Helmut-Schmidt-Universität Universität der Bundeswehr Hamburg Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften B. A. Studiengang Politikwissenschaft Vorlesung: Probleme der Verwaltungsanalyse I Dozent: Prof. Dr. Rainer Prätorius Formelle und informelle Normen in Polizeien Hand-out zum Referat Gliederung/ Inhalt 1. Einleitung 2. Formelle Normen 3. Informelle Normen 4. Spannungsfelder 5. Fazit Vorgelegt von: Sebastian Müller, Timo Nolte, Steven B. Scholle, Patrick Schult, Sven Thomsen, Matrikelnummer 827920 Matrikelnummer 828160 Matrikelnummer 829720 Matrikelnummer 822300 Matrikelnummer 830750 Email: [email protected] Email: [email protected] Email: [email protected] Email: [email protected] Email: [email protected] 1. Einleitung Staatliche Organe werden in der Bundesrepublik Deutschland wie auch in allen anderen Ländern der Welt durch eine Vielzahl von Normen in ihrem Handeln bestimmt. Diese Normen sind in ihrem Wesen voneinander in weiten Teilen sehr verschieden. Auf der einen Seite stehen die formellen Normen, die in Deutschland in erster Linie der Beschränkung von Machtakkumulation und der Verhinderung von Machtmissbrauch dienen sollen. Nur wenig sind jedoch diese Normen für sich allein dazu geeignet, die Realität in den hier betrachteten Polizeivollzugsbehörden zu erklären. Sowohl das Funktionieren des alltäglichen Dienstes auf der einen Seite als auch die Überschreitung von Kompetenzen auf der anderen Seite zeigen, – auf gänzlich unterschiedliche Weise und dennoch in gleichem Maße deutlich – dass ganz offensichtlich noch eine zweite Kategorie von Normen an dieser Stelle bedeutsam ist. Hierbei handelt es sich um die so genannten informellen Normen, die hier in ihrer zentralen Rolle für bundesdeutsche Polizeivollzugsbehörden betrachtet werden sollen. Zunächst jedoch werden die formellen Normen zur klaren Abgrenzung und deutlichen Akzentuierung der jeweiligen Zielrichtung kurz vorgestellt werden. 2. Formelle Normen Als formelle Normen vor dem gegebenen institutionellen Hintergrund werden diejenigen Normen bezeichnet, die den Polizeivollzugsbehörden in Deutschland als – in differenzierter Form – kodifizierte Leitlinien dienen. Gemeint ist damit neben einer unterschiedlich starren Festschreibung von Bestimmungen und Richtlinien in erster Linie eine oftmals sehr deutliche Distanz der einzelnen Normen zueinander vor allem in Bezug auf ihre jeweils eigene Wertigkeit im Gefüge der Fixierung bundesdeutschen Rechts. Diese steht häufig in klarer Trennung zu der organisationsinternen Relevanz der einzelnen formellen Normen und noch häufiger zu der subjektiv wahrnehmbaren Prägung des Alltagsdienstes durch dieselben. Selbiges soll nach einer Aufzählung der bedeutendsten formellen Normen durch eine kurze Charakterisierung derselben beispielhaft erläutert werden. In erster Linie sind es die Verfassungstreue, das Legalitätsprinzip, das Opportunitätsprinzip, die parteipolitische Neutralität und die institutionelle Loyalität, die in der BRD den Polizeivollzugsbehörden mit richtungsweisender Funktion ihre Prägung verleihen. Das Legalitätsprinzip als „Aufgabenbeschreibung“ des Polizeivollzugsdienstes verpflichtet auf der Basis der Strafprozessordnung als Bundesgesetz zur Strafverfolgung und leitet sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ab. Ihm folgen parteipolitische Neutralität und Verfassungstreue nach, die als solche nicht unmittelbar aus dem Grundgesetz hergeleitet werden, sondern zunächst auf der Basis des Bundesbeamtengesetzes stehen. Wird das Opportunitätsprinzip noch in den jeweiligen Landespolizeigesetzen geregelt, so beschränkt sich die Kodifizierung der Pflicht zur institutionellen Loyalität bereits im Wesentlichen auf einzelne Polizeidienstvorschriften sowie Ausführungsbestimmungen. In dieser Ableitbarkeit wird eine Rangfolge der einzelnen Prinzipien offenkundig, die teils im