6 | BZB Oktober 16 | Politik BLZK Den Blick nach vorn richten Die kassenärztliche Selbstverwaltung im Bund sorgte im Sommer für viele Schlagzeilen. Überhöhte Altersbezüge von hauptamtlichen Vorständen, umstrittene Immobiliengeschäfte und Konflikte in der Spitze der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die in breiter Öffentlichkeit ausgetragen wurden, haben Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe auf den Plan gerufen. Der CDU-Politiker bereitet ein GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz vor, das die Rechtsaufsicht über die Spitzenorganisationen der gesetzlichen Krankenversicherung erheblich erweitern soll. Im Interview mit dem BZB spricht Christian Berger, Präsident der Bayerischen Landeszahnärztekammer, über die Bedingungen, die die Selbstverwaltung braucht, um zukunftsfähig zu bleiben. BZB: In den letzten Monaten haben die Medien immer wieder über Verfehlungen einzelner KBV-Vertreter berichtet. Sind das Einzelfälle oder ist die Selbstverwaltung in Schieflage geraten? Berger: Lassen Sie mich grundsätzlich feststellen: Die Selbstverwaltung funktioniert. Die Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen sichern die ambulante Versorgung. Die Kammern setzen sich erfolgreich für die Belange von Ärzten und Zahnärzten und die Förderung der Fortbildung ein. Sie sorgen aber auch für die Wahrung der Berufspflichten. Dennoch gibt es sicherlich Fehlentwicklungen, bei denen wir frühzeitig gegensteuern müssen. Ich selbst habe mich als Vorsitzender des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte, Landesverband Bayern, im Vorfeld der Wahl zur Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns immer wieder kritisch und entschlossen im Hinblick auf offensichtliche Missstände in der KZVB positioniert. Jetzt werden wir Gelegenheit haben, sie zu beseitigen. Denn die Wähler haben unsere Forderungen nach Transparenz in der Selbstverwaltung und verantwortlichem Handeln im Sinne der bayerischen Zahnärzte mit ihrer Stimme honoriert und sich klar für unseren Weg entschieden. BZB: Wie stehen Sie zu den Plänen von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe? Foto: BLZK Interview mit BLZK-Präsident Christian Berger zur Zukunft der Selbstverwaltung Für Christian Berger, den Präsidenten der BLZK, ist Selbstverwaltung ein „hohes Gut“. Berger: Die bisher bekannt gewordenen massiven Eingriffe in die Selbstverwaltung lassen sich nicht durch persönliche Verfehlungen weniger Funktionsträger der Selbstverwaltung rechtfertigen. Die Selbstverwaltung ist ein hohes Gut, das es mit allen Mitteln zu verteidigen gilt. Sie muss sich jedoch von innen erneuern und modernisieren – nicht durch staatliche Kontrolle und Lenkung. Letztlich geht es um den Erhalt der freiberuflichen Berufsausübung. BZB: Selbstverwaltung ist ein abstrakter Begriff. Wo bleibt da der einzelne Zahnarzt? Berger: Um die Selbstverwaltung konkret werden zu lassen, müssen wir aus den Berufsträgern, also aus den Betroffenen, Beteiligte machen. In den Körperschaften muss es darum gehen, den bayerischen Zahnärzten mehr Mitentscheidungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten zu eröffnen. Gleichzeitig brauchen wir Zahnärzte, die bereit sind, ehrenamtlich Aufgaben und Funktionen in der Selbstverwaltung zu übernehmen. Der Erfolg der Selbstverwaltung ergibt sich aus der Zusammenarbeit von Zahnärztinnen und Zahnärzten als Referenten, in Ausschüssen und Organen der BLZK mit kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung. Derzeit funktioniert das noch sehr gut. Wir sehen aber auch, dass es immer schwieriger wird, Zahnärzte für ein dauerhaftes ehrenamtliches Engagement zu gewinnen. Das gilt vor allem für junge Angehörige unseres Berufsstandes. Da der Frauenanteil im Zahnarztberuf immer weiter steigt und sich der Anteil der Politik | BZB Oktober 16 | 7 BLZK angestellten Zahnärzte sukzessive erhöht, stehen wir vor wirklich großen Herausforderungen, um auch diese Gruppen noch intensiver anzusprechen. BZB: Was tun Sie konkret? Berger: Die BLZK hat die Zeichen der Zeit früh erkannt. Wir gehen seit Jahren aktiv auf die bayerischen Zahnärztinnen und Zahnärzte zu. Der Vorstand der BLZK hat die Zahnärzteschaft