Health@Home - AMTS

und
Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie des Zentrums für Psychosoziale Medizin des
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Health@Home
Ein Projekt zur telematikgestützten Medikamenteneinnahme
und Lebensqualität
PD Dr. Silke Schmidt
Prof. Dr. Jürgen Stettin
Abschlussbericht, Dezember 2006
Gefördert durch die Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz
der Freien und Hansestadt Hamburg
1
Gliederung
1 Executive Summary............................................................................. 4
1.1 Ziel .............................................................................................................................................4
1.2 Methode .....................................................................................................................................4
1.3 Ergebnis.....................................................................................................................................4
1.4 Nachhaltige Entwicklung ............................................................................................................5
1.5 Fazit ...........................................................................................................................................5
2 Einleitung............................................................................................. 6
2.1 Herausforderung: Verbesserung der Medikamentencompliance im Alter ...................................6
2.2 Mikroelektronische Systeme zur Compliancemessung...............................................................6
2.3 Ziel des Projektes.......................................................................................................................6
3 Machbarkeitsstudie.............................................................................. 7
3.1 Ziel .............................................................................................................................................7
3.2 Zielgruppe ..................................................................................................................................7
3.3 Methodik ....................................................................................................................................7
3.4 Einsatz der Medikamentenbox in der Machbarkeitsstudie ..........................................................7
3.5 Überblick über die Interventionsansätze mit der Box ..................................................................8
3.6 Technische Entwicklung.............................................................................................................8
3.7 Datenschutzkonzept zum Produkt ............................................................................................11
3.7.1 Definition der Schutzziele ......................................................................................................... 11
3.7.2 Verfügbarkeit............................................................................................................................. 11
3.7.3 Integrität .................................................................................................................................... 11
3.7.4 Vertraulichkeit ........................................................................................................................... 12
3.7.5 Authentizität .............................................................................................................................. 12
3.7.6 Technische und organisatorische Maßnahmen des Datenschutzes ........................................ 12
3.7.7 Technische Sicherheitsmaßnahmen ........................................................................................ 13
3.7.8 Organisatorische Maßnahmen.................................................................................................. 15
4 Ergebnisse der Machbarkeitsstudie ................................................... 16
4.1 Stichprobencharakteristika .......................................................................................................16
4.2 Unterschiede zwischen Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern ...................................................17
4.3 Ergebnisse zur Akzeptanz im Verlauf der Anwendung .............................................................21
4.4 Optimierungsbedarf aus Sicht der Patienten ............................................................................22
4.5 Darstellung der Anwendung an Einzelfällen .............................................................................24
4.6 Analysen unter Berücksichtigung von Fragen des Patientenschutzes ......................................26
4.7 Lebensqualitätsmessung im Verlauf.........................................................................................27
2
5 Nachhaltige Entwicklung.................................................................... 29
5.1 Künftige Anwendungsfelder......................................................................................................29
5.2 Technische Weiterentwicklung .................................................................................................29
6 Referenzen ........................................................................................ 30
7 Öffentlichkeitsarbeit ........................................................................... 31
7.1 Publikationen zum Projekt........................................................................................................31
7.2 Präsentationen .........................................................................................................................31
8 Kontakt .............................................................................................. 32
9 Anhang .............................................................................................. 33
9.1 Fragebogen Messzeitpunkt 1 ...................................................................................................33
9.2 Fragebogen Messzeitpunkt 2 und 3 .........................................................................................42
9.3 Geschäftsmodelle ....................................................................................................................49
9.4 Abbildungsverzeichnis..............................................................................................................55
9.4 Tabellenverzeichnis..................................................................................................................55
3
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
1 Executive Summary
1.1 Ziel
Ziel des Health@Home Projektes war es, zu prüfen, ob sich die Medikamenteneinnahme von
chronisch erkrankten, älteren Patienten durch den Einsatz einer telematisch gestützten Box in
der häuslichen Versorgung verbessern lässt. Ebenfalls geprüft werden sollten die Praktikabilität
eines entwickelten Ansatzes zum Monitoring sowie die Akzeptanz der Technologie und des
Workflows.
1.2 Methode
Das Projekt beinhaltet zunächst die Entwicklung einer telematisch gestützten Medikamentenbox
und entsprechender elektronisch gesteuerter Workflows, die ein Monitoring über eine
elektronische Patientenakte erlauben. Die entwickelte Medikamentenbox wurde an 60
Patientinnen mit Herzinsuffizienz im Rahmen der poststationären, ambulanten Versorgung
getestet. In der Studie wurde das Monitoring entweder über den behandelnden Arzt oder über
die Apotheke durchgeführt. Es wurde ebenfalls eine Möglichkeit des Monitorings für Angehörige
entwickelt, wobei die Nachrichten über Nicht-Einnahme von Medikamenten an ein Handy
gesendet werden. Diese Variante kann zukünftig auch von anderen Professionellen im
Gesundheitssystem, z.B. Pflegern, eingesetzt werden. Im Rahmen eines zweimonatigen
Beobachtungszeitraumes wurden die Medikamenteneinnahme und ihre Zeitpunkte, die Anzahl
und Art notwendiger Interventionen, klinische Parameter, soziodemographische Daten sowie
die
subjektive
Gesundheit,
subjektive
Gedächtnisfunktonen
und
die
subjektive
Versorgungssituation im Rahmen eines Prä-Post-Designs erfasst.
1.3 Ergebnis
Zunächst wurden Patienten, die von Ärzten für die Anwendung als indiziert genannt wurden, mit
Patienten verglichen, die nicht die klinische Indikation für die Anwendung erhielten, Teilnehmer
von Nicht-Teilnehmern unterschieden im Ausmaß selbstberichteter Probleme in der
Medikamenteneinnahmen, allerdings nicht im Ausmaß der von Klinikern eingeschätzten
Probleme
in
der Medikamenteneinnahme. Sie
unterschieden sich im
Ausmaß der
Gedächtnisprobleme, der psychischen Gesundheit, wie des Bedarfs an Unterstützung in der
Versorgung; Teilnehmer wiesen eher einen Bedarf auf. Insgesamt zeigte sich im
Prozessverlauf, dass die Medikamenteneinnahme derzeit zeitnah zum Ertönen des Alarms
erfolgte und insgesamt in der Mehrzahl der Teilnehmer nur wenige Interventionen nötig waren.
Nur bei einem Patienten waren mehrfach wöchentlich Interventionen notwendig. Die Akzeptanz
der Box war insgesamt sehr hoch, wobei eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen von den
4
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
Anwendern gemacht wurde, beispielsweise eine Erhöhung der Flexibilität der Alarmfunktion. Es
zeigten sich im Prä-Post-Verlauf signifikante Verbesserungen der psychischen und physischen
Gesundheit der Patienten und Hinweise auf eine Verbesserung des klinischen Zustands und
eine Reduktion der Inanspruchnahme von Versorgungsdienstleistungen durch Verbesserung
des klinischen Zustands.
