Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation Inhalt Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 8. Oktober 2016 – 9. Januar 2017 1. Pressemitteilung 2 2. Wandtexte 5 3. Text aus dem MuseumsJournal von Barrie Cook 13 4. Auszug aus dem Begleitbuch 16 5. Vermittlungsprogramm 21 5.1 Für Schulklassen 21 5.2 Für Familien 23 5.3 Für alle 23 5.4 Für Berufstätige 24 6. Daten und Fakten 25 7. Partner und Sponsoren 27 Anlagen / Informationen: - Copyrightliste mit Objekttexten - Begleitbuch von Neil MacGregor - Wall AG - Programm Berliner Festspiele / Martin-Gropius-Bau - Flyer Seite 1 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 1. Pressemitteilung Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 8. Oktober 2016 – 9. Januar 2017 Öffnungszeiten Mittwoch bis Montag 10 – 19 Uhr, Dienstag geschlossen an den Feiertagen geöffnet; 24.12. und 31.12. geschlossen Veranstalter: Berliner Festspiele / Martin-Gropius-Bau. Eine Ausstellung des British Museum zum Buch von Neil MacGregor. Ermöglicht durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Das kulturelle Vermittlungsprogramm wird ermöglicht durch die Friede Springer Stiftung. Das Deutsche Historische Museum und die Staatlichen Museen zu Berlin unterstützen die Ausstellung. Kurator: Barrie Cook Kommunikation Leitung: Dr. Susanne Rockweiler Presse: Christiane Zippel T +49 30 254 86 – 236, F +49 30 254 86 – 235 [email protected] Organisation: Katrin Mundorf T +49 30 254 86 – 112, F +49 30 254 86 – 107 [email protected] Partner: Wall, Visit Berlin, Dussmann, Yorck Kinogruppe Medienpartner: RBB Fernsehen, RBB Inforadio, Tagesspiegel, Cicero, Weltkunst, Business & Diplomacy, TOP Magazin, G/Geschichte, H.O.M.E., In Your Pocket, Mitte Bitte Deutschland? Aber wo liegt es? Ich weiß das Land nicht zu finden Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller, Xenien, 1796 Am 9. November 1989 meldeten die Medien in der ganzen Welt den Fall der Berliner Mauer, jenes Ereignis, das ein neues, vereintes Deutschland entstehen ließ. Heute spielt dieses Deutschland eine wichtige Rolle im Weltgeschehen. Die Bürger im Osten und Westen Deutschlands lebten Jahrzehnte in unterschiedlichen politischen Systemen, aber gemeinsam hatten sie viele tief verwurzelte Erinnerungen. Diese Ausstellung untersucht einige dieser Erinnerungen anhand von rund 200 Objekten, die während der letzten 600 Jahre in Deutschland entstanden und prägend sind für Kultur, Wirtschaft und Politik in Vergangenheit und Gegenwart. Sie erzählen von den großen deutschen Leistungen, von Philosophen, Dichtern und Künstlern und von Geschichtsereignissen, die das Gesicht des heutigen Deutschland geprägt haben. Einer Nation, die im Schatten der fürchterlichsten aller Erinnerungen entstanden ist, des Holocaust. Es sind Erinnerungen, die bekannt sind, und andere, die es neu zu entdecken oder aufzufrischen gilt. Die ausgewählten Werke erzählen oft mehrere Seite 2 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation Geschichten und zeichnen ein differenziertes Bild der komplexen deutschen Geschichte. Die Ausstellung skizziert in fünf Kapiteln mit hochkarätigen Museumsstücken und historischen Dokumenten, in thematischen und chronologischen Sprüngen, wie Deutschland letztlich wurde, was es heute ist: Deutschland – Erinnerungen einer Nation Fließende Grenzen Reich und Nation Made in Germany Krise und Erinnerung Die Ausstellung beginnt und endet mit dem Jahr 1989 und Gerhard Richters Betty aus dem Jahr 1991, die einen Blick zurückwirft. Zu sehen sind wertvolle Werke wie Albrecht Dürers Holzschnitt eines Nashorns von 1515 sowie die Porzellanversion von Johann Gottlieb Kirchner von 1730, die nach Dürers Vorlage entstanden ist. Sie stellt eine der hochwertigsten technologischen und künstlerischen Errungenschaften der deutschen Welt dar: die Erfindung des Porzellans. Porzellan wurde Anfang des 18. Jahrhunderts in Meißen erneut erfunden. Es wurde zu einem wichtigen europäischen Wirtschaftszweig und machte dem „weißen Gold“ aus China Konkurrenz. Die grandiose Schedelsche Weltchronik aus dem Jahr 1493 weist auf die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg Mitte des 15. Jahrhunderts hin. Wissen und Kunst konnten durch diese Erfindung in gedruckter Form europaweite Verbreitung finden. Für deutsche Präzision und hohe Goldschmiedekunst steht das Astrolabium von 1596. Geschickte deutsche Metallhandwerker bauten einige der besten wissenschaftlichen Instrumente der Frühen Neuzeit. Johann Anton Linden war einer von ihnen. Sein astronomisches Kompendium hat die Größe eines eBook-Readers und ist Weltzeituhr und Navigationsgerät in einem. Ein Sinnspruch ist eingraviert: „Die Zeit rennt. Der Tod ist wie eine Schwelle, die du überschreiten musst.“ Eines der eindrücklichsten Objekte der Ausstellung ist Ernst Barlachs Bronzeskulptur mit dem Titel Schwebender. Es ist ein Engel anderer Gestalt: Mund und Augen sind geschlossen, die Flügel eingeklappt, sein Blick richtet sich nach innen. Barlach (1870-1937) hat ihn 1926 als Erinnerung an den schrecklichen Ersten Weltkrieg zur 700Jahr-Feier des Doms zu Güstrow geschaffen. Barlach selbst meldete sich 1915 enthusiastisch zum Kriegsdienst, als Pazifist kam er zurück. 1933 entfernten die Nazis seine Skulpturen aus dem öffentlichen Raum. Er galt als „entarteter“ Künstler, denn sein Stil hatte nichts mit Heldentum zu tun. Im August 1937 wurde der Engel im Dom entfernt und 1940 für Kriegszwecke eingeschmolzen. Die Gipsform war gerettet, ein Nachguss angefertigt und in einem Dorf bei Lüneburg versteckt worden. 1951 sollte der Engel wieder ausgestellt werden. Güstrow lag allerdings in Ostdeutschland. Der Kalte Krieg war in der heißen Phase. So wurde der Guss in der Kölner Antoniterkirche ausgestellt. Erst 1953 wurde ein Abguss für den Güstrower Dom angefertigt. Am 13. Dezember 1981 besuchten Helmut Schmidt, damals Bundeskanzler, und Erich Honecker, damalig Generalsekretär des Zentralkomitees der Seite 3 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation SED, Barlachs Engel im Dom. Der Engel stand nun für eine gemeinsame Erinnerung der beiden Staaten und Staatsmänner 1937 wurde vor den Toren von Weimar – Stadt Goethes und Schillers, des Bauhauses und Wiege der demokratischen Verfassung der Weimarer Republik – das Konzentrationslager Buchenwald gebaut. Hier starben bis 1945 56.000 Menschen. Das Lagertor von Buchenwald entstand 1938. Es trägt in diesem Zusammenhang infamerweise die Inschrift „Jedem das Seine". Sie wurde von Franz Ehrlich, ehemals Bauhaus-Student und Inhaftierter im KZ-Buchenwald, entworfen. Die Schrift ist von innen lesbar angebracht. Die Häftlinge sollten sie ständig vor Augen haben. Zwölf Jahre Nazi-Terror zählen zu den zentralen, unentrinnbaren Erinnerungen Deutschlands. Sie führten zur systematischen Ermordung von rund sechs Millionen Juden und brachten Tod und Zerstörung über ganz Europa. Viele Künstler, darunter auch Georg Baselitz, bearbeiten in ihrem Werk immer wieder diese Zeit. In seiner Radierung „Adler“ von 1977 sind Bundesadler und Flagge des demokratischen Deutschlands verschlissen und zerfranst und stehen auf dem Kopf; eine Reflektion womöglich ob der Zerbrechlichkeit dieser Ideale. Die Ausstellung spürt der deutschen Identität aus britischer Sicht nach. Entstanden ist ein Dialog zwischen Deutschland und seiner Geschichte. Eine Ausstellung des British Museum. Kurator: Barrie Cook, Historiker des British Museum. Von Neil MacGregor, vormals Direktor am British Museum, für London initiiert und begleitet von einem Buch, das im Beck-Verlag erschienen ist. Der Martin-Gropius-Bau dankt der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, ohne deren Förderung diese Ausstellung nicht möglich wäre, ebenso der Friede Springer Stiftung für die Unterstützung des Vermittlungsprogramms sowie dem Deutschen Historischen Museum und den Staatlichen Museen zu Berlin für die großzügigen Leihgaben. Seite 4 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 2. Wandtexte Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 8. Oktober 2016 – 9. Januar 2017 1. Deutschland – Erinnerungen einer Nation Am 9. November 1989 meldeten in der ganzen Welt Nachrichtensendungen den Fall der Berliner Mauer, jenes Ereignis, das ein neues, vereintes Deutschland entstehen ließ. Heute spielt dieses Deutschland eine wichtige Rolle im Weltgeschehen. Die Bürger im Osten und Westen Deutschlands lebten Jahrzehnte in sehr unterschiedlichen politischen Systemen, aber gemeinsam hatten sie viele tief verwurzelte Erinnerungen, die sie in den neuen Staat einbrachten. Diese Ausstellung untersucht einige dieser Erinnerungen anhand von Objekten, die während der letzten 600 Jahre in Deutschland entstanden sind. Sie stellen nur Fragmente jener Geschichte dar, die das Gesicht des heutigen Deutschland geprägt hat, einer Nation, die im Schatten der fürchterlichsten aller Erinnerungen entstanden ist, des Holocaust. In ihrer Gesamtheit bieten die ausgestellten Objekte Perspektiven auf Regionen, die stets bedeutend für Europa waren. 2. Fließende Grenzen Das vereinte Deutschland von heute ist ein Deutschland, das erst 1990 als Folge des Mauerfalls zustande kam. In Wirklichkeit handelt sich bei „Deutschland“ eher um eine Idee als um einen fortdauernden Staat – historisch betrachtet gab es viele unterschiedliche ‚Deutschlande‘. Es gibt nur wenige Länder mit einer Geschichte von ähnlicher politischer und geografischer Komplexität. Das moderne Deutschland hat mehr direkte Nachbarn als jedes andere europäische Land, doch die Grenzen des deutschen Gebiets waren stets wechselnd, gleitend und durchlässig. Städte und Landstriche, die jahrhundertelang als „deutsch“ betrachtet wurden, werden heute nicht mehr als Teil Deutschlands oder der deutschsprachigen Welt gesehen. Dieses Ausstellungskapitel beleuchtet, wie dieses Gebilde Deutschland in Geografie und Landschaft fluktuierte und wie Orte aufhörten, deutsch zu sein. Deutschland: Handel Angesichts des Fehlens einer starken Zentralmacht war die mittelalterliche und neuzeitliche deutschsprachige Welt in der Lage, Unternehmensformen Raum zu bieten, die politische Organisation und Handel vereinten. Die Hanse oder Deutsche Hanse war ein Handelsverbund vorwiegend deutschsprachiger Städte in Nordeuropa unter der Führung von Hamburg und Lübeck. Die Hanse umfasste auch Städte außerhalb des Heiligen Römischen Reichs, wie etwa Stockholm, Danzig und Riga, es gab zeitweise sogar Niederlassungen außerhalb des Reichsgebiets in London, Nowgorod und Antwerpen. Seite 5 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation Nicht mehr deutsch Königsberg (Kaliningrad) Königsberg war für Jahrhunderte eine der wichtigsten deutschsprachigen Städte in Osteuropa, obwohl es außerhalb des Heiligen Römischen Reichs lag. 1701 wurde hier der Kurfürst von Brandenburg als König in Preußen gekrönt, wodurch der Staat Preußen entstand. Die Stadt war ein wichtiger Bestandteil der deutschsprachigen Welt, bis sie 1945 als Folge des Krieges von der Sowjetunion annektiert, in Kaliningrad umbenannt und die deutschsprachige Bevölkerung vertrieben wurde. Prag Prag, Hauptstadt des alten Königreichs Böhmen, hatte eine lang andauernde und komplexe Beziehung zur deutschen Welt. Sie war Sitz der ersten deutschsprachigen Universität, gegründet 1348, und war zu mehreren Zeiten ihrer Geschichte gewissermaßen eine geistige Hauptstadt der deutschen Welt. Seit den 1880er-Jahren begann die Bevölkerung Prags verstärkt die eigene tschechische Nationalität als Identität zu betonen. In der Folge wurde Prag von einer vorwiegend deutsch- zu einer tschechischsprachigen Stadt. Basel Während des gesamten Mittelalters war Basel, heute in der Schweiz, eine deutsche Stadt, regiert von einem Fürstbischof und Teil des Heiligen Römischen Reichs. Ende des 15. Jahrhunderts wurde die Stadt zu einem der führenden Zentren deutscher Druckkunst, und ihre Universität zog so namhafte Gelehrte wie Erasmus von Rotterdam (um 1466 – 1536) an. In dieser Zeit wandte sich Basel den Nachbarn der Schweizer Eidgenossenschaft zu, einem anwachsenden Bündnis aus Städten und ländlichen Gemeinden. 