Europäische Kommission - Factsheet Fragen und Antworten zur Prozesskostenhilfe Luxemburg, 13. Oktober 2016 Heute hat der 2013 vorgelegte Vorschlag der Kommission über Prozesskostenhilfe in Strafverfahren die letzte Hürde genommen. Worum geht es bei der Richtlinie über Prozesskostenhilfe? Die Richtlinie enthält Regeln für die Gewährung von Prozesskostenhilfe für Verdächtige oder Beschuldigte in der Europäischen Union wie auch für Personen, gegen die ein europäischer Haftbefehl (EuHb) erlassen wurde. Sie gibt klare Kriterien für die Gewährung von Prozesskostenhilfe vor und enthält Bestimmungen über die Sicherung von Qualitätsstandards und Rechtsbehelfe für den Fall einer Verletzung dieses Rechts. Die neuen Bestimmungen werden das Recht auf Prozesskostenhilfe und dessen einheitliche Anwendung in der Europäischen Union gewährleisten. In welchen Fällen findet die Richtlinie Anwendung? Die neuen Bestimmungen gelten für Fälle, in denen eine Person im Einklang mit dem Unionsrecht oder dem einzelstaatlichen Recht festgenommen wird oder sie einen Rechtsbeistand benötigt, und sie sich das nicht leisten kann. Ferner gilt die Richtlinie für Personen, die Beweiserhebungshandlungen beiwohnen müssen oder dürfen (z. B. Identifizierungsgegenüberstellungen, Vernehmungsgegenüberstellungen und Tatortrekonstruktionen). Alle EU-Bürgerinnen und -Bürger werden die in der Richtlinie verankerten Rechte in Anspruch nehmen können, wenn sie an einem Strafverfahren beteiligt sind. Die Richtlinie gilt für alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks, Irlands und des Vereinigten Königreichs. Wann wird Prozesskostenhilfe gewährt? Prozesskostenhilfe wird spätestens vor einer Befragung, insbesondere durch die Polizei, bzw. vor bestimmten Ermittlungs- oder Beweiserhebungshandlungen gewährt. Unter welchen Voraussetzungen wird Prozesskostenhilfe gewährt werden? Die Richtlinie enthält klare Kriterien für die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Die Mitgliedstaaten befinden über den Anspruch auf Prozesskostenhilfe anhand folgender Prüfungen: einer Bedürftigkeitsprüfung (Einkommen und Vermögen des Betroffenen) und/oder einer Begründetheitsprüfung (ob die Prozesskostenhilfe notwendig ist, um angesichts der Umstände des Einzelfalls den Zugang zur Justiz zu garantieren). Für diese Prüfungen enthält die Richtlinie klare Vorgaben: – Bei der Bedürftigkeitsprüfung sind alle einschlägigen objektiven Kriterien wie Einkommen, Vermögen, familiäre Umstände des Betroffenen, die Kosten eines Rechtsbeistands und der Lebensstandard im betreffenden Mitgliedstaat zu berücksichtigen. So kann festgestellt werden, ob einem Verdächtigten oder Beschuldigten tatsächlich die Mittel fehlen, einen Rechtsbeistand zu bezahlen. – Bei der Begründetheitsprüfung sind die Schwere der Straftat und der zu gewärtigenden Strafe sowie die Komplexität des Falls zu berücksichtigen. Diese Prüfung dient der Klärung der Frage, ob die Gewährung von Prozesskostenhilfe im Interesse der Rechtspflege liegt. In der Richtlinie wird diesbezüglich erklärt, dass die Person, sobald sie einem Gericht zur Entscheidung über die Inhaftnahme vorgeführt wird, und während der Haft Prozesskostenhilfe erhalten sollte. Was können wir von den heute vereinbarten Bestimmungen erwarten? Die Weiterentwicklung und Förderung der Grundrechte hat in der EU eine lange Tradition. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Charta) und die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) bilden die Grundlage für den Schutz der Rechte Verdächtiger oder Beschuldigter in den Strafjustizsystemen innerhalb der Europäischen Union. Die neuen Bestimmungen sollen das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf ein faires Verfahren wahren. Die Zusammenarbeit zwischen den EU-Strafverfolgungsbehörden wird durch ähnliche Rechte, Garantien und Verfahrensrechte in der gesamten EU erleichtert. Der neue EU-Rechtsakt ergänzt zwei vor kurzem erlassene Richtlinien: die Richtlinie über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand und die Richtlinie über Verfahrensgarantien für Kinder in Strafverfahren. Er wird Gewähr dafür bieten, dass die in diesen Richtlinien enthaltenen Rechte auch von Personen in Anspruch genommen werden können, die sich keinen Rechtsbeistand leisten können. Die neue Richtlinie setzt den Schlusspunkt hinter Verhandlungen über das gesamte 2013 von der Kommission vorgelegte Paket von Vorschlägen zur Stärkung der Verteidigungsrechte. Worum geht es bei der Richtlinie über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand? Diese Richtlinie stellt den Zugang zu einem Rechtsbeistand bereits ab der polizeilichen Befragung und während des gesamten Strafverfahrens sicher. Sie wird vertrauliche Treffen oder andere Formen der Kommunikation zwischen der verdächtigten oder beschuldigten Person und ihrem Rechtsbeistand sowie eine aktive Rolle des Rechtsbeistands bei Befragungen ermöglichen. Zudem bietet sie Gewähr dafür, dass Verdächtige mit Familienangehörigen oder, bei Bedarf, mit Konsularbehörden in Verbindung stehen können. Die Richtlinie wurde 2013 verabschiedet und muss bis zum 27. November 2016 von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Worum geht es bei der Richtlinie über Verfahrensgarantien für Kinder? Diese Richtlinie enthält spezifische Rechte für Kinder, die an Strafverfahren in der Europäischen Union beteiligt sind. Sie bietet ihnen umfassenden Schutz in allen Phasen des Strafverfahrens. Kinder müssen einen Rechtsbeistand haben, wenn sie in schwere oder komplexe Fälle verwickelt oder inhaftiert sind. Ein Freiheitsentzug ist bei Kindern nur möglich, wenn sie zuvor durch einen Rechtsbeistand unterstützt wurden. Außerdem haben Kinder das Recht auf Unterstützung durch ihre Eltern. Eine individuelle Begutachtung des familiären und sozialen Hintergrunds der Kinder ist in der Richtlinie als Recht verankert. Ferner werden ihre besonderen Bedürfnisse in Bezug auf Schutz, Erziehung, Ausbildung und soziale Integration während des Verfahrens und vor Fällung des Urteils berücksichtigt. Diese Rechte werden ab dem 11. Juni 2019 in der gesamten EU gelten. Worum geht es bei der Richtlinie über die Unschuldsvermutung? Mit ihr sollen die großen Unterschiede beim Schutz der Unschuldsvermutung in Europa überwunden werden. Sie wird die Rechte aller Personen, gegen die ein Strafverfahren anhängig ist, stärken, indem sie der Unschuldsvermutung in allen Mitgliedstaaten Wirksamkeit verleiht. Die Richtlinie verbietet öffentliche Bezugnahmen auf die Schuld, enthält klare Regeln über die Beweislast (d. h. die Beweislast liegt bei der Strafverfolgungsbehörde und Zweifel an der Schuld kommen den Verdächtigen oder Beschuldigten zugute) und umfasst das Aussageverweigerungsrecht wie auch das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen. Ferner wird mit der Richtlinie das Recht auf Anwesenheit in der Verhandlung harmonisiert, das ein wichtiger Aspekt des Rechts auf ein faires Verfahren ist. Diese Rechte werden ab dem 1. April 2018 in der gesamten EU gelten. Weitere Informationen Pressemitteilung Die Rechte beschuldigter oder verdächtigter Personen in der EU – Informationsblatt Verfahrensrechte-Paket: – Richtlinie über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand – Richtlinie über Verfahrensgarantien für an Strafverfahren beteiligte Kinder – Richtlinie über die Unschuldsvermutung – Richtlinie über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren MEMO/16/3365 Kontakt für die Medien: Christian WIGAND (+32 2 296 22 53) Melanie VOIN (+ 32 2 295 86 59) Kontakt für die Öffentlichkeit: Europe Direct – telefonisch unter 00 800 67 89 10 11 oder per E-Mail
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