1.4 Nachhaltige Entwicklung
Im Rahmen der Geschäftsfeldentwicklung wurde insbesondere die Nutzung der telematisch
gestützten Box in Pflegeeinrichtungen und Altersheimen als wichtiger Ansatzpunkt deutlich. Der
Einsatz der Box sollte jedoch in Bezug auf weitere Indikationen getestet werden, obwohl zum
jetzigen Zeitpunkt kein Hinweis auf Indikationsspezifität gegeben ist. Zukünftige kontrollierte und
randomisierte Studien sollten klinische und Effizienzkriterien umfassen.
1.5 Fazit
Telematisch gestütztes Monitoring stellt einen nicht-invasiven, auf Verhalten fokussierenden
Monitoringansatz dar, der im Vergleich zu anderen Methoden des Telemonitorings wenig
aufwändig,
da
unidimensional
ist,
gleichzeitig
aber
effektive
Veränderungen
des
Selbstmanagements mit weitreichenden ökonomischen und klinischen Folgen bewirken kann.
5
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
2 Einleitung
2.1 Herausforderung: Verbesserung der Medikamentencompliance im Alter
Non-Compliance mit medizinischen Maßnahmen hängt gerade bei älteren Menschen mit einer
Verschlechterung des Gesundheitszustandes und des Krankheitsverlaufs, zum Beispiel im
Hinblick
auf
Rehospitalisierung
1
zusammen .
Dass
eine
unzureichende
Medikamentencompliance hohe gesundheitsökonomische Kosten verursacht, gilt trotz der
methodischen Schwierigkeiten der Kosten-Nutzen-Bewertung 2 als unbestritten. Unbestritten ist
allerdings auch, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Compliance aufwändig und nur unter
bestimmten Bedingungen erfolgreich sind3. Sie sollten in der Regel auf verschiedenen Ebenen
ansetzen, um wirksam zu sein4.
2.2 Mikroelektronische Systeme zur Compliancemessung
In den letzten Jahren sind mikroelektronische Systeme zur Messung des Einnahmeverhaltens
(zum Beispiel Öffnen einer Medikamentendose) entwickelt worden, um das Patientenverhalten
im Hinblick auf Medikamenteneinnahme beobachten zu können5. So konnten Hinweise auf die
tatsächliche Medikamentencompliance identifiziert werden; in einer Kohortenstudie von Choo
und Mitarbeitern an 286 Patienten beispielsweise, die antihypertensiv therapiert wurden, lag die
Compliance im Zeitraum von 3 Monaten bei 42%, während nur 21% der Teilnehmer im
Selbstbericht eine fehlende Compliance angaben6. Während die ausschließliche Verwendung
von Mikroprozessoren eine Möglichkeit darstellt, das tatsächliche Einnahmeverhalten der
Patienten aufzuzeigen, stellt sich die Frage, ob mit Einsatz telematischer Lösungen
Interventionen bei einer mangelhaften Compliance vorgenommen werden können.
2.3 Ziel des Projektes
Das Ziel der Health@Home-Studie war es zu überprüfen, ob der Einsatz einer telematisch
gestützten Medikamentenbox von Patienten mit Herzinsuffizienz oder Hypertonie die
Medikamenteneinnahme verbessert. Im Zentrum der Untersuchung stand außerdem die
Akzeptanz der Patienten7.
6
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
3 Machbarkeitsstudie
3.1 Ziel
Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie sollte die Verbesserung der Meikamentencompliance
durch den Einsatz der entwickelten Medikamentenbox überprüft werden. In der Studie sollte
insbesondere die Indikationsstellung und Akzeptanz der telematisch gestützten Lösung
analysiert werden, d.h. es sollte untersucht werden, welche Patienten von der Box profitieren,
welche Bedeutung der telematischen Vernetzung zukommt, wie hoch der Aufwand an
Interventionen ist und ob die Box zu einer Verbesserung der klinischen und subjektiven
Symptomatik führt.
3.2 Zielgruppe
Die Pilotstudie richtete sich auf die ambulante Versorgung von älteren, multimorbiden Patienten
mit Herzinsuffizienz. Sie war als kontrollierte, prospektive Längsschnittstudie angelegt, um das
Verhalten von Patienten im Testverlauf zu erfassen und Test- und Nutzungscharakteristika
analysieren zu können. Es wurden 62 Patienten mit Herzinsuffizienz an 2 Zentren
eingeschlossen, 20 Patienten waren herztransplantiert. Die Patienten hatten mindestens eine
stationäre Behandlung im Verlauf der letzten 18 Monate vor Studieneinschluss. Die Studie war
als
vergleichende,
prospektive,
klinische
Längsschnittstudie
konzipiert.
Der
Beobachtungszeitraum der Studie war mindestens 2 Monate.
3.3 Methodik
Im Rahmen der Untersuchung wurden neben einer Dokumentation klinischer Parameter
(Diagnosen,
Blutdruck)
und
der
Medikation
(Art,
Anzahl,
Dosierungsänderung)
der
7
Gesundheitszustand mit dem SF-12, einer Kurzform des SF-36 und Nutzungs-, Akzeptanzsowie Verhaltenscharakteristika im Selbstbericht über jeweils drei Messzeitpunkte erfasst. Eine
Übersicht über die Indikatoren des Selbstberichts ist im Anhang gezeigt.
3.4 Einsatz der Medikamentenbox in der Machbarkeitsstudie
Die eingesetzte Medikamentenbox mit telematischer Vernetzung umfasst 28 Fächer für
Medikamente, die sich über ein Karussell entsprechend der Einnahmezeiten für die
Medikamente drehen. Ein Alarm ertönt zu programmierten Einnahmezeiten und wird durch
Entnahme der Medikamente beendet; es lassen sich vier Alarmzeiten für die Einnahme von
Medikamenten programmieren. Nach Ertönen des Alarms wird die Entnahme beziehungsweise
Nicht-Entnahme übertragen; die Steuerung der Übertragung und die Auswertung der Signale
7
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
der Medikamentenbox übernimmt ein 8-Bit Mikrocontroller. Die technische Entwicklung sowie
das Datenschutzkonzept werden im Folgenden unter Punkt 3.5 und Punkt 3.6 dargestellt.
