media Agency AG Distributionskanal BILANZ, Oktober 2016 Impression Weiss-Druck GmbH & Co. KG, Monschau Prof. Alexander Rudolphi Smart Media Agency AG Gerbergasse 5, 8001 Zurich, Suisse Präsident Deutsche Gesellschaft Tel. +41 44 258 86 00 für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. E-Mail [email protected] Web www.smartmediaagency.ch EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA 4 Internet of Things 3M Brandreport 5 eMobilität – die Technologie ist fortgeschrittener als es scheint Hybrid und elektrisch angetriebene Fahrzeuge sind international weiter auf dem Vormarsch; vor allem im Oberklassenbereich. Doch in Deutschland lässt der Durchbruch noch auf sich warten. TEXT SMA Das Internet der Dinge – was verändert sich? Geht es um Umwelt und Nachhaltigkeit, ist schnell die Rede von Ressourcenknappheit, Mobilität und der Nutzung alternativer Energien. Eine andere technologische Entwicklung geht in dieser Diskussion gerne vergessen, obschon sie die Gesellschaft bereits völlig umgekrempelt hat: das Internet. Und dieses verlässt nun den Bildschirm, um jeden Aspekt unseres Lebens zu verändern. TEXT MATTHIAS MEHL In den vergangenen 15 Jahren hat das Internet unsere Lebensweise drastisch beeinflusst. Insbesondere die Medienbranche, der Detailhandel und der Finanzsektor wurden durch diese Technologie komplett umgestaltet. Doch das ist erst der Anfang: Das «Internet der Dinge» (IDD) wird in den kommenden zehn Jahren Landwirtschaft, Industrie, Transportwesen sowie jeden anderen wichtigen Wirtschaftssektor revolutionieren. Zu diesem Schluss kommen Experten des World Economic Forum (WEF) und des Technologieunternehmens Accenture in ihrem gemeinsam erarbeiteten Bericht «Industrial Internet of Things: Unleashing the Potential of Connected Products and Services». Und diese Entwicklung wird ihrerseits entscheidenden Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft haben. Aber der Reihe nach. WAS IST DAS INTERNET DER DINGE? Heute ist das Internet selber Gegenstand unserer Aufmerksamkeit. Wir nutzen es am Heimcomputer und tragen es dank Smartphone und Tablet ständig mit uns herum. Künftig wird das Internet aber in unseren Alltag unterstützend eingebunden – weil immer mehr Alltagsgegenstände online und vernetzt sein werden. Schritte in diese Richtung haben wir bereits unternommen: Ein gutes Beispiel sind moderne Pulsmesser, die während des Sports Daten über unseren Körper sammeln, diese auf eine Cloud laden, synchronisieren und dann unsere Leistungen auswerten. Auch die Industrie bewegt sich in diese Richtung: Unter dem Begriff «Industrie 4.0» geht es darum, industrielle Maschinen miteinander zu vernetzen. Dadurch wird – vereinfacht gesagt– nicht nur die einzelne Maschine smarter, sondern ganze Fertigungsabläufe effizienter. Hierbei spricht man auch vom «Industriellen Internet der Dinge». Nun haben die Experten von WEF und Accenture diese Entwicklung genauer beleuchtet. Zu welchen Schlüssen sind sie gelangt? Gleich vorweg: Es gibt viel Positives zu vermelden. So werde die «Zusammenarbeit von Mensch und Maschine einen bisher nie dagewesenen Grad an Arbeitseffizienz nach sich ziehen», heißt es im Bericht. Dadurch wird die Gesellschaft als Ganzes nachhaltiger. Nachhaltiger in diesem Kontext bedeutet meistens, dass Produkte mit weniger Materialien oder Energie hergestellt werden können. Möglich wird diese Optimierung im Produktionsprozess durch bessere Abstimmung zwischen einzelnen Produktionsstufen. Und da die zu erwartende «individualisierte Produktion» in Zukunft zunehmen wird, ist auch die Wahrscheinlichkeit geringer, dass Abfall und Restmengen anfallen. ES ENDET NICHT IN DER FABRIK Darüber hinaus gebe aber noch den Aspekt, dass das Internet der Dinge auch neue Möglichkeiten für die Kreislaufwirtschaft – die Circular Economy – bietet. Damit kommt es nicht nur während des Produktionsprozesses zum Tragen, also in der Fabrik, sondern auch dann, wenn das Produkt bereits beim Nutzer/Endverbraucher ist. Was das in der Praxis bedeutet? Zum Beispiel, dass sich der Lebenszyklus von Produkten verlängert. Durch Remanufacturing, Reparatur, Upgrading und Weiterverkauf, (z.B. Google Project Ara, ein modulares Smartphone), werden Produkte länger genutzt, weil sie erweiterbar sind und sich ändernden Bedürfnissen stetig anpassen lassen. Mit dem Ergebnis, dass im gleichen Zeitraum künftig weniger Geräte entsorgt werden müssen. ALLES EITEL SONNENSCHEIN? Die Entwicklung hin zum Internet der Dinge wird aber nicht gänzlich reibungslos verlaufen, darin sind sich Experten einig. Denn obwohl sie Umweltbelastungen verringern wird, stellt sich bei einer zunehmenden Vernetzung auch immer die Frage nach der Datensicherheit und der Privatsphäre. Sind künftig ganze Industriezweige miteinander vernetzt, nimmt auch der potenzielle Schaden durch Cyber-Angriffe zu. Eine Herausforderung, die Privatpersonen, Unternehmen und auch Regierungen beschäftigen wird. Fahrspaß und Leistung werden bei Elektro- und Hybridautos, neben dem Aspekt der Umweltfreundlichkeit, zunehmend wichtiger. Das ließ sich im Laufe des Jahres auf verschiedenen Automessen feststellen, beispielsweise in Detroit, USA, beim Genfer Autosalon in der Schweiz oder aktuell beim Pariser Autosalon in Frankreich. In Deutschland zeichnet sich jedoch – zumindest auf den Straßen – ein anderes Bild. Seit Anfang des Jahres wurden in Deutschland, nach Angaben des Center of Automotive Management, bis Ende August lediglich rund 14.000 Elektrofahrzeuge und Hybridautos gekauft. Das ist ein Plus von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Elektroautos ist sogar rückläufig gewesen. Der Marktanteil der Stromer liegt in Deutschland unter einem Prozent. Zum Vergleich: In den USA ist 2016 die Zahl der Elektro- und Hybridfahrzeuge bis Ende August um 30 Prozent gestiegen; in China sogar um mehr als das Doppelte. Innerhalb Europas ist Norwegen mit einem Plus von 37 Prozent Spitzenreiter beim Kauf von Elektro- und Hybridfahrzeugen. Die in diesem Jahr von der Bundesregierung initiierte Kaufprämie für Elektround Hybridautos ist somit © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 bislang nahezu wirkungslos geblieben. Staat und Industrie gewähren Käufern eines Elektrautos einen Zuschuss von 4.000 Euro. Bei einem Hybridauto sind es 3.000 Euro, sofern mindestens 30 Kilometer elektrische Reichweite möglich sind. So mancher Experte wirft der deutschen Autoindustrie vor, den Trend zum Elektroauto verschlafen zu haben. DEUTSCHE HERSTELLER BEI HYBRIDAUTOS FÜHREND Hier gilt es zu differenzieren. Denn die eMobilitäts-Technologie ist weiter als es scheint. Bei Hybridautos, die mit einem Verbrennungsund einem Elektromotor fahren, sind deutsche Hersteller sogar führend. Egal ob Audi, BMW, Mercedes-Benz, Porsche oder Volkswagen – sie alle haben die so genannten Plug-In-Fahrzeuge im Programm. Alternativen bei ausländischen Herstellern sind bei Volvo und Mitsubishi zu finden; Kia und Hyundai investieren derzeit ebenfalls in dieses Segment. Fakt ist aber auch, dass Hersteller vor der Herausforderung stehen – ob bei