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Ilkka Remes: DAS ERBE DES BÖSEN
ILKKA REMES ÜBER DIE HINTERGRÜNDE SEINES ROMANS DAS ERBE DES
BÖSEN
Ich wollte einen langen Thriller schreiben, in dem sich die Wirren des Zweiten Weltkriegs,
das Labyrinth des Kalten Krieges und die Welt der Gegenwart mit ihren aktuellen, neuartigen
Bedrohungen überschneiden. Mir fehlte jedoch zunächst eine konkrete Perspektive, um den
Zugang zu der Geschichte zu finden.
Dann stieß ich auf Sigfried Ruffs und Hubertus Strugholds 1939 erschienenes Buch
über Luftfahrtmedizin und wenig später auf dessen Neuausgabe aus dem Jahr 1944. Die neue
Fassung war um aktuelles Forschungsmaterial ergänzt worden, dessen Ursprung erschütternd
offensichtlich war, obwohl die Quelle nicht genannt wurde: Mit Beklemmung musste ich
festzustellen, dass auch ich letztlich von den Menschenversuchen, die im Konzentrationslager
Dachau durchgeführt wurden, profitierte – so wie jeder davon profitiert, der ein Flugzeug
besteigt. Von Piloten und Astronauten ganz zu schweigen.
Diese Erkenntnis war für mich der Schlüssel zu meinem Roman und zu der
Perspektive, aus der ich meine Geschichte erzählen wollte.
Nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ wurde Dr. Strughold von den USA
eingeladen, seine Bahn brechende Arbeit in Amerika fortzusetzen. Über Nacht war aus dem
Erzfeind ein Verbündeter geworden. Das Gleiche geschah mit Wernher von Braun und vielen
anderen deutschen Wissenschaftlern, die im Zuge der geheimen Operation Paperclip in die
Vereinigten Staaten geholt wurden.
Die Versetzung von Vertretern des ehemaligen Erzfeindes mitten ins Herz der USWeltraumforschung spiegelt den Relativismus einer Großmacht wider, wenn es um die
Wahrung eigener Interessen geht. Auf dem Weg vom Kalten Krieg in die Gegenwart hat diese
Schäbigkeit nicht nachgelassen, und das müssen die Figuren in DAS ERBE DES BÖSEN
bitter erfahren.
Im Brennpunkt des Romans stehen deutsche Wissenschaftler und ihre Erben, darüber
hinaus aber auch jene Wissenschaft in Nazi-Deutschland, deren Erkenntnisse sich noch heute
auf unser Leben auswirken, ob wir das wollen oder nicht.
DAS ERBE DES BÖSEN enthält authentisches Material. So beruhen unter anderem
die Passagen über die Operation Paperclip, über Hitlers Atomprogramm, über Eugenik und
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über die Menschenversuche, die nach dem Krieg in den Vereinigten Staaten vorgenommen
wurden, ebenso auf Tatsachen wie die Schilderung der Wettrennens zum Mond. Insgesamt
machen die historischen Fakten freilich nur einen Bruchteil des Romans aus, aber sie sind
dafür umso wichtiger, denn keine Fantasie kann sich so unglaubliche Dinge vorstellen.
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DIE AUGEN VON AUSCHWITZ
Als ich den Roman schrieb, diente mir eine junge Wissenschaftlerin namens Karin
Magnussen als eine Art Vorlage für eine der Romanfiguren. Sie arbeitete in Berlin-Dahlem
am Kaiser-Wilhelm-Institut, in der Abteilung für Anthropologie, menschliche Erblehre und
Eugenik.
Leiter der Abteilung und Vorgesetzter Magnussens war bis 1942 Eugen Fischer. Sein
Nachfolger hieß Otmar von Verschuer. Dieser Verschuer schrieb 1944 einen Brief an die
Deutsche Forschungsgemeinschaft, in dem er bestätigte, dass sein ehemaliger Assistent Josef
Mengele leitender SS-Arzt in Auschwitz sei, und dass mit Himmlers Erlaubnis Häftlinge
unterschiedlichen rassischen Ursprungs zu „anthropologischen Forschungen“ herangezogen
würden.
Von Verschuer war Antisemit. Als Leiter des Instituts in Dahlem sagte er: „Es ist
wichtig, dass unsere Rassenpolitik – auch in der Judenfrage – einen objektiven,
wissenschaftlichen Hintergrund erhält, der auch in weiteren Kreisen Anerkennung findet.“
Otmar von Verschuer war seit den 1920er Jahren auf die Zwillingsforschung spezialisiert.
Karin Magnussen untersuchte hauptsächlich die Farbe der Augen im Hinblick auf die
Vererbung, und zwar mit Hilfe von Kaninchen. Im Sommer und Herbst 1944 bekam sie auch
menschliche Augen als Forschungsmaterial, denn Mengele ließ dem Dahlemer Institut
Organe von Menschen zukommen, die man in Auschwitz zu Forschungszwecken umgebracht
hatte.
Nach dem Krieg gab sich Otmar von Verschuer Mühe, zu beteuern, er sei immer
gegen die Beurteilung von Menschen nach der Rasse gewesen. In einem Brief an Otto Hahn
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berichtet er 1946, wie Josef Mengele „mein ehemaliger Assistent vom Institut in Frankfurt,
gegen seinen Willen nach Auschwitz geschickt wurde. (...) Von seiner Arbeit dort weiß man
nur, dass er versuchte, Arzt zu sein und den Kranken eine helfende Hand.“
Josef Mengele
Im März 1946 wurde offiziell über den Anteil der Forschungen von Verschuers an den
Grausamkeiten des Nazi-Regimes befunden. Er wurde als Mitläufer eingestuft, der selbst
keine Initiative ergriffen habe. Als Sühne musste von Verschuer eine Strafe von 600 Mark
entrichten.
Nach dem Krieg war von Verschuer am Institut für Genetik der Universität Münster
tätig, wo er in den 50er und 60er Jahren den wissenschaftlichen Nachwuchs unterrichtete.
Starke Unterstützung erhielt er u. a. vom Atomministerium der Bundesrepublik Deutschland.
Von Verschuer kam 1969 bei einem Autounfall ums Leben.
Zwei Kisten aus dem Dahlemer Institut blieben in Karin Magnussens Besitz. Die eine
enthielt Manuskripte, Fotografien von Augen, ein Mikroskop, eine Kamera der Marke Leica
sowie einen Irisreflektor, ein Gerät, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert hatte
und das man zum Fotografieren des Auges benötigte. Die andere Kiste enthielt Präparate, die
Augen entnommen worden waren sowie ganze Augen in Formalinlösung.
Bei ihrem Umzug von Berlin in ihre Heimatstadt Bremen nahm Magnussen zwei
Kaninchen mit besonderer Erbsubstanz mit. In Bremen begann sie unter Mithilfe von
Professor Danneel mit der Kaninchenzucht und versuchte z. B. mit Adrenalin und Atropin auf
die Pigmentierung der Iris im Auge der Kaninchenjungen einzuwirken. Außerdem nahm sie
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Hormonexperimente vor.
Eugen Fischer, ihr früherer Vorgesetzter am Dahlemer Institut, war erfreut darüber,
dass Karin Magnussen ihre Arbeit fortsetzte. „Auch für solche Forschungen werden wieder
bessere Zeiten kommen“, schrieb Fischer an seine ehemalige Mitarbeiterin.
Die Dahlemer Forschungsgruppe traf sich auch später noch, und die Mitglieder hielten
untereinander Briefkontakt.
