46 | BZB Oktober 16 | Praxis KZVB Farbenspiele Dr. Eckart Heidenreich und die Suche nach dem perfekten Schatten „Ich fand es als Kind sehr beeindruckend, wie das alles nach Farbe roch, die halbfertigen, großen Bilder auf den Staffeleien, die endlosen Gespräche, die überquellenden Aschenbecher und leeren Rotweingläser.“ So begann für Dr. Eckart Heidenreich im Atelier der Malerfreunde seines Vaters die Liebe zur Malerei. Noch heute steht der Zahnarzt und Vorsitzende des ZBV München gerne an der Leinwand und lässt so den Alltag Alltag sein. Fotos: privat Viele Landschaftsbilder und Stillleben, aber auch Porträts und technische Motive zieren die Wände des Ateliers und der heimischen Wohnung von Dr. Eckart Heidenreich. In der Praxis sind es Bilder von Kunstfreunden oder von Malern, die der Münchner Zahnarzt verehrt. Vor allem Thomas Weczereck, ein zeitgenössischer Münchner Maler, hat es ihm angetan. „Seinen Malstil empfinde ich als sehr gelungen. Er hat ein tolles Farbgefühl und einen lockeren Stil. Überhaupt sagt mir die Malerei von Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts zu. Damals hat die Malerei an Freizügigkeit gewonnen, löste sich von starren Formen und fand neue Strukturen.“ Ein Kunstsammler wie sein Vater, der ihm die Malerei schon als Kind nahebrachte, sei er aber nicht. Er kauft Bilder nicht als Wertanlage, sondern aus „Sinnlichkeit“, sagt er. Heidenreich, das merkt man schnell, weiß viel über Kunstgeschichte und beschäftigt sich intensiv mit der Malerei des 20. und 21. Jahrhunderts. Porträts von Horst Janssen oder Lucian Freud, Landschaften von Corot oder auch der Münchner Schule oder Stillleben von Giorgio Morandi fallen ihm spontan ein. Begeistert zeigt er sich von dessen Farbgefühl, der Leichtigkeit, mit der er Schat- Auge in Auge mit einem Chevy. Zahnarzt Dr. Eckart Heidenreich fängt das Liebhaberstück eines Kollegen auf Leinwand ein. Praxis | BZB Oktober 16 | 47 KZVB einfach mal versucht. Meine Frau hatte damals schon viele Jahre gemalt und so starteten wir gemeinsam. Langsam gefiel es mir, mit dem Medium Ölfarbe umzugehen und so habe ich den Ehrgeiz entwickelt, meine Fähigkeiten zu verbessern.“ Ob in seinem Atelier oder mit der Staffelei in der Natur – Malen ist Pause vom Alltag für Heidenreich. ten setzt und das scheinbar transparente Material Glas für den Betrachter greifbar auf die Leinwand bringt. In verschiedenen Kursen hat auch er gelernt, wie man genau diese Effekte erreichen kann. Er sei kein Autodidakt. Ein Buch zu lesen und anhand dessen zu lernen, wie man zeichnet oder malt, das sei nichts für ihn. „Für ein Buch fehlt mir dann doch die Geduld und außerdem halte ich es für unabdingbar, von anderen direkt zu lernen.“ Dennoch: Geduld ist auch in der Malerei eine Tugend. Man muss lernen, zu beobachten, Motiv und Umgebung gleichermaßen wahrzunehmen, Lichteinfall und Schattenwurf erkennen, die interessanteste Perspektive finden. „Beschäftigt man sich anfangs vor allem mit dem Abbild und der möglichst detailgetreuen Wiedergabe, so merkt man, dass sich im Laufe der Zeit gezielt das Sehen verändert. Man konzentriert sich immer weniger auf das Objekt selbst, als auf Formen und Farben, Licht und Schatten.“ Abhängig vom Material – Aquarell-, Acryl- oder Ölfarbe – muss man auch unterschiedlich an den Schaffensprozess herangehen. Heidenreich hat alle Varianten probiert: „Ich selbst habe irgendwann angefangen zu aquarellieren, aber mit zunehmender Arbeitsbelastung ist dies dann eingeschlafen. Denn Aquarell ist eine schwierige Kunst, weil sie viel mehr Konzeption erfordert als Öl oder Acryl, da sie keine wesentlichen Korrekturen zulässt. Also braucht man Übung und dafür hatte ich als selbstständiger Zahnarzt nicht mehr die freien Ressourcen. Vor acht Jahren schenkte mir meine Frau ein Öl-Malset und ich hab’s dann Das Spiel mit Licht und Schatten Heidenreich besuchte viele Kurse, „da ich nicht nur Farbe auf der Leinwand rumschieben wollte.