3.5 Überblick über die Interventionsansätze mit der Box
Das Monitoring wird über ein Internetportal mit Zugang zu einer elektronischen Patientenakte
sichergestellt. Die Health@Home-Box bietet Monitoring über:
•
Ärzte
•
Apotheker
•
Angehörige
Das Monitoring und die potentielle Intervention bei Nicht-Einnahme wurden in dieser Studie
entweder über einen Arzt oder über einen Apotheker vorgenommen, die Einblick in die
Gesundheitsdatenbank nehmen. Die Medikamenteneinnahme wurde 1 Mal in 24 Stunden
geprüft, am Wochenende 1 Mal pro 48 Stunden. Das Studiendesign umfasste neben dem
Interventionsarm „Monitoring durch Apotheker“, und dem Interventionsarm „Monitoring durch
Ärzte“ auch die Möglichkeit, ein Monitoring über Angehörige vorzunehmen. Dieses Verfahren
wurde an einem Patienten getestet. Aufgrund der hierzu notwendigen weiteren technischen
Anpassungen wurde dieses Verfahren nicht in die Stichprobe aufgenommen.
3.6 Technische Entwicklung
Als Grundlage für die technische Entwicklung dient der Medikamenten-Dispenser Careousel der
schwedischen Firma PharmaCell. Dieses Gerät bietet ein gut ablesbares Digitaldisplay und ist
über nur drei Funktionsknöpfe bedienbar. Es ist robust und tauglich für den Alltagseinsatz,
dabei jedoch handlich und bietet Fächer, die groß genug sind, um mehrere Tabletten (sogar
geblistert) gleichzeitig aufzunehmen. Es ist abschließbar und verhindert somit ungewollte
Manipulationen und Fehler bei der Einnahme der Medikamente. Der geringe Stromverbrauch
und die Speicherung der eingestellten Werte auch bei Stromausfall sorgen für eine hohe
Ausfallsicherheit des Geräts, so dass Einwirkungen von außen nur bei Wechsel der Medikation
etc. notwendig werden.
8
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
Abbildung 3.1: Medikamentenbox der Firma Pharmacell
Die gesamte technische Entwicklung wurde von der Firma Mediarch übernommen. Um die
Daten der Box auszuwerten und telematisch zu übertragen, war es notwendig einen
Mikrocontroller einzusetzen (siehe Abb. 3.2) Damit aus der Machbarkeitsstudie bei Bedarf ein
Produkt entwickelt werden kann, wurde ein Mikrocontroller ausgewählt, der klein ist, wenig
Strom verbraucht und preiswert ist. Die Entscheidung führte zum Einsatz des 8-Bit AVR
Prozessors. Die Signale der Box werden von einem 8-Bit-Mikrocontrollersystem ausgewertet
und übertragen, das sämtliche Schnittstellen zur Box und zu einem GPRS-Modul für die
Datenübermittlung bietet.
Abbildung 3.2: Schnittstellensystem mit Mikrocontroller
Die
Medikamentenbox
unterstützt
Patientinnen
und
Patienten
in
ihrer
täglichen
Tabletteneinnahme, indem das Gerät die richtige Medikamentendosierung und den Zeitpunkt
der Einnahme signalisiert. Der Patient nimmt nach der Befüllung die verschlossene
Tablettenbox mit nach Hause. Die Box ermöglicht es, bis zu vier Alarmzeiten pro Tag
einzustellen und die Verteilerscheibe ist in 28 Kammern unterteilt. Zu Hause ertönt der Alarm zu
den fest eingestellten Zeiten und erinnert den Patienten an die Medikamententnahme. Die
9
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
Verteilerscheibe dreht sich um eine Kammer weiter nach links und das einzunehmende
Medikament wird verfügbar, während die restlichen Tabletten im Gerät verbleiben. Um das
Medikament zu entnehmen, nimmt der Patient die Box in die Hand und kippt sie um 180°.
Durch diese Kippung fallen die Medikamente durch die Öffnung heraus. Gleichzeitig verstummt
der Alarm, da eine Lichtschranke unterbrochen wurde. Entnimmt der Patient sein Medikament
nicht, verstummt der Alarm nach einer halben Stunde.
Die Medikamentenbox ist zusätzlich mit einem Mikrocontroller über eine Signalleitung
verbunden. Über diese Signalleitung werden die Alarmzeitpunkte, die Entnahmen und sonstige
mögliche Alarme (z.B. Fehlfunktion des Gerätes) übermittelt. Der Mikrocontroller registriert die
verschiedenen Signale und leitet sie über das GSM-Modul direkt in das Backbone des
Gesundheitsnetzes. Die Übermittlung der pseudonymisierten Daten findet ohne Kontakt zum
Internet statt.
Übertragung der Daten
Das Gerät sendet die pseudonymisierten Daten (Patienten-, Geräte-ID, die Meldung und die
Uhrzeit/Datum der Entnahme) mit GPRS Technologie über das Telekom-Netz an das Backbone
das Gesundheitsnetzes. In Hamburg ist eine Netzabdeckung von ca. 99% vorhanden. Nach
Eingang der Daten stehen diese zum Abrufen für die Apotheker zur Verfügung. Die
autorisierten Personen loggen sich dazu in das Gesundheitsnetz ein und können sich die
empfangenen Daten von der Box abrufen. Die Datenverfügbarkeit für die Apotheken ist mit ca.
98.5% Wahrscheinlichkeit sichergestellt.
Abbildung 3.3: Übertragungsweg der Daten von der Medikamentenbox
10
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
3.7 Datenschutzkonzept zum Produkt
3.7.1 Definition der Schutzziele
In der Telemedizin geht das Thema „Datenschutz“ weit über die allgemeine Datensicherheit
hinaus, obwohl grundsätzlich die allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen gelten. Um die
Patientenrechte aber auch die Patientensicherheit zu gewährleisten, wurde ein über die
gesetzlichen Forderungen hinaus gehendes Datenschutzkonzept erstellt. Darin sind folgende
Schutzziele definiert, und es wird erläutert wie der Datenschutz realisiert wird.
3.7.2 Verfügbarkeit
Bei der Verfügbarkeit ist sicherzustellen, dass die personenbezogenen Daten und
Medikamentenboxen zeitgerecht, in erwarteter Form und Qualität jederzeit abrufbar sind bzw.
bereitstehen.
Verfügbarkeit der Daten
Das Gerät sendet die pseudonymisierten Daten (Patienten-, Geräte-ID, die Meldung und die
Uhrzeit/Datum der Entnahme) mit GPRS Technologie über das Telekom-Netz an das Backbone
das Gesundheitsnetzes. In Hamburg ist eine Netzabdeckung von ca. 99% vorhanden. Nach
Eingang der Daten stehen diese zum Abrufen mit einer Sicherheit von etwa 98,5% für die
Apotheker zur Verfügung. Die autorisierten Personen loggen sich dazu in das Gesundheitsnetz
ein und können sich die empfangenen Daten von der Box abrufen.
3.7.3 Integrität
Die Daten sind während der Verarbeitung nicht verfälscht, gültig und vollständig sowie
widerspruchsfrei. Es ist weiterhin alles Notwendige zu unternehmen, dass eine Fehlfunktion des
Gerätes verhindert werden kann.
