SZ SPEZIAL – ZUKUNFT PERSONAL 67 DEFGH Nr. 239, Samstag/Sonntag, 15./16. Oktober 2016 Schön virtuell Viele Personalabteilungen haben Mühe mit dem Umstieg auf digitales Arbeiten. Wer aber auch künftig die besten Mitarbeiter finden will, muss Bewerbungen online ermöglichen vo n christine E demmer s vergeht keine Woche ohne eine neue Studie zum Thema Digitalisierung. Viele Personalmanager können das Wort schon nicht mehr hören. Allein, es fehlt die Alternative: Wenn Mitarbeiter und Bewerber online und mobil kommunizieren wollen, können Personaler nicht auf Papier beharren. Zumal die Chefetage Druck macht: Die internen Prozesse sollen weniger kosten. Kundennutzen und Einsparungen: Beides verspricht die elektronische Speicherung und Verarbeitung von Bewerberund Mitarbeiterdaten. Zuvor jedoch muss in Maschinen und Köpfe investiert werden: Wie sollen die betrieblichen Abläufe künftig aussehen? Wie gelingt die digitale Transformation? Und wer hat dabei das Sagen: Die Personaler, die für Menschen da sein wollen, oder die Informatiker, die jede Aufgabe für technisch lösbar halten? Tatsächlich bestimmen Bewerber und Mitarbeiter das Tempo, mit dem die Personalabteilung in die Arbeitswelt 4.0 katapultiert wird. Als attraktiver Arbeitgeber müsse man deren Wünsche im Blick haben und die richteten sich auf Online-Kommunikation und mobile Human-Resources-Anwendungen (HR), meint Katharina Heuer, Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP). Wenn die Personaler ihnen nicht entgegenkämen, würde das Recruiting ungleich schwieriger. Außerdem stünden jede Menge Dienstleister bereit, Teile der HR-Funktion zu übernehmen. „Entweder machen wir das selbst“, warnt Heuer, „oder andere nehmen uns das aus der Hand.“ Mit diesem Argument allerdings lässt sich bei der Geschäftsleitung kaum Geld für Digitales lockermachen. Heuer unterstreicht deshalb die Rolle der Personaler: „Mitarbeiter wollen heute stärker beteiligt werden. Darauf müssen wir Management und Führungskräfte vorbereiten.“ Das gelinge am besten digital. „Technologische Entwicklungen enden weder vor dem Werkstor noch vor der Personalertür.“ Der Appell an die Veränderungsbereitschaft der Personalverantwortlichen wird aus gutem Grund lauter: Einer Umfrage der DGFP vom Sommer zufolge sieht sich Ein Pfau versteht vom Präsentieren ohne Frage einiges. Viele Unternehmen haben hingegen Schwierigkeiten damit, Online-Anwendungen bei der Suche nach neuen Mitarbeitern gezielt einzusetzen. FOTO: MAURITIUS die Mehrzahl der Betriebe nicht genügend vorbereitet auf die digitale Welt. Nur vier von zehn Personalmanagern bescheinigen ihrem Unternehmen die digitale Reife. Die meisten sehen in der Digitalisierung zwar mehr Chancen als Risiken. Sie glauben aber nicht, dass die Mitarbeiter die künftig benötigten Kompetenzen mitbringen. Des- halb wollen die internen Dienstleister nicht vorpreschen. Stattdessen fordern sie einen umfassenden, von HR begleiteten Transformationsprozess. Elke Eller, Personalvorstand bei Tui in Hannover und Präsidentin des Bundesverbands der Personalmanager (BPM), rüttelt auf: Die Arbeitswelt sei im Begriff, sich tief greifend zu wandeln. „Das kann nicht ohne Auswirkungen für HR bleiben“, sagt sie, das Thema verdiene höchste Priorität. „Wir werden andere Geschäftsmodelle haben, wir werden Menschen mit anderen Qualifikationen benötigen. Darauf müssen sich die Personaler einstellen, damit sie den Wandel vorantreiben können – und nicht nur begleiten.“ Die Digitalisierung eröffne dem Personalmanagement der Zukunft große Möglichkeiten, sagt Eller. Entscheidend sei „nicht die Menge an Daten, sondern deren intelligente Verknüpfung zu nützlichen Anwendungen.