Nachhaltige Kapitalanlagen

6 | Wissenschaft und Forschung
Nachhaltige Kapitalanlagen
Wie entscheiden Großanleger in
Europa?
Beim Weltklimagipfel in Paris hatte sich
die internationale Staatengemeinschaft
Ende letzten Jahres zu dem sehr ambitionierten Klimaziel durchgerungen,
die globale Erwärmung auf deutlich
unter zwei Grad zu begrenzen. Ein
Ziel mit erheblichen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen, denn die Beschlüsse werden sich signifikant auf
die Zukunftsfähigkeit von Geschäftsmodellen auswirken. Zum Schutz vor
Verlusten müssen Investoren nicht nur
Energieversorger, sondern auch die
Geschäftsmodelle indirekt betroffener
Unternehmen auf den Prüfstand stellen.
Schließlich wird die Klimafreundlichkeit
jeder einzelnen Investition in Zukunft
eine Rolle spielen.
Die aktuelle Nachhaltigkeitsstudie von
Union Investment in Zusammenarbeit
mit Professor Henry Schäfer von der
Universität Stuttgart und dem Marktforschungsinstitut Elbe 19 zeigt, dass
58 Prozent der deutschen Großanleger
davon ausgehen, dass sich die von
der Politik angestrebte Reduktion von
Treibhausgasen auf die Entwicklung
der Kapitalmärkte auswirken wird. Auf
europäischer Ebene erwarten dies sogar mehr als zwei Drittel der Investoren
(67 Prozent). Befragt wurden 203 institutionelle Investoren in Deutschland
sowie 803 in zehn ausgewählten europäischen Ländern. Knapp zwei Drittel
der institutionellen Anleger in Europa
berücksichtigen Nachhaltigkeitskriterien (63 Prozent). Spitzenreiter sind mit
74 Prozent die Investoren in Skandinavien, gefolgt von der Schweiz mit 71
Prozent und Österreich mit 70 Prozent.
In Deutschland bekannten sich in der
aktuellen Befragung 60 Prozent der
Investoren zur nachhaltigen Kapitalanlage. Dies entspricht einem Plus von
zwei Prozentpunkten gegenüber 2015.
Der Stimmungsindex für nachhaltige
Kapitalanlagen stieg im Vergleich zum
Vorjahr um 1,8 auf 17,5 Punkte. „Das
Barometer zeigt, dass institutionelle
Anleger in Deutschland nachhaltigen
Investments positiv gegenüberstehen“,
erläutert Prof. Schäfer das Ergebnis.
Bei nachhaltig anlegenden Investoren
in Skandinavien (Dänemark, Schweden, Finnland, Norwegen) machen
nachhaltige Investments 61 Prozent
ihrer gesamten Kapitalanlagen aus,
deutlich mehr als in anderen europäischen Ländern. Es folgen die Niederlande mit einem Anteil von 53 Prozent
und Großbritannien mit 43 Prozent vor
der Schweiz (38 Prozent), Österreich
(35 Prozent) und Deutschland (33 Prozent). Italien bildet mit einem Anteil von
22 Prozent das Schlusslicht.
Institutionelle Anleger
wollen transparentere
Produkte
Sehr unterschiedlich ist das Wissen
über nachhaltige Kapitalanlagen in den
verschiedenen europäischen Ländern
ausgeprägt. Im Durchschnitt bescheinigen sich 18 Prozent der Befragten
einen sehr guten Kenntnisstand. Vorn
liegen die Investoren in Großbritannien,
von denen 27 Prozent ihr Know-how
als sehr gut einstufen, gefolgt von denen in den Niederlanden mit 26 Prozent
und in Skandinavien mit 23 Prozent. In
Deutschland beurteilt dagegen nur jeder Zehnte seine Kenntnisse so positiv.
Die angebotenen nachhaltigen Anlagelösungen halten 37 Prozent der
Investoren für hilfreich. Die meisten
Befragten (44 Prozent) bewerten diese
jedoch neutral, ein knappes Fünftel (19
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Prozent) beurteilt sie als nicht hilfreich.
Besonders kritisch sind die institutionellen Anleger in der Schweiz und in
Deutschland, wo das Produktangebot
bei nur 25 Prozent bzw. 30 Prozent
der Befragten auf positive Resonanz
stößt. Länderübergreifend bemängeln
die Kritiker vor allem eine ungenügende
Transparenz der Produkte: 42 Prozent
nennen diesen Punkt – deutlich mehr
sind es wiederum in der Schweiz mit
51 Prozent und in Deutschland mit
50 Prozent. „Die Nachhaltigkeitskenntnisse der Investoren variieren von Land
zu Land erheblich. In Deutschland gibt
es bei der nachhaltigen Kapitalanlage
noch Luft nach oben, wie der Vergleich
mit Skandinavien zeigt. Asset Manager
sind gefordert, Wissenslücken gezielt
zu schließen und individuelle Anlagekonzepte mit transparentem Reporting
anzubieten“, sagt Alexander Schindler,
Vorstand von Union Investment mit
Zuständigkeit für institutionelle Kunden.