Karin Magnussen war als Biologielehrerin in Bremen tätig. 1952 schrieb sie an
Fischer: „Das Problem der Genlokalisation ist noch immer nicht gelöst. Unser einziges
Hasenweibchen hat endlich Junge bekommen, aber es waren nur zwei ...“
Im Jahr 1970 wurde Magnussen pensioniert. Und sie erhielt nicht nur für ihre Arbeit
als Lehrerin eine Pension, sondern auch für ihre Jahre in Dahlem. 1980 übergab sie ihre
Studie, die nie veröffentlich worden ist, an die Augenklinik der Universität Münster. Unter
dem dazugehörigen Forschungsmaterial befanden sich Augenpräparate, die möglicherweise
aus Auschwitz stammten.
In einem Interview, das sie 1983 gab, weigerte sich Karin Magnussen, Josef Mengele
„auf Grund von Gerüchten“ als Unmensch zu bezeichnen.
Sie starb 1997 in Bremen.
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DACHAU UND DIE LUFTFAHRTMEDIZIN
Im Jahr 1939 veröffentlichten Siegfried Ruff und Hubertus Strughold das Buch Grundriss der
Luftfahrtmedizin. Darin wird, unterstützt von Schemata und Tabellen, dargestellt, wie sich der
menschliche Körper an die Umstände des Fliegens anpasst.
Im Mai 1941 bat Dr. Sigmund Rascher brieflich um die Erlaubnis, mit Häftlingen auf
Konzentrationslagern Höhenversuche vornehmen zu dürfen, da für solche lebensgefährlichen
Experimente keine Freiwilligen zu bekommen waren. Heinrich Himmler erteilte die
Genehmigung, zweihundert Häftlinge aus Dachau als Versuchspersonen heranzuziehen.
Ruff war an den Vorbereitungen der Experimente beteiligt und ließ eine
Unterdruckkammer in einem Fahrzeuganhänger anfertigen. Motoren saugten die Luft aus der
Kammer, und man konnte Flughöhen bis zu 21 Kilometern simulieren.
In Ruffs und Strugholds Buch wird die von Ruff entworfene mobile Unterdruckkammer
gezeigt. Sie wurde ins Konzentrationslager Dachau gebracht, wo Häftlinge gezwungen
wurden, als Probanden an Experimenten teilzunehmen.
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1944 publizierten Ruff und Strughold eine Neuauflage ihres Buchs. Im Vorwort schildern sie,
wie kolossal sich die Luftfahrt während des Krieges entwickelt habe und welche
Herausforderungen die neuen Fluggeschwindigkeiten, Flughöhen und Tragweiten für die
Luftfahrtmedizin mit sich brachten.
Diesen Herausforderungen begegneten sie auf den 250 Seiten ihres Buches mit einer
Fülle von EKG-Kurven, Pulsfrequenztabellen und allerlei Schemata. Das Werk enthält auch
schockierende Fotos, u. a. sieht man das Gesicht eines Menschen, das ungeschützt dem
Luftstrom bei 500 Stundenkilometern ausgesetzt ist, oder Aufnahmen von dem Bluterguss im
Auge, der bei einer Beschleunigungskraft von 11 g entsteht.
Im Buch wird nicht gesagt, wie das Forschungsmaterial gesammelt worden ist, es ist
nur allgemein von den „Mittelwerten der Versuchspersonen“ die Rede und es wird auf das
Archiv des Luftfahrtmedizinischen Instituts“ verwiesen.
Im Buch von Ruff und Strughold wird ausführlich die Höhenverträglichkeit des Menschen
behandelt.
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Handschriftprobe, angefertigt in über 10 000 Metern Höhe.
Bei den in Dachau durchgeführten luftfahrtmedizinischen Experimenten wurden vorsätzlich
70-80 Häftlinge getötet, um die Grenzen der menschlichen Belastbarkeit zu testen. Ruff
machte seine Versuche z. B. im Hinblick auf die Entwicklung von Schleudersitzen. Seine
Unterschrift findet sich unter Berichten, in denen detailliert beschrieben wird, was geschieht,
wenn ein Mensch ohne Sauerstoffgerät mit dem Fallschirm aus 14 300 Metern abspringt. Die
Versuchsperson wurde zunächst mit Sauerstoffmaske in die Unterdruckkammer gesperrt,
dann wurde der Druck gemäß der Flughöhe eingestellt. Ruff beschreibt die Reaktion der
Versuchsperson nach dem Entfernen der Sauerstoffmaske. Das Experiment wurde auch
filmisch dokumentiert.
1947 wurden bei den Nürnberger Prozessen zwölf Männer wegen Menschenversuchen in
Dachau angeklagt, darunter Siegfried Ruff. Er gab auch zu, an Höhenexperimenten beteiligt
gewesen zu sein, behauptete aber, die Probanden seien Freiwillige gewesen.
Zwei der Angeklagten wurden verurteilt. Ruff wurde freigesprochen. Die
Entscheidung hing freilich am seidenen Faden – es lagen gegen ihn „zumindest starke
Verdachtsmomente“ vor und er wurde „mit den verbrecherischen Experimenten in Dachau in
Verbindung gebracht“.
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Ruff (hintere Reihe links) als Angeklagter bei den Nürnberger Prozessen.
Nach dem Krieg war Ruff bis 1965 als leitender Arzt bei der Lufthansa, als Dozent der
Universität Bonn sowie als Leiter des neuen Luftfahrtmedizinischen Instituts tätig. Als
Berater war er am Aufbau der Bundesdeutschen Luftwaffe beteiligt. 1954 wurde er zum
außerordentlichen Professor ernannt. Die Deutsche luftfahrt- und weltraummedizinische
Gesellschaft verlieh ihm 1978 den Hubertus-Strughold-Preis.
Ruffs Kollege und Vorgesetzter, der für die Versuche verantwortliche Leiter des
Luftfahrtmedizinischen Instituts der Luftwaffe Hubertus Strughold, war nach Kriegsende
weder festgenommen noch verhört noch als Zeuge nach Nürnberg geladen worden, obwohl es
möglich gewesen wäre, Beweise gegen ihn zu finden.
In Nürnberg standen nur Kollegen und Mitarbeiter von Strughold vor Gericht, denn die USArmee schützte Strughold, der 1947 bereits in den Vereinigten Staaten seine Forschungen
fortsetzte. Man ernannte ihn zum Leiter der neu gegründeten luftfahrtmedizinischen Schule
der US-Luftwaffe in San Antonio, Texas. Zwei Jahre später wurde eine eigene
weltraummedizinische Abteilung etabliert und Strughold wurde deren Chef.
Später arbeitete Strughold eng mit Wernher von Braun zusammen. Ihre gemeinsame
Herausforderung bestand darin, den Menschen sicher ins All zu bringen. Das
Weltraumprogramm war ein Wettlauf mit dem Erzfeind Sowjetunion und Strugholds
wissenschaftlicher Beitrag wurde auch in politischen Kreisen gewürdigt. Senator Lyndon B.
Johnson tat alles, damit die USA den Vorsprung der Sowjetunion bei der Eroberung des
Weltraums wettmachte.
Strughold hatte wesentlichen Anteil am Apollo-Programm der NASA. Unter anderem war er
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an der Konstruktion der Mondlandefähre und der Druckanzüge der Astronauten beteiligt.
Zum Zeitpunkt des ersten Flugs zum Mond war Strughold bereits ein Jahr im Ruhestand. Er
sandte ein Glückwunschschreiben an seinen alten Freund Lyndon B. Johnson, der damals
Präsident der Vereinigten Staaten war.
