SWR2 Tagesgespräch

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Manfred Weber (CSU), Fraktionsvorsitzender
der EVP im Europaparlament, gab heute, 21.10.16,
dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema:
„Europas Haltung zu Russland“.
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Marion Theis.
Mit freundlichen Grüßen
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Datum:
21.10.2016
EVP-Fraktionschef Weber: Bin enttäuscht von schwacher Antwort auf Russland
Baden-Baden: Der Fraktionsvorsitzende der konservativen EVP im Europaparlament, Manfred
Weber, fordert von den EU-Staats- und Regierungschefs eine starke Haltung gegenüber
Russland. Er sei enttäuscht über die schwachen Formulierungen des Europäischen Rates zu
Sanktionen, sagte Weber im SWR (Südwestrundfunk). Das sei keine angemessene Antwort auf
das Vorgehen Russlands in Syrien.
Der CSU-Politiker forderte die EU-Staats- und Regierungschefs auf, mehr Verantwortung zu
übernehmen. Dafür sei Geschlossenheit Voraussetzung, deshalb müsse Europa sich
zusammen raufen, verlangte Weber.
Er setzte sich erneut dafür ein, die Sanktionen gegen Russland zu verlängern und über eine
Verschärfung zu diskutieren – dies sei die einzige Möglichkeit, um Krieg zu verhindern. „Wir
müssen die Softpower Europas einsetzen, die Wirtschaftsmacht“, forderte Weber. Das sei auch
deswegen sinnvoll, weil man zurzeit in Russland beobachten könne, wie gut die bisherigen
Sanktionen wirkten.
Der EVP-Fraktionschef zeigte sich erstaunt über die Ankündigung der britischen
Premierministerin May, weiter in der EU mit bestimmen zu wollen. Er sei eigentlich davon
ausgegangen, dass Großbritannien als Land, das die EU verlassen wolle, respektiere, dass die
27 anderen EU-Staaten für sich ihre eigene Zukunft definieren könnten, kritisierte Weber. Mays
Haltung sei „anmaßend“.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Theis: In Syrien und im Irak kämpfen Russen und Amerikaner um die Vormacht im
mittleren Osten, und die EU schaut zu. Drückt Ihnen nicht auf die Stimmung?
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Weber: Zunächst mal, bei der Analyse, würde ich sagen, Amerika ist ja zu wenig präsent in
diesem Konflikt. Wir erleben ja, dass dort die demokratische Opposition jetzt von Assad und vor
allem von Putin bombardiert wird. 300.000 Menschen in Aleppo, zehntausende davon Kinder,
die unter Bombenterror, jetzt auch von Russland, leben müssen. Und deswegen war es wichtig,
dass der Rat sich damit beschäftigt und auch Geschlossenheit zeigt. Allerdings muss ich schon
sagen, dass die schwachen Formulierungen zu möglichen Verschärfungen von Sanktionen aus
meiner Sicht kein sehr deutliches Signal sind.
Theis: Sie sagen, Amerika ist zu wenig präsent, Europa aber doch auch, oder? Sie
können ja jetzt nicht die Verantwortung auf die USA abschieben.
Weber: Natürlich. Wir hatten nur bisher die Situation, dass Amerika sich stark in solchen
Konflikten mit engagiert hat und damit auch für Europa ein stückweit den Job erledigt hat. Und
wir werden in der nächsten Zeit, selbst wenn Clinton gewinnt in Amerika, damit leben müssen,
dass Europa mehr Verantwortung übernehmen muss. Und dabei ist immer Voraussetzung:
Geschlossenheit. Europa muss sich zusammenraufen, es muss uns gelingen. Insofern war
gestern schon ein guter Gipfeltag, weil auch Teresa May, weil viele in ihren Statements deutlich
gemacht haben, die Analyse ist klar: Russland ist dort mit brutalem Bombenterror unterwegs,
und deswegen steht Europa zusammen.
Theis: So ganz klar scheint mir das nicht. Der Europäische Rat will erst mal keine
Sanktion gegen Russland verhängen. Das war ursprünglich anders vorgesehen. Es gab
aber keine Einigung auf diese Haltung. Stattdessen warnt der Rat, dass es bei
Fortsetzung der Gräueltaten Sanktionen geben könnte. Kuscht Europa da nicht zu sehr
vor Russland?
