Emissionshandelssysteme weltweit

UDW Spezial 2016
POLITIK
Emissionshandelssysteme weltweit
Die folgenden Ausführungen stellen eine Zusammenfassung von Expertenvorträgen zu Emissionshandelssystemen (ETS) von
ICAP – International Carbon Action Partnership und Dr. Felix Chr. Matthes (Öko-Institut eV) dar.
ETS WELTWEIT – EIN ÜBERBLICK
Seit mittlerweile 10 Jahren sind Emissionshandelsysteme Instrument der Klimapolitik mit dem Ziel, die Treibhausgasemissionen zu senken. Die volkswirtschaftlichen Kosten sollen dabei möglichst gering sein. Die Höhe der Emissionsminderung
wird zwar vorgegeben, es bleibt aber dem Markt überlassen,
wie diese Minderung erreicht wird. Neben dem weltweit be-
kanntesten EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) gibt es weltweit noch eine Reihe von weiteren Systemen in unterschiedlicher Ausprägung.
Aktuell operieren weltweit auf 4 Kontinenten 55 ETS, in 35
Staaten, 13 Provinzen und 7 Städten. Dabei werden 9% der globalen THG-Emissionen abgedeckt. Die Ausgestaltung bzw Funktionsweise dieser Systeme ist durchaus unterschiedlich.
Abb 1) 55 ETS weltweit
NORDAMERIKA – REGIONAL GREENHOUSE GAS
INITIATIVE (RGGI)
Teilnehmer: Connecticut, Delaware, Maine, Maryland, Massachusetts, New Hampshire, New York, Rhode Island, Vermont
RGGI läuft seit 2009 und ist das erste verpflichtende ETS in
den Vereinigten Staaten. Ziel ist es die THG-Emissionen bis
2020 um 50% (Basis 2005) zu reduzieren. Wie beim EU-ETS
gibt es ein Cap und einen jährlichen linearen Reduktionsfaktor. Die Zertifikate werden fast vollständig auktioniert. Verpflichtet sind ausschließlich fossile Energieerzeugungsanlagen (163 Anlagen), die falls sie ihre Vorgaben nicht erfüllen,
bestraft werden. Der derzeitige Zertifikatspreis beläuft sich
auf ca 6 US-Dollar/tCO2. Seit Kurzem gibt es Überlegungen
RGGI mit dem System in Kalifornien zu verlinken.
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NORDAMERIKA –
KALIFORNIEN/QUÉBEC (+ONTARIO)
Teilnehmer: Kalifornien, Québec und ab 2018 Ontario
Das „California Cap-and-Trade Program“ läuft seit 2013. 2014
wurde das System mit dem System von Quebec verlinkt (gemeinsame Auktionierung). Das kalifornische Cap-and-TradeSystem deckt ca 85% der gesamten Treibhausgasemissionen
des Bundesstaates ab und umfasst 450 Anlagen. Ziel ist es
80% Treibhausgasreduktion bis 2050 zu erreichen. Verpflichtet sind die Industrie, fossile Energieerzeugungsanlagen
und seit 2015 auch der Transportsektor. Werden die Vorgaben
nicht erfüllt, werden Strafen verhängt. Die Zuteilung der
Zertifikate erfolgt in jedem Sektor durch ein Benchmarksystem. Von Carbon Leakage bedrohte Industriebetriebe erh-
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alten kostenlose Zertifikate. Das Carbon Leakage-Riskiko ist
definiert durch die Faktoren Emissionsintensität und Handelsintensität. Es gibt kein Cap für die Industrie, wie es zB
beim EU-ETS der Fall ist. Der derzeitige Zertifikatepreis liegt
bei rund 13 US-Dollar.
setzung dieser Pilotsysteme. Ziel war bzw ist es durch diese Pilotsysteme die geeignetsten Elemente für ein landesweites System zu eruieren.
WEITERE SYSTEME RUND UM DEN ERDBALL
(AUSWAHL):
Mexiko: derzeit CO2-Steuer für fossile Treibstoffe in Kraft
(3,5 US-Dollar/tCO2); ETS wird angedacht, Design aber noch
unklar. Linkage mit nordamerikanischen Systemen denkbar
Chile: CO2-Steuer für thermische Kraftwerke beschlossen (ab
2017 5 US-Dollar/tCO2), mittelfristige Pläne für ein ETS für
den Energie-Sektor mit PMR1-Unterstützung
Abb 2) 7 Pilotsysteme in China: 5 Städte und 2 Provinzen
Neuseeland: ETS seit 2008, mittlerweile sämtliche Sektoren
abgedeckt (teilweise auf freiwilliger Basis), Ziel 50% CO2-Reduktion bis 2050 (Basis 1990), 90% kostenlose Zuteilung für
die energieintensive Industrie, CO2-Preis ca 15,50 Euro/tCO2,
Strafen bei Nichterfüllung der Vorgaben
Es wurden 5 Städte und 2 Provinzen ausgewählt. Die Teilnehmeranzahl, das jährliche Emissions-Cap, sowie die abgedeckten
Emissionen und einbezogenen Sektoren sind je nach System unterschiedlich. Einen kurzen Überblick ist auf den nachfolgenden Tabellen zu finden.