in den letzten Jahren immer wieder durch Umfragen in seine Meinungsbildung einbezogen, wenn es um die künftige Ausgestaltung des Berufs und um die Entwicklung der Rahmenbedingungen für die Berufsausübung ging. Mit der Umfrage zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Jahr 2010 waren wir sogar die ersten in Deutschland, die sich speziell mit den Anliegen der Zahnärztinnen befassten. BZB: Aber Sie brauchen doch mehr Zahnärztinnen und Zahnärzte, die sich in der Selbstverwaltung ehrenamtlich engagieren? Berger: In welchem Umfang und unter welchen Bedingungen wären Zahnärztinnen und Zahnärzte bereit, Verantwortung – und damit auch Ämter – in der Selbstverwaltung zu übernehmen? Das sind für uns die beiden Kernfragen. Deshalb beschloss der Vorstand der BLZK vor zwei Jahren, eine weitere Befragung der bayerischen Zahnärzte durchzuführen. Konkret ging es um Erfahrungen und Erwartungen beim ehrenamtlichen Engagement in der zahnärztlichen Selbstverwaltung (siehe BZB 7-8/2016, S. 7 ff.). Strukturen und Organisationsformen werden sich verändern müssen. Das erfordert die berufliche und familiäre Situation – gerade von jüngeren Berufsträgern. Aber vor allem müssen wir den veränderten Lebensmodellen Rechnung tragen. Insbesondere geht es um die Zeit, die für ehrenamtliche Arbeit zwangsläufig vonnöten ist. Denn Zeitmangel ist laut unserer Studie der meistgenannte Grund, Ehrenämter aufzugeben oder sich überhaupt nicht zu engagieren. BZB: Gibt die Studie Hinweise auf notwendige Veränderungen? Berger: Abläufe und Strukturen müssen flexibler werden. Vielleicht sollten wir auch die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation intensiver nutzen. Die Sitzungen müssen kürzer werden, es gilt, unsere Entscheidungsprozesse zu optimieren. Hier gibt es viele technische Lösungen, die wir zukünftig stärker einsetzen können – seien es Videokonferenzen oder internetbasierte Arbeitsmöglichkeiten. Aber auch die Aufgaben als solche sollten anders verteilt werden. Ich persönlich könnte mir durchaus mehr Arbeitsteilung vorstellen – auch zwischen den Körperschaften der zahnärztlichen Selbstverwaltung. BZB: Sie wollen und müssen doch vor allem junge Berufsträger gewinnen ... Berger: Die Aufgaben der Selbstverwaltung sollten noch griffiger dargestellt werden, unsere Arbeit im Ehrenamt besser erklärt werden: Was tun wir? Wie tun wir es? In welchem Umfang tun wir es? Wie viel Zeit bringen wir dafür auf? Und natürlich auch: Was kostet es, ein Ehrenamt zu übernehmen? Dass man auch „Herzblut“ braucht, um sich in der Berufsvertretung für die Kollegenschaft einzusetzen, sollten wir unbedingt vermitteln. BZB: Noch einmal zurück zum Ausgangspunkt: Ist die Selbstverwaltung überhaupt ein Zukunftsmodell? Berger: Selbstverwaltung wird auch in Zukunft funktionieren, wenn sie sich zukunftsfähig macht. Wir sollten eine politische Kultur pflegen, die dem akademischen Anspruch unseres Berufsstandes entspricht: sachlicher Dialog, faire Kooperation, transparente Entscheidungsprozesse. Wenn wir die Versammlungen unserer Organe nicht mehr zu Schauplätzen enervierender, ja verletzender Auseinandersetzungen werden lassen, dann können wir damit auch für ehrenamtliches Engagement werben. Wir brauchen eine gute „Performance“. Ränke und Streit sind Gift angesichts dessen, dass für junge Zahnärzte Spaß und Freude die wichtigsten Motive für ein mögliches Engagement sind. Auch das hat uns die Studie gezeigt. Gerade für ältere Standespolitiker sollte dies ein Ansporn sein, alte Aversionen zu begraben und den Blick nach vorn zu richten. BZB: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Berger! Das Interview führte Isolde M. Th. Kohl. Studie im Online-Shop der BLZK Die Studie „Ehrenamtliches Engagement in der zahnärztlichen Selbstverwaltung“ basiert auf einer Umfrage der Bayerischen Landeszahnärztekammer und wurde vom Institut für Freie Berufe, Nürnberg, ausgewertet. Die Ergebnisse der Befragung, die im Jahr 2015 durchgeführt wurde, hat die BLZK in einer Broschüre veröffentlicht. Zahnärzte können sie zum Preis von zehn Euro (inklusive Versandkosten) im Online-Shop der BLZK bestellen: www.blzk.de/shop
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