“Dass Personaler gegen die digitale Welt verlieren können, fürchtet sie nicht – vorausgesetzt, HR „Graue Zellen vor grauen Haaren“ Personalberater Kai Haake über Branchenwissen und gezielte Suche SZ: Ab welcher Ebene werden Personalberater tätig? Vom Bereichsleiter an aufwärts? Kai Haake: Einige Berater suchen ausschließlich für die oberste Führungsebene. Die meisten jedoch decken die ganze Was macht einen guten Personalberater aus? Kai Haake hat sich als Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater schon lange mit der Frage beschäftigt. Sein Fazit: Branchenerfahrung ist wichtig. FOTO: PRIVAT Bandbreite von Fach- und Führungskräften ab. Das fängt bei der Suche nach Assistenten an und erstreckt sich über rare Spezialisten bis hin zu Vorständen und Aufsichtsräten. Manager und Personalchefs jenseits der 50 wechseln oft in die Personalberatung. Kommen dann genug Junge nach? Der Beruf erfordert nicht ständig lange Reisen. Deshalb – Stichwort: Work Life Balance – sorgen wir uns nicht um den Nachwuchs. Überdies investieren vor allem die großen Beratungsfirmen viel in die Gewinnung junger Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. In der Personalberatung fangen sie in der Regel im Search an und steigen mit den Jahren zum Berater auf. Wovon hat der Kunde mehr: von einem Headhunter mit viel Berufserfahrung oder von einem, der alle kennt? Wichtiger ist aktuelles Branchenwissen. Je vertrauter der Berater mit einem Wirtschaftszweig ist, desto eher weiß er, wen und wo er suchen muss. Auch in der BDUPersonalberater-Datenbank liegt das Schwergewicht auf Branchenerfahrung. Die Kunden suchen gezielt nach Insidern und erwarten den Nachweis erfolgreich abgeschlossener Projekte. Hier gilt: Graue Zellen vor grauen Haaren. Dürfen Sie als Verband Empfehlungen aussprechen? Nein, das dürfen wir aus ComplianceGründen nicht. Deshalb haben wir eine weitere Datenbank ausschließlich mit Recruiting-Spezialisten eingerichtet. Dort kann man online nach Personalberatern mit Erfahrung in speziellen Branchen und Funktionen oder nach Spezialisten auf einem Gebiet suchen. Das liefert eine verlässliche Shortlist und kostet nichts. Und dann lässt man drei, vier, fünf Personalberater gegeneinander antreten? Dagegen ist nichts zu sagen. Wenn man sich am Ende für einen entscheidet, ihm oder ihr den Auftrag gibt und nicht im Windhundverfahren alle auf die Spur setzt. Das wirkt unseriös. inter vi ew: christine demmer PERSONALMANAGEMENT IST LIVE. Heikle Suche Personalberater sollten sorgfältig ausgewählt werden Wenn Hartwig Pfeffer früher einen Manager für seinen Betrieb gebraucht hat, dann überflog er am Computer die Lebensläufe der Mitglieder von Linked-In und Xing und schrieb passende Kandidaten einfach an. Knifflig wurde es, wenn der Geschäftsführer auf jemanden stieß, der in seiner Branche, der Wassertechnik, zu Hause war. „Einerseits war das wie ein Sechser im Lotto“, schwärmt Pfeffer. „Kein Dolmetscher nötig: Die oder der war ja im Thema. Andererseits musste ich jedes Mal überlegen, was ich mit einer Abwerbung riskieren würde. Wem trete ich damit auf die Füße?“ Kunden und Zulieferer reagieren alles andere als erfreut, wenn man ihnen gute Leute abspenstig macht. Auch die Konkurrenz soll nicht unbedingt mitbekommen, was sich in einer Firma tut. Hartwig Pfeffer jedenfalls war das Herumgedruckse ziemlich schnell leid und delegierte die Sache an einen Personalberater. Den kannte er von früher. Trotzdem gingen dem Auftrag ein Firmenrundgang und ein mehrstündiges Briefing voran. „Ich weiß genau, wen ich als Führungskraft haben will“, betont Pfeffer. „Mir fehlt nur die Zeit, um mich selbst auf dem Markt umzuschauen. Und in manchen Fällen will man ja auch die Anonymität wahren.“ Zum Beispiel, wenn der Neue den bisherigen Stelleninhaber ersetzen soll. Oder wenn ein Firmenzusammenschluss, ein Verkauf, eine größere Umstrukturierung ansteht. Aber wie findet man unter den 6200 Headhuntern in mehr als 2000 Personalberatungen in Deutschland just den vertrauenswürdigen Profi? Nach Ansicht von Wolfram Tröger, Vorsitzender des BDU-Fachverbandes Personalberatung, könne man Empfehlungen von anderen Entscheidern durchaus in Betracht zu ziehen. Allerdings mit Einschränkungen: „Die Art des Unternehmens, sein Reifestadium, die Branche und die zu besetzende Funktion sollten nicht allzu sehr von der eigenen Situation abweichen.“ All diese Faktoren bewerte und gewichte ein Personalberater, bevor er seine Suchmannschaft auf Kandidatennamen ansetzt. Empfehlungen solle man daher als das nehmen, was sie sind: Tipps. Ergänzend solle man sich in einem Beraterportal oder einer Beraterdatenbank umsehen und Telefonate mit geeignet scheinenden Beratern führen. Wer am Hörer den besten Eindruck macht, wird zum Gespräch geladen. Am Ende, sagt Tröger, habe man zumindest eine Alternative: Man müsse sich nur noch zwischen dem empfohlenen und dem selbst recherchierten Headhunter entscheiden. Auf der Homepage des BDU sind zehn Merkmale seriöser Personalberater aufgeführt. Wie beim öffentlichen Dienst steht die Anzahl der Berufsjahre an erster Stelle. „Ein Berater mit weniger als fünf Jahren Berufserfahrung kommt für die Besetzung von höheren Positionen nicht infrage“, sagt Tröger. „Berufsanfängern tanzen GUTE LEUTE KÖNNEN SIE LANGE SUCHEN. ODER EINFACH FINDEN. die Führungskräfte auf der Nase herum.