Kontrast zur beobachtbaren Realität steht. So ist es gerade der an der Verhältnismäßigkeit ausgerichtete Ermessensentscheid der Polizeivollzugsbehörden aus dem Opportunitätsprinzip, der den Strafverfolgungszwang aus dem Legalitätsprinzip durchbricht, obgleich die Grundlage des letzteren höherrangig ist als die des ersteren. Dieser Umstand jedoch dient hier nur als – zumal mäßig repräsentatives – Beispiel und soll zu der späteren Thematik der Spannungsfelder zwischen einzelnen Normen hinleiten. Dazu wird an dieser Stelle mit einer Vorstellung der relevantesten informellen Normen fortgesetzt. 3. Informelle Normen Als informelle Normen werden diejenigen Prinzipien bezeichnet, die nicht in irgendeiner Form kodifiziert und dennoch für die Realität einer Organisation von handlungsleitender Bedeutung sind. Für die Polizeivollzugsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland sind dies zunächst gewisse Rollenerwartungen oder Verhaltensmuster, die personelle Loyalität, der so genannte „Korpsgeist“, eine klare Abgrenzung nach außen sowie eine Abgrenzung zwischen einzelnen Gruppen innerhalb des Polizeivollzugsdienstes, die hier als eine intraorganisationale Abgrenzung verstanden und bezeichnet wird. Unter Rollenerwartungen oder Erwartungen an Verhaltensmuster im Polizeivollzugsdienst fallen zunächst einmal oft typisch männliche Vorstellungen von Durchsetzungsfähigkeit und Charakterfestigkeit. Diese können unterstützend auf den Organisationszweck einwirken, jedoch zum Beispiel auch die berufliche Integration weiblicher Kollegen negativ beeinflussen. Grundlegend für diese wie alle anderen wichtigen informellen Normen ist hier das Erleben einer Gefahrengemeinschaft, in der Verlässlichkeit oberstes Gebot ist. Daher beziehen sich sowohl die personelle Loyalität als auch der Korpsgeist in ihren direkten Formen in erster Linie auf eine kleinere Gruppe von Personen, zu denen eine besondere Art von Zugehörigkeitsgefühl wahrgenommen wird. Während die personelle Loyalität zunächst im Rahmen des Dienstbetriebes relevant ist, dient der Korpsgeist dem Schutz des sozialen Nahumfeldes gegen Angriffe von außen. Je größer die betreffende Gruppe wird, desto geringer wird in der Realität das Ausmaß der Umsetzung dieser Normen. Daraus resultiert mit der intraorganisationalen Abgrenzung eine weitere besonders relevante informelle Norm im Polizeivollzugsdienst. Diese beschreibt den Umstand, dass im Alltag mehrere aufeinander aufbauende Teilidentitäten koexistieren, die auf der Zugehörigkeit zu den verschiedenen Ebenen der polizeilichen Organisationsstruktur beruhen. Von der Streife über die Dienstgruppe und die spezialisierte Teileinheit bis hin zu der Gesamtorganisation einer Landes- oder Bundespolizei nimmt hier die wahrgenommene Zugehörigkeit schrittweise ab. Als Beispiel mag hier der Diensthundeführer dienen, der sich in höherem Maße als Angehöriger seiner Diensthundestaffel empfindet denn als Polizeivollzugsbeamter. In jedem Fall bleibt jedoch die Abgrenzung nach außen, zur Zivilgesellschaft, bestehen. Das Erleben der Gefahrengemeinschaft trägt hier entscheidend dazu bei, dass in Abgrenzung zu all denen, die nicht Bestandteil dieser Gemeinschaft sind, eine Selbstdefinition entsteht, die in maßgeblicher Weise einen Beitrag zu der Funktion des Polizeivollzugsdienstes beiträgt. Dass informelle Normen jedoch nicht nur eine identitätsstiftende Funktion einnehmen und somit positiv wirken können, wird sich im Folgenden zeigen. Hier wird näher auf häufige Spannungsfelder zwischen formellen und informellen Normen eingegangen werden. 