1501 entschied sich Basel, ein Teil der Eidgenossenschaft zu werden; 1648, mit dem Westfälischen Frieden, wurde die Eidgenossenschaft aus dem Heiligen Römischen Reich ‚entlassen‘. Straßburg Im Mittelalter war Straßburg ein Teil der deutschen Welt des Heiligen Römischen Reichs. Hier entwickelte Johannes Gutenberg (um 1395 – 1468) seine ersten Pläne, die zur Entstehung des modernen Buchdrucks führten, zudem wurde die Stadt Anfang des 16. Jahrhunderts eine Bastion der Reformation. Für den deutschen Dichter Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832) war das „hoch erhabene“ Straßburger Münster ein Meisterwerk deutscher Architekturkunst. Zunehmend wurde Straßburg jedoch zum Spielball zwischen der deutschen Welt und dem expandierenden Königreich Frankreich. 3. Reich und Nation Nahezu ein Jahrtausend lang war die deutsche Welt in eine politische Struktur eingebettet, die unter der Bezeichnung „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation“ bekannt wurde, eine komplexe Vereinigung von Städten, Fürstentümer und Seite 6 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation Königreichen. Die Territorien des Reichs reichten von der Ostsee und Nordsee bis jenseits des Rheins, zu den Alpen, nach Ungarn und Polen. Innerhalb der Einheit herrschte Zergliederung, doch gerade seine Komplexität ermöglichte es dem Reich, selbst große Belastungen zu überstehen. Zerstört wurde das Reich schließlich Anfang des 19. Jahrhunderts durch Napoleon (1769 – 1821), einen Außenstehenden. Nachdem das Reich 1806 untergegangen war, wurde eine neue politische und ideologische Ordnung erforderlich, um sich den veränderten Verhältnissen anzupassen und neu zu definieren, was es bedeutete, deutsch zu sein. Es wurde eine Selbsterforschung, die Europa während des gesamten 19. Jahrhunderts und darüber hinaus prägen sollte. 1495 Die Bezeichnung „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation“ wird den deutschen Territorien auf einem Reichstag (einer Art Parlament) gegeben 1517 Beginn der Reformation 1806 Auflösung des Heiligen Römischen Reichs 1813 Schlacht von Leipzig (Völkerschlacht), Napoleon wird aus Deutschland zurückgedrängt 1848 Ein einiges Deutschland mit einer liberalen Verfassung wird proklamiert 1871 Proklamierung eines neuen deutschen Kaiserreichs Das Heilige Römische Reich Das Heilige Römische Reich wurde von einem gewählten Kaiser regiert. Seit dem 15. Jahrhundert war dies in der Regel das ranghöchste Mitglied der mächtigen HabsburgerDynastie, die über Österreich, Böhmen und Ungarn herrschte. Macht und Autorität lagen gleichermaßen beim Kaiser und bei den Reichsständen, deren Mitglieder in einem Parlament saßen, das Reichstag genannt wurde. Die Reichsstände setzten sich zusammen aus durch Erbfolge legitimierten weltlichen Fürsten, Fürstbischöfen, freien Reichstädten und anderen Landesherren. Auf diese Weise war ein Bewohner sowohl dem Kaiser als auch einem Fürsten oder einer Reichsstadt untertan. Das Reich war jedoch nicht bloß ein Flickenteppich, der aus vielen Ländern bestand. Auf lokaler Ebene gestaltete sich die Ausübung der Autorität extrem kompliziert, angesichts der Territorien, die unterschiedlichen Fürsten in mitunter verwickelten Beziehungen zueinander gehörten, der Rechte sowie der Zuständigkeiten, die zuweilen bis hinunter zu den Befugnissen über Landgüter und Dörfer reichten. Dessen ungeachtet erwies sich das Reich als flexibles und politisch robustes Gebilde, das einzig und allein von der übermächtigen Gewalt Napoleons zerschlagen werden konnte. Die Sprache des Glaubens Die jüdische Gemeinschaft Die deutschen Juden waren die einzigen nichtchristlichen Bewohner des Heiligen Römischen Reichs. Sie erreichten nie mehr als ein oder zwei Prozent der Seite 7 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation Gesamtbevölkerung. Sie wurden einer Sondersteuer und Restriktionen in der Bewegungsfreiheit unterworfen. Mehrfach wurden sie aus einer Stadt oder einem Fürstentum vertrieben. Zu anderen Zeiten wurde ihnen erlaubt, in relativem Frieden und Wohlstand zu leben. In den Reichsstädten waren sie unmittelbar dem Kaiser untertan, der sie sowohl beschützen als auch ihnen seinen Schutz entziehen konnte. Reformationen Die größte Herausforderung, mit dem sich das Heilige Römische Reich konfrontiert sah, trat in Form der lutherischen Reformation auf, eine religiöse Bewegung, die 1517 aufkam und die Autorität der etablierten katholischen Kirche herausforderte. Die dezentrale Beschaffenheit der Macht im Reich ermöglichte es, dass sich die Ideen von Martin Luther (1483 – 1546) und seinen Anhängern verfestigten und ausbreiteten. Der Schock der Reformation teilte Deutschland in protestantische und römisch-katholische Bewohner. Der religiöse Konflikt führte fast zum Zerbrechen des Reichs vor allem während des verheerenden Dreißigjährigen Kriegs, der in Europa von 1618 bis 1648 zum Teil als Krieg zwischen protestantischen und katholischen Staaten geführt wurde. Am Ende wurde mit dem Westfälischen Frieden (1648) ein Kompromiss erreicht, der beiden Identitäten, der katholischen sowie der protestantischen, im Reich Rechnung trug. Eine Nation begründen Deutschland besiegt Das Heilige Römische Reich wurde von außen zerstört, verändert durch die Folgen der Französischen Revolution und durch Napoleons Eroberung eines Großteils von Europa. 1806 hörte das Reich auf zu existieren. Angesichts dieser Auflösung musste die deutsche Welt neu geformt und in gewisser Hinsicht neu erdacht werden. Die Kriegsanstrengungen gegen Napoleon (1769 – 1821) intensivierten ein Gefühl für deutsche Identität, befeuerten gemeinsame patriotische Ziele, um Napoleon aus Deutschland zurückzudrängen. Auch wenn viele Staaten und Fürstentümer 1806 ihre Unabhängigkeit verloren hatten, gab es nach 1815 noch über 30 verschiedene deutsche Staaten, verbunden nunmehr im Deutschen Bund, einer Allianz, welcher der Kaiser von Österreich vorstand. Neben Österreich war das Königreich Preußen der wichtigste Akteur in der deutschen Welt. 1871 schuf ein dominierendes Preußen ein geeintes Deutschland ohne Österreich. Dieses neue Deutsche Reich hatte bis zu seiner Niederlage im Ersten Weltkrieg bestand. Deutschland neu erdacht Als die Deutschen im 19. Jahrhundert versuchten, eine neue politische Identität herauszubilden, erkundeten sie auch ihre kulturelle Identität. Sie setzten auf ihre Geschichte, ihre Sprache und ihre Mythen, um mithilfe dieser die Wurzeln der eigenen Nation wiederzuentdecken. Und sie suchten nach einer neuen Bildsprache, um dies ausdrücken zu können. Philosophie und Musik wurden ebenfalls maßgebliche Formen für deutsches Nationalbewusstsein. Seite 8 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation Deutschland erneuert Nach dem Niedergang des Heiligen Römischen Reichs in den napoleonischen Kriegen führte die Frage, was nunmehr Deutschland sein sollte, zu mehreren möglichen Antworten. Eine war ein Deutschland, das Österreich und seine weiträumigen nichtdeutschen Territorien miteinbezog. Die andere war eine kleindeutsche Lösung eines Deutschlands ohne Österreich, das von Preußen dominiert wurde. Genau diese kam 1871 auf – ein neues Deutsches Reich, regiert vom preußischen König als Kaiser. 4. Made in Germany Deutschsprachige Künstler, Handwerker, Designer, Musiker, Schriftsteller und Philosophen haben großartige Beiträge zur europäischen und Weltkultur hervorgebracht. Viele dieser Errungenschaften waren geprägt durch die besonderen Machtstrukturen, die in der deutschsprachigen Welt während des größten Teils ihrer Geschichte herrschten. Da es keinen dominanten zentralen Hof gab, wie in Großbritannien mit London oder Frankreich mit Paris, konnte nicht ein Herrscher allein Geschmack und Ideen kontrollieren. Politische Rivalitäten zwischen Städten und Staaten führten zu einem intensiven und fruchtbaren Wettbewerb. Künstler konnten es sich aussuchen, ob sie für den einen großzügigen Dienstherrn arbeiteten oder zu einem anderen zogen, der mehr Möglichkeiten bot. Komplexe Netzwerke im Handel entlang der großen Flüsse Deutschlands sowie die Messen und Märkte begünstigten diese reichhaltige Welt des Handels und der Fertigung. Albrecht Dürer Albrecht Dürer (1471 – 1528) war der erste bedeutende Künstler, der seine Werke statt nur als Gemälde auch als Drucke gestaltete. Auf diese Weise wurde er der erste wahrhaft europäische Künstler, dessen Kunstwerke auf dem ganzen Kontinent gesammelt wurden. Mittels Holzschnitt und Kupferstich vermochte er komplizierte Details und subtile Abstufungen von Licht und Schatten darzustellen. Der italienische Künstler und Schriftsteller Giorgio Vasari (1511 – 1574) bezeichnete ihn als „fabelhaften deutschen Maler und Meister feiner Kupferstiche“. In Dürers gesamtem Schaffen gehören die Kupferstiche mit zu seinen berühmtesten und richtungsweisendsten Arbeiten. Vorsprung durch Technik Das Ansehen des modernen Deutschlands aufgrund innovativer Technologien und qualitativ hochwertiger Erzeugnisse kann mit einem Werbeslogan einer Automarke auf eine Formel gebracht werden: „Vorsprung durch Technik“. Tatsächlich hat die Produktion von Objekten, die sich durch Präzision, Können und Design auszeichnen, eine lange Tradition in Deutschland. In dieser Abteilung sind sie mit dem Buchdruck, der Metallverarbeitung und der Porzellanherstellung vertreten. Die Produkte veranschaulichen die Verbindung von technischem Können und künstlerischer Vollendung. Die vielleicht bedeutendste Errungenschaft war eine Kombination von Erfindungen und Fertigkeiten in der Mitte des 15. Jahrhunderts durch Johannes Gutenberg (um 1395 – Seite 9 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 1468). Er hat das Druckgewerbe, wie wir es bis heute in Europa kennen, begründet. Mit dem Buchdruck schuf er auch erstmals eine ausgeklügelte Methode der Massenkommunikation und revolutionierte so den Zugang zu Informationen in Europa. Die Macht der Druckkunst Fünfzig Jahre nach Gutenbergs Erfindung arbeiteten Buchdrucker in 350 europäischen Städten und produzierten 30.000 Titel und 9 Millionen Bände. Die traditionsreiche Messe in Frankfurt am Main, in der Nähe von Gutenbergs Heimatstadt Mainz, wurde ein wichtiges Zentrum für den aufkommenden Buchhandel. Bis heute ist Frankfurt Sitz der größten Buchmesse der Welt. Die Druckerzeugnisse reichten von hochgeschätzten klassischen Texten bis zu billigen Taschenbuchausgaben und umfassten auch lose Blätter mit Nachrichten, Tabloid-Journalismus jener Epoche, der sich den Sensationen und Wunderdingen widmete, wie etwa der Geburt siamesischer Zwillinge oder der Ankunft eines Nashorns. Darüber hinaus wurden auch Landkarten sowie Werke über Philosophie, Politik und Religion gedruckt. Bereits kurz nach der Gutenberg-Bibel erschien der erste Notendruck, eine Reihe von Gesängen für den liturgischen Gebrauch. Nahezu alles, was mit der Druckerpresse möglich war, wurde innerhalb von Jahrzehnten von den ersten deutschen Buchdruckern ausgeführt. Besonders beliebt waren Flugblätter – große Papierbögen, die nur auf einer Seite bedruckt waren. Flugblätter wurden oft eingesetzt, um bestimmte Ereignisse anzukündigen oder um etwas zu bewerben und führten schließlich zur Entwicklung der modernen Zeitung. China in Germany Jahrhunderte lang hatten die Europäer chinesisches Porzellan importiert und herauszufinden versucht, wie sie es selbst herstellen könnten. Das harte, glänzende, durchscheinende Material wurde als äußerst begehrenswertes Luxusgut und Statussymbol betrachtet. Anfang des 18. Jahrhunderts entwickelten schließlich Wissenschaftler im Dienst von August II. (häufig genannt „August der Starke“), Kurfürst von Sachsen und König von Polen, ein Verfahren, Porzellan herzustellen. Dies war ein Triumph der angewandten Experimentalchemie. 