Integrität der Medikamentenbox
Die Funktionalität der Geräte wurde vor der Auslieferung der Geräte getestet. Die Tablettenbox
führt die gewünschten Funktionen aus, z.B. das Signal ertönt bei eingestellter Alarmzeit
fehlerfrei, nachdem der Apotheker das Alarmsignal und die Alarmzeit am Gerät eingestellt hat.
Eine Manipulation dieser Einstellungen ist ausgeschlossen, da dem Patienten die Tablettenbox
verschlossen überreicht wird. Der Schlüssel verbleibt in der Apotheke.
Integrität der personenbezogenen Daten
Bei der Datenintegrität wird gewährleistet, dass die Patientendaten während der Verarbeitung
durch den Apotheker nicht verfälscht werden und vollständig sind. In dieser Studie werden nur
geringe Datenmengen verarbeitet, so dass eine Bedrohung der Integrität auszuschließen ist.
11
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
Zusätzlich wird die Datenvollständigkeit durch eine Software auf Plausibilität geprüft. Die Daten
können nicht verfälscht werden von Dritten (z.B. abfangen und verändern der e-Mails), da der
Versand der Daten über eine vom Internet getrennte Leitung stattfindet.
3.7.4 Vertraulichkeit
Die empfangenen, personenbezogenen Daten sind nur von autorisierten Personen und
Programmen lesbar und es wird alles Notwendige unternommen, damit die Daten nicht in
unbefugte Hände geraten.
Vertraulichkeit der Daten
Um eine falsche Nutzung der Patientendaten zu verhindern, werden die pseudonymisierten
Daten nur von autorisiertem und vertrauenswürdigem Personal von der Apotheke verarbeitet
und
nur
zweckgebunden
verwendet.
Dazu
wurden
in
dieser
Machbarkeitsstudie
vertrauenswürdige Personen von der Geschäftsführung der beteiligten Apotheke ausgewählt.
Der Patient gibt für das Projekt eine schriftliche Einverständniserklärung und autorisiert die
Apotheker für die Verarbeitung der Daten. 2 Monate nach Ablauf der Studie werden diese
Daten vernichtet.
3.7.5 Authentizität
Die personenbezogenen Daten sind zweifelsfrei ihrem Ursprung zuzuordnen.
Authentizität der Daten
Die
Daten
können
zweifelsfrei
ihrem
Ursprung
zugeordnet
werden,
da
bei
der
Datenübertragung eine Geräte-ID übermittelt wird. Jedem Patienten wird eine Patienten- und
Geräte-ID zugewiesen, über diese beiden Angaben ist er identifizierbar. Um eine Verwechslung
der übermittelten Daten zu einem Patienten zu verhindern, dokumentiert der Apotheker die
Gerätezuweisung.
3.7.6 Technische und organisatorische Maßnahmen des Datenschutzes
Bei der personenbezogenen Datenverarbeitung verlangt § 9 des Bundesdatenschutzgesetzes
geeignete allgemeine technische und organisatorische Maßnahmen, damit die geforderte
Vertraulichkeit, Integrität, Verfügbarkeit und Authentizität gewährleistet werden kann. Durch
qualifizierte technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen wird der Datenschutz
umgesetzt.
12
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
3.7.7 Technische Sicherheitsmaßnahmen
Die Medikamentenbox sendet in dieser Machbarkeitsstudie über ein GSM-Modul die
pseudonymisierten Daten direkt an den Server des Mediarch Gesundheitsnetzes. Der
Hochsicherheitsserver des Gesundheitsnetzes befindet sich in einem Trustcenter der Telekom
Kiel und wird kontrolliert von der Firma Mediarch GmbH. Es werden von der Box nur folgende
Daten übermittelt: die Geräte-ID, Datum/Uhrzeit der Medikamentenentnahme und eine Meldung
(z.B. Patient hat Medikament entnommen).
Bei einer eventuellen Vermarktung der Ergebnisse dieser Machbarkeitsstudie können auch
andere sichere Netzwerktechnologien eingesetzt werden.
Abbildung 3.4: Login Health@Home Portal
Die in diesem Pilotprojekt beteiligten autorisierten Apotheken sollen die Entnahmen
dokumentieren. Dazu loggen sie sich in das Mediarch Gesundheitsnetz ein und erhalten eine
Übersicht ihrer Patienten mit der letzten Meldung der Medikamentenbox.
Abbildung 3.5: Patientenübersicht Health@Home Portal
Die Zugriffsautoritäten (Benutzername und Passwort für das Login) werden den Apothekern
vom Administrator zugewiesen. Das Health@Home Portal und deren Daten werden über eine
verschlüsselte HTTPS1 Verbindung zwischen dem Rechner und Server transferiert. Ein Zugriff
auf die Daten im Projekt ist nur über das Portal möglich.
1
HTTPS (Hypertext transfer protocol secure)
13
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
Die personenbezogenen Daten werden auf dem Server für den Zeitraum der Studie von 2
Monaten gespeichert und anschließend gelöscht. Die Patientendaten können ausschließlich
von den jeweiligen berechtigten Nutzern (Apotheken) eingesehen werden.
Die Patientendaten, Gerätedaten sowie Kundendaten werden in verschiedenen DatenbankTabellen gespeichert. Eine Identifikation der Patienten zu den einzelnen Apotheken ist über die
Datenbank nicht möglich. Dieses gilt auch für die Patienten und Gerätedaten. Lediglich durch
die Portalanwendung können die Daten zusammengeführt und identifiziert werden.
Der Apotheker ist ausschließlich für die Korrektheit der Patientendaten verantwortlich. Er kann
die Daten bei Änderungen im Portal nachpflegen.
Abbildung 3.6: Patientenstammdaten Health@Home
Um die erforderliche Dokumentation für dieses Projekt durchführen zu können, erhält der Nutzer
eine Gesamtübersicht des einzelnen Patienten, indem er diesen über das Portal auswählt. Die
Gesamtübersicht des Patienten der Medikation durch die Medikamentenbox über die Laufzeit
lässt sich ebenfalls darstellen.
Der Apotheker kann zur Vervollständigung der Dokumentation Notizen zu den einzelnen
Alarmen hinzufügen. Diese werden zusätzlich in der Datenbank gespeichert.
14
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
Abbildung 3.7: Alarmdarstellung
3.7.8 Organisatorische Maßnahmen
•
Patient willigt ausdrücklich und in Schriftform ein, dass seine Daten verarbeitet werden
dürfen (§4 BDSG Abs.2).
•
Im Rahmen des Gesundheitsnetzes ist sichergestellt, dass nur derjenige Zugang zu
Daten eines Patienten erhält, der vom Patienten autorisiert wurde.
•
Es werden nur Daten verarbeitet und übermittelt, die zum Zweck des Projektes
health@home dienen.