hybrid oder elektrisch angetriebenen Fahrzeugen, – dass die Reichweite der Autos von der Speicherfähigkeit der Autobatterie abhängt und diese noch sehr begrenzt ist. Derzeit Neue Batterietechnologie von 3M ermöglicht Reichweitensteigerung von hybrid oder elektrisch angetriebenen Autos. © Getty/Martin Pickard/3M arbeiten sämtliche großen Fahrzeughersteller mit Hochdruck an neuen Elektromobilitäts-Lösungen. Viele Autofirmen und Zulieferer nutzen dabei die LithiumIonen-Technik. Probleme sind bislang die geringe Reichweite sowie die niedrige Lebensdauer und die hohen Kosten für E-Mobilitäts-Batterien. BATTERIESYSTEM MIT EINER REICHWEITE VON ÜBER 400 KILOMETERN Doch auch hier gibt es vielversprechende Neuentwicklungen. So hat beispielsweise das österreichische Familien-Start-Up Kreisel Electric ein innovatives Batteriesystem entwickelt, dessen Akkupack mit einer Lebensdauer von 400.000 Kilometern beeindruckt. Gleichzeitig handelt es sich hierbei um die leichteste Batterie mit der höchsten Energiedichte und dem besten Leistungsvolumen am Markt. Ermöglicht wird das Konzept durch ein innovatives Temperaturmanagement, wodurch sich das Akkupack innerhalb von 28 Minuten voll aufladen lässt und so eine Reichweite von über 400 Kilometern erreicht. Kreisel Electric setzt hierbei auf eine Flüssigkeit namens Novec des Multitechnologiekonzerns 3M. Das Besondere an dieser ist, dass sie wie Wasser kühlt, jedoch keinen Strom leitet. Auch besteht keine Korrosionsgefahr. Die Zellen der Kreisel Electric-Batterie werden somit direkt von der Flüssigkeit umströmt und – je nach Bedarf – gekühlt oder geheizt. Eingebaut in einen eGolf erhöht die Batterie die Kapazität des Fahrzeuges bei identischem Bauraum und identischem Gewicht auf 55,7 Kilowattstunden. Damit verbessert sich die Reichweite des Elektroautos von 190 Kilometer auf über 430 Kilometer. Ebenfalls von 3M stammt ein neuartiges Material, mit dem sich die Speicherkapazität von Lithium-Ionen-Batterien für hybrid und elektrisch angetriebene Autos um bis zu 30 Prozent steigern lässt. Die marktreife Technologie ermöglicht eine deutliche Steigerung der Reichweite dieser Fahrzeuge. Welche Lösungen sich am Ende durchsetzen, bleibt derzeit offen. Nach Ansicht der Experten von 3M wird es jedoch bis mindestens 2020 dauern, bis die deutschen Autohersteller neue Technologien ausreichend getestet und in ihre Serienproduktion übernommen haben. Dafür wird E-Mobilität dann nicht mehr allein – wie bisher – überwiegend im Premiumbereich den Durchbruch erfahren, sondern auch im Massensegment. Über 3M Im Automobilsektor gehört der Multitechnologiekonzern seit Jahren zu den führenden Anbietern von Klebstofflösungen. Im Bereich E-Mobility bietet 3M leistungsstarke Batteriechemikalien sowie Produkte für den Batteriezusammenbau und für die Isolation. Dazu gehören doppelseitige Klebebänder, so genannte Spacer-Platten und Wärmeleitfolien. Alle TOP 5 Elektroautos am Markt enthalten Komponenten von 3M. EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA ? n e t s o k m o r t Ihre S ! s u a H s ’ f u a G eh n 6 Energiemanagement Wenn Energie sparen professionell wird Energiemanagement schont nicht nur die Umwelt, sondern auch den Geldbeutel eines Unternehmens. Zudem gewährt der Bund Firmen, die ein Energiemanagementsystem einführen, Zuschüsse. Energie sparen beginnt im Kleinen und kann mit einfachen Regeln in den Arbeitsalltag integriert werden. TEXT EVELINE ANGEHRN Beim Energiemanagement werden Beschaffung, Umwandlung, Verteilung und Nutzung von Energie in einem Unternehmen koordiniert. Ziel des Energiemanagements ist es, den Energieverbrauch und die damit verbundene Umweltbelastung zu senken. Trotzdem soll das Unternehmen aber fortlaufend mit genügend Energie versorgt werden, um das Produktionsniveau gleich hoch zu halten. Nicht nur auf die Umwelt hat effizientes Energiemanagement positive Auswirkungen, sondern auch auf die Finanzen eines Unternehmens. FÖRDERUNG DURCH DEN BUND Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unterstützt Unternehmen finanziell, die ein umfas- sendes Energiemanagement-System in ihrem Betrieb einführen möchten. Die Zuschüsse werden für die Erstzertifizierung eines Energiemanagementsystems, für externe Beratungen und Schulungen und für den Kauf von Messtechnik und Software gewährt. Ansporn genug also für ein Firmen, sich mit Energiemanagement auseinanderzusetzen. Nicht jeder Betrieb kann sich einen professionellen Energiemanager leisten, aber jedes Unternehmen kann bewusster auf seinen Energieverbrauch achten. an richtig investiert, erspart sich so manche böse Überraschung am Ende des Jahres. EIN LICHT GEHT AUF Je nachdem, um welche Art von Unternehmen es sich handelt, sind Einsparungen an unterschiedlichen Stellen möglich. Wie vielen bekannt sein dürfte, sind TV-, Audio- und Kühlgeräte richtige Stromfresser. Dabei könnte man sich den Ärger einer hohen Stromkostenabrechnung sparen – nämlich indem man die richtigen Geräte kauft. Elektrogeräte und Leuchtmittel werden in die EU-Energieeffizienzklaßen A+++ bis G eingeteilt, wobei A+++ den kleinst möglichen Energieverbrauch bedeutet. Wer sein Geld von Anfang WENIGER ENERGIE BEI DER ARBEIT – EINE EINFÜHRUNG Ab dreißig Minuten Pause lohnt es sich den Computer auszuschalten oder ihn, wenn möglich, ganz vom Netz zu nehmen – geschaltete Steckdosen erleichtern dieses Prozedere. Falls man im Büro zu Mittag isst, ist es sinnvoll das Geschirr nicht von Hand zu spülen, sondern diese Aufgabe dem Geschirrspüler zu überlassen. Diese spart viel mehr Energie, als wenn man von Hand abwaschen würde, aber natürlich nur, wenn sich über den Tag noch mehr Geschirr ansammelt. Wer sein Geld von Anfang an richtig investiert, erspart sich so manche böse Überraschung am Ende des Jahres. Eine weitere Variante sind Energiesparlampen am Arbeitsplatz. Heutzutage gibt es für jedes Beleuchtungsbedürfnis die passende, umweltfreundliche Beleuchtung. Solche Lampen lohnen sich jedoch nur dann, wenn sie länger als eine halbe Stunde pro Tag in Betrieb sind. Zudem sollte man unnötige Beleuchtung ausschalten, beispielsweise in Fluren, der Küche oder der Toilette. NICHT UMSONST HEIZEN Mit den sinkenden Temperaturen steigen die Heizkosten, aber auch hier lässt sich Geld sparen – beispielsweise mit der richtigen Belüftungstechnik: So ist es besser, wenn man mehrmals am Tag stoßlüftet, statt die Fenster dauerhaft gekippt zu lassen, denn das kühlt die Wände zu stark aus. Unbedingt darauf achten, dass alle Türen während der Heizperiode geschlossen bleiben, damit nicht unnötig Wärme entweicht. Energie kann aber noch an anderen Stellen gespart werden, wie zum Beispiel der Firmenflotte. Wer sich im Bereich Energiemanagement professionell beraten lässt, bekommt ein maßgeschneidertes Konzept für die Energiereduktion. Mit beegySOLAR + BATTERIE Strom produzieren. Strom speichern. Unabhängig sein. Eine Photovoltaikanlage plus Batteriespeicher von beegy deckt bis zu 80 % Ihres täglichen Strombedarfs. Jetzt neu inklusive Stromflatrate und 20 Jahren Garantie. Alle Infos & Online-Konfigurator: beegy.com © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 Stromflatrate 20 Jahre Garantie Webportal EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA 8 Industrie Industrie 9 Wie wird sich die Industrie verändern? Das Jahr 2050 soll das Stichjahr in Sachen Nachhaltigkeit und Umweltschutz in Deutschland werden. Bis dahin nämlich will die Bundesregierung das Ziel einer weitgehenden Treibhausgasneutralität erreichen. Dies wird Auswirkungen auf die Industrie und die Wirtschaft als Ganzes haben. Wir zeigen auf, was die Regierung anstrebt. TEXT SMA Es sind ambitionierte Ziele, die sich Europa gesteckt hat: So sollen bis ins Jahr 2050 die Emissionen von Treibhausgasen um 80 bis 95 Prozent vermindert werden. Dies sind die Richtlinien der EU. Wie das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) in ihrem kürzlich vorgelegten Entwurf des «Klimaschutzplans 2050» aber festhält, müssen europäische Industriestaaten wie Deutschland das Ziel der Treibhausgasneutralität schon frühzeitig erreichen. Die Deutsche Klimaschutzpolitik orientiere sich deshalb am Leitbild einer «weitgehenden Treibhausgasneutralität» bis 2050. Der Klimaschutzplan ist ein wichtiges Mittel zur Erreichung dieser Zielsetzung, denn er fasst die diversen Handlungsfelder zusammen und formuliert konkrete Maßnahmen, mit denen die Klimaziele erreicht werden sollen. Kurzum: Es handelt sich um den Fahrplan Deutschlands hin zu einer nachhaltigeren Gesellschaft. Aus Platzgründen konzentrieren wir uns im Rahmen dieses Textes auf die Handlungsfelder Wirtschaft und Industrie, die im Entwurf des Klimaschutzplans verankert sind. Den gesamten Entwurf finden Interessierte auf der Website des BMUB, unter www.bmub.bund.de. Den Maßnahmen zum Klimaschutz in der Mobilität haben wir auf den Seiten 14 und 15 dieser Ausgabe einen eigenen Artikel gewidmet. Die nachfolgenden Ansätze, Konzepte und Maßnahmen entstammen direkt dem Entwurf des Klimaschutzplans 2050 (Auszüge). DIE INDUSTRIE IM WANDEL Der Sektor Industrie war gemäss BMUB im Jahr 2014 mit 181 Mio. Tonnen an CO2 der zweitgrößte Treibhausgasemittent in Deutschland und hat damit einen Anteil von rund 20 Prozent an den Treibhausgasemissionen des Landes. Aufgrund seines hohen Fremdstrombezugs ist der Sektor ebenso ein wichtiges Handlungsfeld für die Reduktion der Emissionen der Energiewirtschaft. Die direkten Emissionen des Sektors haben sich ggü. 1990 um 36 Prozent verringert. Die prozessbedingten Emissionen der Industrie haben sich seit 1990 um knapp 27 Prozent verringert. Das Ziel der Treibhausgasneutralität erfordert laut BMUB einen langfristig angelegten grundlegenden Wandel. Im Mittelpunkt steht dabei Klimaschutz als Treiber für Effizienz und Innovation und damit für eine Modernisierungsstrategie, die die Industrie zukunftsfähig macht. Für diesen notwendigen grundlegenden Wandel kann die deutsche Wirtschaft auf die spezifischen Stärken des Standorts setzen: Die deutsche Wirtschaft ist stark bei Forschung und Innovation, dabei sind universitäre und angewandte Forschung sowie die Industrieforschung und innovationsstarke Unternehmen stark vernetzt. Deutschland verfügt darüber hinaus über gute Infrastrukturen, ein hohes Ausbildungsniveau sowie einen stabilen Arbeitsmarkt. Diese Standortwfaktoren sind Wettbewerbsvorteile auf internationalen Märkten, wenn es darum geht, von der Transformation volkswirtschaftlich zu profitieren und die entsprechenden Technologien zur Anwendung zu bringen. Mit seiner Strategie für die Modernisierung der Volkswirtschaft, den darin gesetzten richtigen politischen Rahmenbedingungen und einer den Strukturwandel unterstützenden aktiven Regional- und Strukturpolitik kann es laut Ansicht des BMUB der Industrie gelingen, sich frühzeitig auf diesen Transformationsprozess einzustellen. WAS MUSS KONKRET GETAN WERDEN? Ein Handlungsfeld sieht das BMUB in der Verlängerung der Nutzungsdauer von Produkten und Vermeidung von Abfällen. Denn eine lange Nutzung von Produkten führt in aller Regel zu erheblichen Vorteilen für Umwelt- und Klimaschutz und schont die natürlichen Ressourcen. Derzeit ist bei einigen Produktgruppen (z.B. Elektro- und Elektronik- © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 geräten) eine Verkürzung der Konsumzyklen zu beobachten. Ziel der Maßnahme ist es daher, die Nutzungsdauer relevanter Produktgruppen, z.B. im Rahmen der EU-Ökodesignrichtlinie zu verlängern. Dies geht Hand in Hand mit dem Forschungs-, Entwicklungs- und Markteinführungsprogramm zur Minderung industrieller Prozessemissionen. Die Bundesregierung wird gemeinsam mit der Industrie ein auf die Minderung klimawirksamer industrieller Prozessemissionen ausgerichtetes, nach Branchenspezifik ausgestaltetes Forschungsund Entwicklungsprogramm auflegen, das sich am Ziel der Transformation hin zur Treibhausgasneutralität orientiert. Dabei wird auch die Option der industriellen KreislauffühKreislauffüh rung von Kohlenstoff (z.B. CCU) berücksichtigt. Zur Ausgestaltung des Forschungs- und EntwicklungsproEntwicklungspro gramms wird die BundesreBundesre gierung bebe reits in Kürze einen branbran chensp e zizi fischen DiDi alogprozess mit den betrof betroffenen IndustriIndustri en starten. Darauf aufbauend wird die Markteinführung ausgereifter TechnoloTechnolo gien unterstützt. KEINE ABWÄRME VERSCHWENDEN Knapp 70 Prozent des EndeEnde nergiebedarfs der Industrie entfällt derzeit auf Brennstoffe. Dementsprechend hoch sind die anfallenden Wärme-und damit auch Abwärmemengen. Diese Abwärmemengen sollen künftig konsequent und strategisch, sowohl in der Industrie als auch in Wohngebieten, genutzt werden. Alle Nutzungsoptionen werden dabei in Betracht gezogen, inklusive der Verstromung und Auskopplung in Nah- und Fernwärmenetze. Dabei wird auf bestehenden Programmen und Maßnahmen aufgesetzt. TECHNOLOGISCHE TRANSFORMATION IN DER INDUSTRIE Auch in Zukunft soll Deutschland Industriestandort bleiben und industrielle Fertigung in Deutschland stattfinden. Um die Machbarkeit des Modernisierungspfades an praktischen Beispielen frühzeitig modellhaft zu erproben und zu verdeutlichen, wird die Bundesregierung Förderprogramme auflegen, welche insbesondere energieintensive Branchen und Unternehmen befähigen soll, neue Technologien zur Minderung des Ressourcenund Energiebedarfs in der Produktion zu erforschen und anzuwenden. Eine wichtige Rolle spielen Klimareportings von Unternehmen. Dank internationaler und europäischer Initiativen wiebeispielsweise dem Carbon Disclosure Project (CDP) gibt es bereits umfassende Systeme für das Klimareporting für Unternehmen auf freiwilliger Basis. Ein systematisches Klimareporting stellt Klimatransparenz sowohl in Knapp 70 Prozent des EndenergiebeEndenergiebe darfs der IndusIndus trie entfällt auf Brennstoffe. Bezug auf die Emissionen als auch auf die strategische Ausrichtung und zukünftige Investitionen der Unternehmen sicher und kann sowohl für Investoren als auch für Verbraucher, aber auch für die Unternehmen selbst, eine wichtige Informationsquelle für ihre Entscheidungen sein. Es kann mit geringem Mehraufwand auf bestehende Berichtspflichten und -formate aufbauen und damit helfen, Risiken und Kosten zu vermeiden. EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA 10 Interview Stefan Schulze-Hausmann Stefan Schulze-Hausmann Interview 11 «Die Veränderung passiert in kleinen Schritten» Die Problemstellungen in Bezug auf Klimawandel, Ressourcenknappheit und soziale Missstände sind offensichtlich. Die Firmen haben die wirtschaftliche Macht und somit auch Verantwortung. Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis wird seit 2008 jedes Jahr im November verliehen. Der Preis zeichnet Unternehmen, Kommunen und Forschungseinrichtungen für nachhaltiges Wirtschaften aus. Dahinter steht die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V. Initiator des DNP ist der Wissenschaftsjournalist und Rechtsanwalt Stefan Schulze-Hausmann. INTERVIEW EVELINE ANGEHRN Stefan Schulze-Hausmann, wie binden Sie das Thema Nachhaltigkeit in ihren Alltag ein? Nachhaltigkeit ist im Privatleben wie auch in allen anderen Bereichen nicht von heute auf morgen umsetzbar. Die Veränderung passiert in kleinen Schritten – Essen, Reisen, Wohnen und die Art, wie wir leben. Genau diese Schritte gehe ich, jeden Tag ein Stück weiter. Was veranlasste Sie dazu den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2008 ins Leben zu rufen? Da ich viele Jahre lang den Deutschen Umweltpreis und die 3Sat-Sendung «Nano» moderiert habe, sah ich die zunehmende Bedeutung des Themas und, dass es zwar Umweltpreise gab, aber keinen für Nachhaltigkeit. Durch meine Arbeit kannte ich wesentlich Akteure in Wirtschaft und Politik, und konnte so ein Netzwerk für den Nachhaltigkeitspreis zusammenbringen. Nachhaltigkeit ist nicht von heute auf mormor gen umsetzbar. Die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V. unterstützt karitative Projekte, welche inländischen Projekte werden derzeit unterstützt? Die Mehrzahl der karitativen Projekte, die wir fördern, befindet sich im Ausland. Im vergangenen Jahr aber wurde Geld an die «Childhood Foundation» von I.M. Königin Silvia von Schweden, gespendet. In zwei deutschen Städten kümmert sich die Stiftung um Kinder und Jugendliche, die auf der Flucht nach Deutschland ihre Eltern verloren haben. 25. November in Düsseldorf vergeben werden. Für den Nachhaltigkeitspreis können sich auch Städte und Kommunen bewerben. Wie können diese für Nachhaltigkeit vor Ort sorgen? Zum Beispiel im Hinblick auf Mobilitätslösungen, die Müllentsorgung, der Elektrizitäts- oder Wasserversorgung ist Nachhaltigkeit bereits fester Bestandteil der Aufgaben einer Kommune. Auch haben Städte das Potenzial, Unternehmen auf dem Weg zu nachhaltigem Wirtschaf Wirtschaften zu unterstützen. I.M. Königin Silvia von Schweden, Bundesaußenminister a.D. Hans Dietrich Genscher und Singer-Songwriter Art Garfunkel wurden vergangenes Jahr für ihre Verdienste mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet, wer gehört dieses Jahr zu den Ehrenpreisträgern? Den Ehrenpreis erhält dieses Jahr Ban Ki-moon, der Generalsekretär der Vereinten Nationen. Überreicht wird ihm die Auszeichnung im Rahmen einer Sonderveranstaltung im Oktober, während alle anderen Preise am Warum sollte man sich Ihrer Meinung nach auch als kleines Unternehmen für den Nachhaltigkeitspreis bewerben? Einerseits bekommen Unternehmen während des © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 Bewerbungsprozesses ein gutes Selbstbild über die Nachhaltigkeitsleistung, das ihnen weiterhilft. Andererseits können sie sich so mit Wettbewerbern messen und den eigenen Reifegrad herausfinden. Die Nominierung bringt zudem Öffentlichkeitsarbeit und falls man gewinnt, profitiert man vor allem durch Imagegewinn von diesem Preis, nicht monetär dotiert ist. Was denken Sie ist der Grund dafür, dass sich immer mehr Unternehmen auf Nachhaltigkeit besinnen? Die Unternehmen haben keine andere Wahl. Die Problemstellungen in Bezug auf Klimawandel, Ressourcenknappheit und soziale Missstände sind offensichtlich. Die Firmen haben die wirtschaftliche Macht und somit auch Verantwortung. Ihnen sitzen richtigerweise die Politik, die Kunden und Nichtregierungsorganisationen im Nacken. Was soll der Nachhaltigkeitspreis bewirken? Der Nachhaltigkeitspreis ist – wie der Markt – ein Wettbewerb. Unternehmen können sich messen und gegenseitig motivieren. Die Gewinner erlangen zudem eine Vorreiterrolle, die im Idealfall andere zum Mitmachen inspiriert. Was bedeutet eine solche Auszeichnung für die jeweiligen Unternehmen? Diese Auszeichnung hat zwei Wirkungen. Nach innen bekommt die Arbeit der Mitarbeiter, die für die Nachhaltigkeit verantwortlich sind, mehr Ansehen. Nach außen entsteht eine positive Kommunikationswirkung. EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA 12 Smart Metering Smart Metering: Wenn der Energiezähler kommuniziert Von 2017 bis 2020 werden intelligente Messgeräte kontinuierlich für alle Stromverbraucher Deutschlands verpflichtend. Smart Meter sorgen bei den Verbrauchern für Kostentransparenz und genauere Stromabrechnungen – dies hat jedoch seinen Preis. In Fachkreisen ist man sich zudem uneinig über den Nutzen dieser Geräte. rechnung und verhindert böse Überraschungen am Ende des Monats. Der intelligente Energiezähler wird direkt an ein Kommunikationsnetz angeschlossen, hierbei kann es sich um das Mobilfunknetz, das W-Lan oder das Telefonnetz handeln. Dadurch übermittelt der Smart Meter die Verbrauchsdaten direkt an den zuständigen Energieversorger. TEXT EVELINE ANGEHRN DER SMART METER WIRD BALD OBLIGATORISCH Ab 2017 müssen Grosskunden mit einem Verbrauch über 10‘000 Kilowattstunden ein Smart Meter einbauen. Für Privathaushalte, die mehr als 6000 Kilowattstunden Strom verbrauchen gilt diese Pflicht erst ab dem Jahr 2020. Und bei Haushalten, die weniger als 6000 Kilowattstunden Strom pro Jahr verbrauchen, entscheidet der Energieversorger über den Einbau eines solchen Gerätes. Diese Neuerungen treten ab 1. Januar 2017 mit dem «Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende» in Kraft. Für den Verbraucher bringt ein Smart Meter Kostentransparenz. Der Strom kann dann bezogen werden, wenn er besonders günstig ist. Der Besitzer eines Smart Meters kann seinen Verbrauch entsprechend anpassen, in Zukunft soll dies sogar automatisch ablaufen können. Da die Verbrauchsdaten automatisch übermittelt werden, kommt niemand mehr vorbei, um den Strom vor Ort abzulesen – die Rechnung wird direkt nach Hause versendet. Genau darin aber liegt das Problem. Für die Automatisierung müssen Energieunternehmen die Smart Meter von aussen steuern können, was wiederum ein Eingriff in die Privatsphäre der Verbraucher bedeutet. Daher hat der Datenschnutz oberste Priorität Warum braucht es überhaupt ein Smart Meter? Die intelligenten Zähler ermöglichen den Energieversorgern eine automatisierte Ablesung aller Haushalte, die an ihr Netz angeschlossen sind. Zudem sind Smart Meter teil des intelligenten Netzes, RICHTLINIEN REGELN DIE DATENÜBERTRAGUNG Ein Smart Meter ist im Prinzip ein kleiner Computer. Da das intelligente Messgerät mit