Im dem Brief vom 22.8.1969 schreibt Strughold: „Es war ein Privileg für mich, während des
Mondfluges
täglich
im
Kontrollzentrum
in
Houston
den
Herzschlag
und
die
Schweißproduktion der Astronauten kontrollieren zu dürfen. Es war der Höhepunkt meiner
beruflichen Laufbahn.“
Aus Johnsons Antwort geht hervor, welche Wertschätzung der Präsident für Strughold
empfand.
Strughold genoss allgemein große Anerkennung. Man kannte ihn unter dem Ehrentitel
„Vater
der
amerikanischen
Luftfahrtmedizin“.
1977
wurde
in
Texas
die
weltraummedizinische Bibliothek der US-Luftwaffe nach ihm benannt. Ein Jahr später fand
sein Name Eingang in die International Space Hall of Fame in New Mexico. Aber auch die
alte Heimat würdigte Strughold, indem sie ihm 1983 das Bundesverdienstkreuz verlieh.
Hubertus Strughold starb 1986. Über all die Jahrzehnte hinweg war seine Verbindung
zu den Menschenversuchen in Dachau bekannt gewesen. 1995 entfernte man auf Initiative des
Jüdischen Weltkongresses seinen Namen aus der luftfahrtmedizinischen Bibliothek. Und
nachdem sich ein Besucher über die Präsenz eines ehemaligen Nazi-Wissenschaftlers
beschwert hatte, entfernte man Strugholds Namen auch aus der International Space Hall of
Fame.
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RASSENHYGIENE MIT AMERIKANISCHER FINANZIERUNG
Mit der systematischen Entwicklung der Rassenhygiene oder Eugenik wurde nach 1910 in
den Vereinigten Staaten begonnen, unter anderem finanziert durch die Familien Harriman,
Carnegie und Rockefeller. In Cold Spring Harbor, New York, wurde ein spezielles Büro
gegründet, dessen Aufgabe darin bestand, in rassehygienischer Absicht Daten über Familien
und Sippen zu sammeln. Die Absicht lautete, „schwache“ Sippen und Familienlinien durch
Sterilisation auszurotten.
Das Büro sammelte die Informationen mittels Fragebögen, die von eigens geschulten, von Tür
zu Tür ziehenden Mitarbeitern ausgefüllt wurden.
Eugenik wurde an führenden Universitäten wie Stanford, Yale, Harvard und Princeton
betrieben. In der Praxis wurden die Lehren der amerikanischen Eugeniker u. a. angewandt, als
die Zwangssterilisation von „schwachem Material“ Bundesstaat für Bundesstaat eingeführt
wurde.
Die dabei erstellten Gesetzestexte wurden in den 20er Jahren in Deutschland von
einem gewissen Adolf Hitler studiert, der damals versuchte, medizinische Argumente für
seinen Rassenhass zu finden. Schon 1924 zitierte er in Mein Kampf die Überlegungen der
amerikanischen Rassenhygieniker und legte dabei gründliche Kenntnisse an den Tag. Er
schrieb sogar einen bewundernden Brief an den führenden Eugeniker Madison Grant, in dem
er dessen Buch The Passing of the Great Race als „Bibel“ bezeichnete.
Die amerikanische Eugenik wirkte sich damals in Deutschland insofern auch sehr
konkret aus, als die Rockefeller-Stiftung in den 20er und 30er Jahren die Abteilung für
Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik am Kaiser-Wilhelm-Institut in BerlinDahlem finanzierte und darüber hinaus die auf Geisteskrankheiten spezialisierte Forschung,
die psychiatrische Genetik, unterstützte. Ein wichtiger Forschungsbereich, für den sich die
Amerikaner besonders interessierten, war die Zwillingsforschung.
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Die Aktivitäten der Rockefeller-Stiftung in Deutschland standen unter der Ägide des
Psychiaters Ernst Rüdin, dem unter anderen Eugen Fischer und Otmar von Verschuer
assistierten. Sie sahen in Adolf Hitler einen Politiker, der Verständnis für ihre Ansichten
hatte, und in der Nationalsozialistischen Partei eine Instanz, die fähig war, die Lehren der
Rassehygiene in der Praxis umzusetzen.
Ernst Rüdin wurde 1932 zum Vorsitzenden des Welt-Eugenik-Verbandes gewählt.
Wenige Monate später ergriff Hitler die Macht, und Rüdin wurde zum federführenden
Architekten der NS-Rassenpolitik und Bestandteil der Naziregierung. Man ernannte ihn zum
Leiter der Rassehygienischen Gesellschaft sowie zum Mitglied des Bevölkerungs- und
rassenpolitischen Expertenkomitees, welches dem Innenministerium unterstellt war.
Wissenschaft und Politik wurden miteinander verflochten.
Der Psychiater Ernst Rüdin
„Die Bedeutung der Rassenhygiene ist mittlerweile allen intelligenten Deutschen
durch Adolf Hitlers politisches Wirken bekannt geworden, und nur durch ihn ist unser mehr
als dreißig Jahre alter Traum Wirklichkeit geworden und die rassenhygienischen Prinzipien
sind zur praktischen Anwendung gekommen.“
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So äußerte sich Ernst Rüdin, der schon 1905 die Rassenhygienische Gesellschaft in
Deutschland gegründet hatte. Deren Aktivitäten wurden noch immer von der RockefellerStiftung
unterstützt.
Die
Stiftung
finanzierte
u.
a.
von
Verschuers
Zwillingsforschungsprogramm, an dem auch Josef Mengele mitarbeitete.
Rüdin arbeitete an einem Gesetzesentwurf zur Zwangssterilisierung, als dessen
Vorbild die entsprechenden Gesetzestexte von amerikanischen Eugenikern in den USBundesstaaten, besonders ins Virginia (1927) dienten. Aufgrund von Rüdins radikaler
Initiative wurde die Zwangssterilisation auch auf „Schwachsinnige und Psychopathen“
ausgeweitet.
Der amerikanische Eugeniker C. M. Goethe kehrte 1934 begeistert von einer
Deutschlandreise zurück. Damals wurden in Deutschland bereits über 5000 Sterilisationen im
Monat vorgenommen. Goethe schrieb an seinen Kollegen: „Es wird Dich bestimmt
interessieren zu erfahren, dass Deine Arbeit von wesentlicher Wirkung auf die Ansichten
jener Intellektuellen gewesen ist, die hinter Hitlers umwälzendem Programm stehen. Überall
hatte ich das Gefühl, dass die Gedanken der Amerikaner sie enorm inspiriert hatten ... Ich
möchte, lieber Freund, dass Du bis zum Ende deines Lebens in Erinnerung behältst, wie sehr
Du tatsächlich die mächtige Regierung eines 60-Millionen-Volkes in Bewegung gesetzt hast.“
Deutsches Plakat aus dem Jahr 1938.
In seinen Bestrebungen zur Rassenhygiene und Rassenveredlung gab sich Rüdin nicht mit
Sterilisationen zufrieden, sondern trat auch für „Euthanasie“ ein. „Es ist wichtig, der Frage
nachzugehen: wie kann man Kinder als qualitativ minderwertig und als der Elimination wert
erkennen, sodass man sie zur Euthanasie vorschlagen kann“, sagte Rüdin in einem Entwurf
für das Reichsforschungskomitee.
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Rüdins Schüler und Kooperationspartner, der Psychiater Franz J. Kallmann, erhielt
ebenfalls Unterstützung durch die Rockefeller-Stiftung. Als Halbjude war er 1936
gezwungen, in die Vereinigten Staaten auszuwandern. Dort legte er zwei Jahre später eine
Studie über die Erblichkeit von Schizophrenie vor. Sie basierte auf dem deutschen
Patientenmaterial von Rüdins Intstitut.