•
Der Patient wird hinreichend und umfassend über den Umfang und Zweck der geplanten
Verarbeitung seiner Daten informiert.
•
Es ist die Geheimhaltung von Patientendaten nach §203 des Strafgesetzbuches
sichergestellt.
•
Der Eigentümer der Daten bleibt der Patient.
•
Der Patient hat das Recht, auf sein Verlangen hin, Einsicht in die elektronisch
gespeicherten Informationen zu erhalten sowie die Löschung seiner Daten anzuordnen.
•
Auf den Rechnern der datenverarbeitenden Stellen ist eine aktuelle Firewall und ein
aktueller Virenschutz installiert.
15
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
4 Ergebnisse der Machbarkeitsstudie
4.1 Stichprobencharakteristika
Die klinischen Stichprobencharakteristika sind in Tabelle 4.1 gezeigt. Bezüglich der
Soziodemographie waren ca. 53% der Studienteilnehmer männlich, ca. 71% gesetzlich
versichert. Der Alterdurchschnitt lag bei 67.2 Jahren. Circa dreißig Prozent waren alleinstehend.
Die überwiegende Mehrzahl der Teilnehmer war nicht mehr erwerbstätig.
Tabelle 4.1: Soziodemographische Charakteristika der Stichprobe
Teilnehmer
Nicht-Teilnehmer
M (SD)
M (SD)
Alter
62.7 (10.34)
70.1 (8.32)
Gewicht
80.3 (18.24)
73.8 (14.53)
Größe
1.74 (0.10)
1.71 (0.08)
N (%)
N (%)
Alter 54-69
13 (50.0)
13 (50.0)
Alter 70-92
14 (48.3)
15 (51.7)
Männer
17 (53.1)
16 (53.3)
Frauen
15 (46.9)
14 (46.7)
12 (57.2)
13 (44.8)
Gesetzlich versichert
15 (71.4)
20 (69.0)
Nicht erwerbstätig
13 (61.9)
22 (75.9)
In
fester
Partnerschaft
lebend
Anmerkung. M = Mittelwert; SD = Standardabweichung
Tabelle 4.2: Klinische Charakteristika der Stichprobe
Klinische Charakteristika
Primärerkrankungen
N (%)
Herzinsuffizienz
60 (100.0)
Herztransplantation
20 (33.3)
Sekundärerkrankungen
N (%)
Bluthochdruck (Hypertonie)
20 (33.3)
Niedriger Blutdruck (Hypotonie)
15 (25.0)
Diabetes Typ I
2 (3.6)
Diabetes Typ II
15 (25.0)
Herzrhythmusstörungen
10 (18.0)
Demenz/MCI
5 (9.0)
Anmerkung: Mehrfachnennung möglich. MCI=Mild cognitive impairment
16
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
Die Patienten nahmen im Durchschnitt neun Medikamente am Tag mit unterschiedlichen
Dosierungen ein (M = 9,5, SD = 5,36 , Min. = 2, Max. = 18); 39 Patienten nahmen
Antihypertensiva.
4.2 Unterschiede zwischen Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern
Insgesamt wurde die Box positiv von den Teilnehmern hinsichtlich der Benutzerfreundlichkeit,
Funktionalität und des Monitoringansatzes bewertet (vgl. Tab. 4.3). Die Tabelle beschreibt die
Erfahrungswerte der Teilnehmer bezüglich der Handhabung und Bedienbarkeit im Mittel und die
Abweichungen einzelner Meinungen von diesem Wert.
Tabelle 4.3: Allgemeine Bewertungen zur Compliance-Box
Item
M
SD
Wie gefällt Ihnen das Aussehen der Medikamentenbox?
3.24
.75
Wie gelingt Ihnen die Bedienung der Medikamentenbox?
3.82
1.25
Wie
die
2.43
1.13
Bedürfnissen
2.00
.71
regelmäßige
3.94
1.00
4.19
.83
Ja (%)
Nein (%)
Hatten Sie Schwierigkeiten mit der Medikamentenbox?
10 (42.1)
7 (31.6)
Hat Ihre Medikamentenbox anstandslos funktioniert?
15 (78.9)
1 (5.3)
Glauben Sie, dass der Einsatz der Medikamentenbox
12 (63.2)
4 (21.1)
Stört Sie die Vernetzung?
3 (15.8)
11 (57.9)
Hätten Sie die Box lieber ohne Vernetzung?
6 (31.6)
8 (42.1)
9 (50)
9 (50)
gelingt
Ihren
Angehörigen/
Pflegekräften
Bedienung der Medikamentenbox? (N = 6)
Konnte
die
Medikamentenbox
Ihren
angepasst werden?
Erleichtert
die
Medikamentenbox
das
Einnehmen der Medikamente?
Sind Sie insgesamt zufrieden mit der Medikamentenbox?
hilfreich für Sie ist?
Können
Sie
sich
vorstellen,
die
Box
dauerhaft
einzusetzen?
Anmerkung. M = Mittelwert; SD = Standardabweichung
Höhere Werte kennzeichnen bessere Bewertungen (Skala 1-6).
17
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
Tabelle 4.4: Stichprobencharakteristika II
Änderung der
x
Medikamenteneinstellung
Anzahl der Medikamente pro
Tagx
Häufigkeit der tägl.
x
Medikamenteneinnahme
xx
Benötigte Unterstützung
Möglichkeit von soz.
Unterstützungxx
xx
Vergesslichkeit
xxx
Gesundheitszustand
Anmerkung: x = Anzahl;
xx
= Skala 1-3;
xxx
Teilnehmer
M (SD)
5.0 (3.79)
Nicht-Teilnehmer
M (SD)
4.5 (3.2)
p
n.s.
9.5 (4.4)
9.5 (5.4)
n.s.
2.5 (0.6)
2.4 (0.6)
n.s.
2.6 (0.7)
2.6 (1.2)
2.7 (0.6)
1.9 (0.9)
n.s.
< .05
1.9 (0.7)
3.4 (0.7)
2.7 (0.6)
2.7 (0.8)
< .05
< .05
= Skala 1-5
Um Hinweise auf die Akzeptanz und Zielgruppenspezifität der Medikamentenbox zu erhalten,
wurden
zunächst
die
Teilnehmer
der
Studie mit
den Ablehnern
im
Hinblick
auf
soziodemographische und klinische Charakteristika verglichen. Teilnehmer und Ablehner
unterschieden sich nicht im Hinblick auf das Alter und klinische Charakteristika, jedoch im
Hinblick auf den patientenseitigen Gesundheitszustand (SF-12, eine Kurzform des international
validierten Instruments zum subjektiven Gesundheitszustands SF-36, vgl. Abb. 4.1), im Hinblick
auf die Einschätzung der eigenen kognitiven Fähigkeiten sowie im Hinblick auf die
Einschätzung von Medikamenteneinnahmefehlern. Patienten mit leichten, selbstberichteten
kognitiven Einschränkungen, schlechterem Gesundheitszustand und geringer praktischer,
sozialer Unterstützung nahmen eher an der Studie teil (vgl. Tab.4.4).