Korea: ETS seit 2015 (3 Perioden bis 2025), System deckt ca.
68% der gesamten Treibhausgasemissionen des Bundesstaates ab und umfasst 525 Anlagen, sämtliche Sektoren abgedeckt, derzeit 100% kostenlose Zuteilung, keine Auktionierung (ab 2018: 97% kostenlose Zuteilung, 3%-Auktionierung), 100% kostenlose Zuteilung für energieintensive und
handelsintensive Sektoren in allen 3 Perioden
EMISSIONSHANDEL IN CHINA
Pilot-Emissionshandelssysteme
China ist derzeit der weltweit größte Emittent von Treibhausgasen. Das Land weist nun mehr als 3 Jahrzehnte starkes Wirtschaftswachstum mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt
auf. In den letzten Jahren startete aber ein andauernder Reform- und Transformationsprozess in Richtung eines langsameren, weniger ressourcen- und emissionsintensiven Wachstums.
Dies bedeutet auch einen Umbau des Energiesystems, daher entschloss man sich, ein Emissionshandelssystem einzuführen.
China hat zwar eine lange Tradition mit ordnungspolitischen Instrumenten, ist aber bisher eher ineffizient bei der Erreichung
von Energie- und Emissionsintensitätszielen. Der Startschuss
für das ETS in China war bereits 2011, als die Nationale Kommission für Entwicklung und Reform (NDRC) 7 Pilotregionen für ETS
benannte. Seitens der NDRC gab es wenige Vorgaben für die Um-
Abb 3) China: Teilnehmer, Emissionen und jährliches Cap
Abb 4) China: Sektoren
1 PMR: Partnership for Market Readiness (PMR) wurde 2010 im Rahmen der Klimaverhandlungen in Cancún gegründet, mit dem Ziel, proaktive Länder bei der Vorbereitung und Umsetzung innovativer
Kohlenstoffmarktinstrumente zu unterstützen. Die PMR stellt finanzielle und technische Mittel zur Verfügung: Sie dient als Dialogforum zum Erfahrungsaustausch zwischen Industrieländern, die bereits über marktbasierte Klimaschutzinstrumente verfügen, und Entwicklungsländern, die zurzeit noch im Prozess der Umsetzung dieser Instrumente sind. Die Umsetzung dieser Instrumente wird
dann durch Fördermittel und Workshops zum Kapazitätsaufbau unterstützt.
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FUNKTIONSWEISE DER PILOTSYSTEME
Grundsätzlich erfolgt die Zuteilung von Zertifikaten kostenlos auf Basis von historischen Emissionen oder der Emissionsintensität. Darüber hinaus gibt es ähnlich dem EU-ETS ein
Benchmarking. Ergänzend gibt es auch Auktionierungen und
Festpreisverkäufe. Teilweise finden Ex-Post-Anpassungen der
Zuteilung, auf Grundlage von aktuellen Produktionsdaten,
statt. Ergänzend erlaubt das System weitreichende Möglichkeiten der Preissteuerung durch zusätzliche Verkäufe oder durch
Entnahme von Zertifikaten aus dem Markt. Ein wichtiger Aspekt
ist, dass China Certified Emission Reductions (CCERs) in allen 7
Pilotsystemen als Offset-Zertifikate zugelassen sind. Wie beim
EU-ETS gibt es einen jährlich stattfindenden MRV-Zyklus (monitoring, reporting, verification). Die Standards für das MRV sind
aber in den Pilotsystemen unterschiedlich ausgeprägt und implementiert, orientieren sich aber an europäischen bzw internationalen Standards. Die Kosten für die Verifikationen (Prüfungen) werden zum Teil von der Behörde getragen, was im EU-ETS
anders gehandhabt wird. Ausländische Prüfer werden zurzeit
noch nicht zugelassen.
Ein wichtiger Aspekt sind die Strafen der Nichterfüllung.
Diese wird ja zB beim EU-ETS sehr streng und durch hohe Geldstrafen sanktioniert. Die Strafen bei den chinesischen Pilotsystemen sind relativ gering, die Abgabepflicht von Zertifikaten
kann man aber auch in China nicht umgehen. Nichtsdestotrotz
gab es in den letzten Jahren in China sehr hohe Erfüllungsquoten. Auch wenn diese häufig erst nach Fristverlängerungen erreicht wurden.