1710 begann die offizielle Porzellanproduktion in Meißen, in der Nähe von Dresden. Die sächsischen Herrscher bedienten sich des Porzellans, um erlesene Geschenke zu machen. Als das Geheimnis der Porzellanherstellung durchsickerte, drängten bald andere europäische Herrscher des 18. Jahrhunderts darauf, ihre eigenen Manufakturen aufzubauen und schufen auf diese Weise einen Wirtschaftszweig, der durch Wettbewerb aufblühte. Meißen mit seinem Logo aus gekreuzten Klingen ist noch heute einer der exquisitesten Porzellanhersteller. Johann Wolfgang von Goethe Mit Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832) hatten die Deutschen endlich einen Dichter, der ein Genie und international anerkannt war, ein Gegenstück zu Dante Alighieri (1265 – 1321), William Shakespeare (1564 – 1616) und Miguel de Cervantes (1547 – 1616). Aber Goethe war nicht bloß Literat. Neben seinen Romanen, Dramen und Seite 10 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation Gedichten, befasste er sich auch mit seiner Außenwelt. Er rezipierte in umfassendem Maße die internationale Literatur. Außerdem hegte er ein großes Interesse an der Mineralogie, der Anatomie, der Optik und der Botanik und publizierte eine so originelle wie bedeutende Studie: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären (1790). Er besaß eine große Privatsammlung naturhistorischer Präparate und die größte Mineralsammlung Europas (17.000 Steinproben in seinem Nachlass). Die beginnende industrielle Revolution beobachtete er mit einer Mischung aus Interesse und Vorsicht. Weimar und das Bauhaus In den 1770er-Jahren entwickelte sich Weimar zum führenden kulturellen Zentrum Deutschlands und zum Ort intellektueller Freiheit. Hier versammelten sich die bedeutendsten kreativen Persönlichkeiten der Zeit, darunter die Dichter Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller (1759 – 1805). Früher wirkte der Komponist Johann Sebastian Bach (1658 – 1750), später Franz Liszt (1811 – 1886), Johann Nepomuk Hummel (1778 – 1837), Richard Wagner (1813 – 1883) und Richard Strauss (1864 – 1949) in Weimar, Wagners Lohengrin wurde 1850 in der Stadt uraufgeführt. Auch der Philosoph Friedrich Nietzsche (1844 – 1900) zog nach Weimar, wo er im Jahr 1900 starb. Von 1919 an war Weimar Sitz des Bauhaus, das Walter Gropius (1883 – 1969) gegründet hat. Es verband Klassen für Kunst und Handwerk unter einem Dach. Schwindende Unterstützung der konservativen Regierung des Staates Thüringen zwang das Bauhaus 1925, von Weimar wegzuziehen, zunächst nach Dessau und danach nach Berlin. 1933 setzte das NaziRegime die Schule massiv unter Druck, bis sie geschlossen wurde. Das Bauhaus hatte und hat bis heute weltweit einen großen Einfluss auf moderne Architektur, Kunsthandwerk, Design und Typographie. 5. Krise und Erinnerung Die so verheerenden wie verhängnisvollen Ereignisse aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben in der jüngeren Vergangenheit den Blick auf deutsche Geschichte und Kultur zutiefst geprägt. Deutschland führte und verlor zwei Weltkriege. Es erlebte in der Zwischenkriegszeit einen wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch. Die politischen und ökonomischen Wirren, die auf das Ende des Ersten Weltkriegs folgten, wurden von Adolf Hitler (1889 – 1945) ausgenutzt und führten zum Emporkommen des Nationalsozialismus und zu den Schrecken des Nazi-Regimes. Dazu zählen vor allem der Holocaust und die Ermordung von sechs Millionen Juden, sowie die Zerstörung eines Großteils von Europa. Die Nazis wollten eine ‚neue‘ deutsche Kultur und Identität schaffen, sie hinterließen ein unheilvolles Vermächtnis, dem nicht entronnen werden kann und das nicht hinlänglich beschrieben oder erklärt werden kann. Nach 1945 musste sich ein erneut aufgeteiltes Deutschland mit dieser Vergangenheit auseinandersetzen und eine Gegenwart gestalten, die mit der schrecklichen Vergangenheit angemessen umgeht. Seite 11 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 1871 Deutsche Einigung und Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1914 Beginn des Ersten Weltkriegs 1918 Niederlage des Deutschen Reichs; in Berlin wird die Republik ausgerufen 1919 Die Nationalversammlung verabschiedet in Weimar eine demokratische Verfassung. 1933 Adolf Hitler wird Reichskanzler 1939 Beginn des Zweiten Weltkriegs 1945 Niederlage Deutschlands und Aufteilung in Besatzungszonen durch die Alliierten 1949 Deutschland geteilt in Ost- und Westdeutschland 1990 Ost- und Westdeutschland wiedervereint als Bundesrepublik Deutschland Nach dem Krieg Die bedingungslose Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 hinterließ einen Staat, der tatsächlich aufhörte zu existieren, angesichts weniger noch funktionierender Institutionen und unter der Besatzung vier fremder Mächte: Großbritannien und die Sowjetunion kontrollierten den Norden Deutschlands, die Vereinigten Staaten und Frankreich den Süden. Österreich wurde zwischen den Alliierten aufgeteilt und wurde ab 1955 wieder ein selbstständiges Land. Die Verhandlungen über die Zukunft Deutschlands dauerten bis nach Kriegsende, doch die Alliierten kamen zu keiner Übereinkunft. 1949 wurde Deutschland in zwei Staaten geteilt: die Deutsche Demokratische Republik, gebildet aus der vorherigen sowjetischen Besatzungszone, und die Bundesrepublik Deutschland, gebildet aus der amerikanischen, britischen und französischen Zone. Die beiden Staaten wurden umgangssprachlich als Ost- und Westdeutschland bezeichnet. Looking Back, moving forward 1989 begann in Ost- und Westdeutschland der Einigungsprozess. Obwohl die Wiedervereinigung 1990 formal abgeschlossen war, dauerte sie in Wirklichkeit viel länger. Die beiden Staaten brachten ihre jeweiligen Vermächtnisse mit, Wirtschaftswunder und Föderalismus, Vertreibung und Trennung, Überwachung und Kalter Krieg, und auf verschiedenen Ebenen Verknüpfungen mit der übrigen Welt, in Europa und darüber hinaus. Hinter diesen Unterschieden verbargen sich die gemeinsamen Erinnerungen aus der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts. Auf diese Weise setzte ein Prozess zwischen gelebter Erinnerung und der Notwendigkeit einer neuen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ein. Seite 12 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 3. Text aus dem Museumsjournal Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 8. Oktober 2016 – 9. Januar 2017 Barrie Cook, British Museum, Curator of Medieval and Early Modern Coinage, ist Kurator der Ausstellung. Von einer großangelegten Ausstellung in einem bedeutenden Museum würde man erwarten, sie wäre für ihren Kurator die Erfüllung eines lang gehegten Traums, der Höhepunkt lebenslangen Expertentums und fachlicher Spezialisierung. Zahlreiche, vielleicht die meisten, Ausstellungen kommen genau auf diese Weise zustande. Aber überraschend viele andere haben einen weniger naheliegenden Ursprung, sie kommen zustande, weil Institutionen oder Individuen Möglichkeiten erkunden und günstige Gelegenheiten wahrnehmen, die sie gar nicht vorausgesehen haben. In meinem Fall dominierte eindeutig das Gefühl der Überraschung, als ich leitender Kurator für Germany: Memories of a Nation wurde: Die Ausstellung lief am British Museum vom 14. Oktober 2014 bis zum 25. Januar 2015 und wird jetzt im Martin-Gropius-Bau vom 8. Oktober 2016 bis 9. Juni 2017 unter dem Titel Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation gezeigt. Von Hause aus bin ich Historiker und arbeite am British Museum als Kurator für Numismatik, verantwortlich für europäische Münzen aus der Zeit zwischen ca. 1200 und 1800 (Europa umfasst – in diesem Kontext zumindest – auch die nationale britische Münzsammlung). Das heißt, ich betreue als Kurator die zweitgrößte Sammlung deutscher Objekte im British Museum – nach der Abteilung der Drucke. Trotz alledem hätte ich sehr skeptisch reagiert, wenn mir jemand 2010 gesagt hätte, ich würde zwei Jahre später eine große Schau vorbereiten, die sich Deutschland widmet. Wenn also diese Ausstellung nicht die Folge eines zeitlebens brennenden Ehrgeizes ihres leitenden Kurators war, weshalb ist sie dann überhaupt zustande gekommen? Und wieso war ich überhaupt daran beteiligt? Abgesehen von meiner Zuständigkeit für kleine, runde Metallgegenstände wirkte ich auch einen Großteil der letzten zehn Jahre intensiv an einer Reihe von Projekten mit, die der frühere Direktor des Museums, Neil MacGregor, entwickelt und geleitet hat. Eine bahnbrechende Zusammenarbeit des British Museum mit dem BBC Radio 4, die er ins Leben gerufen und koordiniert hat, begann 2008 mit der Planung von A History of the World in 100 Objects, (Geschichte der Welt in 100 Objekten), einem Projekt von wahrlich globaler Relevanz. In den Jahren 2012 und 2013 geriet Deutschland geradezu unaufhaltsam in den Fokus der dritten Zusammenarbeit des British Museum und der BBC. Der 25. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung stand bald bevor und dieses Ereignis wurde schnell zum Schwerpunkt sowohl der zeitlichen Planung als auch des thematischen Rahmens dieses Projekts. Damals plante BBC Radio 4 dementsprechend ein auf Deutschland bezogenes Projekt. Die deutsche Kultur war und ist eine Herzensangelegenheit von Neil MacGregor, und das europäische Mittelalter und die frühe Seite 13 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation Neuzeit im Allgemeinen fielen eindeutig in den Bereich meines kuratorischen und historischen Fachbereichs. Als sich dieses dreiteilige Projekt herauskristallisierte, das nunmehr erstmals zeitgleich und ineinander greifend eine Rundfunkreihe, eine Publikation und eine Ausstellung umfasste, übernahm ich die Leitung der Ausstellung. Dies erwies sich gleichermaßen als immens anspruchsvolle, erfrischende und komplexe Aufgabe. Die Planungen der verschiedenen Bestandteile ergänzten sich überhaupt nicht miteinander und es bestand keineswegs die Gewissheit, dass es überhaupt ein lokales Publikum dafür gäbe, am wenigsten für die Ausstellung, denjenigen Bestandteil, der nämlich nicht auf die bewährten Qualitäten von Neil MacGregor als Autor und Kommunikator setzen konnte. Somit kam es im Sommer 2013 dazu, dass ich an einem jener vielgescholtenen Treffen unserer Zeit teilnahm, einer Fokusgruppe. Ich verfolgte, wie die Idee diskutiert wurde, dass das British Museum eine Ausstellung über die Geschichte und die Kultur Deutschlands auf die Beine stellen wolle. Die erste Reaktion war Verwunderung: Der Gedanke einer Ausstellung über Deutschland wurde zwar nicht in Frage gestellt (sollte jemand dies gedacht haben, wurde es nicht ausgesprochen), wohl aber, weshalb das British Museum so etwas plane. Es schien, als ob dieses Ausstellungsthema nicht richtig zu dem passte, was die breite Öffentlichkeit vom British Museum erwartete. Das Museum besitzt umfassende Bestände von Objekten aus der mittelalterlichen und neuzeitlichen Geschichte aller europäischen Länder, doch dies vermittelt sich dem gewöhnlichen Besucher nicht zwangsläufig. Als die verschiedenen Fokusgruppen diesen Punkt abgehandelt hatten, und anfingen, eine Reihe von Objekten ins Auge zu fassen, die bereits auf einer potenziellen Exponatenliste standen, zeigten sie sich schließlich fasziniert, beispielsweise von einer Gutenberg-Bibel. Dessen ungeachtet und trotz ihrer Beschäftigung mit dem Thema waren sie sich nicht sicher, ob sie solch eine Ausstellung besuchen würden. Wir wussten somit, dass Chancen bestanden, ein Publikum in Großbritannien anzusprechen, aber wir waren noch sehr unsicher, wie wir es überhaupt durch die Tür des ersten Ausstellungsraums locken könnten. Eine Ausstellung über Deutschland kann viele Formen annehmen und wir wussten von Anfang an, dass es auf jeden Fall nur eine Teilansicht sein würde, die von vielen Einschränkungen und Begrenzungen geprägt wäre, vom Raum, von Sachkenntnissen und von der Verfügbarkeit der Objekte. Die grundlegende Herangehensweise ergab sich aus den Diskussionen mit dem Kernteam. Dazu gehörten neben Neil MacGregor zwei deutsche Kolleginnen vom British Museum, Clarissa von Spee und Sabrina Ben Aouicha, deren Beitrag für das gesamte Projekt nicht hoch genug zu bemessen ist. Wir betrachteten das Deutschland, das sich 1990 abgezeichnet hatte und zeigten unsere Perspektive anhand von Objekten, betrachtet vor dem historischen und kulturellen Hintergrund, aus dem sich die Elemente seiner Vorgeschichte ergeben – jene „Erinnerungen“ aus dem Titel des Projekts; Erinnerungen, von denen manche einem britischen Publikum wohlbekannt (vielleicht allzu bekannt) sind, andere weniger genau untersucht sind. Allmählich grenzten wir den historischen Zeitrahmen ein. Zeugnisse aus der Zeit der Völkerwanderung und aus dem Mittelalter fielen heraus – in meinem Fall als ausgebildetem Mittelalterforscher mit Widerstreben – und wir setzten den Anfang schließlich bei der Epoche Gutenbergs, als Deutschland, so kann man wohl mit Recht behaupten, das Tor zur neuzeitlichen Welt öffnete. Seite 14 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation Als sich die Ausstellung allmählich herausbildete, gab es durchaus ein Gefühl des Ungewohnten. Wie beim historischen Deutschland fehlten auch hier klare Grenzen. Die Objekte wurden ausgesucht, um mehrere Funktionen zu erfüllen: als Gegenstände, die es wert waren, als solche gewürdigt zu werden, und die gleichzeitig ein historisches Narrativ zu einem Thema transportierten. Außerdem hatten sie ein repräsentatives Gewicht: Frühe Drucke und wissenschaftliche Präzisionsinstrumente aus dem 16. Jahrhundert beispielsweise standen für eine viel größere Tradition deutscher Hervorbringungen, die unmöglich angesichts der vorhandenen Raumkapazitäten erfasst werden konnten. Ganze Bereiche deutscher Kreativität wurden kaum repräsentiert – vor allem die Musik, stets schwierig bei einer Ausstellung, was sich auch als Mangel herausstellte, auf den die meisten Besucherkommentare später hinwiesen. Hat die Ausstellung in Großbritannien funktioniert? Gemäß allen Kriterien, die wir aufstellen konnten, hat sie funktioniert. Die Besucherzahlen waren sehr hoch, und die Reaktionen sowohl der Besucher als auch der Presse, britisch wie international, waren sehr positiv. Wieso hat sie funktioniert? Das ist eine gute Frage. Viele Leute, die sie besuchten, wurden durch den Erfolg von Neil MacGregors Sendereihe im Rundfunk angezogen. Zudem war wahrscheinlich der Zeitpunkt richtig, weil sich viele Menschen an die Bedeutung der deutschen Wiedervereinigung zurückerinnerten – viele Ausstellungsbesucher waren im statistischen Durchschnitt älter als bei Ausstellungen im British Museum üblich, somit dürften viele ihre eigenen Erinnerungen aufgefrischt oder sogar überprüft haben. Wird die Ausstellung jetzt 2016 in Berlin funktionieren, in solch einem unterschiedlichen Umfeld gegenüber jenem vor zwei Jahren? Das ist sogar noch eine schwierigere Frage. Seite 15 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 4. Auszug aus dem Begleitbuch von Neil MacGregor Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 8. Oktober 2016 – 9. Januar 2017 Barlachs Engel In Großbritannien wissen wir, worum es bei unserem Remembrance Day geht. Seit 1919 haben wir jedes Jahr all dessen gedacht, wofür unsere Soldaten gestorben sind – Freiheit, Demokratie, Unabhängigkeit. In jeder Stadt und jedem Dorf fand eine Zeremonie statt, ertönte das Signal «Last Post», herrschte zwei Minuten Stille. Um die Ehrenmale versammelt, gedenken wir in ganz Großbritannien und im Commonwealth in einem festen Ritual unserer Verluste und des hohen Preises für den Sieg. In Deutschland gibt es kein vergleichbares alljährliches Gedenken an den Ersten Weltkrieg oder an den noch schrecklicheren Konflikt im Zweiten Weltkrieg. Welche Zeremonie hätte man ersinnen können, um eines Krieges zu gedenken, den Deutschland verloren hatte und für dessen Ausbruch es in den Friedensverhandlungen schuldig gesprochen worden war. Dabei zählten die Deutschen 1,8 Millionen Kriegstote, etwa doppelt so viele, wie das ganze britische Empire zu beklagen hatte. Nicht, dass es in Deutschland keine Denkmale gab, die an ältere Kriege erinnerten. Wie in allen Ländern Europas gibt es auch in Deutschland reichlich Statuen siegreicher Könige und Generäle: etwa die 67 Meter hohe Siegessäule im Berliner Tiergarten, die Preußens Siege über Dänemark, Österreich und Frankreich im 19. Jahrhundert feierte – ungetrübter Stolz in Bronze und Stein. Doch 1918 war anders. Deutschland war geschlagen, international überschüttet mit Beschuldigungen, den Krieg begonnen zu haben, immensen Reparationsforderungen ausgesetzt. Erschüttert von inneren Unruhen, Umsturzversuchen und der zersetzenden Dolchstoßlegende – der Behauptung, das deutsche Heer sei niemals besiegt, sondern von den Politikern verraten worden. Wie konnte unter solchen Umständen des Ersten Weltkriegs und seiner Opfer überhaupt gedacht werden? Eine Antwort finden wir im protestantischen Dom von Güstrow, einer kleinen Stadt etwa 160 Kilometer nördlich von Berlin. Keine aufragende Säule, kein glänzendes Mausoleum in der Hauptstadt, sondern eine lebensgroße schwebende Figur aus Bronze, horizontal von der Kirchendecke herabhängend, die oft als Engel bezeichnet wird. Sie hängt über einer alten Taufeinfassung. Traditionell ist die Taufe christliches Symbol für die Vergebung der Sünden und die Erneuerung des Lebens. Dieser runde gusseiserne Zaun sieht aus wie ein Lorbeerkranz. Der Engel aber schwebt darüber. Seine Lippen sind geschlossen, stumm. Hier ist der Krieg verinnerlicht, sein Schrecken und sein Grauen werden durch dieses Schweigen nur noch größer. Die Augen des Engels sind geschlossen, offenbar kann er den Schmerz und das Leid nicht ertragen. Diese Figur ist ein Werk des Bildhauers Ernst Barlach. Der Engel sei, so wurde er beschrieben, «ein Mahnmal, aber keine Mahnung». Barlach selbst sagte, die Skulptur stelle die Haltung dar, die wir dem Krieg gegenüber einnehmen sollten: Erinnerung und innere Schau. Ernst Barlach ist so eng mit dieser Stadt verbunden, dass sie sich heute Barlachstadt Güstrow nennt. Geboren wurde er allerdings ganz im Norden Deutschlands, 1870 in Holstein, in Güstrow ließ er sich 1910 nieder. Wie viele Künstler und Dichter dieser Seite 16 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation Zeit hat auch Barlach den Ersten Weltkrieg zunächst enthusiastisch begrüßt. Wie seine Kollegen glaubte auch er, im Feuer des Krieges werde eine neue Gesellschaft geschmiedet, und obwohl er bereits weit über vierzig Jahre alt war, meldete er sich 1915 zu den Waffen. Der Krieg war ein Wendepunkt in seinem Leben, aber in einem ganz anderen Sinn. Er war entsetzt über seine Erfahrungen als Landsturmmann und wurde zum entschiedenen Pazifisten. Wie der englische Dichter Wilfred Owen war auch Barlach überwältigt vom «pity of war», wie jener versuchte auch er in seiner Kunst eine wahrhafte Antwort auf Schrecken und Sinnlosigkeit des Krieges zu finden. 1916 wurde er als Invalide aus dem Kriegsdienst entlassen, und danach, bis zu seinem Lebensende, war der Pazifismus die treibende Kraft seiner bildhauerischen Arbeit. Seine Mahnmale lassen sich vielleicht als ein deutsches Äquivalent zur Klage der britischen Kriegsdichter betrachten. Den ersten Auftrag zu einem Kriegsmahnmal erhielt Barlach im Jahr 1921. Auftraggeber war die Kieler Nikolai-Kirche in seinem Geburtsland Schleswig-Holstein. Er nannte seine Skulptur Schmerzensmutter: eine einsame Frau in einem Umhang, die ihre Hände vor dem Gesicht zusammenschlägt, dazu die Inschrift in Plattdeutsch: «Min Hart blött vör Gram awers du gifst mi Kraft.» (Mein Herz blutet vor Gram, aber du gibst mir Kraft.) Diese Figur ist die Jungfrau Maria, sie ist eine Frau aus Kiel, sie ist jede Mutter, die den Verlust ihres Sohnes hinnimmt, ohne ihn zu verstehen. Die Skulptur war umstritten, man fand sie pazifistisch, unpatriotisch, zu fixiert auf das Leid derer, die zurückblieben, statt auf das Heldentum jener, die starben. Den NS-Bildersturm überlebte die Skulptur, 1944 aber wurde sie von einer alliierten Bombe zerstört. Sie ist Gegenstand eines bewegenden Tributs des englischen Dichters Geoffrey Hill – «In Memoriam, Ernst Barlach»–, den dessen Konzentration auf die Trauer einer Mutter, ausgedrückt in einfachen Worten im Dialekt, tief berührt hat. Nicht weit vom Güstrower Dom befinden sich Barlachs Atelierhaus und das Barlach-Museum. Räume und Garten von Barlachs Atelier sind voller Zeichnungen und Skulpturen – soweit diese das Dritte Reich überlebt haben. Ein Ausstellungsraum enthält die Modelle von Barlachs Kriegsdenkmalen, die in verschiedenen Städten und Kirchen Deutschlands stehen; ein stummer Chor, der die Opfer der Kriege vergegenwärtigt, die Kriegsteilnehmer wie Über lebende zu tragen haben. Weder in Großbritannien noch in Frankreich kenne ich einen vergleichbaren Raum. Barlachs Kriegsdenkmale, und zwar ausnahmslos alle, verweigern sich nationalen Gefühlen, nichts verweist auf den Kriegstod als etwas Edles oder Bewundernswertes. Nein, sie teilen den Schmerz und rufen nach Reue. Volker Probst, Leiter der