W ie bewerten Sie die Handhabung der M edikam entenbox?
seh r gut
52,3%
10,1%
gu t
5,2%
31,2%
ausgezeichn et
w en ig er gu t
Abbildung 4.1: Wie bewerten Sie die Handhabung der Medikamentenbox? (in %)
Das klinische Urteil über kognitive Einschränkungen und die klinische Indikation der
dargestellten Maßnahmen zur Verbesserung der Medikation waren nicht assoziiert, das heißt
Ärzte hielten die Box nicht ausschließlich bei Patienten mit kognitiven Einschränkungen für
sinnvoll.
18
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
Keine Unterschiede zwischen Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern gab es im Hinblick auf die
Anzahl der Medikamente, die pro Tag genommen wurden und die Anzahl der Rezeptierungen
pro Quartal und Jahr.
Abbildung
4.2
zeigt
deskriptive
Unterschiede
in
Bezug
auf
den
selbstberichteten
Gesundheitszustand in seiner physischen Komponente zwischen Teilnehmern und NichtTeilnehmern. Signifikante Unterschiede zeigen sich zwischen Teilnehmern und NichtTeilnehmern lediglich in der mentalen Komponente, jedoch nicht in der physischen Komponente
des subjektiven Gesundheitszustands. Die mentale und physische Komponente der subjektiven
Gesundheit stellen die Hauptkomponenten des Instrumentes SF-12 dar.
M (SD)
M (SD)
60
T = 1.83; p>.05, n.s.
50
40
30
20
10
0
Nicht-Teilnehmer
Teilnehmer
SF-12 (Gesundheitszustand, Selbstbericht)
Anmerkung: M = Mittelwert; SD = Standardabweichung, T = T-Wert
Abbildung 4.2: Unterschiede im subjektiven Gesundheitszustand zwischen Teilnehmern und
Nicht-Teilnehmern (Skala 1-100)
Statistisch bedeutsame Unterschiede zeigten sich ebenfalls in Bezug auf die Wahrnehmung der
eigenen Vergesslichkeit im Alltag (Chi2 = 15,71; p<.01).
19
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
Kommt es vor, dass Ihnen im Alltag Dinge nicht mehr einfallen?
Nicht-Teilnehm er
Teilnehm er
20
15
10
5
0
Ja
Nein
Ja
Nein
Abbildung 4.3: Unterschiede zwischen Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern im Hinblick auf
selbstberichtete Gedächtnisprobleme (dargestellte N, N=51; Missing Data = 9)
Nehmen Sie Ihre Medikamente regelmäßig und pünktlich ein?
Nicht-Teilnehmer
90
Teilnehmer
85.7 %
Х2 = 7.98
p≤ .05
80
70
55.5 %
60
50
44.5 %
40
30
14.3 %
20
10
0
Ja
Nein
Ja
Nein
Abbildung 4.4: Nehmen Sie Ihre Medikamente regelmäßig und pünktlich ein? (N=35; Angaben in
%)
Auch in Bezug auf die Einschätzung der Regelmäßigkeit der Medikamenteneinnahme, in Bezug
auf die Häufigkeit des Vergessens einzelner Einnahmen sowie in Bezug auf die
Inanspruchnahme und den Bedarf an pflegerischer Unterstützung in der häuslichen Versorgung
zeigten sich bedeutsame Unterschiede (vgl. Abb. 4.4 und Abb. 4.5).
20
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
Benötigen Sie Pflege im Alltag?
Nicht-Teilnehmer
63.3 %
70
60
Teilnehmer
52. 2%
X2 = 4.23
p ≤ .05
47.8 %
50
36.7 %
40
30
20
10
0
Ja
Nein
Ja
Nein
Abbildung 4.5: Benötigen Sie Pflege im Alltag? (N=58; Angaben in %)
4.3 Ergebnisse zur Akzeptanz im Verlauf der Anwendung
Im prospektiven Verlauf der Studie zeigte sich eine hohe Compliance im Umgang mit der
Medikamentenbox, die sich wie folgt spezifizieren lässt:
Deskriptiv ist zunächst festzustellen, dass das klinische Urteil des Arztes bezüglich der
Medikamentencompliance
in
sechzig
Prozent
der
Fälle
nicht
mit
der
patientenberichteten Medikamentencompliance übereinstimmt und in 54 Prozent nicht
mit der über die Monitoring-Lösung ermittelten Non-Compliance. Der Selbstbericht des
Patienten einerseits und die Non-Compliance-Statistik, die über das elektronische
Monitoring ermittelt wurde, andererseits, stimmten in 93 Prozent der Fälle überein.
Bei
circa
dreißig
Prozent
der
Teilnehmer
wurden
keine
Fehler
in
der
Medikamenteneinnahme im Zweimonatszeitraum beobachtet. Weitere dreißig Prozent
zeigten nur einen Fehler. Der Interventionsbedarf war insgesamt sehr gering, bei
singulären, pflegebedürftigen Patienten jedoch hoch (vgl. Abbildung 4.6).
Die Medikamenteneinnahme erfolgte im Mittel 8,72 Sekunden nach Ertönen des Alarms
(SD = 3,24). Dieses weist auf eine starke Wirkung der Alarm- und Kontrollfunktion der
Box hin (vgl. Abbildung 4.6). Abbildung 4.8 zeigt dies beispielhaft am 14tägigen Verlauf
der Medikamenteneinnahme eines exemplarischen Patienten mit hoher Compliance.
Mehr als achtzig Prozent der Patienten waren mit der Anwendung zufrieden (M = 4.13,
SD = .84 auf einer fünfstufigen Skala von sehr zufrieden bis sehr unzufrieden).
21
Anzahl der Patienten
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
1
1
2
1
3
12
10
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
A n z a h l v o n A la r m e n
( Ein n a h m e f e h le r n )
Abbildung 4.6: Frequenz von Einnahmefehlern mit notwendiger Interaktion (N= Anzahl)
Der Bedarf an Interventionen lag nur bei 8 Patienten über einer Anzahl von 2 notwendigen
Interventionen; nur 1 Patient der Studiengruppe musste regelmäßig in der
Medikamenteneinnahme unterstützt werden.
4.4 Optimierungsbedarf aus Sicht der Patienten
Folgende Tabellen stellen Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge der Medikamentenbox
bzw. des Monitoringansatzes aus der Sicht der Patienten dar.
Tabelle 4.5: Kritikpunkte an der Compliance-Box
Item
Aussehen/Design gefällt m ir nicht
Alarmsignal ist unangenehm
Es passen nicht alle Medikamente hinein
Die Medikamente bleiben beim Herausnehm en
stecken.