Weber: Ja, die bisherigen Formulierungen sind keine starke Antwort, die Europa auf Russland
gibt. Da bin ich schon etwas enttäuscht. Wir haben die Situation, dass nach der Ukrainekrise
jetzt in Syrien und früher schon in Georgien, Russland Militär als legitime Mittel der Politik
einsetzt. Und das ist schon ein extremer Bruch, im Vergleich zu den früheren Jahrzehnten, die
wir mit Russland hatten. Und deswegen muss eine Antwort kommen. Ich spreche mich dafür
aus, wie auch in der EVP-Fraktion, dass wir Sanktionen nicht vom Tisch nehmen dürfen und die
Verschärfung angesprochen werden muss.
Theis: Das ist Ihre Antwort auf Russland, noch stärkere Sanktionen?
Weber: Ja. Das ist unsere einzige Möglichkeit. Wer Krieg vermeiden will, - und das will hier
jeder, wir wollen keine militärische Eskalation, jeder, der Vernunft hat, kann das nicht wollen der muss die Softpower Europas einsetzen, das ist die Wirtschaftsmacht. Und übrigens wirken
diese Sanktionen auch. Russland muss massiv in die Rücklagen der Gas- und Ölgeschäfte
eingreifen, und diese Rücklagen schmelzen dahin. Russland wird in wenigen Monaten da nicht
mehr handlungsfähig genug sein, um alle Ziele des Staates zu erreichen, alle Sachen zu
finanzieren. Insofern wirken die Sanktionen auch. Russland hat immer weniger Zeit, diesen
Kurs fortzusetzen.
Theis: Im Moment ist es schwierig, sich mit Russland zu einigen. Wäre es denn nicht
möglich, deutlich größeren Druck auch auf Iran und Saudi Arabien auszuüben, damit die
aufhören, extremistische Kräfte im Syrien-Krieg zu unterstützen?
Weber: Natürlich. Alle, die dort beteiligt sind - und Sie beschreiben es zu Recht, das ist ein
Knäuel an Interessen, den wir dort in Syrien leider haben. Aber Fakt ist, dass die Bomben
derzeit in Aleppo, die humanitäre Katastrophe, die uns hier vor Augen ist, die wird von Putin
finanziert und von Assad und Anderen mit umgesetzt, und deswegen ist das der Schwerpunkt,
den wir jetzt angehen müssen.
Theis: Also, dann müssen wir schauen, dass die EU nicht zerbröselt. Was könnte es
denn da noch für Maßnahmen geben, um die Haltung einheitlicher zu machen, auch
gegenüber Russland?
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Weber: Ja, leider gibt es nur die Möglichkeit des Gesprächs miteinander. Europa muss in der
Außenpolitik einstimmig vorgehen. Das heißt, es gibt nach den heutigen Verträgen keine
Mehrheitsentscheidung. Wir müssen auf den sprichwörtlich Letzten warten, der sich bei
Russland entsprechend positioniert, und deswegen gibt es nur das Gespräch. Klar ist, dass wir
nur einflussreich sind, wenn wir geschlossen sind und nur einflussreich sind, wenn man uns
ernst nimmt. Und deswegen müssen Sanktionen am Tisch bleiben.
Theis: Ist diese Geschlossenheit denn nicht umso schwieriger, als die Briten jetzt auch
sagen, wir wollen weiter in der EU mitreden, auch wenn wir bald draußen sind?
Weber: Ja, das fand ich gestern ziemlich mutig von Teresa May, der neuen Premierministerin
Großbritanniens, weil ich eigentlich davon ausgehe, wenn jemand die Europäische Union
verlassen will, wie die Briten, dann würden sie respektieren, dass der Rest, die 27 anderen EUStaaten, für sich ihre eigene Zukunft definieren wollen. Und wenn sie jetzt sagt, sie will
beispielsweise in der Verteidigungspolitik Initiativen der 27 so lange verhindern, solange sie am
Tisch sitzt, dann finde ich das ziemlich anmaßend. Ich würde mir wünschen, dass
Großbritannien jetzt endlich auf den Tisch legt, wo es hinwill, wie seine Zukunft aussieht und
diesen Rest der Europäischen Union seine eigene Zukunft gehen lässt.
- Ende Wortlaut -
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)