Im Vorwort zu seiner Studie bezeichnet es Kallmann als Ziel seiner Studie, „den
entscheidenden Beweis für die Vererblichkeit von Schizophrenie anzutreten und auf diese
Weise dabei zu helfen, ein verlässliches Fundament für die psychiatrische Praxis in Klinik
und Rassenhygiene zu schaffen“.
Kallmann hatte Erfolg: Rüdin benutzte seine Studie als Argument dafür, das T4Euthanasieprogramm
von
Kindern
auch
auf
die
erwachsenen
Patienten
der
Nervenheilanstalten auszudehnen.
Kallmann bedankt sich im Vorwort seiner Studie bei Rüdin, der ihm „das Personal der
von ihm geleiteten Einrichtung zur Verfügung gestellt und mit Rat und Tat bei methodischen
Fragen der statistischen Berechungen zur Seite gestanden“ habe.
Rüdin wiederum war Kallmann nach dem Krieg Dank schuldig, denn dieser sagte für
den Freund und Mentor aus, als der sich gegen Vorwürfe wehren musste, Nazi gewesen zu
sein.
Kallmann war nach dem Krieg in den USA in diversen Eugenikorganisationen tätig,
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deren Ansehen durch die Ereignisse in Deutschland deutlich gelitten hatte. Im Jahr 1948
gehörte er zu den maßgeblichen Persönlichkeiten bei der Gründung einer neuen Organisation
namens American Society of Human Genetics, die im Lauf der Jahre zum wichtigsten
Berufsverband der Genetiker in den Vereinigten Staaten avancierte. Eigenen Angaben zufolge
hat die Organisation heute an die 8000 Mitglieder.
Auf ihren Internetseiten (www. ashg.org) führt die American Society of Human Genetics ihre
Vorsitzenden auf. 1952 war es Franz J. Kallmann.
Die Labors von Cold Spring Harbor geben offen Auskunft über ihre Vergangenheit, auch in
der Epoche der Eugenik. Man beschäftigt sich dort weiterhin aktiv mit der Erforschung des
menschlichen Genoms, u. a. im Zusammenhang mit einem Genkartierungsprojekt. Leiter der
Labors war lange James D. Watson, der zusammen mit Francis Crick die Doppelhelixstruktur
der DNA entdeckt hat. Watson musste im Oktober 2007 zurücktreten, nachdem er in einem
Interview behauptet hatte, Menschen mit schwarzer Hautfarbe seien weniger intelligent als
Weiße.
In Deutschland fing die Nachfolgeorganisation des Kaiser-Wilhelm-Instituts, die MaxPlanck-Gesellschaft, im Jahr 2000 an, die Geschichte ihres Vorgängers zur Zeit des
Nationalsozialismus zu erforschen.
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AUS DEM INNEREN DER ERDE ZUM MOND
Im August 1943 griff die britische Luftwaffe mit 600 Lancaster-Bombern die
Raketenversuchsanstalt des deutschen Heeres in Peenemünde an der Ostsee an.
Deutschland war zu jener Zeit der übermächtige Vorreiter in der Raketenkonstruktion.
Das Heer hatte bereits Ende der 20er Jahre ein Raketenprogramm in die Wege geleitet, mit
der Absicht, die schwere Artillerie zu ersetzen, deren Entwicklung ihr nach dem Ersten
Weltkrieg durch den Versailler Vertrag verboten wurde.
Nach der Bombardierung von Peenemünde gab Hitler umgehend den Befehl, die
gesamte Raketenproduktion unter die Erde zu verlegen. Die praktische Durchführung geschah
unter der Leitung des SS-Generals Hans Kammler. Er war für mehrere Konzentrationslager
verantwortlich, weshalb ihm bei Bedarf eine nahezu unbegrenzte Anzahl von Arbeitssklaven
zur Verfügung standen.
Eine der Zufahrten zur unterirdischen Raketenfabrik im Kohnstein bei Nordhausen.
Die Produktion konzentrierte sich damals auf die A-4-Rakete, weit gehend eine Schöpfung
des jungen Physikers Wernher von Braun. Dieser hatte schon als ungestümer, oft allzu
lebhafter und eigensinniger Junge die Nachbarschaft mit seinen Raketenversuchen terrorisiert,
aber erst das Teleskop, das er im Alter von dreizehn Jahren geschenkt bekam, entfachte in
ihm den Funken, der seinem künftigen Leben die Richtung vorgab: die brennende
Begeisterung für den Weltraum und dessen Eroberung. Bereits mit zwanzig Jahren wurde von
Braun mit einer Stelle als Zivilingenieur beim deutschen Heer belohnt. Es war das Jahr 1932,
und seine Aufgabe bestand darin, eine zuverlässige Raketenschubkraft sowie Leit- und
Kontrollsysteme für den Rumpf eines in Planung befindlichen ballistischen Flugkörpers zu
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konstruieren.
Wernher von Braun unter deutschen Offizieren.
Nach der Bombardierung von Peenemünde wurde am Rand der Stadt Nordhausen im Harz in
Zwangsarbeit die größte unterirdische Waffenfabrik in den Fels gehauen: die Mittelwerk
GmbH, die sich bald ausschließlich auf die Produktion von Raketen und Flugzeugmotoren
konzentrierte. Vom September 1944 an lieferte die Fabrik fertige A-4-Flugkörper an die
Westfront, die von Propagandaminister Josef Goebbels auf den Namen V2 getauft wurden.
Das „V“ stand für „Vergeltungswaffe“.
Die Verhältnisse in den Stollen des Mittelwerks waren unmenschlich. Die wie Sklaven
gehaltenen Menschen starben durch die Arbeitsbelastung, durch Krankheiten und an
Unterernährung, aber auch an den Folgen der Misshandlungen durch Bestrafungen. Ein Teil
der Gefangenen versuchte die Raketen zu sabotieren, indem sie absichtlich für
Produktionsfehler sorgten. Diese Häftlinge wurden erschossen oder mit sadistischen
Methoden gehenkt, zur Abschreckung für die anderen.
Die Fabrik bestand anderthalb Jahre lang. Während dieser Zeit kamen mehr als 20 000
von 60 000 Häftlingen ums Leben. Im nahe gelegenen Konzentrationslager Buchenwald war
die unterirdische Fabrik so berüchtigt, dass sich nicht wenige dorthin abkommandierte
Häftlinge vor dem Abmarsch umbrachten.
Für die Produktion der V2-Raketen im Mittelwerk war Arthur Rudolph
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verantwortlich, der über die SS die benötigte Anzahl von Zwangsarbeitern im Buchenwalder
Außenlager Dora (aus dem am 1.10.1944 der selbstständige Lagerkomplex Mittelbau wurde)
anforderte.
Wernher von Braun stattete dem Mittelwerk oft einen Besuch ab, um zu sehen, wie die
Herstellung der Raketen vorankam. Sein Bruder Magnus war in der Fabrik für die
Gyroskopherstellung zuständig. Je weiter der Krieg voranschritt, umso mehr wurde die
Produktion gesteigert und der Arbeitsrhythmus gestrafft.
Von Braun hatte seine Raketen nie im militärischen Gebrauch sehen wollen. Die SS
nahm ihn sogar fest, mit dem Vorwurf der „zu geringen Unterstützung für die
Kriegsanstrengungen“. Nur Minister Speers direkter Appell an Hitler, von Braun müsse frei
gelassen werden, sorgte dafür, dass sich der Gefängnisaufenthalt des Ingenieurs auf zwei
Wochen beschränkte.