Die Box ist zu schwer.
Mitnahm e nicht m öglich
Löst eine Krankheitsdiskussion aus
Mangelhafte Bedienungsanleitung
Kontrolle stört
Uhrzeit zu festgelegt
N (%)
3 (15.8)
4 (21.3)
1 (5.3)
1 (5.3)
1 (5.3)
2 (10.6)
1 (5.3)
1 (5.3)
3 (15.8)
3 (15.8)
Anmerkung: Tabelle umfasst singuläre Aufzählungen einzelner Kriterien
Bezogen auf das Merkmal „Lautstärke der Box“ zeigt sich jedoch eine sehr heterogene
Verteilung (vgl. Abb. ). Dieses weist auf die Notwendigkeit, zukünftige Entwicklungen stärker
anpassbar an Designwünsche der Anwender zu machen.
22
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
W ie beurteilen S ie die Lautstä rke de r P ieptön e?
10
8
6
4
2
0
z u laut
laut
gut hörbar
leis e
z u leis e
Abbildung 4.7: Wie bewerten Sie die Lautstärke der Pieptöne? (N= Anzahl)
Tabelle 4.6: Schwierigkeiten mit der Medikamentenbox
Item
Piepen bei vorzeitiger E ntnahm e
Tabletten beim Rausnehm en verloren
Stellen der Uhr schwierig
Schlecht für unterwegs, unflexibel
N (% )
3
1
3
6
Schwierigkeiten in der Anwendung der Medikamentenbox werden primär auf die stationäre und
zeitgebundene und damit nicht flexible Programmierung und Anwendung zurückgeführt.
Dementsprechend wurden verschiedene Verbesserungsvorschläge von Patienten gemacht.
(vgl. Tab. 4.7)
Tabelle 4.7: Verbesserungsvorschläge
Item
Flexiblere Zeiteinstellung
Kleiner machen
Ohne Piepen
Selbstnachfüllen und Programmieren
Zweifarbige Fächer
Schutzfach über Öffnung
Längeres Kabel oder kabellos
Vernetzung mit Bestandsliste
Ergänzung PDA
N (%)
4 (21.3)
3 (15.8)
2 (10.6)
3 (15.8)
1 (5.3)
1 (5.3)
2 (10.6)
3 (15.8)
1 (5.3)
23
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
4.5 Darstellung der Anwendung an Einzelfällen
Die Abbildungen 8 und 9 stellen Einzelverläufe der Medikamenteneinnahme von einem
Patienten mit hoher Compliance dar, und einem Patienten mit größerem Interventionsbedarf.
Die Verläufe in Abb.8 sind exemplarisch für die Mehrwerte der Patienten und weisen auf die
Orientierung an die Box bzw. „Konditionierung durch die Box“ hin.
Beispiel Herr X., HTX, 67 Jahre
Abends
20,05
20
19.55
19.55
19,95Uhr
20.05 Uhr
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
So
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
8.05
Morgens
Zeit der Medikamenteneinnahme
Nichteinnahme
8,5
8
7,5
8.05 Uhr
7.55 Uhr
7.05
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
Woche 1 und 2 von 8 Wochen
Anmerkung: HTX = nach Herztransplantation
Abbildung 4.8: Verlauf der Medikamenteneinnahme am Einzelfall (I), Zeit der
Medikamenteneinnahme morgens und abends in Minuten
24
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
Vergessene Einnahmen
Beispiel Herr Y., 69 Jahre, Herzinsuffizienz, MCI
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9 10 11 12 1 3 14 15 16 17 1 8 19 20 21 2 2 23 24 25
Anzahl der W ochen
Abbildung 4.9: Verlauf der Medikamenteneinnahme am Einzelfall (II); dargestellt ist die Anzahl der
vergessenen Einnahmen
W ie v iel w ürde n S ie für d ie M ed ika m e nten b o x b e za hle n?
18
16
14
12
10
8
6
4
2
0
Ke
in
eA
ng
ab
en
0
-2
0E
uro
50
-
10
0
Eu
ro
10
020
0
Eu
ro
Mo
na
tlic
he
Za
hlu
ng
Abbildung 4.10: Würden Sie für die Medikamentenbox bezahlen? (N, Anzahl der Nennungen)
25
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
4.6 Analysen unter Berücksichtigung von Fragen des Patientenschutzes
Trotz der hohen Zufriedenheit ließen sich in einer Substichprobe auch kritische Einstellungen
beobachten, die sich vor allem auf die externe Überwachung bezogen (zum Beispiel FremdBeobachtung des Einnahmeverhaltens).
81 Prozent empfanden die kontinuierliche Vernetzung nicht als Problem, wobei nur
fünfzig Prozent sich eine dauerhafte Anwendung vorstellen können (vgl. Abb. 4.12). 50%
der Patienten waren der Ansicht, dass die Medikamentenbox geeignet wäre, die
Medikamenteneinnahme
zu
unterstützen:
die
Überwachung
durch
den
Arzt
beziehungsweise den Apotheker sei jedoch nicht notwendig (vgl. Abb. 4.11).
87 Prozent der Patienten testeten das Gerät kontinuierlich über acht Wochen, 13
Prozent unterbrachen die Übertragung.
Im Rahmen eines Follow-Ups nach 6 Monaten wurde lediglich eine stationäre
Einweisung eines Patienten festgestellt.
Sind Sie damit einverstanden, dass Ihre Daten an den Arzt oder
Apotheker vermittelt werden?
ja
81.2%
nein
Abbildung 4.11: Datenvermittlung (N=60; Angaben in %)
26
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
Könnten Sie sich vorstellen, die Medikamentenbox dauerhaft
einzusetzen?
Ja
Nein
Abbildung 4.12: Dauerhafter Einsatz (N=58; Angaben in %)
4.7 Lebensqualitätsmessung im Verlauf
Prä-Post-Vergleiche im Gesundheitszustand zeigen signifikante Differenzen im Instrument zur
Erfassung des subjektiven Gesundheitszustands (SF-12) zwischen T0 (=Studienbeginn) und T1
(=nach 2 Monaten; vergleiche Abbildung 4.13) sowohl im Hinblick auf die mentale als auch
körperliche Komponente, wobei diese Unterschiede auch durch die rehabilitative Veränderung
nach akuter Therapie determiniert sein könnten. Der Zeitraum seit der letzten stationären
Behandlung
zeigte
Gesundheitszustand.
jedoch
keinen
Deskriptive
Einfluss
Analysen
auf
die
Veränderung
bezüglich
der
im
berichteten
Änderung
der
Medikamenteneinnahme zeigten eine Reduktion der Dosis bei acht Patienten. Bei vier
Patienten änderte sich die Anzahl der Medikamente im Verlauf des Monitoringzeitraums.