Knapp ein Drittel bezieht
Klimaschutzaspekte ein
Wesentlicher Impulsgeber für nachhaltige Kapitalanlagen ist aus Sicht der in
Europa befragten Investoren die Regulierung (37 Prozent), gefolgt von der
(31 Prozent) bezieht bereits Klimaverbesserungsstrategien in Anlageentscheidungen ein. Vorn liegen auch hier
die Großanleger in Skandinavien mit
54 Prozent, gefolgt von denen in den
Niederlanden (47 Prozent) und Großbritannien (35 Prozent). Am wenigsten
verbreitet ist die Einbeziehung von Klimaaspekten in Italien und Deutschland,
wo diese bislang nicht einmal jeder
Fünfte berücksichtigt (17 Prozent bzw.
18 Prozent). „Die meisten Investoren
in Europa glauben zwar, dass sich die
Reduktion von Treibhausgasen auf die
Kapitalmärkte auswirken wird, doch nur
eine Minderheit will Konsequenzen ziehen. Im Risikomanagement führt daran
aber kein Weg vorbei“, stellt Schindler
fest.
Investoren sollten
CO2-Emissionen von
Unternehmen
berücksichtigen
Mit den Auswirkungen von Kohlenstoffdioxid-Emissionen von Unternehmen
auf die Kapitalanlage hat sich eine
Studie von Professor Dr. Alexander
Bassen und Professor Dr. Timo Busch
und deren Teams von der Universität Hamburg beschäftigt. Sie ergibt,
In Deutschland gibt es bei
nachhaltigen Kapitalanlagen noch
Luft nach oben.
Medienberichterstattung (28 Prozent)
und veränderten Risikobedingungen
(25 Prozent). Mehr als zwei Drittel
der Investoren (67 Prozent) sind der
Meinung, dass sich die von der Politik
beim Weltklimagipfel in Paris angestrebte Reduktion von Treibhausgasen
auf die Kapitalmärkte auswirken wird.
Auswirkungen erwarten die institutionellen Anleger durch die Beschlüsse
von Paris vor allem auf die Öl- und
Gasindustrie (72 Prozent) sowie auf
Energieversorger (53 Prozent) und Automobilhersteller (37 Prozent).
Ein knappes Drittel der Befragten
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dass diese Aspekte künftig von Investoren bei ihren Anlageentscheidungen
stärker berücksichtigt werden sollten.
„Die Analyse zeigt die Vorteile einer
Anlagestrategie, die auf Aktien von
Unternehmen mit niedriger CO2-Intensität setzt“, führt Prof. Bassen aus.
Während das Portfolio aus Aktien von
Unternehmen mit der niedrigsten CO2Intensität gegenüber dem Vergleichsindex eine Mehrrendite von 0,39 erzielt,
weist das CO2-intensivste Portfolio
eine Minderrendite von 0,38 auf. Durch
die Strukturierung von Portfolios nach
CO2-Intensitäten kann daher im Durch-
schnitt eine signifikante Überrendite
von rund 0,8 Prozent erzielt werden.
Foto: Alexander Schindler, Vorstand von
Union Investment, ist zuständig für das Institutionelle Kundengeschäft sowie die internationalen Geschäftsaktivitäten
Die von den Professoren Bassen und
Busch durchgeführte Analyse stellt
einen positiven Zusammenhang zwischen CO2-Intensität und Profitabilität
fest. Demnach sind hohe Emissionen
offenbar eng mit der Wertschöpfung
eines Unternehmens verbunden. „Neben relativ günstigen fossilen Brennstoffen ist der Grund dafür, dass die
bisherigen Regulierungsmaßnahmen
zur CO2-Reduktion die Unternehmen
noch nicht stark belastet haben“, sagt
Prof. Busch. „Gewinne gehen daher
oft zulasten der Gesellschaft.“ Dies
muss aber nicht so bleiben. Vielmehr
ist zu erwarten, dass es angesichts der
internationalen Bemühungen um den
Klimaschutz auch zu einer verursachergerechten Verteilung der sogenannten
externen Klimakosten kommen kann
– von Kosten, die bislang nicht vom
Unternehmen, sondern von der Allgemeinheit getragen werden.
Ein Gastbeitrag von
Brigitte Ott,
Union Asset Management Holding AG