Der Preis je Tonne CO2 ist durch eine sehr hohe Volatilität gekennzeichnet liegt derzeit, je nach System, zwischen 1 Euro
(Shanghai) und 6,5 Euro (Beijing). Das Konzept der Pilothandelssysteme in China ist also durchaus ambitioniert. Zu beanstanden sind vor allem die geringen Handelsaktivitäten, eine
vorherrschende Überallokation und die mangelnde Transparenz
(Marktdaten, regulatorische Eingriffe). Man kann gespannt
sein, wie die Entwicklung hin zu einem landesweiten System
aussehen wird.
AUSGESTALTUNG EINES NATIONALEN EMISSIONSHANDELSSYSTEMS IN CHINA – EIN AUSBLICK
China ist im Jahr 2015 auf ein internationales Emissionsminderungsziel von minus 17% gegenüber 2010 im Bereich
der CO2-Intensität eingegangen. Gleichzeitig hat es für 2030 –
im Rahmen der Klimakonferenz von Paris – eine Senkung der
CO2-Intensität von 60-65% (gegenüber 2005) und das Erreichen
des Emissionspeaks 2030 angekündigt.
Nach der Implementierung der 7 Pilot-Emissionshandelssysteme im Jahr 2011 soll 2017 ein nationales ETS eingeführt werden. Das System soll die Stromerzeugung, die energieintensive Industrien und den Luftverkehr umfassen (8 Sektoren und 34 Subsektoren). Als Schwellenwert, um vom System erfasst zu sein, sollen 25.000 t CO2 pro Jahr herangezogen werden. Zu den 8 verpflich-
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teten Sektoren zählen die Stromerzeugung, Raffinerien, die chemische Industrie, die Bauindustrie (zB Zement), die Stahlerzeugung,
die NE-Metalle, die Papierindustrie und der Luftverkehr (inkl Flughäfen). Nach ersten Annahmen handelt es sich dabei um ca 7.000
Unternehmen, die gemeinsam 45-50% der chinesischen Treibhausgasemissionen abdecken.
Wie es auch beim EU-ETS der Fall war, soll es beim chinesischen ETS eine Einführungsphase (2017-2020) geben. Zentrales Element dieser Einführungsphase soll eine Mischform aus
absoluten und dynamischen Caps sein. Neben der kostenlosen
Zuteilung von Zertifikaten sollen durch diese Caps Wachstumsfaktoren und Produktionsanpassungen berücksichtigt werden.
Zusätzlich wird es wahrscheinlich auch diverse Freiheitsgrade
der chinesischen Provinzen, autonomen Regionen und Städte
mit unabhängiger Planungskompetenz geben.
Angelehnt an den EU-ETS ist auch eine Neuanlagenreserve geplant. Zusätzlich soll es eine so genannte Marktinterventionsreserve für große Infrastrukturprojekte bzw für ein etwaiges
Preismanagement geben.
Konkrete Pläne für die Zuteilungsregeln werden im Laufe
des Jahres 2016 präsentiert. Man erwartet sektorspezifische
Regelungen. Die Zuteilung bei Neuanlagen wird voraussichtlich
auf Basis von Benchmarks erfolgen. Bei Bestandsanlagen ist
derzeit noch unklar, ob die Zuteilung auf Basis historischer
Emissionen oder auch teilweise auf Benchmarkbasis erfolgen
soll. Neben der grundsätzlich kostenlosen Zuteilung, soll ein
kleiner Teil der zur Verfügung stehenden Zertifikate auktioniert
werden, wobei im Zeitverlauf steigende Auktionierungsanteile
geplant sind. Eine verpflichtende Reservierung der Auktionserlöse für Klimaschutzprojekte ist vorgesehen. Ein voll funktionsfähiges Register wurde bereits 2015 implementiert, darüber hinaus wurden auch schon 8 Handelsplätze (Börsen) festgelegt.
RESÜMEE
Klar ist, dass ein nationales chinesisches Emissionshandelssystem kommt. Dafür gibt es ein starkes politisches
Commitment, und sämtliche Rahmenbedingungen dafür
wurden geschaffen. Viele Elemente des geplanten chinesischen Systems weisen eine große Ähnlichkeit zum EU-ETS
auf (kostenlose Zuteilung, Auktionierung, Benchmarking,
etc), gleichzeitig erlaubt das System aber auch Marktinterventionen durch den Staat. Man darf gespannt sein, wie sich
schlussendlich die Einführung gestaltet und wie sich das chinesische System in der Praxis bewährt. Die Augen der „Emissionshandelswelt“ blicken gespannt den weiteren EntwickQQQ
lungen in China entgegen.
Mag. André Buchegger (WKÖ)
[email protected]