dem Internet verbunden ist, muss es auch so behandelt Stellen Sie sich vor, es ist mitten in der Nacht – Sie schlafen tief und fest. Die Waschmaschine springt an und wäscht ihre Kleidung zum Niedertarif. Diese Vorstellung wird für einen Großteil der Deutschen bald Realität. Denn mit neuen intelligenten Messgeräten, soll der Strom dann gebraucht werden, wenn er am günstigsten ist. KOSTENTRANSPARENZ Ein Smart Meter ist ein solcher intelligenter Zähler für Energie, beispielsweise Strom oder Gas. Im Gegensatz zu den veralteten Ferraris-Zählern, die nach wie vor in vielen Haushalten in Betrieb sind, soll er den tatsächlichen Energieverbrauch und die exakte Nutzungsdauer anzeigen. Dies ermöglicht eine genauere Kostenab- «Smart Grid» genannt. Dies soll es ermöglichen, die Energiezufuhr vor allem mit Erneuerbaren Energien effizienter und flexibler zu gestalten. KOSTENTRANSPARENZ UM JEDEN PREIS werden. Das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik hat deshalb in zehn Punkten Anforderungen zum Thema Smart Metering formuliert. Unter anderem heisst es darin, dass «Ableseintervalle möglichst datensparsam vorgegeben sind, sodass keine Rückschlüsse auf das Verhalten der Nutzer gezogen werden können». Weiter ist darin festgelegt, dass die Daten anonymisiert, pseudonymisiert oder aggregiert – also angehäuft – übermittelt werden. UNEINIGKEIT IN FACHKREISEN Energiestrategie 2050 hin oder her, die Meinungen über Sinn und Unsinn solch digitaler Messgeräte gehen bei Experten weit auseinander. Gerätehersteller, Bund, Daten- und Verbraucherschützer sind sich uneinig über das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei Smart Metering. Wie eine Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums aus dem Jahr 2013 von der Wirtschaftsprüfungsanstalt «Ernst & Young GmbH» zeigt, ist das EU-Szenario zur flächedeckenden Einführung von Smart Metern für Deutschland nicht geeignet, da die Kosten den Nutzen überwiegen. Nichtsdestotrotz wird der intelligente Helfer bald Einzug in einen Grossteil der deutschen Haushalte finden. © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA 14 E-Mobilität E-Mobilität 15 in Form von nicht -investiven Maßnahmen unterstützt. Darüber hinaus fördert das BMUB investive Maßnahmen in den Kommunen im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative als Beitrag zum Klimaschutz. Hierzu wurde unter anderem im Frühjahr 2016 der Wettbewerb «Klimaschutz im Radverkehr» gestartet. In den kommenden ein bis zwei Jahren will die Bundesregierung Konzepte entwickeln, mit denen die Erreichung des Meilensteins im Jahr 2030 und letztlich des Gesamtziels eines nahezu treibhausgasneutralen Verkehrs bis 2050 sichergestellt wird. Der nächste notwendige Schritt müsse es gemäß BMUB nun sein, im Kontext des für 2030 definierten Meilensteins zu ermitteln, bis wann die verschiedenen für die Dekarbonisierung des Verkehrs notwendigen Antriebstechnologien und Energieträger spätestens in den Markt eingeführt werden, welche Marktdurchdringungen sie zu welchen Zeitpunkten erreichen und wie die hierfür notwendigen Rahmenbedingungen auszugestalten sind. Darüber hinaus ist zu prüfen, wie der Anteil der heute schon emissionsarmen bzw. emissionsfreien Verkehrsmittel weiter erhöht werden kann. Konkrete Maßnahmen-Pakete FÖRDERUNG DER ELEKTROMOBILITÄT Aufgrund der zentralen Bedeutung der Elektromobilität zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen des motorisierten Straßenverkehrs wird die Bundesregierung weitere Maßnahmen zur Förderung der Elektrifizierung insbesondere auch des ÖPNV und des Straßengüterverkehrs ergreifen. Grüner unterwegs – aber wie? Mobilität ist eine Grundvoraussetzung sowie ein Bedürfnis einer jeden modernen Gesellschaft. Gleichzeitig ist gerade dieser Bereich weit davon entfernt, nachhaltig zu sein. Wir zeigen, mit welchen Massnahmen die Bundesregierung diesen Missstand beheben will. TEXT SMA Dass der Automobilverkehr der Umwelt keinen Dienst leistet, weiß eigentlich jeder. Und dennoch ist uns die persönliche Mobilität ein großes Anliegen. Aber nicht nur diese führt zu mehr Verkehr: Zunehmender globaler Handel erhöht die Warenströme auf der Straße, der Schiene und in der Luft. Das hat Auswirkungen, wie der Entwurf des Klimaschutzplans 2050 des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) zeigt. So habe sich der Energieverbrauch des Verkehrs in Deutschland seit 1960 mehr als verdreifacht. Nahezu 30 Prozent des nationalen Endenergiebedarfs entfallen auf den Sektor Verkehr, davon basieren über 90 Prozent auf Erdöl. Die Importauf Importaufwendungen für Erdöl beliefen sich hierzulande auf rund 50 Milliarden Euro im Jahr 2014. Es überrascht nicht, dass das BMUB in diesem Bereich großen Handlungsbedarf ortet. Die nachfolgenden Ansätze, Ziele und Maßnahmen entstammen direkt dem Klimaschutzplan (der in ganzer Länge zu finden ist unter www.bmub.bund.de). NEUE TECHNOLOGIEN ALS ANTRIEB Die technologischen Voraussetzungen für einen nahezu treibhausgasneutralen Verkehr wurden in den vergangenen Jahren geschaffen. So kommt in den Die technologischen Voraussetzungen für einen nahezu treibhausgasneutralen Verkehr wurden in den verver gangenen Jahren geschaffen. nächsten Jahren eine große Anzahl an Pkw-Modellen mit Elektro-und Plug-In-Hybrid-Antrieb auf den Markt. Die Bundesregierung hat die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich bisher mit über 1,5 Mrd. Euro gefördert. Die deutsche Automobilindustrie hat ihrerseits mehr als 15 Mrd. Euro in die Entwicklung der Elektromobilität investiert. Diese Technologien sind entscheidend dafür verantwortlich, die individuelle Mobilität (welche ebenfalls weiter ansteigt), nachhaltiger zu machen. Aber nicht nur der Vierradverkehr steht im Zentrum des Interesses, auch der Zweiradverkehr spielt eine gewichtige Rolle. Der wird wiederum durch den Bund unter anderem im Zuge der Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans durch das BMVI FINANZIELLE ANREIZE Die Bundesregierung wird ein Konzept zur haushaltsneutralen Umgestaltung der Abgaben und Umlagen im Bereich des Verkehrs vorlegen, mit dem Ziel, deutliche finanzielle Anreize für die Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel und Fahrzeuge sowie für die Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien im Verkehr zu schaffen. Erprobung innovativer Maßnahmen und eine größere Verantwortung beim Aus- und Neubau überregionaler Radwege gehören. In Rahmen der Fortschreibung des NRVP sollen auch konkrete Ziele für den künftigen Anteil des Radverkehrs an der Verkehrsleistung erarbeitet werden, die im Einklang mit dem langfristigen Klimaschutzziel im Verkehr stehen. In ähnlicher Weise wird die Bundesregierung auch beim Fußverkehr aktiv werden. LUFT- UND SEEVERKEHR Die Bundesregierung wird den vorhandenen Forschungsbedarf adressieren und – in Abhängigkeit der Forschungsergebnisse – ein Konzept zum Ausbau und der Markteinführung von strombasierten Kraftstoffen für den nationalen und internationalen Luft- und Seeverkehr vorlegen. ERSTELLUNG EINES INTEGRIERTEN BUNDESMOBILITÄTSPLANES