PDF - Katholische Kirche beim hr

Martina Patenge, Mainz
hr1-Zuspruch, Dienstag, 11.10.2016
Fenster auf!
Alles verändert sich. Alle paar Jahre erneuern sich unsere Körperzellen.
Wissenschaftliche Erkenntnisse entwickeln sich weiter. Sogar die politischen
Verhältnisse bleiben nirgends für immer gleich. Wie im Mittelalter will ernsthaft auch
niemand mehr leben. Alles verändert sich. Auch die christlichen Kirchen. An einem
11. Oktober im Jahr 1962 hat Papst Johannes XXIII. das Zweite Vatikanische Konzil
eröffnet. Er wollte, dass die Kirche sich verändert, aktueller wird, frische Luft
reinlässt. Johannes XXIII. war überzeugt, dass sie sonst ersticken wird. So lange
hatte die katholische Kirche in engen Grenzen verbracht. Die katholische Kirche hat
mit dem Konzil wirklich frische Luft reingelassen. Vieles entwickelt sich weiter, wenn
auch ziemlich langsam. Aber die Kirche ist offener geworden, moderner, weniger
machtbewusst, dadurch auch verletzlicher.
Für manche Katholiken ist mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil allerdings eine Welt
zusammengebrochen. Sie erkannten ihre Kirche nicht wieder: Auf einmal war so viel
neu: Gemeinden, die mitgestalten. Gottesdienste in der Landessprache. Öffnung zu
den evangelischen Christen. Alle Themen der Kirche wurden besprochen. Vieles neu
entwickelt. Hervorragende Dokumente formuliert. Zu viel Veränderung für manche.
Anderen war es immer noch zu wenig. Die Konzilsväter hatten aber gespürt: Wenn
sie nicht endlich frische Luft in die katholische Kirche hineinlassen, gibt es vielleicht
gar keine Zukunft. Kirche muss schließlich in der Neuzeit überleben. Sie muss sich
entwickeln. Es war vor allem an der Zeit, Gläubige nicht länger wie unmündige
Kinder, sondern als Erwachsene zu behandeln. Und es war dringend an der Zeit,
weniger von der Strenge Gottes zu sprechen als von der Liebe Gottes.
Die Konzilsväter hatten eigentlich auch gar keine Wahl. Schließlich hatte Jesus
genau das Gleiche getan: Er hat die liebgewordenen religiösen Gewohnheiten
seiner Zeit hinterfragt. Er wollte nicht, dass Menschen leiden, scheinbar im Namen
Gottes. Das Reich Gottes hat schließlich hier schon angefangen. Hier, in einer Welt,
die sich immer weiter verändert. Bei Jesus klang das dann zum Beispiel so: „Füllt
den neuen Wein nicht in alte Schläuche.“
Das Reich Gottes wächst mit dieser Welt, und muss mit ihren Aufgaben wachsen. So
war es bei Jesus. So sollte es weitergehen. Und deshalb braucht es immer wieder
beherzte Leute, die für diese Kirche kämpfen, so wie Johannes XXIII. Damit Gottes
Zukunft aktuell bleibt.