Ernst Barlach Stiftung, hat Barlachs Werk erforscht: Barlach hat einen neuen Typus von Kriegerdenkmalen entwickelt. Es gibt keinen Heroismus, keine Glorifizierung von Tod oder Krieg. In seinen Kriegerdenkmalen für Magdeburg, Güstrow, Hamburg und Kiel findet man stattdessen die Erkundung von Schmerz, Tod, Trauer und Gram. Barlachs Engel ist ein zeitloses Symbol für Frieden und Gewaltverzicht, ein «Denkzeichen», das sich an uns alle richtet. Mitte der 1920er Jahre war Barlach eine nationale Berühmtheit und seine Ablehnung des Krieges allgemein bekannt. Da er in Güstrow lebte und arbeitete, beauftragte ihn der Kirchengemeinderat 1926, ein Kriegerdenkmal zu schaffen, das im Dom zu dessen 700-Jahres-Feier aufgestellt werden sollte: Das Resultat war der Schwebende Engel, die Evokation einer Mutter, die nach Westen blickt, zu den Schlachtfeldern in Flandern, in stiller, beständiger Trauer um ihren toten Sohn. Mit am auffälligsten am Güstrower Engel ist sein Gesicht. Wer sich in der deutschen Kunst auskennt, sieht sofort die Züge einer anderen Anti-Kriegs-Künstlerin, Seite 17 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation das Gesicht der Käthe Kollwitz, die eng befreundet war mit Barlach und auch ein passendes Modell: Im Oktober 1914 hatte sie ihren Sohn Peter an der Westfront verloren. Barlachs Pazifismus antwortete auf den ihren, und zwischen beiden entwickelte sich eine enge geistige Verbindung. Sie antwortete mit ihrem Werk auf die Simplizität seines Stils. (Barlach ermutigte sie zum Holzschnitt, den sie sehr wirkungsvoll in ihrem Erinnerungsblatt an den Kommunisten Karl Liebknecht einsetzte). Barlach hat später gesagt, dass er Käthe Kollwitz im Sinn gehabt haben müsse, als er die Gussform für den Engel schuf. Das runde Gesicht mit den in tiefen Höhlen sitzenden Augen, der volle Mund, die leicht nach unten gezogenen Lippen – der Engel ist Käthe Kollwitz, und wie die zuvor entstandene Schmerzensmutter verkörpert er in seinem Ausdruck nachdenklichen Kummers etwas vom Gram aller Mütter. Genau das freilich sahen Barlachs Kritiker nicht. Sie ereiferten sich über die slawischen Gesichtszüge des Engels, den «entarteten» Stil und die Botschaft, die sie als pazifistisch und defätistisch wahrnahmen: Es gibt in diesem Mahnmal nicht den leisesten Hinweis darauf, dass die Toten ihr Leben um einer gerechten oder lohnenden Sache willen verloren hätten. Die Skulptur erregte sofort den Zorn von Lokalpatrioten und Rechten. Die Nationalsozialisten verabscheuten sie, und als sie an die Macht kamen, war klar, dass der Engel weg musste. Was sie wollten, war etwas wie Georg Kolbes Kriegerdenkmal in Stralsund – zwei schöne und kraftvolle Männergestalten, ein Schwert haltend und den stolzen Blick auf den Feind gerichtet, darunter die Inschrift: «Ihr seid nicht umsonst gefallen». Barlach erhielt Morddrohungen örtlicher Nazis. Seine Ausstellungen wurden abgesagt, seine Skulpturen und Kunstwerke nach 1933 von öffentlichen Orten entfernt. 1937 wurde in München die Ausstellung «Entartete Kunst» gezeigt, um allgemeine Abscheu gegen das zu fördern, was Goebbels den «kranken jüdischen Geist» nannte. Auch wenn Barlach weder Jude noch politisch aktiv war, Stil und Botschaft seiner Werke waren inakzeptabel. Zwei von ihnen wurden in die Münchner Ausstellung aufgenommen. Im gleichen Jahr, am 23. August 1937, wurde der Engel auf Anordnung der NS-Behörden aus dem Güstrower Dom entfernt. Als die Skulptur abgenommen wurde, hinterließ sie einen Raum für Betrachtungen, die nicht in Worte zu fassen sind. An diesem Tag findet dort alljährlich eine stille Gedenkfeier statt; Pastor Christian Höser erläutert: Jedes Jahr erinnern wir uns an die Abnahme des Schwebenden im Jahr 1937 und haben damit ein besonderes Gedächtnis auch für diese schwere Verirrung unseres Volkes …, in Worte lässt sich das nicht fassen, aber solch eine Skulptur kann uns immer wieder darauf konzentrieren, es ernst zu nehmen und daraus zu lernen … also ein Vermächtnis, für Versöhnung einzutreten und dieses immer wieder Gott anzubefehlen und durch das eigene Tun umzusetzen. Das ist die Herausforderung, die uns heute erreicht. Die Skulptur wurde nach Schwerin gebracht, und Anfang der 1940er Jahre wurde Barlachs friedlicher Bronzeengel von den Nationalsozialisten eingeschmolzen und das Metall den Kriegsanstrengungen zugeführt. Barlach starb ein Jahr nach der Entfernung seines Engels aus dem Dom. Wenn aber die Statue als Kriegsmaterial endete, was hängt dann heute über dem ehemaligen Taufgitter in Güstrow? Das ist eine interessante Geschichte. Nach Barlachs Tod im Oktober 1938, ein Jahr nach Entfernung der Statue aus dem Dom, spürten einige seiner Freunde und Anhänger, unterstützt von einem Kunsthändler, der über verdächtig gute Beziehungen zu den NS-Behörden verfügte, die Gipsform auf, die Seite 18 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation der Künstler für den ersten Abguss angefertigt hatte und die sich noch immer in der Berliner Gießerei befand. Weil sie zu Recht befürchteten, dass der Bronzeengel aus Güstrow zerstört werden würde, ließen sie mit dieser Gipsform einen zweiten Abguss fertigen. Irgendwann während des Krieges wurde die Form bei einem Bombenangriff zerstört, die zweite Bronze aber, identisch mit der ersten, überstand den Krieg versteckt in einem Dorf bei Lüneburg. Nach dem Krieg stimmten Barlachs Nachlassverwalter schließlich zu, dass dieser zweite Guss ausgestellt werden dürfe. Allerdings waren kommerzielle Konflikte zu lösen, und zu dieser Zeit lag Lüneburg in West-, Güstrow aber in Ostdeutschland. 1951, nach vielem Hin und Her, gelangte der Engel in die Antoniterkirche in Köln. Dort hängt er bis heute, genauso, wie Barlach dies intendiert hatte, allerdings mit einer Ergänzung: Auf der Platte im Fußboden steht nun nicht mehr nur das Datum «1914– 1918», sondern auch «1939–1945» (später geändert in «1933–1945»). Die Symbolkraft des Engels und seine Geschichte, so dachten die Kölner, werden es diesem erlauben, auch die zusätzliche Bürde all der Verluste und Toten des Zweiten Weltkriegs zu tragen. Es bleibt die Frage: Wenn sich die zweite Version des Engels heute in Köln befindet, was hängt dann heute so geheimnisvoll und beeindruckend über dem Fußboden des Güstrower Doms? Christian Höser beantwortet diese Frage: In den Nachkriegsjahren, in den 50er Jahren, gab es ein sensibles Aufeinanderhören und Suchen wie zwischen dem neuen Guss der Abformung, der nach Köln ging, und dem Originalplatz hier im Dom zu Güstrow, doch eine Möglichkeit entstehen kann, dass er wieder hierher kommt, an den Platz, für den ihn Barlach konzipiert hat. In den 1950er Jahren war aber der Kalte Krieg in einer heißen Phase. Zudem war damals in der DDR nicht klar, wie man mit Barlach, mit seinem Kunstverständnis und Gedankengut umgehen sollte. Daher war dieser inneröstliche Gesprächsprozess eine besondere Herausforderung. Trotz der doktrinären Zweifel, welche die kommunistische Führung an der Legitimität und dem Sinn von Barlachs Botschaft hegte, trotz der Barrieren, die der Kalte Krieg zwischen den beiden deutschen Staaten errichtet hatte, wurde 1953 eine Kopie des Kölner Gusses hergestellt und die dritte Inkarnation von Barlachs Bronzeengel im Dom von Güstrow aufgehängt. Es war ein außerordentliches Ergebnis der Dialogbereitschaft, eine eindrucksvolle Anerkennung der Symbolkraft, die diese Skulptur auf die Menschen im tief gespaltenen Deutschland ausübte. Am 13. Dezember 1981, an einem bitterkalten Tag, nahezu dreißig Jahre, nachdem der Engel nach Güstrow zurückgekehrt war, befand sich Bundeskanzler Helmut Schmidt auf einem offiziellen Besuch in der DDR, ein bedeutsamer Schritt auf dem Weg zur Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten. Auf Schmidts Bitte hin besuchten er und Erich Honecker, der Generalsekretär des ZK der SED, den Dom in Güstrow, um zusammen unter dem Engel zu stehen. Begrüßt wurden sie vom mecklenburgischen Landesbischof. Ernst Barlach sei, so sagte dieser, für beide Staatschefs und für beide Staaten eine gemeinsame Erinnerung, eine gemeinsame Vergangenheit. Helmut Schmidt antwortete dem Bischof: Ich möchte Ihnen sehr danken für den Empfang und für Ihre Worte. Wenn Sie gesagt haben, Barlach sei unsere gemeinsame Erinnerung, unsere gemeinsame Vergangenheit, möchte ich das etwas anders wenden und sagen: Er kann auch unsere gemeinsame Zukunft sein. Seite 19 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation Was Erich Honecker dazu dachte, ist nicht überliefert, doch weder er noch Helmut Schmidt hätten sich damals vorstellen können, dass die beiden deutschen Staaten ein Jahrzehnt später wieder vereint sein würden und Barlachs Skulptur nun tatsächlich eine gemeinsame Geschichte und eine gemeinsame Zukunft repräsentieren konnte – in einem ungeteilten Land. […] Es gibt nur wenige Objekte, die so viel deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts verkörpern wie diese Skulptur aus Güstrow: das Kriegsfieber von 1914; den Pazifismus der 1920er Jahre; die Welt der expressionistischen Kunst einer Käthe Kollwitz; die Zerstörung «entarteter Kunst» durch die Nationalsozialisten; die zwiespältigen Kompromisse mit dem Dritten Reich, die die Kunsthändler trotz allem eingehen konnten; die Westfront im Ersten Weltkrieg und die Bombenangriffe auf Berlin im Zweiten; die Teilung Deutschlands nach dem Krieg und die Dialoge, die gleichwohl möglich waren; die anhaltenden schmerzlichen und schwierigen Unterredungen zwischen Deutschland und der Welt auf der Suche nach Lösungen und nach Versöhnung. All das hat auch den Engel geprägt und ihm eine weitere, noch tiefere Bedeutung verliehen. Wie Deutschland selbst wurde auch er entehrt, zerstört, zerlegt und wieder erschaffen. Doch stets trug er das Überleben eines Ideals in sich und die Hoffnung auf Erneuerung. […] Seite 20 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 5. Vermittlungsprogramm Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 8. Oktober 2016 – 9. Januar 2017 Wer möchte politisch-historische Ereignisse einordnen ohne in Geschichtszahlen zu versinken? Wer möchte bei Diskussionen um und über Deutschland mitreden? Und wer will zumindest im Ansatz verstehen, warum wir heute so ticken? Der ist bei diesem Programm genau richtig. Es wendet sich besonders an die junge Generation, die weder Flucht und Vertreibung noch Wiederaufbau oder Fall der Mauer erlebt haben. Mit Unterstützung der Friede Springer Stiftung bietet der Martin-GropiusBau verschiedene Möglichkeiten an: 5.1 Für Schulklassen 100 kostenlose Führungen und 50 kostenlose Workshops für Schulklassen von der Grundschule über Sekundarstufe I/II bis hin zu Willkommensklassen buchbar solange der Vorrat reicht. Workshop a Geschichte(n) vom Fall der Mauer(n) Vom Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961, gelungenen und misslungenen Fluchtversuchen und dem kuriosen Weg zur Grenzöffnung – das ist der historische Verlauf des Mauerfalls. Doch das ist eigentlich nur der Anfang. Spannend wird es, wenn wir uns die Mauern im Kopf anschauen und uns künstlerischen Wegen widmen diese niederzureißen – in Wort, Musik oder im Gemälde. Workshops für Schulklassen: nach Vereinbarung / max. 30 Schüler*innen, ohne Gebühr. Sonntagsworkshop für