VERKEHRSMITTELWAHL (MODAL SPLIT) Die Bundesregierung wird ein Konzept vorlegen, wie der Anteil des öffentlichen Verkehrs, des Schienengüterverkehrs und der Binnenschifffahrt ggü. der Verkehrsprognose 2030 noch weiter erhöht werden kann. In diesem Zusammenhang sollen auch konkrete Ziele für deren Anteile am Modal Split erarbeitet werden, die im Einklang mit dem langfristigen Klimaschutzziel im Verkehr stehen. Dabei werden auch Fragen der Finanzierung im Sinne einer klimaneutralen Verkehrsgestaltung adressiert. Es ist zu prüfen, ob ein integrierter Bundesmobilitätsplan, der die Weiterentwicklung aller Verkehrsträger (Straße, Schiene, Schiff, Luftverkehr) umfasst, die verschiedenen Infrastrukturplanungen wie Bundesverkehrswegeplan, Luftverkehrskonzept, Hafenkonzept, Logistikkonzept zusammenführen und mittelfristig ersetzen kann. Ein solcher Plan enthielte langfristige Ziele für den Infrastrukturausbau (inklusive Untersuchungen/Szenarien zum individuellen Mobilitätsverhalten) unter Einbeziehung möglicher Verlagerungseffekte und der Abschätzung von Klimafolgen. Bürgerinnen und Bürger sollten angemessen informiert und beteiligt werden. RAD- UND FUSSVERKEHR Die Bundesregierung wird den Nationalen Radverkehrsplan (NRVP) über 2020 hinaus fortschreiben und in diesem Zusammenhang die Kommunen durch die Schaffung geeigneter u.a. rechtlicher Rahmenbedingungen und durch eine kontinuierlich und deutlich ansteigende finanzielle Förderung konkreter Aktivitäten bei der Stärkung des Radverkehrs unterstützen. Dazu können nicht zuletzt die Umsetzung von integrierten Modellvorhaben zur DIGITALISIERUNGSSTRATEGIE FÜR DEN VERKEHR Im Zuge der zunehmenden Digitalisierung aller Lebensbereiche soll eine Digitalisierungsstrategie für den Verkehr unter dem Aspekt der größtmöglichen Ausschöpfung von Treibhausgasminderungspotenzialen erfolgen. Es ist zu prüfen, wie dies im Zusammenhang mit der weiteren Ausgestaltung der digitalen Agenda der Bundesregierung erfolgen kann. © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA 16 Branchenreport Photovoltaik Gebäudemanagement 17 Kinder-Therapiezentrum setzt auf Kraft der Natur Die Stiftung Bunter Kreis aus Augsburg hat mit dem ambulanten Therapiezentrum Ziegelhof einen Rückzugsort für Familien mit kranken Kindern geschaffen, die dort seit der Eröffnung 2015 unter anderem in tiergestützten Therapien neue Kraft schöpfen können. Auch energetisch gesehen schöpft das Zentrum auf dem ehemaligen Ziegeleigelände in Stadtbergen eigene Kraft. Mit verschiedenen Wärmepumpen, eigenem Kraftwerk und Batteriespeicher versorgt sich der Ziegelhof selbst mit Energie und erwirtschaftet übers ganze Jahr gerechnet sogar einen Überschuss. TEXT SMA Die Strom-Flatrate wird real Das pauschale Bezahlmodell erobert nun auch den Strommarkt. Dabei im Fokus: Unabhängigkeit vom herkömmlichen Stromversorger und das Teilen von Strom. TEXT PHILIPP LEY An Flatrates haben sich Verbraucher längst gewöhnt. Ob All-Inclusive-Urlaub, Mobilfunk oder Internet: Einmal pauschal bezahlt, kann man grenzenlos trinken, telefonieren oder surfen. Nun haben auch im Energiemarkt die ersten Anbieter verschiedene Flatrate-Angebote eingeführt. Doch anders als gewohnt, steht hier nicht der endlose Verbrauch im Fokus, sondern die Sehnsucht der Verbraucher nach stabilen Stromkosten. Schließlich kennt der Strompreis seit Jahren nur eine Richtung – nach oben. Folglich versprechen innovative Marktteilnehmer Unabhängigkeit vom herkömmlichen Stromanbieter. So bietet der Energiedienstleister Beegy seit August die erste Strom-Flatrate an, die auf erneuerbaren Energien basiert. Die Flatrate gehört dabei zu einem Angebot, das wahlweise eine Photovoltaikanlage, einen Batteriespeicher und ein Service-Paket umfasst. Konkret bedeutet das: Hausbesitzer produzieren auf dem Dach ihre eigene Solarenergie, um sie direkt zu verbrauchen oder in einem Batteriespeicher zwischenzuspeichern. Den Strom, den sie nicht benötigen, geben sie automatisch an die Beegy-Community weiter. Im Gegenzug erhält jeder Kunde in dem Moment, in dem er selbst zu wenig hat, automatisch Strom aus der Gemeinschaft – und zwar umsonst und unbegrenzt, als echte Flatrate. Möglich macht dies das virtuelle Kraftwerk, das der Energiedienstleister durch den Zusammenschluss und die Nutzung aller Kundenanlagen realisiert. «Es ist praktisch ein Geben und Nehmen – ohne, dass sich der Einzelne darum kümmern muss», erklärt Marco Demuth, Geschäftsführer der Beegy GmbH. «Unser dezentrales Energiemanagement sorgt dafür, dass unsere Community-Mitglieder vollautomatisch versorgt sind.» Auch andere Anbieter schließen die Speicher ihrer Kunden zu einem virtuellen Kraftwerk zusammen. Allerdings fehlen noch Langzeiterfahrungen hinsichtlich der Mehrbelastung der Batteriespeicher durch die Nutzung innerhalb des virtuellen Kraftwerks. Demuth nimmt deshalb sein Unternehmen in die Pflicht: «Anders als Wettbewerber geben wir aus diesem Grund unseren Kunden eine 20-jährige Garantie auf alle verbauten Komponenten.» Erst mit einer solchen Garantie, so Demuth, würde sich eine Strom-Flatrate für den Verbraucher lohnen. Insgesamt würden seine Kunden dann mit der monatlichen Servicegebühr und den auf 20 Jahre umgelegten Investitionskosten für Photovoltaikanlage und Batteriespeicher ungefähr so viel zahlen, wie sie bislang monatlich für ihren Strom aufbringen mussten. Da die Energiekosten künftig jedoch eher steigen würden, könnten die Verbraucher schon mit der ersten Strompreiserhöhung Geld sparen. Entwickelt hat das nachhaltige Energiekonzept die Lechwerke AG aus Augsburg, ein finanzieller Förderer des Bunten Kreises. Im Mittelpunkt des Systems steht eine Grundwasser-Wärmepumpenanlage, die über einen Förderbrunnen die aus dem Grundwasser gewonnene Wärme an die Oberfläche holt und in das Heizsystem einspeist. Zusätzlich unterstützt eine 15 Quadratmeter große Solarthermieanlage auf dem Dach des Verwaltungsgebäudes die Warmwasserbereitung für die Büro- und Seminarräume und die Mitarbeiterwohnungen. Drei Pufferspeicher mit insgesamt 2.300 Litern Fassungsvermögen runden die Wärmeversorgung im Haupthaus ab. Eine weitere Wärmepumpe beheizt die Reithalle des Therapiezentrums. Die Luft-Wärmepumpe saugt dabei die bereits angewärmte Abluft der PV-Wechselrichter an und gewinnt so zusätzlich an Effizienz. Den Strom für den Betrieb des Ziegelhofs erzeugt eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 96 kW auf dem Dach des Pferdestalls. Auch die Wärmepumpen werden mit dem erneuerbaren Strom vom eigenen Grundstück angetrieben. Ein Batteriespeicher mit 40 kWh Kapazität und eine intelligente Steuerung perfektionieren die Anlage, so dass der Ziegelhof in der Jahresbilanz für Licht, Kraft und Wärme mehr Energie erzeugt, als er verbraucht. KOMPLETT OHNE CO2 Die dort erstmals eingebaute Kaskadenschaltung ermöglicht die gleichzeitige Nutzung des selbst erzeugten Stroms für den Ziegelhof und die Wärmepumpen: Strom aus der PV-Anlage wird zunächst dem Allgemein-Stromverbrauch des Zentrums zur Verfügung gestellt. Was übrig bleibt, wird über einen Zähler gemessen und dient nun