Bei der Befreiung durch die Amerikaner lagen die noch lebenden Zwangsarbeiter des
Mittelwerks unter hunderten von toten Sklaven.
Der Zusammenbruch der deutschen Westfront im Frühjahr 1945 führte amerikanische
Truppen, die auf die Elbe zustrebten, am 11. April an den Fuß des Harzes. Allerdings opferten
die Amerikaner nur einen kurzen Moment dem Entsetzen über die Leichenberge in
Buchenwald und Dora-Mittelbau. Es wartete eine wichtigere Aufgabe auf sie: die gründliche
Inventur der unterirdischen Fabrik Mittelwerk und deren Evakuierung. Diese sollte schnell
über die Bühne gehen, bevor das Gebiet, wie vereinbart, an die britische Besatzungszone fiel.
Die Amerikaner wollten alles: Waffensysteme, Instrumente, Werkzeuge, Archive – und vor
allem Wissenschaftler.
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Von Braun (mit eingegipstem Arm) am 3.5.1945, nachdem er sich den Amerikanern ergeben
hat.
Arthur Rudolph, der Leiter der Raketenproduktion im Mittelwerk wurde bei den
Kriegsverbrecherprozessen ebenso wenig angeklagt wie seine Kollegen. Im Rahmen der
supergeheimen Operation Paperclip wurden insgesamt 1600 Wissenschaftler, Ingenieure und
Techniker aus unterschiedlichen Fachbereichen von Deutschland in die Vereinigten Staaten
gebracht. 127 von ihnen waren ehemalige Mitarbeiter von Peenemünde. Sich ihre
wissenschaftliche und technische Kompetenz zu Nutze zu machen, wurde in den Vereinigten
Staaten für lebensnotwendig gehalten, denn fast unmittelbar nach dem Zeiten Weltkrieg
zeichnete sich immer deutlicher ein bevorstehender Rüstungswettlauf mit der Sowjetunion ab,
den die führende Nation der „freien Welt“ unbedingt gewinnen wollte. Andernfalls,
befürchtete man, würde die gesamte Welt am Ende dem Kommunismus anheim fallen.
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Von Brauns Raketenmannschaft, fotografiert 1946 in New Mexico, nachdem sie im Rahmen
der Operation Paperclip von Deutschland in die Vereinigten Staaten gebracht worden war.
Von Braun hat später sein tragisches Problem selbst geschildert: fast jede moderne Erfindung,
vom Auto bis zum Flugzeug und von der Rakete bis zur Kernenergie, konnte nicht nur für
friedliche, sondern auch für militärische Zwecke genutzt werden. Das Gleiche galt für seinen
Jugendtraum von einer Rakete, die den Menschen auf den Mond bringen würde: Unter seiner
Mitwirkung verwandelte sie sich zur entsetzlichsten Waffe der Menschheitsgeschichte – zur
Interkontinentalrakete mit Atomsprengkopf.
Von 1946 bis 1960 stand von Braun mit seinen Kollegen im Dienst der US-Streitkräfte
und war wesentlich an der Entwicklung der Redstone- und Jupiter-Raketen für das Heer, der
Atlas-, Thor- und Titan-Raketen für die Luftwaffe und der Polaris-, Poseidon- und TridentMarschflugkörper für die Marine beteiligt.
Arthur Rudolph war u.a. als technischer Leiter des Redstone-Projekts und als
Projektleiter bei der Entwicklung der Pershing-Mittelstreckenraketen tätig.
Von Braun beendete seine Arbeit an Raketen für den militärischen Einsatz im Jahr
1960, als er und ein großer Teil seines mittlerweile auf 5000 Wissenschaftler angewachsenen
Teams in den Dienst der neu gegründeten Weltraumbehörde NASA versetzt wurden.
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Von Braun (rechts) wurde zum Leiter des Marshall Space Flight Center ernannt. Kurt Debus
(links) war 1962-1974 der Leiter des Kennedy Space Center. In Peenemünde war Debus
Betriebsleiter der V2-Abschussrampen gewesen. Beide Männer waren Mitglieder der SS.
In den Vereinigten Staaten hatte Debus anfangs Schwierigkeiten mit den Behörden, denn er
hatte während des Kriegs einen Kollegen bei der Gestapo wegen hitlerfeindlicher Aussagen
angezeigt. Allerdings gelangte man zu der Auffassung, dass sein Wert für die US-Armee
schwerer wog als seine nachweisliche Nazianhängerschaft.
Nachdem John F. Kennedy öffentlich den bemannten Mondflug als Ziel der USA verkündet
hatte, erhielt von Braun endlich die Gelegenheit, das zu tun, wovon er sein Leben lang
geträumt hatte. Im Rahmen des Apollo-Programms arbeitete er u. a. mit dem
Luftfahrtmediziner Hubertus Strughold zusammen, denn bei einem Flug zum Mond würde
der Mensch bislang vollkommen unbekannten Kräften ausgesetzt sein.
Die von den Deutschen im Marshall Space Flight Center geschaffene Struktur war
eine Kopie der Organisation von Peenemünde, die ihre Funktionalität ja unter Beweis gestellt
hatte. Die Deutschen dominierten das Raketenprogramm nahezu total: die Chefs aller
Hauptabteilungen und Labors sowie ihre Stellvertreter waren Deutsche. So mancher
amerikanische Mitarbeiter des Apollo-Programms kritisierte die Vorgehensweise der
Deutschen – man fand, dass sie mehr als Clique denn als Teil eines Teams auftraten.
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Von Braun und Präsident John F. Kennedy
Das Apollo-Programm durfte schlicht und einfach nicht scheitern. Der Einfluss der Deutschen
wuchs in den 60er Jahren, als im Rahmen von Paperclip knapp 300 weitere Landsleute in die
USA transferiert wurden. Sie kamen gleich zu Anfang in das Büro von Wernher von Braun,
was für Amerikaner undenkbar gewesen wäre. Die Operation Paperclip wurde nach wie vor
geheim gehalten. Das Gleiche galt für alle Angaben zu den Biografien der deutschen
Mitarbeiter.
Der kritischste Teil des Apollo-Programms war die Entwicklung von Saturn V, der
größten Trägerrakete aller Zeiten. Zum Leiter dieses Projekts wurde Arthur Rudolph ernannt,
der in den Stollen der Mittelwerk GmbH für die Raketenproduktion verantwortlich gewesen
war.
Arthur Rudolph
Am 20. Juli 1969, vierundzwanzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, waren auf
der Erde Neil A. Armstrongs erste Worte vom Mond zu hören: „The Eagle has landed.“
Jean Michel, Angehöriger der französischen résistance und Überlebender der
Raketenfabrik Mittelwerk, hat über diesen Moment gesagt: „Ich konnte mir den Flug der
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Apollo nicht ansehen, ohne daran zu denken, dass es zum Teil die von uns erlittenen
unbeschreiblichen Gräuel gewesen waren, die den Spaziergang auf dem Mond erst möglich
gemacht hatten.“
Die besagten Gräuel kamen zu Beginn der 80er Jahre aufs Neue zum Vorschein, als
Beamte des Justizministeriums der USA Arthur Rudolph wegen seiner Beteiligung an den
Grausamkeiten im Mittelwerk verhören wollten. Rudolph verließ jedoch lieber das Land, als
sich mit den Behörden auseinanderzusetzen. Er zog nach Deutschland und starb 1996 in
Hamburg.
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HITLERS ATOMBOMBENPROGRAMM
Die Kernreaktion wurde in Deutschland entdeckt. Das Land verfügte über kompetente
Atomphysiker, technisches Wissen, unendlich viele Zwangsarbeiter und die nötigen
Rohstoffe. Und es hatte den Willen, eine Atombombe zu bauen.