“ Vielmehr war er erst mal am „Handwerk“ interessiert – „Farbtheorien, Mischtechniken, Pinselauswahl, Malgründe, Lösungsmittel et cetera auf der einen Seite, zeichnerische Voraussetzungen, Komposition, Kontrastlehre auf der anderen“. In der Zeit haben Heidenreich und seine Frau häufig Kurse bei der Malerin Lucy MacGillis besucht. „Sie hat immer wieder betont, dass in einem Bild jede Form und Farbe gleichberechtigt ist. Als Anfänger konzentriert man sich ja immer auf das Objekt und vernachlässigt die Umgebung. Letztlich führt das zu einer Art Dekonstruktion des Bildes, zu Farbflächen nebeneinander, die im Abstand wieder das Bild ergeben. Licht und Schatten, die dem Bild eine Struktur geben, die richtigen Farben dafür wählen, das ist manchmal so schwer. Man merkt sehr schnell, dass diese Sehweise ein Spiel mit der Physiologie des Auges ist, das ja nicht nur physikalisch wiedergibt, sondern in jedem Moment des Sehens unablässig interpretiert, ohne dass wir dies merken“, erklärt Heidenreich. Und führt weiter aus: „Deswegen ist der Unterschied einer ganz gut passenden und einer richtigen Farbe an einer Stelle im Bild wie der Unterschied in der Wirkung zwischen einem Funken und einem Blitz. Man fühlt plötzlich, dass es stimmt.“ Zwar sei es frustrierend, ein schönes Bild im Kopf, aber dann ein Ergebnis zu haben, bei dem es hinten und vorne fehlt. „Aber zwischendurch Fische sind ein Lieblingsmotiv Heidenreichs: „Sie glänzen und haben wilde Farbverläufe, die man einfangen muss.“ 48 | BZB Oktober 16 | Praxis KZVB Heidenreich in seinem Atelier in Heimhausen gelingt dann doch etwas und das ist sehr befriedigend“, sagt Heidenreich schmunzelnd. So befriedigend, dass seine Bilder viele Käufer finden und sehr willkommene Geburtstagsgeschenke sind. Ein Kollege kann seinen Chevrolet nicht nur fahren, sondern auch „in Öl gegossen“ an die Wand hängen. Die Perspektive – auf Stoßstangenhöhe –, der Lichteinfall – der Lichtpunkt liegt auf dem Heck, der vordere Teil liegt im Dunkeln – und der Farbkontrast – das satte Grün des Oldtimers und das warme Gelb der ihn umgebenden Wände – ergaben für Heidenreich ein interessantes Motiv. Dabei war er einmal nahe daran, aufzugeben und das Bild rauszuschmeißen. Schlussendlich hat er den Kampf mit der Lichtreflexion, die nur dann wirkt, wenn man sie an der richtigen Stelle setzt, gewonnen. Kein Schreibtischtäter Wenn Heidenreich malt, ist das für ihn auch ein Abschalten vom Alltag. „Es ist ein guter Gegenpol zur peniblen Arbeit des Zahnarztes. Man arbeitet nicht mit feinsten Instrumenten auf kleinstem Raum, sondern kann großzügiger agieren und mit der Augenphysiologie spielen.“ Bei beidem, Hobby und Beruf, ist er mit Herz dabei: „Ich bin gerne Zahnarzt. Handwerkliches lag mir schon immer, ein Schreibtischtäter wäre ich nie geworden. Und die Zahnmedizin ist eine runde Mischung aus sozialer Ansprache, Handwerk, Unabhängigkeit durch die Selbstständigkeit und Patientenkontakt.“ Gemein- sam mit zwei Kollegen führt Heidenreich eine Praxisgemeinschaft im Münchner Norden, seit 1987 ist er als selbstständiger Zahnarzt niedergelassen. Seit sechs Jahren ist er zudem 1. Vorsitzender des Zahnärztlichen Bezirksverbandes (ZBV) München Stadt und Land. Dabei war der Weg zum Beruf einer mit kleinen Hindernissen. 13 Wartesemester musste Heidenreich überbrücken, bevor er das Zahnmedizinstudium aufnehmen konnte. Auf den Geschmack ist er durch seinen älteren Bruder gekommen, den er an der Uni besuchte. „Ich war wahnsinnig beeindruckt von allem und dann stand der Berufswunsch außer Frage.“ Inzwischen praktiziert er seit 32 Jahren und ist dabei seinen Hobbys immer treu geblieben. Aktuell arbeitet Heidenreich an einer Landschaft – eine Familie bis zu den Knien im Wasser des Chiemsees stehend samt Hund, der sich auf der Suche nach dem Stöckchen in die Fluten stürzt. Die beobachtenden Kinder und der tobende Hund schaffen eine schöne Spannung im Bild. Ein typisches Urlaubs-Fotomotiv. Nur wird es in Heidenreichs Fall nicht mit einem „Klick“ für die Ewigkeit festgehalten sein. Vier, fünf Stunden wendet er meistens für seine Bilder auf und wird sich in diesem Fall der Herausforderung „Wasser“ stellen. Denn wie bei Glas und Schatten stellt sich auch hier die Frage: Wie malt man das mit all seinen Bewegungen, Reflexionen und Spiegelungen? Ilka Helemann
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