4. Spannungsfelder Spannungsfelder zwischen formellen und informellen Normen sind im Polizeivollzugsdienst dann zu erwarten, wenn die Handlungsanforderungen, die sich aus bestimmten Normen ergeben, einander widersprechen. Dabei ist jedoch noch nichts darüber gesagt, nach welcher Norm allgemein oder im Einzelfall gehandelt werden wird. Es bleibt allerdings festzuhalten, dass die Aufrechterhaltung der formellen Normen aus rechtlicher Sicht zu jeder Zeit gewährleistet bleiben muss, soll es nicht zu einem Fehlverhalten kommen. Im Folgenden wird anhand von zwei Beispielen aufgezeigt werden, wo Spannungsfelder auftreten können und wie zu treffende Entscheidungen unterschiedlich auf die Qualität des Polizeivollzugsdienstes Einfluss nehmen können. Dazu werden erstens die institutionelle Loyalität und die intraorganisationale Abgrenzung sowie zweitens das Legalitätsprinzip und ausgewählte Rollenerwartungen einander gegenüber gestellt. Im ersten Fall soll angenommen werden, dass die Eigenwahrnehmung als Diensthundeführer von einem fiktiven Individuum als in Konkurrenz zu derjenigen als Polizeivollzugsbeamter stehend aufgefasst wird. Diese Person steht vor der Entscheidung, welcher Teilidentität sie eine höhere Bedeutung beimisst. Bleibt die jeweilige Bewertung ausgewogen, treten keine negativen Konsequenzen auf und sowohl der Dienstbetrieb in der Teileinheit als auch der Zusammenhalt der Gesamtinstitution können ohne weiteres aufrechterhalten werden. Wird der Identität als Diensthundeführer eine zu geringe Bedeutung zugewiesen, gefährdet dies das Arbeitsklima in der Teileinheit, wohingegen eine zu geringe Schätzung der Zugehörigkeit zum Polizeivollzugsdienst als Ganzem zu bedeutsamen internen Konflikten führen kann, falls sie von einer größeren Zahl an Individuen deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Im zweiten Fall ist anzunehmen, dass eine Polizeistreife bei einer Festnahme auf Widerstand stößt, der zu überwinden ist. Das Legalitätsprinzip gibt klar vor, in welchen Grenzen Gewalt angewendet werden darf. Die Erwartung an die Rolle als Polizist kann jedoch vorsehen, dass diese Grenzen durch eine Machtdemonstration zu überschreiten sind. Misst der betreffende Polizeivollzugsbeamte in diesem Fall eher der informellen als der formellen Norm Bedeutung bei, wird es zu einem Fehlverhalten kommen, dass gesetzlich nicht zu tolerieren ist. 5. Fazit Im Zuge der obigen Ausführungen ist deutlich geworden, dass sowohl formelle als auch nicht weniger informelle Normen für die Aufrechterhaltung des Polizeivollzugsdienstes in einer funktionalen Form relevant sind. Ebenso deutlich wurde auch, dass jeweils die Entscheidung über die individuelle Bedeutungszumessung bei auftretenden Spannungsfeldern eine wichtige Rolle spielt. Es ist daher abschließen davon auszugehen, dass ein Fehlverhalten im Polizeivollzugsdienst nur dann auftreten kann, wenn der formellen Norm eine zu geringe Relevanz zugesprochen wird. In allen anderen Fällen haben sich informelle Normen für die Aufrechterhaltung des Polizeivollzugsdienstes als entscheidend bedeutsam erwiesen. Quellen Behr, Rafael: Cop Culture. Der Alltag des Gewaltmonopols. Männlichkeit, Handlungsmuster und Kultur in der Polizei. Opladen, 2000. Behr, Rafael: Polizeikultur. Routinen, Rituale, Reflexionen. Bausteine zu einer Theorie der Praxis der Polizei. Wiesbaden, 2008. Bosold, Christiane: Polizeiliche Übergriffe. Aspekte der Identität als Erklärungsfaktoren polizeilicher Übergriffsintentionen. Eine handlungspsychologische Perspektive. Baden-Baden, 2006. Groß, Hermann: Handbuch der Polizeien Deutschlands. Wiesbaden, 2008. Groß, Hermann: Innen- und Außensicht(en) der Polizei. Empirische Polizeiforschung VI. Frankfurt/ Main, 2005. Jacobsen, Astrid: Die gesellschaftliche Wirklichkeit der Polizei. Eine empirische Untersuchung zur Rationalität polizeilichen Handelns. Bielefeld, 2002. Lisken, Hans: Handbuch des Polizeirechts. Gefahrenabwehr, Strafverfolgung, Rechtsschutz. München, 2007. Mistele, Peter: Faktoren des verlässlichen Handelns. Leistungspotenziale von Organisationen in Hochrisikoumwelten. Wiesbaden, 2007.
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