Familien: 16.10., 20.11., 11.12.2016 und Mi, 4.1.2017, 13-15 Uhr, ohne Gebühr, Anmeldung empfohlen (begrenzte Teilnehmerzahl) Workshop b Ein Politbarometer der anderen Art Das Thema ist unser Blick auf Deutschland – auf Ereignisse, Chancen oder Hoffnungen. Das Ziel ist eine Videobotschaft. Schüler*innen und Lehrer*innen, Eltern und Kinder filmen eine Botschaft – als Szene gespielt, als Debatte inszeniert oder ohne Worte – was zählt, ist vor der Kamera die richtige Form für das gemeinsame Statement zu finden. Ein Politbarometer der anderen Art zur aktuellen Befindlichkeit. Workshops für Schulklassen: nach Vereinbarung / max. 30 Schüler*innen, ohne Gebühr. Sonntagsworkshop für Familien: 6.11., 27.11., 18.12.2016, 13-15 Uhr, ohne Gebühr, Anmeldung empfohlen (begrenzte Teilnehmerzahl) Seite 21 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation Workshop c Mehr als schnöder Mammon Eine Münze als Denkmal, Mahnmal oder Objekt der Erinnerung. Vieles dreht sich ums Geld. Wir drehen die Münze um und erklären sie zum Objekt der Erinnerung, so wie der Bildhauer Werner. Er gestaltete die 50 Pfennig Münze. Sein Entwurf der jungen Eichen-Pflanzerin ist Symbol für die Millionen Trümmerfrauen des 2. Weltkriegs, und steht auch für die Wertschätzung der Wiederaufforstung durch die Waldarbeiterinnen. Wir greifen das auf. Ob bekannte Persönlichkeit oder Dein persönlicher Held, ob Ereignis der Freude, Trauer oder Ermahnung – Du skizzierst, ritzt, klopfst und gestaltest Dein Geldstück als Werk der Erinnerungskultur und Wertschätzung. Workshops für Schulklassen: nach Vereinbarung / max. 30 Schüler*innen, ohne Gebühr. Sonntagsworkshop für Familien: 13.11., 4.12.2016 und Mi, 28.12.2016, 13-15 Uhr, ohne Gebühr, Anmeldung empfohlen (begrenzte Teilnehmerzahl) MGB SchülerUni Vom Mauerbau zum Mauerfall Am Mittwoch, dem 9. November 2016: Die Vorlesung im Juniorformat, mit Historiker*innen und Zeitzeug*innen um und über den Bau und Fall der Mauer. Nach Impulsreferaten stehen sie der jungen Generation Rede und Antwort. Mit anschließender Führung durch die Ausstellung. Details unter www.gropiusbau.de/schuelerprogramm Mittwoch, 9. November 2016, 10.30 bis 13 Uhr, Dauer der Vorlesung 80 Min., 10 Min. Pause, anschließend Führung 60 Min. Vorlesung und Führung sind kostenlos. It-Art-Abend Am Samstag, dem 3. Dezember 2016: Wir öffnen unser Haus für Jung und Alt: Schüler*innen unserer Intensivklassen aus 35 Nationen erläutern ihren Blick auf Deutschland und die ausgestellten Objekte; sie zeigen, was sie als besonders bemerkenswert, wissenswert oder anziehend empfinden. Es wird nonverbal oder in zwei Sprachen präsentiert, denn viele unter ihnen sprechen mehr als nur Deutsch. Samstag, 3. Dezember 2016, 18 bis 21 Uhr, ohne Gebühr. Details unter www.gropiusbau.de/schuelerprogramm Förderung britisch-deutsche Projekte im Rahmen der Ausstellung Für reiselustige britische und deutsche Schulklassen 1. Für deutsche und britische Partnerschulen (UKGC funds) Ob Unterschiede oder Gemeinsamkeiten in Form von Kunstwerken, Stop-Motion-Filmen oder einem Comic, ob eine witzig-spritzige Debatte über britischen versus deutschen Humor zu Geschichtsthemen à la Rowan Atkinson bzw. Otto – die künstlerischen Möglichkeiten, um ein Projekt einzureichen können unterschiedlich sein. UK-German Connection fördert gemeinsame Projekte zwischen Partnerschulen zum thematischen Fokus der Ausstellung, einschließlich (gegenseitiger) Besuche. UK-German Connection bietet im Rahmen der existierenden Förderprogramme (flexible funding) Projektberatung an. Reicht Euer Thema mit einer Projektskizze (A4) ein. Eine Übersicht und weitere Details Seite 22 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation (Programmrichtlinien und Antragsformulare) zu den existierenden Fördermöglichkeiten gibt es hier: www.ukgermanconnection.org/funding School and youth projects & funding, email: [email protected] 2. Wettbewerb für Sprach-Botschafter*innen Englische Sprachassistent*innen in Deutschland und Deutsche Sprachassistent*innen in Großbritannien sind Teil eines Netzwerks von Sprachbotschaftern, die an Schulen in Deutschland und im Vereinigten Königreich arbeiten (www.ukgermanconnection.org/flaambassadors-d). Mit Unterstützung von UK-German Connection sind britisch/deutsche Sprachassistent*innen-Paare aufgerufen eine Projektidee zum Thema der Ausstellung für Schüler*innen in beiden Ländern bis zum 15. November 2016 einzureichen unter [email protected]. Das kann eine virtuelle Ausstellung selbst ausgesuchter Objekte sein oder eine Debatte zum Thema 'Erinnerung vs. Geschichte'. Das Paar, dessen Projekt ausgesucht wird, gewinnt eine Reise nach Berlin zur Ausstellung mit einer Gruppe von bis zu 20 Schüler*innen aus beiden Ländern. Ermöglicht durch das British Council, Visit Berlin und die Friede Springer Stiftung. 5.2 Für Familien Sonntage für Familien mit kostenlosen Workshops Während der Laufzeit ist jeder Sonntag ein Familientag. Von 13 bis 15 Uhr laden wir Familien zu einem gemeinsamen Blick in die Ausstellung und einem bildnerischpraktischen Arbeiten über das Gesehene, Verstandene und in Kunst Transferierte ein. Ohne Gebühr, Anmeldung empfohlen (begrenzte Teilnehmerzahl), Dauer: 120 Min. 5.3 Für alle Ein Hör-Spaziergang durch die Ausstellung Der Audio-Guide für Erwachsene (D, E) und Kinder (D) bringt frischen Wind in eingefahrene Vorstellungen. Er bietet einen umfassenden Überblick und bringt all die Kostbarkeiten zum Sprechen. Die deutsche Stimme aus dem off des Erwachsenen AudioGuides ist von Burghard Klaußner, der im Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“ brillierte. € 4 / € 3 zzgl. Eintritt Öffentliche, kostenlose Führungen An den Wochenenden führen Historiker*innen und Kunstgeschichtler*innen, die alles andere als eingestaubt sind. Sie sind die besten Geschichtenerzähler*innen und liefern noch dazu Zahlen, Daten und Fakten. Samstags 15 Uhr, sonntags und an Feiertagen (außer 24. & 31.12.) 14 Uhr. Ohne Voranmeldung, limitierte Teilnehmerzahl. Dauer: 60 Min. Ohne Gebühr, nur Eintrittsticket nötig. Seite 23 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 5.4 Für Berufstätige Der Kreativ-Kick in der Mittagspause Lunchführungen zur Ausstellung Das Ausstellungshaus bietet ein Format an, das die Mittagspause zum Kreativ-Kick werden lässt. Jeden ersten Mittwoch im Monat stellen wir Ihnen Künstler und Ausstellungskonzepte in einem 40-minütigen Rundgang vor. Anschließend gibt es Raum für ein Lunch im Restaurant Gropius. Mittwochs 13 Uhr, 2.11.2016, 7.12.2016, 4.1.2017, Dauer ca. 40 Min., Anmeldung empfohlen (limitierte Teilnehmerzahl) Ohne Gebühr, nur Eintrittsticket nötig Anmeldung für Führungen, Workshops und den Kreativkick in der Mittagspause MuseumsInformation Berlin Tel +49 30 24749 888 Fax +49 30 24749 883 [email protected] www.museumsdienst-berlin.de Seite 24 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 6. Daten & Fakten Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 8. Oktober 2016 – 9. Januar 2017 Öffnungszeiten Mittwoch bis Montag 10 – 19 Uhr, Dienstag geschlossen an den Feiertagen geöffnet; 24.12. und 31.12. geschlossen Veranstalter: Berliner Festspiele / Martin-Gropius-Bau. Eine Ausstellung des British Museum zum Buch von Neil MacGregor. Ermöglicht durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Das kulturelle Vermittlungsprogramm wird ermöglicht durch die Friede Springer Stiftung. Das Deutsche Historische Museum und die Staatlichen Museen zu Berlin unterstützen die Ausstellung. Kurator: Barrie Cook Kommunikation Leitung: Dr. Susanne Rockweiler Presse: Christiane Zippel T +49 30 254 86 – 236, F +49 30 254 86 – 235 [email protected] Organisation: Katrin Mundorf T +49 30 254 86 – 112, F +49 30 254 86 – 107 [email protected] Eintrittspreise € 11 / ermäßigt € 8, Gruppen (ab 5 Personen) p.P. € 8 Schülergruppen, p.P. € 6 Eintritt frei bis 16 Jahre Online-Tickets: www.gropiusbau.de/tickets Begleitbuch Neil MacGregor: Deutschland. Erinnerungen einer Nation 640 S., 335 farb. Abb. C.H.Beck Verlag Preis: € 39,95 Audioguide Erwachsene € 4, dt. /engl. Kinder € 3, dt. Angemeldete Führungen Für Gruppen: Führungen in deutscher Sprache (60 min.) Erwachsene: € 60 zzgl. Eintritt p.P. € 8 Schulklassen: € 45 zzgl. Eintritt p.P. € 6 Eintritt frei bis 16 Jahre Führungen in anderen Sprachen zzgl. € 10 Lunchführungen: Mittwochs 13 Uhr 2.11.2016, 7.12.2016, 4.1.2017 Seite 25 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation Kulturelle Vermittlung Informationen zur MGB SchülerUni, Workshops für Schulklassen und mehr unter www.gropiusbau.de/schuelerprogramm Öffentliche Workshops für Familien Sonntags 13 Uhr: 16.10., 6.11., 13.11., 20.11., 27.11., 4.12., 11.12., 18.12.2016 Mittwochs 13 Uhr: 28.12.2016, 4.1.2017 keine Gebühr, Anmeldung empfohlen, begrenzte Teilnehmerzahl Details: www.gropiusbau.de/schuelerprogramm Beratung und Anmeldung für Führungen, Workshops, MGBSchülerUni MuseumsInformation Berlin Tel. +49 30 24749-888, Fax +49 30 24749-883 [email protected] www.museumsdienst-berlin.de Seite 26 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 7. Partner & Sponsoren Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 8. Oktober 2016 – 9. Januar 2017 Veranstalter: In Zusammenarbeit mit: Mit freundlicher Unterstützung: Die Ausstellung wird ermöglicht durch: Partner: Medienpartner: Seite 27 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation Das Begleitbuch ist erschienen: Der Martin-Gropius-Bau wird gefördert durch: Seite 28 / 28 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 05.10.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation Anlagen Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 8. Oktober 2016 – 9. Januar 2017 Anlagen / Informationen: - Copyrightliste mit Objekttexten - Begleitbuch von Neil MacGregor - Wall AG - Programm Berliner Festspiele / Martin-Gropius-Bau - Flyer —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 22.09.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation Martin-Gropius-Bau Berlin 8. Oktober 2016 bis 9. Januar 2017 Bitte beachten Sie die Bildlegenden. Das Bildmaterial dient ausschließlich zur aktuellen redaktionellen Berichterstattung über die Ausstellung „Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation (8. Oktober 2016 bis 9. Januar 2017) im Martin-Gropius-Bau. Die Berichterstattung von Text und Bild muss im Verhältnis 1:1 stehen, dann ist das Bildmaterial für 5 Bilder kostenfrei. 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Please always mention the name of the artist, the work title and the copyright in the caption. The rights of use for title-page photos or photo spreads are to be obtained directly from the respective copyright holder. Please send us 2 copies of your article to the address mentioned below. Martin-Gropius-Bau Pressearbeit / press office: Tel: +49 30 25486-236 | Fax: +49 30 25486-235 | [email protected] Öffentlichkeitsarbeit / public relations: Tel: +49 30 25486-123 | Fax: +49 30 25486-107 | [email protected] 01_Richter.jpg Gerhard Richter Betty (Edition 23/25), 1991 Offsetdruck auf Karton, 97,1 x 66,2 cm Sammlung Olbricht © Atelier Gerhard Richter Gerhard Richter, schuf dieses Porträt mit seiner Tochter Betty nach einer Fotografie, die entstand, als sie sich umdrehte, um auf eines seiner Gemälde zu blicken. Er benutzt das Bild einer Person, die sich umdreht, um den Betrachter einzubeziehen. Das junge Mädchen, die Tochter, scheint sich vom Künstler, ihrem Vater, abzuwenden –oder sie wendet sich etwas anderem zu. Das Bild ist bestimmt von Ambiguität, es suggeriert den Konflikt Seite 1 / 13 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 21.09.