der Wärmepumpe als Antriebsenergie. Der restliche Strom geht über einen weiteren Zähler in das Netz des Stromversorgers und wird vergütet. Wird Strom aus dem Netz benötigt, dann kann dieser über die Differenz der beiden Zähler sehr leicht der Wärmepumpe oder dem Allgemeinverbrauch zugeordnet werden. Da der zugekaufte Strom aus Wasserkraftwerken stammt, waltet der Ziegelhof komplett CO2-frei. Das in zweijähriger Bauphase errichtete Therapiezentrum Ziegelhof ist ein soziales und energetisches Musterbeispiel. Auf dem sechs Hektar großen Gelände werden kranke Kinder in Tier-, Musik- und Kunsttherapien wieder zum Lachen gebracht. Gleichzeitig spart das Zentrum Das Zentrum spart jährlich rund 75 Tonnen CO2– Emissionen ein. rund 75 Tonnen CO2–Emissionen jährlich ein. Die Anwendung verschiedener Technologien in einer einzigartigen Kombination dient auch lokalen Handwerksbetrieben und Studenten der Hochschule Augsburg als anschauliches Praxis- und Lernobjekt. Dem Ziegelhof gelingt es, durch höchsten Einsatz eigens produzierter regenerativer Energie, die Nutzbarmachung von Umweltwärme aus dem Grundwasser und umgesetzte Energiesparmaßnahmen wie LED-Beleuchtung eine CO2-neutrale Eigenversorgung fast rund ums Jahr zu gewährleisten. ANZEIGE HEIZEN IM GRÜNEN BEREICH WÄRMEPUMPE ‚Handyflatrate, Netflix oder DSL – die Flatrate für Strom ist überfällig.‘ Heizen mit Wärmepumpe Bis zu 9.300,-€ vom Staat Marco Demuth, Geschäftsführer der Beegy GmbH Hinweise zu Fristen und Voraussetzungen Der Wärmepumpen-Förderrechner gibt Antworten: waermepumpe.de/foerderrechner © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA 18 Smart Home Smart Home 19 Das Haus der Zukunft schon heute: mehr Komfort, Sicherheit und Licht «mit Grips» «Smart Home», das «intelligentes Haus» oder das «Haus der Zukunft». Einen dieser Begriffe hat jeder schon einmal gehört. Doch machen sich viele Leute falsche Vorstellungen darüber, was damit gemeint ist. «Energie und Umwelt » wollte darum herausfinden, was ein intelligentes Haus tatsächlich kann. Schnell wurde klar: eine ganze Menge. TEXT MARCEL SCHNEIDER In den eigenen vier Wänden möchte man vor allem eines: sich rundum wohlfühlen. Das Smart Home, also das intelligente Haus, hat genau dies zum Ziel. Wichtig ist gemäß Branchenvertretern vor allem zu verstehen, dass es beim Smart Home nicht einfach darum geht, verschiedene Gadgets in ein Haus einzubauen. Zwar lasse sich durchaus eine automatisch getimte Kaf Kaffeemaschine ins intelligente Haus einbinden. Doch das ist nicht der Kern der Sache. Vielmehr gehe es darum, das Wohnerlebnis der Leu- te durch verschiedene intelligente Funktionen zu optimieren – indem Komfort und Sicherheit erhöht und gleichzeitig Betriebskosten minimiert werden. Als Beispiel für mehr Komfort lässt sich die «Guten-Morgen-Funktion» anführen. Denn schließlich kennt jeder und jede die Situation, dass einen morgens der Wecker unsanft aus dem Schlaf bimmelt. Stellen Sie sich nun vor, dass stattdessen zuerst leise, dann immer lauter Ihre Lieblingsmusik im Zimmer erklingt und sich die Fensterläden leicht zu öffnen beginnen – eine sehr viel angenehmere Art des Erwachens. Wer möchte, kann besagte Kaffeemaschine ebenfalls an diesen Prozess koppeln sowie im Badezimmer Musik erklingen lassen, sobald man dieses betritt. Alle diese Schritte wurden automatisch ausgeführt, gemäß den Vorgaben der Einwohner. Dies zeigt auf, worum es beim intelligenten Haus wirklich geht: Der Alltag wird angenehmer und einfacher gestaltet, man kann das Smart Home auch den «Butler des 21. Jahrhunderts» nennen. DAS INTELLIGENTE LICHT Eine ganz wichtige Rolle im smarten Haus spielt das Licht. So lassen sich für jeden Raum und jeden Anlass Smartes Licht hat nicht nur Vorteile in Sachen KomKom fort, sondern kann auch zu Einsparungen führen. verschiedene individuelle Lichtstimmungen definieren. Sie wollen im Wohnzimmer in Ihrem Buch schmökern? Dann kreieren Sie eine entsprechende Lichteinstellung, welche zum Beispiel die Deckenleuchte hell strahlen lässt – und so optimales Lesesicht bietet. Ist hingegen ein Filmabend angesagt, definiert man entsprechend eine Stimmung wie «Kino» oder «Film» – die sich durch gedämpftes Licht im Raum auszeichnet und die Lichtquellen rund um den Fernseher erlöschen lässt. Smartes Licht hat aber nicht nur Vorteile in Sachen Komfort, sondern kann auch zu Einsparungen führen. Denn wer will, kann sein System so einstellen, dass beispielsweise das Licht automatisch erlischt, wenn sich über eine gewisse Zeit niemand im Raum aufhält. Das ist vor allem bei Familien beliebt, denn gerade Kinder vergessen oft, das Licht in ihrem Zimmer zu löschen. Auch ein Keller eignet sich ideal für diese Art der Lichtsteuerung. Umgekehrt kann man das System auch so einstellen, dass das Licht angeht, sobald jemand den Raum betritt. das Anbringen eines Präsenzmelders, einem Sensor der das Zimmer «im Auge» behält. Zum Präsenzmelder kommen in der Standard-Ausführung außerdem ein Temperaturfühler sowie ein Tür-Fenster-Kontakt. Das Zusammenspiel dieser Komponenten bringt diverse Vorteile mit sich, auch was die Effizienz des Eigenheimes angeht. So kann dank des Temperaturfühlers die Wärme im Raum erfasst und so automatisch die Heizleistung, beziehungsweise die Lüftung, angepasst werden. Aber nicht nur das: Das System ist intelligent, sprich es orientiert sich an IST JEMAND ZUHAUSE? Doch woher weiß ein Smart Home eigentlich, ob sich jemand im Zimmer aufhält? Möglich wird es durch ANZEIGE Schönstes Licht für Ihre Wohnräume Jetzt entdecken auf www.lampenwelt.de Artikel-Nr. 5520017 +49 (0) 66 42 - 406 99 0 [email protected] © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 der tatsächlichen Innentemperatur und lernt dazu. Im Zusammenspiel mit den Fensterkontakten kann auch verhindert werden, dass «aus dem Fenster raus geheizt» wird. KEIN ZUTRITT FÜR UNBEFUGTE Die Sensoren können auch für die Sicherheit des Hauses genutzt werden. Wird ein Bewegungsmelder ausgelöst, wird der Heimbesitzer per Smartphone alarmiert. Wer über längere Zeit abwesend ist, kann das eigene Haus auch die Anwesenheit der Bewohner «vorgaukeln» lassen. Dabei wird aber nicht einfach per Schaltuhr stets um acht Uhr abends das Licht eingeschaltet, sondern tatsächlich der Alltag der Bewohner simuliert: mit unregelmäßig angehendem Licht oder gar laufendem Fernseher. Ganz so, als wäre wirklich jemand zuhause. Überprüfen, aktivieren und ausschalten lässt sich das Ganze, wie eigentlich jede Komponente des intelligenten Hauses, auch unterwegs per Smartphone. Experten aus Forschung und Entwicklung räumen der Home Automation auch eine wichtige Rolle ein, wenn es darum geht, eine der zentralen sozialen Herausforderungen der Zukunft Wer über längere Zeit abweabwe send ist, kann das eigene Haus auch die Anwesenheit der Bewohner «vorgaukeln» lassen. anzupacken: die Überalterung der Gesellschaft. Künf Künftig wird es entscheidend sein, alten Menschen ein möglichst langes, unabhängiges Leben in den eigenen vier Wänden ermöglichen zu können, ohne auf externe Betreuung angewiesen zu sein. Smart