Wie weit kamen die Deutschen bei der Entwicklung der Bombe?
Je mehr ich der Sache nachging, umso unschärfer wurde das Bild. Die Ruinen der
Versuchsreaktoren in Gottow und Haigerloch können von jedermann besichtigt werden.
Einen Reaktor zu bauen, der richtig funktionierte, war nicht gelungen, aber für den Bau einer
Uranbombe war das auch gar nicht notwendig. Über die baulichen und theoretischen
Anforderungen bestand in Deutschland durchaus Klarheit.
Der Versuchsreaktor von Diebners Forschungsgruppe im Frühjahr 1943 in Gottow.
Uranmetallwürfel sind in geeistes schweres Wasser getaucht worden.
Es ist evident, dass Amerikaner und Briten nach dem Krieg ein bewusst unvollständiges Bild
vom Atomprogramm der Nazis vermitteln wollten. Den in Deutschland vorrückenden
Truppen der Alliierten folgten im Zuge einer Operation namens Alsos unmittelbar Physiker,
die alles, was mit der Atomforschung der Deutschen zu tun hatte, jede Studie, jedes Material
und jeden Apparat, an sich nahmen. Vor allem aber wollten sie die Wissenschaftler haben,
damit diese nicht in der Sowjetunion landeten.
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Britische und amerikanische Alsos-Offiziere demontieren im April 1945 Heisenbergs letzten
Versuchsreaktor in Haigerloch.
Die zehn deutschen Atomforscher, die man für die wichtigsten hielt, wurden von Mai bis
Dezember 1945 in Farm Hall in der Nähe von Cambridge interniert. Für die zentrale Figur
hielt man damals Werner Heisenberg. Dennoch gelangte zum Beispiel ein Mann wie Manfred
von Ardenne, der Erfindungen für die Anreicherung von Uran gemacht hatte, in die
Sowjetunion und entwickelte dort sehr erfolgreich ein Atomprogramm.
Kurt Diebner, ein praktischer Physiker, der unabhängig von Heisenberg ein
Uranprogramm geleitet hatte, hegte in Farm Hall den Verdacht, die Engländer könnten ihre
Gespräche heimlich aufzeichnen.
Diebner: „Ob hier Mikrofone installiert sind?“
Heisenberg: „Mikrofone installiert? (Lacht.) So schlau werden sie kaum sein. Ich
glaube nicht, dass sie mit den echten Gestapo-Methoden vertraut sind. In dieser Hinsicht sind
sie etwas altmodisch.“
Diebners Sorge war freilich berechtigt, denn der britische Geheimdienst nahm
tatsächlich die Gespräche der Wissenschaftler auf. Diebner und einige seiner Kollegen hielten
sich bei dem, was sie sagten, auffällig zurück. Diebner erwähnt zum Beispiel überhaupt nicht,
dass sie einen Betatron-Teilchenbeschleuniger in Gebrauch hatten, der sich für die
Isotopentrennung eignete.
Es ist erstaunlich, wie lange die Inhalte der Gespräche von Farm Hall geheim gehalten
wurden. Erst 1992 veröffentlichte Großbritannien die Mitschnitte. Es gibt Leute, die meinen,
die Deutschen hätten zum Beispiel nicht die Bedeutung von Plutonium als Rohstoff für eine
Bombe erkannt. Vor einigen Jahren tauchten in russischen Archiven allerdings Dokumente
der physikalischen Abteilung des Kaiser-Wilhelm-Instituts auf, unter denen sich auch zwei
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Entwürfe zu Patentanträgen von Heisenbergs jungem Forscherkollegen Carl Friedrich von
Weizsäcker befanden. Mit diesen Dokumenten aus dem Jahr 1941 sollte eindeutig das Patent
für eine Plutonium-Bombe beantragt werden.
Von Brauns Mannschaft plante in Peenemünde die Zweistufenrakete A9/19 mit einer
Tragweite von 4100 Kilometern. Diese Interkontinentalrakete, mit der ein Angriff auf die
amerikanische Ostküste möglich gewesen wäre, sollte mit einer Atombombe ausgerüstet
werden.
Dr. Diebner war nach dem Krieg als Berater in der Kernenergiebranche tätig und
stellte Mitte der 50er Jahre Patentanträge für Erfindungen, die mit Reaktortechnik, Plutonium,
aber auch mit einer thermonuklearen Bombe im Miniaturformat zu tun hatten.
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MENSCHENVERSUCHE IN DEN VEREINIGTEN STAATEN
Der Abschlussbericht zu der Plutoniumversuchsreihe, die von der Atomenergiekommission
der Vereinigten Staaten in Auftrag gegeben worden war und an der Ingrid in meinem Roman
DAS ERBE DES BÖSEN teilnimmt, wurde am 20.9.1950 in Rochester im Bundesstaat New
York fertiggestellt.
Die Einstufung des Berichts als „geheim“ wurde 1979 in „nur zum Dienstgebrauch“ geändert.
Der Titel der Studie lautete: „Die Ausbreitung und Ausscheidung von dem Menschen
intravenös verabreichtem Plutonium“.
Bei der Auswahl der Probanden war man darauf bedacht, nur Personen zu nehmen, deren
Lebenserwartung nicht mehr als zehn Jahre betrug, um Langzeitwirkungen der Strahlung zu
vermeiden. Vor allem aber schien es wichtig, die Resultate des Versuchs möglichst bald
durch Obduktionen zu verifizieren.
Die Versuchsperson Hp-8, der man am 3.3.1946 die Spritze verabreichte, war Janet Stadt,
eine 41-jährige weiße Frau, die an Sklerodermie erkrankt war und zusätzlich unter einem
Zwölffingerdarmgeschwür litt.
Der Versuchsperson wurden 5 mg reines Plutonium in die Vene in der Armbeuge gespritzt.
Der Versuch ergab bemerkenswerte Resultate, so wurde u. a. festgestellt, dass die
Anreicherung von Plutonium in der Leber wesentlich größer ausfiel als auf der Grundlage von
Tierversuchen angenommen worden war.
Janet Stadt, „Hp-8“, starb im März 1975.
Zahlreiche weitere vergleichbare Versuchsreihen folgten. Die größte Gruppe von
Probanden, die radioaktiven Stoffen ausgesetzt wurde, bestand aus Soldaten, die man bewusst
in die Fall-out-Zone von Atomversuchen gebracht hatte. Es waren Tausende.
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WISSENSCHAFT IM SCHATTEN DES HAKENKREUZES – AUF DEN SPUREN
VON ROLF UND INGRID NARVA
Mein Roman DAS ERBE DES BÖSEN ist zum größten Teil in der Gegenwart angesiedelt,
aber wichtige Passagen spielen im Deutschland der 30er und 40er Jahre.
Viele Schauplätze habe ich selbst besucht und intensiv aus dem Blickwinkel der
Romanfiguren betrachtet – sie haben tatsächlich an den Orten gelebt, an denen ich nur Gast
war.
Besonders in Erinnerung geblieben ist mir mein Besuch an einem regnerischen
Wintertag in der Ihnestraße in Berlin-Dahlem, wo das Kaiser-Wilhelm-Institut für
Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik beheimatet war.
In DAS ERBE DES BÖSEN wird der Ort mit Rolfs Augen gesehen und folgendermaßen
beschrieben:
Das dreistöckige Haus vor ihm sah genauso aus, wie er es in Erinnerung hatte. Nichts
hatte sich verändert. Auch nicht die Flügeltür und das Bogenfenster darüber.