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation zwischen Generationen, das Zusammenspiel zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Assoziationen von Akzeptanz und Ablehnung. Gerhard Richter wurde 1932 in Dresden geboren. Er wuchs in einer Region auf, die später zur DDR gehörte und floh 1961 in den Westen, zwei Monate vor dem Bau der Berliner Mauer. Richter ist einer der bedeutendsten Künstler, die Ende des 20. Jahrhunderts in Erscheinung getreten sind. Kapitel: Krise & Erinnerung 02_Fichtendickicht.jpg Caspar David Friedrich Fichtendickicht im Schnee (Aus der Dresdner Heide I), um 1828 Öl auf Leinwand, 31,3 x 25,4 cm © Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Neue Pinakothek München Die deutsche Landschaft hat eine große Bedeutung für die deutsche Identität und inspirierte jahrhundertelang deutsche Künstler und Dichter. Die jeweilige Landschaft hat für alle Kulturen und Länder einen Stellenwert, doch in Deutschland legt man seit jeher die Betonung auf als wild empfundene Bergketten, einsame Seen und dunkle Wälder. Der moderne Blick auf die Natur spiegelt sich möglicherweise auch im frühen und bis heute maßgeblichen Einfluss der Umweltschutzbewegungen in Deutschland. Das Œuvre Caspar David Friedrichs hat mehr als das Werk jedes anderen Künstlers einen neuen Blick auf deutsche Landschaften erlaubt, sowohl im Sinne eines Identitätssymbols als auch einer wirklichkeitsnahen Abbildung. Dieses Gemälde mit Fichten im Schnee folgt einerseits einem konsequenten Realismus, kann aber auch als Meditation über Hoffnung und Erneuerung interpretiert werden, angesichts der drei großen immergrünen Bäume, die auf die christliche Auferstehung hindeuten. Kapitel: Fließende Grenzen Seite 2 / 13 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 21.09.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 03_Bauhauswiege.jpg Peter Keler Lizenzierte Reedition der Wiege durch TECTA, 1970er Jahre Holz, Metall, Naturrohrgeflecht, 91 x 98 cm © TECTA Bruchhäuser & Drescher KG Diese Wiege in ihrer einfachen Kombination eines blauen Kreises, gelben Dreiecks und roten Rechtecks wurde 1922 vom BauhausStudenten Peter Keler kreiert und steht als Sinnbild für das Design des Bauhaus. Er erklärte, dass ein Kind in dieser Wiege nicht umkippen könne, es könne seine Umwelt beobachten und habe mehr Platz als in einer herkömmlichen Wiege. Sie bestehe ausschließlich aus natürlichen Materialien. Die Wiege wird noch heute mit seinen traditionellen Materialien, lackiertem Stahlrohr und Weidengeflecht, produziert. Kapitel: Made in Germany 04a_Rhinozeros.jpg Albrecht Dürer Rhinocerus (Das Rhinozeros), 1515 Holzschnitt mit Typendruck, 24 x 29 cm © Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett Das Rhinozeros von Albrecht Dürer fand zu seiner Zeit weite Verbreitung als Druck. Dürers Darstellung basierte auf einer schriftlichen Beschreibung und einer Skizze. Das Tier hat er selbst niemals gesehen. Die Darstellung ist ungenau, aber sie wurde vielfach über Jahrhunderte hinweg kopiert - exakt einschließlich seiner dekorativ-ornamentalen Anatomie, so auch in einer Version der Meißener Porzellanmanufaktur. Kapitel: Made in Germany 04b_Nashorn.jpg Johann Gottlieb Kirchner Nashorn (nach Albrecht Dürers Holzschnitt), 1730 Porzellan, weiß lasiert/ Meißen, H. 67 cm © Porzellansammlung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: H. Jaeger Kapitel: Made in Germany Seite 3 / 13 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 21.09.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 05_Ehrenpforte.jpg Albrecht Dürer und Werkstatt sowie Albrecht Altdorfer Die Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I., 1517/1518 Kolorierter Holzschnitt, 340,9 x 292,2 cm © Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett Der Triumphbogen (Ehrenpforte) wurde vom römisch-deutschen Kaiser Maximilian I. in Auftrag gegeben, um seine Dynastie, seine Stellung als Kaiser und seine Leistungen zu verherrlichen. Es ist eine der großformatigsten Druckgrafiken, die man jemals geschaffen hat. Der Druck sollte von Hand koloriert werden, wie dieses Beispiel zeigt, und diente als monumentale Wanddekoration. Entwurf // Das allegorische Programm der Ehrenpforte wurde von Johann Stabius entwickelt und ist von den Triumphbögen der römischen Kaiser abgeleitet. Der Baumeister und Maler Jörg Kölderer entwarf die grundlegende Gliederung des Aufbaus. Albrecht Dürer führte nicht die gesamte Gestaltung aus, sondern konzentrierte sich auf die hervorstechendsten Ornamente, auf den größten Teils des Mittelbogens und auf die rechte Hälfte des ornamentalen Rahmenwerks. Die Gestaltungen des Großteils der historischen Szenen, des Habsburger Familienstammbaums im Zentrum und die linke Seite des ornamentalen Rahmenwerks überließ er seinen Schülern Hans Springinklee und Wolf Traut sowie Albrecht Altdorfer die meisten Szenen der äußeren Türme. Ausführung // Die Entwürfe wurden um 1515 vollendet, und die notwendigen 195 einzelnen Druckstöcke aus Holz wurden vom Nürnberger Meister Hieronymous Andreä zwischen 1515 und 1517 geschnitzt. Die immensen Ausmaße und seine letztlich unausgewogene Struktur erschweren das Verständnis dieses Werks. Die mangelnde Einheitlichkeit war zum Teil der großen Zahl der daran beteiligten Personen geschuldet sowie den in der Natur der Sache begründeten Schwierigkeiten, ein einziges Bild aus derart vielen einzelnen Druckstöcken zu erstellen. Darin spiegelt sich auch das persönliche Mitwirken Maximilians: Er war mehr am Inhalt als an der Form interessiert und überwachte genau die inhaltlich-gestalterischen Details. Kapitel: Reich und Nation Seite 4 / 13 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 21.09.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 06_Kompendium.jpg Johann Anton Linden Astronomisches Kompendium (Heilbronn), 1596 Kupfer, Gold, Silber, 16,5 x 7,5 x 2 cm © The Trustees of the British Museum Geschickte deutsche Metallhandwerker bauten einige der besten wissenschaftlichen Instrumente der frühen Neuzeit. Dieses einzigartige Präzisionsinstrument in der Größe eines eBooksReaders vereinigt in einem kompakten Metall-Etui verschiedene Skalen, Geräte zur Zeitmessung sowie ein Astrolabium. Ein Sinnspruch ist eingraviert: „Die Zeit rennt. Der Tod ist wie eine Schwelle, die du überschreiten musst.“ Die Inschrift berichtet außerdem, dass dies ein astronomisches Gerät war, das für Christoph Leibfried von Würzburg in Auftrag gegeben wurde und „mit Fleiß und Rechtschaffenheit“ gemacht wurde. Kapitel: Made in Germany 07_Weltallschale.jpg Jonas Silber Weltallschale, 1589 Silber, vergoldet, Reste farbiger Lackbemalungen H 34,3 cm © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum / Fotostudio Bartsch Die Weltallschale, geschaffen von Jonas Silber, stellt eine großartige Leistung der Goldschmiedekunst dar und wurde im Jahr 1589 für den römisch-deutschen Kaiser Rudolf II. hergestellt. Das Thema der Schale ist ein wieder erstarktes Heiliges Römisches Reich. Ihr reichhaltiger Dekor zeigt allegorische Darstellungen der Kontinente, die zwölf legendären frühen germanischen Könige, die weibliche Personifizierung Germania und die Kurfürsten, insgesamt eine kollektive Allegorie der deutschen Nation. 1703 schenkte die jüdische Gemeinde von Halberstadt, in deren Besitz die Schale gekommen war, dieses wertvolle Objekt ihrem Herrscher, König Friedrich I. von Preußen, als Dank für die Erlaubnis, eine auf höhere Studien spezialisierte Institution eröffnen zu dürfen. Kapitel: Reich und Nation Seite 5 / 13 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 21.09.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 08_Lerff.jpg Balthasar I. Lerff Goldene Sau von Kandern, um 1605 Silber, getrieben, vergoldet H 26,5 x 14,0 x 35 cm © Landratsamt Lörrach, Waldwirtschaft Kandern; Dauerleihgabe im Badischen Landesmuseum Karlsruhe; Foto: Badisches Landesmuseum Karlsruhe Der Genuss von Alkohol war Teil der meisten sozialen Anlässe in Deutschland. Bei den hohen Ständen wurde ein männlicher Gast mit einem kunstvollen Trinkgefäß, gefüllt mit Wein, willkommen geheißen – mit einem „Willkomm“. Städte wie Augsburg und Nürnberg waren besonders berühmt für die Gestaltung solcher Pokale, oft in Nachbildungen von Jagdwild, etwa Hirschen oder Wildschweinen. Der Gast nahm den Kopf des dargestellten Tiers ab und trank den Inhalt. Kapitel: Reich und Nation 09_Carus.jpg Carl Gustav Carus Die Dreisteine im Riesengebirge, 1826 Öl auf Leinwand, 64 x 92,5 cm © Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Estel/Klut Viele der Landschaftsbilder von Carl Gustav Carus zeigen Orte am Rand der deutschsprachigen Welt. Dieses Gemälde führt in eine Gegend des Riesengebirges, an der Grenze zwischen Böhmen und Schlesien. Die wildromantische Landschaft war ein beliebtes Motiv für deutsche Landschaftsmaler. Das Riesengebirge liegt heute in Tschechien und Polen. Carus zählt zu einer Generation Intellektueller, welcher Johann Wolfgang von Goethe und der Maler Caspar David Friedrich angehörten. Carus‘ Gemälde stellen die wildromantische deutsche Landschaft als Symbol deutscher Identität in den Mittelpunkt. Kapitel: Fließende Grenzen Seite 6 / 13 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 21.09.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 10_Goethe.jpg Karl Bennert Goethe in der Campagna (Kopie nach J.H.W. Tischbein), um 1849 Öl auf Leinwand, 167,5 x 211,2 cm Freies Deutsches Hochstift / Frankfurter Goethe-Museum © David Hall – ARTOTHEK Johann Wolfgang von Goethe war der erste deutsche Literat, der in vielfältiger Weise internationalen Ruhm erlangte. Zu seiner Zeit wurde er als das Äquivalent der deutschsprachigen Welt zu Dante, Shakespeare und Cervantes betrachtet. Johann Tischbeins berühmtes Porträt entstand in Italien, nachdem Goethe bereits eine literarische Berühmtheit geworden war. Es präsentiert Goethe inmitten von Ruinen aus der römischen Antike. Ein Fragment eines Frieses zeigt eine Szene des antiken griechischen Dramas Iphigenia in Tauris von Euripides, das Goethe zu jener Zeit in ein klassisches Versdrama in deutscher Sprache umarbeitete. Das Porträt impliziert, dass Goethe die großen Traditionen der Antike erneuern sollte. Während Efeu die Ruinen bedeckt, wächst hinter ihm eine „Deutsche Eiche“ in frischem Grün. Obwohl Goethe selbst das vollendete Bild nie mit eigenen Augen sah, hat es als Gemälde Symbolcharakter erlangt und ist heute das berühmteste Porträt eines Deutschen. Es wurde mehrfach kopiert, hier in einer Fassung von Karl Bennert. Kapitel: Made in Germany 11_Mendelsohn.jpg August Theodor Kaselowsky Porträt Moses Mendelssohn, Kopie nach Anton Graff, (um 1771), 1855 Öl auf Leinwand, 57 x 48 cm Jüdisches Museum Berlin, Dauerleihgabe des Israel Museums Jerusalem, Foto: Jens Ziehe Im 18. Jahrhundert verbesserte sich die Stellung der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum beträchtlich. Diese Entwicklung erreichte einen Höhepunkt im Rahmen der josephischen Toleranzpatente, die Kaiser Joseph II. 1781 und 1782 erließ. Während indes erhebliche Restriktionen beibehalten wurden und viele Juden nach wie vor ein marginalisiertes Leben fristeten, waren einige in der Lage, wichtige Positionen im politischen und kulturellen Bereich der Zeit zu erlangen. Das berühmteste Beispiel dieser Entwicklung ist Moses Mendelssohn (Großvater des Komponisten Felix Mendelssohn), der die Tora ins Deutsche übersetzt hat. Er wirkte in Berlin und wurde von seinen Zeitgenossen weithin als Vordenker der Aufklärung verehrt. Kapitel: Reich und Nation Seite 7 / 13 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 21.09.