27
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
M
M (SD)
(SD)
65
T = -3.09; p =.01**
60
55
50
45
40
35
30
Lebensqualität mental (Prä)
Lebensqualität mental (Post 1)
Anmerkung: Prä= Messzeitpunkt 1; Post = Messzeitpunkt 2 (2 Monate post); T = T-Wert; ** =
hochsignifikant
Abbildung 4.13: Lebensqualität (Skala 1-100)
MM(SD)
(SD)
65
60
55
T = -2.27; p =.05*
50
45
40
35
30
Lebensqualität physisch (Prä)
Lebensqualität physisch (Post)
Anmerkung: Prä= Messzeitpunkt 1; Post = Messzeitpunkt 2 (2 Monate post); T = T-Wert, * = signifikant
Abbildung 4.14: Verlaufsmessung Lebensqualität (Skala 1-100)
28
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
5 Nachhaltige Entwicklung
5.1 Künftige Anwendungsfelder
Die Machbarkeitsstudie weist insgesamt auf eine hohe Akzeptanz der Funktionalität der Box
hin, wobei Potenzial für Verbesserungsvorschläge gegeben ist - aus der Sicht von Patienten
und Klinikern. Als Indikation eignet sich hier der Selbstbericht der eigenen Gedächtnisprobleme
und des Unterstützungsbedarfs im Alltag besser als die ärztlich klinische Einschätzung. Der
Einsatz der Box führt bei der Mehrzahl der Patienten zu einer verbesserten, regelmäßigen
Medikamenteneinnahme. Dieses wird vermutlich durch eine Konditionierung (= Erlernen) der
Medikamenteneinnahme bewirkt; die zeitliche Entnahme erfolgte in der Regel wenige
Sekunden nach dem Erläuten des Alarms. Der Interventionsbedarf ist gering, was im Hinblick
auf Kalkulationen in Geschäftsmodellen für das Monitoring wichtig ist. Ein kontinuierliches
Monitoring über einen 2-monatigen Zeitraum hinaus ist nur für ca. 50 % der Stichprobe indiziert
gewesen. Die Box ist bei weiteren Zielgruppen und Erkrankungen zu testen, wobei bisher keine
Hinweise auf eine krankheitsspezifische Indikation identifiziert werden konnten. Der Ansatz ist
unter anderem deswegen vielversprechend im Kontext anderer Ansätze des Telemonitorings,
da Interventionen in der Medikamenteneinnahme der häufigste Interventionsansätze in
existierende Telemonitoringansätzen z.B. in bei Patienten mit kardialen Erkrankungen und
Diabetes. Darüber hinaus sollten weitere Möglichkeiten des Monitorings systematisch getestet
werden, z.B das Monitoring über Angehörige und eine Pflegekraft. Der Einsatz in der Pflege
und in Altersheimen erscheint vor dem Hintergrund ökonomischer Analysen und die
Praktikabilität vielversprechend. Dies zeigen beispielsweise Interviews, die auf verschiedenen
Veranstaltungen (z.B. Dialog E-Health, einer Pflegeinrichtung in Hamburg, der Telemed 2006
und der Arab Health in Dubai) geführt wurden.
5.2 Technische Weiterentwicklung
Das System bietet vielerlei Möglichkeiten zur technischen Weiterentwicklung. Der Austausch
des vorhandenen Mikrocontrollers der Medikamentenbox ermöglicht auch den Empfang von
Daten über das GPRS-Modul. Somit lässt sich die Box fernwarten und die Notwendigkeit der
Intervention durch den Apotheker/Hausarzt/Pflegedienst wird seltener.
Eine Bluetooth-Schnittstelle, die in die Auswertungseinheit integriert werden kann, würde
zusätzlich ein Monitoring von Vitalfunktionen wie Herzfrequenz, Gewicht oder Körpertemperatur
ermöglichen und wäre somit die Grundlage für ein umfassenderes Screening des Patienten bei
der Hausbetreuung durch den behandelnden Arzt oder in der häuslichen Pflege.
29
Health@Home-Projekt
Abschlussbericht, 22.01.2007
6 Referenzen
1. Choo PW, Rand CS, Inui TS, Ting Lee M-L, Canning C, Platt R. A cohort study of possible
risk factors for over-reporting of antihypertensive adherence. BMC Cardiovascular
Disorders 2001;1.
2. Cleemput I, Kesteloot K, DeGeest S. A review of the literature on the economics of
noncompliance. Room for methodological improvement. Health Policy 2002;59:65-94.
3. Schmidt S, Koch U. Akzeptanz der Gesundheitstelematik bei ihren Anwendern.
Bundesgesundheitsblatt 2005(7):778-789.
4. Sorensen HT. Medication management at home: medication-related risk factors associated
with poor health outcomes. Age Ageing 2005;34:626-632.
5. van Eijken M, Tsang S, Wensing M, de Smet PA, Grol RP. Interventions to improve
medication compliance in older patients living in the community: a systematic review of
the literature. Drugs and Aging 2003;20(3):229-240.
6. Vik SA, Maxwell CJ, Hogan DB. Measurement, Correlates, and Health Outcomes of
Medication Adhenrence Among Seniors. The Annals of Pharmacotherapy
2004;38(2):303-312.
7. Ware JE, Kosinski MA, Keller SD. A 12-Item Short Form Health Survey (SF-12): Construction
of scales and preliminary tests of reliability and validity. Medical Care 1996;32(3):220233.
30
7 Öffentlichkeitsarbeit
7.1 Publikationen zum Projekt
-
Stettin, J., Schmidt, S. (2006). Telemedizinische Compliance-Messung im häuslichen
Umfeld. In G. Steyer, T. Tolxdorff (Hrsg.). TELEMED 2006, Nationales Forum zur
Telematik für die Gesundheit. Gesundheitsversorgung im Netz (212-214). Akademische
Verlagsgesellschaft Aka, Berlin.
-
Schmidt, S., Stettin, J. (2006). Lässt sich Medikamentencompliance mit telematischer
Unterstützung verbessern? e-health-com, 3.
-
eine englischsprachige Publikation wird vorbereitet
7.2 Präsentationen
-
TELEMED 2006
-
Dialog ehealth, 20.09.2006 unter Teilnahme von Patienten
-
Tagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Psychologie, Leipzig,
21. - 23.09.2006, Pressekonferenz
-
Krankenkassen (AOK, TK)
-
Präsentation vor möglichen Kooperationspartnern aus der Industrie
31
8 Kontakt
Mediarch GmbH
Prof. Dr Jürgen Stettin
Ulmenstr. 29, 22299 Hamburg
[email protected]
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
PD Dr. Silke Schmidt
AG Telemedizin und Versorgungsforschung
Zentrum für Psychosoziale Medizin
Martinistraße 52, S 35
20246 Hamburg
040/42803-6206
[email protected]
32