“ Denn auch zwischen Berater und Kandidat solle eine gewisse Parität bestehen. Fast alle Klienten legen sehr viel Wert auf Branchenkenntnis. Dem Berater, heißt es, fiele es dann leichter, das spezielle Anliegen seines Kunden und die professionelle Genese der Kandidaten zu verstehen. Dem stimmt der BDU vorbehaltlos zu. Allerdings schließt das die Gruppe der allein arbeitenden Personalberater nahezu gänzlich aus. Doch in sämtlichen Personalberater-Datenbanken lässt sich der Wirtschaftszweig, in dem ein Berater Erfolge vorweisen können soll, als Suchkriterium einstellen, damit wären auch alleine arbeitende Berater erfasst. Seit jeher ein Dorn im Auge ist dem Beraterverband die parallele Beauftragung mehrerer Personalberater. BDU-Geschäftsführer Kai Haake meint dazu: „In engen Kandidatenmärkten, und das werden immer mehr, ist es fatal, wenn dieselben Personen mehrfach angesprochen werden.“ Das fiele negativ zurück, meint Haake, aber nicht auf den Personalberater, sondern auf den Auftraggeber. christine demmer Zukunft Personal Verantwortlich: Peter Fahrenholz Redaktion: Johanna Pfund Anzeigen: Jürgen Maukner Die besten Fachkräfte im richtigen Moment in die richtigen Positionen bringen. Talente fördern, fordern und begeistern – Lösungen von SAP® SuccessFactors® und SAP® Fieldglass® unterstützen Sie dabei. So bleiben Sie am Puls Ihres Unternehmens: an Ihren Mitarbeitern. Mehr auf sap.de/livebusiness © 2016 SAP SE oder ein SAP-Konzernunternehmen. Alle Rechte vorbehalten. Normalerweise sprechen Personalberater lieber vom Markt an sich als von ihrer eigenen Tätigkeit. Kai Haake, Geschäftsführer des Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) in Bonn, macht eine Ausnahme. mache sich Big Data klug zunutze und setze auf intelligente Weise Personalarbeit darauf. „Zur sozialen Kompetenz der Personaler müssen analytische Fähigkeiten kommen“, erklärt Eller. „Wo die noch fehlen, wachsen sie mit der jungen Generation nach. Da bin ich mir ganz sicher.“ Begonnen hat die Digitalisierung mit dem Online-Shopping, dem Online-Konto und dem Online-Kundendienst. Nun dringt sie mit Macht in die internen Unternehmensbereiche vor. Überall dort, wo tradierte Bastionen ins Wanken geraten, gibt es Bedenken, Vorbehalte, passive Widerstände. Das weiß auch Oliver Simon, Personaldirektor beim Beratungsunternehmen EY in München. Aus pragmatischen Gründen drängt er die Kollegen trotzdem zur Eile. „Bewerber erwarten, dass die Kommunikation mit HR schnell und unkompliziert abläuft“, sagt Simon. Kein Jobinteressent wolle seine Unterlagen per Post verschicken, längst sei die Online-Bewerbung zur Regel geworden, Vertragsangebote sausen per E-Mail hin und her, Gehaltsabrechnungen flattern ins elektronische Postfach, und die Reisekostenabrechnung macht man am liebsten per Handy von unterwegs. Das, sagt Simon, weise dem internen Serviceangebot die Richtung: „Was man mit jeder Bank und mit jeder Fluggesellschaft machen kann, erwarten Mitarbeiter und Bewerber auch von HR.“ Fertig werde man damit aber nie: „Digitalisierung ist ein Prozess, und dabei entstehen immer wieder neue Möglichkeiten.“ In einem Unternehmen mit weltweit Tausenden Mitarbeitern mag der Umzug in die elektronische Welt betriebswirtschaftlich durchaus geboten sein. Aber wie ist das im mittelständischen Personalbüro, das 50 oder 100 Beschäftigte betreut? Auch da können die Abläufe effizienter organisiert werden, beim Employer Branding, bei der Nutzung von Social Media, bei der Abwicklung von Online-Bewerbungen und bei den administrativen Aufgaben. Und so geht es weiter: integrierte HRSysteme, Big Data, mobile Anwendungen, digitale Services – auf das alles müssen sich Personaler einstellen. Wenn sie auch künftig noch Mitarbeiter einstellen wollen.
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