Homes können dazu einen Beitrag leisten. Automatisches Licht beispielsweise verringert das Sturzrisiko in den eigenen vier Wänden. Und Sensoren im Haus könnten künftig auch genutzt werden, um festzustellen, ob sich ein Hausbewohner in einer Notsituation befindet. REGISTER EIN ZIEMLICH ENTSPANNTER DEAL IMPRESSUM A Gruner & Jahr Adidas Ahlborn, Dirk Firmenveranstaltungen bei Center Parcs 26 52, 55 Artiminds 60 Hanse Merkur 61 Hart, Doug 54 R B Haspinger, Florian 62 Rabe, Thomas 17 Baetge, Jörg Heck, Ralph 17 Rappers, Tobias 62 Hendricks, Barbara 16 Reimann, Familie 43 26 52, 56 46 12 Sakti 3 29 Bernotat, Wulf 17 Hofer, Manfred 83 Sautter, Eberhard 61 Bertelsmann 20 Holo-Light 62 Scanner Dillennium 74 Best, Theresa 25 Hyndman, Amanda 72 Schmidt-Rohr, Sven 60 Beumer, Markus 10 Hyperloop 50 Schmittmann, Stefan 10 Bhumibol, König 72 Hyperloop One 51 Schwarzer Adler 84 Birkin Bag 64 Hyperloop Transportation Schweer, Dieter 8 Blessing, Martin 10 Technologies Block, Carson 26 20, 40 Segafredo Siemens I HERAUSGEBER: Dr. Arno Balzer 44 27, 32 Sony MDR-1000X 63 TITELGESTALTUNG: Jean-Remy von Matt CHEFREPORTER: Volker ter Haseborg REDAKTION: Sophie Crocoll, Virginia Kirst, Stephan Knieps, Melanie Loos, Dr. Annette Pawlu, Mark C. Schneider AUTOREN: Fred Baader, Thomas Delekat, Wilma Fasola, Max Hollein, Dr. Wolfgang Kaden, Marc Kowalsky, Jürgen Schönstein, Thomas Schröder, Annette Weber, Sibylle Zehle, Bernd Ziesemer BILDREDAKTION: Ulrich Mahn FREIE MITARBEIT: Jasmin Doehl, Miriam Eichenlaub, Ronny Galczynski, Michael Gatermann, René Siegfried, Sarah Wiedenhöft, Lea Sophia Wilke, Saskia Zebulka Bosch-Siemens 29 Illy, Andrea 42 Springer & Jacoby 36 Brandenburg, Karlheinz 61 Illycaffè 43 Springer, Reinhard 36 Buch, Rolf 16 Spurrier, Steven 84 Stag’s Leap 84 BERATUNG FOTOGRAFIE UND ILLUSTRATION: Heidi Russbuelt Staubsauger 28 BÜROLEITUNG: Annette Klangwald J Jacoby, Konstantin Carreiro-Andree, Caiña 24 Change 32 10, 23 Jäkel, Julia 30 Kempf, Dieter Cornelius, Susanne 10 Kopper, Hilmar Cook, Tim 62 Cours d’Elegance 76 L Cucinelli, Brunello 78 Lang, Joachim D 36 106 GESCHÄFTSFÜHRER: Johannes Boege, Dr. Stephanie Caspar T K Conze, Max Tesla 9 49 28, 52 Théoule-sur-Mer 68 Thiel, Peter 61 Trautmann, Michael 38 Trump, Donald 46 8 Lavazza 44 U Lloyd, Rob 51 Ubitricity GESAMTANZEIGENLEITERIN: Silvana Kara (v.i.S.d.P.) 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Müller, Klaus-Peter 10 W Musk, Elon 50 Wachtveitl, Kurt 72 Werlberger, Alexander 62 Winiarski, Warren 84 83 F Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 3 für BILANZ DEUTSCHLAND, gültig ab 1.1.2016. Unsere Standards der Transparenz und der journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter: www.axelspringer.de/unabhaengigkeit Frettchen, das 40 N Fry, Jeremy 30 Näder, Hans Georg 61 Wolf, Anton 20 Newton, Sylvain 23 Wünsche, Benedict 26 ABONNEMENT: Abonnenten-Service BILANZ, Postfach 10 03 31, 20002 Hamburg, E-Mail: [email protected] Tel.: +49 (0)40 468 60-51 29, Jahresabonnement 49,00 Euro (Ausland zzgl. Portokosten) 10 E-PAPER ERHÄLTLICH UNTER: www.lesershop24.de und www.ikiosk.de G Gerdes, Jürgen Rufen Sie uns an 0221 - 97303060 oder besuchen Sie uns unter http://business.groupepvcp.de 55 BILANZ DEUTSCHLAND Wirtschaftsmagazin GmbH, Axel-Springer-Platz 1, 20350 Hamburg Tel.: (040) 347 234 47 Fax: (040) 347 234 50 E-Mail: [email protected] CHEFREDAKTEUR: Klaus Boldt (v.i.S.d.P.) S 84 Commerzbank • Riesiges Sport- und Freizeitangebot – z.B. für individuelles Teambuilding 66, 80 Hirsch, springender 8 DAS DEUTSCHE WIRTSCHAFTSMAGAZIN 10, 21, 61 21 C • Von 50 bis zu 3.000 Personen (Exklusive Anmietung des gesamten Parks ab 350 Personen möglich) Hermès Pro Sieben Sat 1 Hexter, Christina BMW • Variabel zu gestaltende Seminarräume 45 26 Beckmann, Kai • Komfortable Unterkünfte (Hotel oder Ferienhaus) 84 Pogliani, Massimiliano Hainer, Herbert BDI • Ungestörtes Arbeiten dank Trennung von anderen Feriengästen Pape, Alexandro H 23 Barsky, Neil • 29 Business Parks in Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Frankreich (mit Anlagen von Pierre & Vacances) P Allianz BamBrogan, Brogan ALLES UNTER EINEM DACH Meetings, Seminare, Konferenzen oder Events bei Center Parcs 106 Grillo, Ulrich 17 8, 33 O Ostrowski, Hartmut Z 17 Zielke, Martin OKTOBER / 2016 / BILANZ © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 105 Jetzt im Abonnement für 49€ im Jahr BILANZ-GEWINNERIN JULIA JÄKEL 1971 Julia Jäkel wird in Mainz geboren und wächst in Wiesbaden als Einzelkind in einer Arztfamilie auf. DAS DEUTSCHE WIRTSCHAFTSMAGAZIN. 1991 Abitur am örtlichen Gutenberg-Gymnasium. Notenschnitt: 1,1. 1992 – 96 In Heidelberg geht Jäkel der Geschichte, Politik und Volkswirtschaft auf den Grund. Doch ein Magister-Titel ist der ehrgeizigen Frau nicht genug: Sie setzt noch einen sogenannten „Master“-Abschluss (International Relations) obendrauf, errungen in Cambridge. (44) Vorstandschefin des Verlagshauses Gruner & Jahr (u. a . „Stern“, „Geo“). Umsatz: 1,5 Milliarden Euro, 13.245 Mitarbeiter. 1997 Karrierebeginn im Führungskräfte-Programm von Bertelsmann. Anfangs schreibt Jäkel für die „Berliner Zeitung“, dann wird sie geschäftsführende Redakteurin der „Gala“. „Die Arbeit in der Redaktion gefiel mir fast besser als die im Verlag. Aber letztlich muss man erkennen, wo man einen Unterschied machen kann.“ 1999 „FTD“-GRÜNDUNG: „Für guten Journalismus begeistere ich mich, ebenso wie ich mich über schlechten aufrege.“ Jäkel gehört dem Gründungsteam der „Financial Times Deutschland“ (FTD) an. Fünf Jahre später, mit 33, übernimmt sie die Verlagsleitung der „Brigitte“. 2008 Jäkel macht ihre Sache gut und darf mehr: Sie wird Leiterin der Verlagsgruppe G & J Exclusive und übernimmt vier Jahre später die Verantwortung für 20 Medienmarken, darunter die „Brigitte“ und „Gala“. 2012 Sie rückt in den G & J-Vorstand ein. Keine zehn Wochen im Amt, schließt sie die dauerdefizitäre „FTD“: „Das war sicher einer der traurigsten Tage bei Gruner & Jahr.“ ELTERN VON ZWILLINGEN: Seit 2003 ist Jäkel mit Ulrich Mr. Tagesthemen Wickert verheiratet. 2013 Julia Jäkel steigt zur Vorstandschefin auf. Gruner & Jahr setzt 2,2 Milliarden Euro um. VERLAGSSCHIFF: Der Hauptsitz von Gruner & Jahr am Hamburger Baumwall. 106 2016 Chefin Jäkel schärft das Profil des Verlags, ordnet den Rückzug aus Österreich an. Im Fokus stehen Deutschland und Frankreich. „Inspirierende, kreative, entscheidungsstarke Menschen zusammen und an die richtigen Stellen zu bringen: Das ist vielleicht das Wichtigste, was ich beitragen kann.“ MIT ZUCKERGUSS: „Ich bin stolz auf das, was wir aus der ,Brigitte‘ gemacht haben.“ FOTOS: DETLEV SCHEERBARTH, PICTURE ALLIANCE (4), PRIVAT JULIA JÄKEL IM ACHTER: Für ein Jahr rudert Studentin Jäkel (fünfte von links) in Cambridge mit. Bestellen unter Bilanz.de/Abo oder 0 40/4 68 60-51 29 BILANZ / OKTOBER / 2016 © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969 © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung BILANZ--s3-beilagen-86 2565b33269f433cee4ea8d831d88b969
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