Nur war jetzt rechts neben der Tür eine Tafel mit dichter Beschriftung angebracht.
Rolf spürte, wie er beim Lesen anfing zu zittern.
In diesem Gebäude befand sich von 1927 bis 1945 das Kaiser-Wilhelm-Institut für
Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik. Die Direktoren Eugen Fischer und
Otmar von Verschuer lieferten mit ihren Mitarbeitern wissenschaftliche Begründungen
für die menschenverachtende Rassen- und Geburtenpolitik des NS-Staates.
Die Buchstaben waren gut lesbar. Sie waren aus Messing gegossen und für die
Ewigkeit gedacht.
Die vom Reichsforschungsrat bewilligten und von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft finanzierten Zwillingsforschungen des Schülers und
persönlichen Mitarbeiters von Verschuer, Josef Mengele, im KZ Auschwitz wurden in
diesem Gebäude geplant und durch Untersuchungen an Organen selektierter und
ermordeter Häftlinge unterstützt ...
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In dem Gebäude, das zum Teil von der Rockefeller-Stiftung finanziert wurde, sind heute
Abteilungen des Instituts für Politologie der Freien Universität Berlin untergebracht. Ohne die
Kopiergeräte und die Poster mit der Werbung für das WLAN-Netz auf dem Campus würde
nichts darauf hindeuten, dass man sich 21. Jahrhundert befindet und nicht in der Zeit um
1940. Mit nahezu gespenstischer Genauigkeit konnte ich mir vorstellen, wie die junge Ingrid
über die Flure des Gebäudes ging.
Viele der heutigen Studenten würden wohl kaum etwas über die Geschichte des
Hauses wissen, wäre nicht neben dem Haupteingang eine Informationstafel angebracht
worden.
In der Boltzmannstraße, nur wenige hundert Meter entfernt, befand sich seit 1937 die
Abteilung für Physik des Kaiser-Wilhelm-Instituts.
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Bewegt betrachtete Rolf das braune, dreistöckige Gebäude mit dem vertrauten
Zwiebelturm. Durch die Tür unter dem Turm waren damals so viele junge Menschen
gegangen, voller Energie und jugendlichem Tatendrang, das ganze Leben noch vor
sich.
Er hatte das Gebäude brandneu in Erinnerung – inzwischen bröckelte der Putz
von den Wänden. An der Tür stand »Max-Planck-Institut«. Auf der Rückseite ragte
noch immer der sogenannte »Turm der Blitze« auf, in dem der damals hypermoderne,
zum Teilchenbeschleuniger ausgebaute Hochspannungsgenerator für kernphysikalische
Elemente untergebracht war.
In Dahlem wurde die Kernphysik erforscht, aber mit ihren praktischen Anwendungen
beschäftigte man sich anderswo, u. a. in Gottow/Kummersdorf, gut sechzig Kilometer südlich
von Berlin.
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Auf dem Gelände eines alten Schießstandes des Heeres wurde unter der Leitung von Dr.
Diebner eine Einrichtung aufgebaut, deren Ziel darin bestand, einen funktionierenden
Atomreaktor zu konstruieren.
Rolf Narva, eine der Hauptfiguren des Romans, hat während des Krieges in
Kummersdorf gearbeitet und kehrt als alter Mann dorthin zurück. Steht man heute zwischen
den trostlosen, verlassenen Gebäuden, kann man sich vollkommen in Rolfs Situation
hineinversetzen, wenn er vor Ort an die Vergangenheit zurückdenkt.
Zu DDR-Zeiten wurden in Kummersdorf weiterhin militärtechnische Untersuchungen
vorgenommen. Heute ist das Gelände stillgelegt.
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Die Deutschen hatten die Absicht, eine Atomwaffe zu bauen, und es war geplant, sie mittels
einer Rakete ans Ziel zu bringen. Aus diesem Grund hat Rolf der riesigen unterirdischen
Produktionsstätte Mittelwerk GmbH bei Nordhausen einen Besuch abgestattet, wo u. a. V2Raketen hergestellt wurden. Häftlinge aus dem Konzentrationslager Mittelbau-Dora wurden
zur Arbeit in den Stollen gezwungen.
Der Anblick der Überreste des Mittelwerks samt des Lagerkomplexes Mittelbau-Dora ist
aufwühlend und bewegend. Auf den ersten Blick entdeckt man in der schönen, stillen
Landschaft des Unterharz nicht viele Hinweise auf die Schrecken der Vergangenheit. Die
Baracken des Konzentrationslagers hat man gleich nach dem Krieg zu Brennholz gemacht,
und die Russen hatten durch Sprengungen dafür gesorgt, dass die Eingänge zu den
unterirdischen Stollen verschüttet wurden.
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Tief im Wald erinnert noch das Krematorium an die Grausamkeiten der Kriegszeit. Beim
Ausbau der Stollen und während der eigentlichen Produktion kamen in Mittelbau-Dora
20 000 – 30 000 Zwangsarbeiter ums Leben.
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In den 1990er Jahren wurde ein neuer Zugang gegraben, und ein Teil der alten Stollen wurde
restauriert. Es ist frappierend, die unterirdischen Hallen zu sehen. Und es ist schmerzlich, sich
vorzustellen, was für ein Leben die Häftlinge in dieser unterirdischen Hölle führen mussten.
Bei der Vorstellung hilft das 2003 eröffnete Lern- und Dokumentationszentrum, das
den Alltag im Lager und in der Produktionsstätte veranschaulicht.
Ich habe große Achtung vor der Arbeit, die das Bundesland Thüringen, vor allem aber die
freiwilligen aus der unmittelbaren Umgebung dafür leisten, dass künftige Generationen sehen
und nicht vergessen, wohin ein totalitäres Regime führen kann – überall auf der Welt.
Die im Mittelwerk hergestellten Raketen und ihre Konstrukteure lebten in den Vereinigten
Staaten weiter, wo sich unter der Federführung der Deutschen aus der V2 nach und nach die
Saturn-Trägerrakete entwickelte, die bei den Flügen zum Mond eingesetzt wurde.
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Ich ging ins Deutsche Museum in München, um mir eine V2-Rakete anzuschauen. Man zuckt
unwillkürlich zusammen beim Anblick des fünfzehn Meter langen Riesen, wenn man weiß,
unter welchen Umständen die Flugkörper hergestellt wurden.
Im Deutschen Museum wird die Rakete als technische Errungenschaft präsentiert und
nichts weiter über die Umstände der Produktion erklärt. Wer aber Mittelbau-Dora kennt, für
den stellt die Rakete immer auch etwas anderes dar als das Zeugnis hoher Ingenieurskunst.
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BENUTZTE QUELLEN (in Auswahl)
Für meinen Roman habe ich authentisches Material als Grundlage für die Fiktion verwendet.
Das folgende Literaturverzeichnis listet einige meiner wichtigsten Quellen auf, versehen mit
einem kurzen, persönlichen Kommentar.
Allen, Charles Jr.: Nazi War Criminals in America. Highgate House, New York, 1985.
Ein schmales, aber substanzielles Büchlein.
Beevor, Antony: Berlin: The Downfall 1945. Penguin Books, London, 2003.
Umfangreiches und detailliertes Werk über den Untergang Berlins.
Bernstein, Jeremy: Hitler’s Uranium Club. The Secret Recordings at Farm Hall. Copernicus
Books, New York, 2001.
