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Ist das duale System überholt?
Über das Kompetenzgefüge von Aufsichtsrat und Vorstand
Sollen die Rollen von Vorstand und Aufsichtsrat neu definiert
werden? Mit keiner geringeren Frage beschäftigte sich die diesjährige Konferenz Deutscher Corporate Governance Kodex
(Kodexkonferenz). Das Ergebnis fasste der Vorsitzende der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance
Kodex (Kodexkommission), Dr. Manfred Gentz, wie folgt zusammen: „Es gibt keinen Grund, das duale System mit
Aufsichtsrat und Vorstand für überholt zu halten. Von Dr. Julia Sitter und Jessica Hallermayer
Die nunmehr 15. Kodexkonferenz widmete sich im Juni dieses Jahres dem Kompetenzgefüge von Vorstand und
Aufsichtsrat. In seinem Einführungsvortrag betonte Dr. Gentz die Bedeutung einer unabhängigen Kontrolle des Vorstands
durch den Aufsichtsrat. Im Vergleich zu vielen anderen Jurisdiktionen enthalte der Deutsche Corporate Governance
Kodex (DCGK) eine relativ kurze Beschreibung von Kriterien, nach denen keine Unabhängigkeit gegeben sei – was daran
liegt, dass die Unabhängigkeit sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder vom Vorstand bereits systembedingt vorgeben ist.
„Daher glauben wir“, so Dr. Gentz weiter, „dass wir mit unserer Empfehlung in Ziffer 5.4.2 des Kodex [zu den
Unabhängigkeitskriterien; Anm. d. Verf.] jedenfalls noch auskommen können; wir wissen aber, dass wir diesen Punkt
immer wieder überprüfen müssen, um internationaler Best Practice dauerhaft gerecht zu werden.“ Die Betonung der
Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder auf der Kodexkonferenz ist von besonderer Bedeutung, nachdem der
Gesetzgeber mit dem Abschlussprüfungsreformgesetz das Unabhängigkeitserfordernis für den Finanzexperten aus dem
Aktiengesetz gestrichen hat.
Julia Sitter, White & Case LLP
Aufweichung der Kompetenzabgrenzung
Die Kodexkonferenz befasste sich auch mit dem gewachsenen Aufgabenkreis des Aufsichtsrats. In den Bereichen
internes Kontrollsystem und Compliance reicht eine reine Überwachung nicht mehr aus. Der Aufsichtsrat muss sich
vielmehr vergewissern, dass und ob diese Systeme effizient arbeiten und auf die Behebung etwaiger Mängel drängen.
„Der Aufsichtsrat wird damit nicht selbst operativ tätig, die Entwicklung geeigneter Systeme und die Beseitigung von
eventuellen Mängeln bleibt Sache des Vorstands“, so Dr. Gentz. „Aber der Aufsichtsrat rückt mit seiner Verantwortung
dichter als früher an die Exekutive heran.“
Auch in der Kommunikation nach außen gibt es Themen, bei denen die – vom Aktiengesetz vorgesehene – alleinige
Repräsentation der Gesellschaft durch den Vorstand dem heutigen Verständnis von guter Corporate Governance nicht
mehr gerecht wird. Es gebe „Fragen, die der deutsche Vorstand nicht beantworten kann, weil die Sach- und
Entscheidungskompetenz allein beim Aufsichtsrat liegt“, so Dr. Gentz. Beispiele hierfür sind insbesondere die Auswahl
von Vorstandsmitgliedern sowie die vieldiskutierte Vergütung der Vorstandsmitglieder. Gerade institutionelle Anleger
suchen zu diesen Themen das Gespräch mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden. „Man wird deshalb annehmen dürfen und
müssen, dass der Aufsichtsrat bzw. dessen Vorsitzender eine aus der Sache folgende Annexkompetenz hat, die er
braucht, um seine Aufgaben richtig und vollständig wahrnehmen zu können.“ Leitsätze für einen solchen Dialog zwischen
Investor und Aufsichtsrat hat die Initiative „Developing Shareholder Communication“ im Anschluss an die Kodexkonferenz
veröffentlicht; neben Herrn Dr. Gentz gehört u.a. Kay Bommer, Geschäftsführer DIRK e.V., zu den Vertretern der
beratenden Stakeholder-Gruppen.
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Quelle: http://www.goingpublic.de/ist-das-duale-system-ueberholt