Faszinierender und einzigartiger Einblick in die Gespräche, die von den federführenden
Architekten von Hitlers Atomprogramm geführt wurden. Die Männer waren vom britischen
Geheimdienst interniert und heimlich abgehört worden. Die als geheim eingestuften
Tonbänder wurden erst 1992 freigegeben. Bernstein kommentiert und interpretiert die
Gespräche der Wissenschaftler am Rand der Niederschrift. Die ausführliche Einleitung bietet
eine transparente Darstellung des deutschen Atomprogramms.
Black, Edvin: War Against The Weak. Eugenics and America`s campaign to create a master
race. Thunder´s Mouth Press, New York, 2004.
Eine genaue, auf Originalquellen basierende Darstellung der Wurzeln der Eugenik in den
Vereinigten Staaten.
Bower, Tom: The Paperclip Conspiracy, The Hunt for the Nazi Scientists.
Little, Brown and Company, USA, 1987.
Eines der wenigen Sachbücher zum Thema.
Haber, Fritz, Strughold, Hubertus etc.: Epitome of Space Medicine. USAF School of Aviation
Medicine. Randolph Field, Texas, 1950 –57.
Sammlung luftfahrtmedizinischer Texte und Studien (auch von Strughold selbst), deren
Erkenntnisse der bemannten Raumfahrt der USA zugrunde lagen.
Hunt, Linda: Secret Agenda. St. Martin`s Press, New York. 1991
Sammelwerk einer ehemaligen investigativen Journalistin von CNN. Enthält Informationen
über die Laufbahn der wichtigsten Wissenschaftler der Paperclip-Operation in Deutschland
und in den USA.
Karlsch, Rainer: Hitlers Bombe. Deutsche Verlags-Anstalt, München, 2005.
Ein Buch, das rege Diskussionen ausgelöst hat, da es behauptet, die Nazis wären in der
Entwicklung der Atombombe weiter gewesen, als allgemein angenommen. Enthält neue
Entdeckungen zum Thema, aber auch unbegründete Spekulationen, die darum auch keinen
Eingang in meinen Roman fanden.
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Klee, Ernst: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945.
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 2005.
Ein Standardwerk. Verzeichnet einflussreiche Personen unterschiedlicher Bereiche in NaziDeutschland.
Klee, Ernst: Deutsche Medizin im Dritten Reich. Karrieren vor und nach 1945. S. Fischer
Verlag, Frankfurt am Main, 2001.
Ebenfalls ein Standardwerk mit überaus detailliertem Quellenverzeichnis.
Klee, Ernst: Auschwitz, die NS-Medizin und Ihre Opfer. Fischer Taschenbuch Verlag,
Frankfurt am Main. 2004
Sachliche Darstellung der medizinischen Experimente im NS-Staat.
Macksey, Kenneth: Technology in War. The Impact of Science on Weapon Development and
Modern Battle. Guild Publishing, London, 1986.
Informationen über die Funktion der A4/V2-Rakete.
Müller-Hill, Benno: Tödliche Wissenschaft. Die Aussonderung von Juden, Zigeunern und
Geisteskranken 1933-1945, Reinbek 1984.
Müller-Hill befragt u. a. die Kinder von Nazi-Eugenikern. Eines der ersten Bücher aus dem
Bereich des Fachs, dessen englische Übersetzung vom Verlag der Labors in Cold Spring
Harbor veröffentlicht wurde (1985). Der Schlussteil enthält eine sehr interessante
Schilderung von James D. Watson, einem der beiden Entdecker der DNA-Doppelhelix und
Stützpfeiler von Cold Spring Harbor, über seine Reise nach Berlin und seine Besuche in
Einrichtungen, die eugenische Forschungen durchführten.
Nagel, Günter: Atomversuche in Deutschland. Geheime Uranarbeiten in Gottow, Oranienburg
und Stadtilm. Heinrich – Jung – Verlagsgesellschaft GmbH, Zella – Mehlis / Meiningen,
2002.
Genaue, auf praktischen Nachforschungen beruhende Arbeit über mehrere Orte, an denen
Hitlers Atomprogramm realisiert wurde.
Piszkiewicz, Dennis: The Nazi Rocketeers. Dreams of Space and Crimes of War. Praeger
Publishers, Westport, USA, 1995.
Überblicksdarstellung mit den grundlegenden Informationen zum Thema.
Powers, Thomas: Heisenberg´s War – The Secret History of the German Bomb. United States
of America, 1993.
Sehr detailliertes Buch mit guten Belegen. Stützt einseitig das nach dem Krieg von
Heisenberg vermittelte Bild, die Wissenschaftler – auch Heisenberg selbst – hätten aus
moralischen Gründen den Bau der Bombe verzögert.
Rhodes, Richard: The Making of the Atomic Bomb. Simon & Schuster, New York (1986)
Konzentriert sich auf das Manhattan-Projekt der USA, aber befasst sich ausführlich mit der
Bombe als wissenschaftlichem Mammutprojekt und tangiert dabei auch die deutschen
Forschungen.
Rose, Paul Lawrence: Heisenberg and the Nazi Atomic Bomb Project. A Study in German
Culture. University of California Press, Berkeley, Los Angeles, London, 1998.
Im Gegensatz zu Powers Werk Heisenberg’s War hält Rose für den zentralen Wissenschaftler
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des Projekts, an dessen Fehlberechnungen das Gelingen scheiterte. Allerdings ist auch die
Perspektive von Rose einseitig.
Ruff, Siegfried, Strughold, Hubertus: Grundriß der Luftfahrtmedizin. Johann Ambrosius
Barth Verlag, Leipzig, 1939. Überarbeitete Neuauflage 1944.
Mehr über dieses Buch hier. /LINK ZU DEM KAPITEL „DACHAU UND DIE
WELTRAUMMEDIZIN“/
Schmitt, Harrison: Return to the Moon: Exploration, Enterprise, and Energy in the Human
Settlement of Space. Copernicus Books, New York, 2007.
Schmitt war der einzige Astronaut mit einer Vergangenheit als Wissenschaftler. Heute leitet
der Geologe eine Kampagne für den Abbau von Helium-3 auf dem Mond.
Simpson, Christopher: Blowback. America’s Recruitment of Nazis and Its Effects on the Cold
War. Weidenfeld & Nicolson, London, 1988.
Etwas umfassendere Darstellung der Paperclip-Operation als bei Hunt.
Strughold, Hubertus: Compendium of Aerospace Medicine. USAF School of Aerospace
Medicine, Texas, 1976.
Hektografierte Publikation, von der US-Luftwaffe zu Ehren Strugholds herausgegeben.
Enthält Artikel, Rede und Briefwechsel von Strughold. Dieser streift seine Jahre während des
Kriegs in Deutschland mit wenigen Worten.
Stuhlinger, Ernst & Ordway III, Frederick I.: Wernher von Braun, Crusader for Space. A
Biographical Memoir. Krieger Publishing Company, Malabar, Florida, 1996.
Detaillierte Biografie. Lässt allerdings Aspekte, die mit dem Mittelwerk zu tun haben, offen.
Walker, Mark: Nazi Science. Myth, Truth, and the German Atomic Bomb. Perseus
Publishing, Cambridge, Massachusetts, 1995.
Ungeachtet des ambitiösen Titels keine neuen, konkreten Fakten.
Ward, Bob: From Nazis to Nasa. Sutton Publishing, England, 2006.
Widmet sich anekdotisch der Karriere Wernher von Brauns. Liefert kein umfassendes Bild
vom Einsatz der Deutschen bei der NASA.
Welsome, Eileen: The Plutonium Files. Dell Publishing, New York, 1999.
Äußerst detailreiches Buch über die Menschenversuche in den USA. Geht den Schicksalen
einzelner Versuchspersonen nach. Schockierendes Material, das Anlass zum Nachdenken
gibt.
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