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 12_Benz.jpg Carl Friedrich Benz Benz-Patent-Motorwagen Nr. 2 (originalgetreuer Nachbau), 1885 Eisen, Messing, Kunststoff, Eiche, 148 x 146 x 248 cm © Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim, Foto: Jean Christen Deutsche Ingenieure und Erfinder spielten eine wichtige Rolle bei der frühen Entwicklung des Automobils: In den 1880er-Jahren produzierten Wilhelm Maybach, Gottlieb Daimler und Carl Benz die ersten Wagen, für die man keine Pferde benötigte, angetrieben durch einen Verbrennungsmotor, den kurz vorher, in den 1870er-Jahren, Nicolaus Otto und Eugen Langen entwickelt hatten. Eine zunächst skeptische Öffentlichkeit wurde durch geschicktes Marketing überzeugt, indem Bertha, die Gattin von Benz, 1888 mit ihren beiden jungen Söhnen zum ersten Mal in der Geschichte des Automobils eine Überlandfahrt von Mannheim nach Pforzheim unternahm. Als Benz 1929 starb, wurde er als einer der Mitbegründer eines weltweiten Industriezweigs gefeiert. In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg rangierte Deutschland bei der Produktion und Motorisierung der Massen allerdings weit hinter Großbritannien und Frankreich, ganz zu schweigen von den USA. Die Unternehmen Daimler und Benz konzentrierten sich auf Luxus-Limousinen für die Reichen, waren allerdings 1926 dazu gezwungen, zu fusionieren, weil vorher hohe Unkosten und Schulden ihre Entwicklung ständig gebremst hatten. Kapitel: Made in Germany 13_Kollwitz.jpg Käthe Kollwitz Gedenkblatt für Karl Liebknecht, 1919–1920 Holzschnitt, 55,6 x 69,9 cm © Staatliche Museen zu Berlin – Kupferstichkabinett Im November 1918, mit der Abdankung des deutschen Kaisers brachen in ganz Deutschland Generalstreiks und revolutionäre Aufstände unter Führung von Arbeiter- und Soldatenräten aus, die sog. Novemberrevolution. An die Stelle demobilisierter Reichswehrverbände traten paramilitärische Formationen aus Armeeveteranen, die Freikorps genannt wurden. Einer der führenden Köpfe des sozialistischen Spartakusbundes war Karl Liebknecht, der versuchte, in Berlin eine Räteregierung einzusetzen. Liebknecht und seine Mitstreiterin, Rosa Luxemburg, wurden im Januar von Mitgliedern der Freikorps festgenommen und ermordet. Die Künstlerin Käthe Kollwitz wurde von der Familie Liebknecht eingeladen, den aufgebahrten Leichnam zu sehen, und Seite 8 / 13 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 21.09.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation schuf daraufhin einen bewegenden Holzschnitt, der dem ikonografischen Vorbild der Beweinung Christi folgt. Die Inschrift trägt die Worte: „Die Lebenden dem Toten. Erinnerung an den 15. Januar 1919“. Kapitel: Krise und Erinnerung 14_Bauhaus.jpg Herbert Bayer (Entwurf) Reineck & Klein, Weimar (Druck) Postkarte Nr. 11 zur Bauhaus-Ausstellung in Weimar im Sommer 1923, Farblithographie auf Karton, 14,5 x 9,8 cm Bauhaus-Archiv Berlin, © VG Bild-Kunst, Bonn 2016 1923 organisierte die von Walter Gropius gegründete Schule des Bauhaus in Weimar ihre erste Ausstellung. Sie verfolgte ein radikales Programm, bei dem traditionelle handwerkliche Methoden, künstlerische Vision und modernes Industriedesign verschmolzen, um funktionale Objekte herzustellen, die sowohl elegant als auch erschwinglich waren. Als Teil der Werbung für die Ausstellung gestalteten Meister und Studenten 20 Postkarten, jede nummeriert und mit dem Namen des jeweiligen Künstlers versehen. Diese Karten stellten eine für die Zeit neue Werbetaktik dar. Kapitel: Made in Germany 15_Schwebender.jpg Ernst Barlach Schwebender, 1927 (Guss 1987) Bronze, 74 x 217 x 71cm © Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf, Leihgabe des Kulturrings der Schleswig-Holsteinischen Wirtschaft Diese schwebende Figur, oft als „Engel“ bezeichnet, wurde vom Dom in Güstrow als Mahnmal für die Toten aus dem Ersten Weltkrieg in Auftrag gegeben. Ernst Barlach war aus dem Krieg als Pazifist zurückgekehrt. Mit dieser eindrucksvollen Skulptur schuf er sein bedeutendstes Werk. Losgelöst von Erde und Zeit, mit verschränkten Armen und geschlossenen Augen drückt die Figur eine internalisierte Vision des Kummers und des Leids, die der Krieg hervorgebracht hat, aus. Ihr Gesicht trägt die Züge der mit Barlach eng befreundeten Künstlerin Käthe Kollwitz, die ihren Sohn im Krieg verloren hatte. In den 1930er-Jahren wurde der Großteil von Barlachs Werken als „entartete Kunst“ konfisziert. 1937 wurde der Engel aus dem Güstrower Dom entfernt und für Kriegszwecke eingeschmolzen, doch ein zweiter Abguss blieb erhalten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dieser in der Antoniterkirche in Köln angebracht. Noch zwei weitere Abgüsse Seite 9 / 13 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 21.09.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation wurden angefertigt, einer davon hängt an der ursprünglichen Heimstatt im Güstrower Dom. Der hier ausgestellte Guss entstand 1987 und befindet sich im Besitz des Kulturrings der Schleswig-Holsteinischen Wirtschaft, als Würdigung von Barlachs Geburtsort Wedel in Holstein. Kapitel: Krise und Erinnerung 16_VWKäfer.jpg VW-Käfer, sogenannter „Brezel-Käfer“ 1952 150 x 155 x 390 cm Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin © SDTB/Foto: Sammlungsdokumentation Der Volkswagen Käfer ist eines der bekanntesten Automobile der Welt – eine internationale Ikone und ein Symbol für das deutsche „Wirtschaftswunder“ in der Nachkriegszeit. Es stand für hohe Qualität, Wirtschaftlichkeit und Bezahlbarkeit, und sein Design sprach die Menschen an. Mit mehr als 21 Millionen hergestellten Fahrzeugen wurde der Käfer zum am längsten produzierten und meistgebauten Automobil eines einzigen Modells weltweit, bevor 2003 die Produktion eingestellt wurde. Der Käfer hatte seinen Vorläufer im Dritten Reich, im „KdF-Wagen“. Die Idee eines Autos für die Massen faszinierte die Nationalsozialisten. Durch Spareinzahlungen an die NS-Organisation „Deutsche Arbeitsfront“ sollten private Kaufinteressenten die Vorfinanzierung dafür leisten. Die Bezeichnung Volkswagen wurde zum festen Begriff dafür. Ferdinand Porsche erhielt den Auftrag, ein Modell zu entwickeln. 1938 begann der Bau des Volkswagenwerks. Mit Kriegsbeginn unterblieb die Fertigung des Kdf-Wagens als ziviles Auto zugunsten der Herstellung des sog. Kübel-Wagens für die Deutsche Wehrmacht. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann die Massenproduktion des Käfers in Wolfsburg. Seit den frühen 1950er-Jahren repräsentierte der VW-Käfer ein anderes neues Deutschland. Kapitel: Made in Germany Seite 10 / 13 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 21.09.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 17_Baselitz.jpg Georg Baselitz Adler, 1977 Radierung, handkoloriert, 30 x 27 cm © Georg Baselitz 2016. Schenkung an das British Museum von Count Christian Duerckheim Georg Baselitz, einer der bedeutendsten Künstler Deutschlands, malt oft Bilder, die auf dem Kopf stehen, um die Wahrnehmung des Betrachters herauszufordern. Ein Großteil seines künstlerischen Schaffens konfrontiert mit der jüngsten deutschen Geschichte und was es bedeutet, Deutscher zu sein nach dem Zweiten Weltkrieg. Hier hat er die Technik der Umkehrung von Bildmotiven auf Symbole nationaler Identität angewandt – den Bundesadler und die Flagge des demokratischen Deutschlands. Beide Symbole sind verschlissen und zerfranst und stehen auf dem Kopf, eine Reflektion womöglich der Zerbrechlichkeit der Ideale, die sie verkörpern, angesichts der Barbarei und Verbrechen der NS-Zeit. Baselitz wurde 1938, während der NS-Zeit, im späteren Ostdeutschland geboren. Er studierte Kunst, wurde aber bald der Hochschule verwiesen wegen „gesellschaftlicher Unreife“ und ging 1957, vor dem Mauerbau, nach Westberlin. Baselitz, der heute sowohl in Deutschland als auch in Italien lebt, hat gesagt: „ Woraus ich nie entfliehen konnte war, Deutschland und Deutscher zu sein.“ Kapitel: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 18_Grenzübergang.jpg Modell des Grenzübergangs Bahnhof Friedrichstraße, um 1970 Holz, Metall, Weißblech / Lackfarbe (mehrfarbig) 25 x 70 x 90 cm © Deutsches Historisches Museum, Berlin Es gab mehrere Grenzübergänge zwischen Ost- und Westberlin. Der Bahnhof Friedrichstraße, der am häufigsten benutzt wurde, war absichtlich komplex und ohne klare Orientierung angelegt, wie an diesem Modell zu sehen ist, das das DDR-Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) angefertigt hat. Das Modell wurde wahrscheinlich dazu eingesetzt, um Grenzpersonal Überwachungsmethoden beizubringen, die verhinderten, dass ostdeutsche Bürger fliehen konnten. Kapitel: Krise und Erinnerung Seite 11 / 13 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 21.09.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 19_Surfanzug.jpg Surfanzug, vorgesehen für einen Fluchtversuch von Ost- nach Westdeutschland, November 1987 © Deutsches Historisches Museum, Berlin/ I. Desnica Viele Menschen versuchten den kommunistischen Staat in Ostdeutschland zu verlassen – um 1961 hatte er bereits 20 Prozent seiner Bevölkerung an den Westen verloren. Im August 1961 errichtete die DDR die Berliner Mauer und die Grenzmauern zur Bundesrepublik hin, um die Abwanderung zu beenden und ordnete Schießbefehl gegen Flüchtende an. Einer der wenigen möglichen Fluchtwege war die Ostsee. Dieser Surfanzug war Teil eines solchen Planes. Ein Freundespaar wagte im November 1987 die Flucht über die Seeroute. Sie wollten in einem Schlauchboot von der Küste vor Mecklenburg nach Westen paddeln und trugen Surfanzüge, um Unterkühlung zu vermeiden. Beide wurden noch an Land verhaftet und mit Gefängnis bestraft. Der Surfanzug stammt aus einer Sammlung, in der Objekte aus Fluchtversuchen dokumentiert wurden. Das Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) benutzte sie zur Ausbildung von Informanten, damit diese jene Mitbürger ausspähen konnten, die eine Flucht vorbereiten. Kapitel: Krise und Erinnerung 20_Buchenwald.jpg Buchenwald Lagertor (Replik) Replik 2009 / Farbgebung 2014 Metall, 186,5 x 98,7 cm © Katharina Brand, Sammlung Gedenkstätte Buchenwald Der Nazi-Terror ist die zentrale, unentrinnbare Erinnerung des modernen Deutschlands. Er führte zur systematischen Ermordung von rund sechs Millionen Juden und brachte Tod und Zerstörung über ganz Europa. 1937 wurde vor den Toren von Weimar – Stadt Goethes und Schillers, des Bauhauses und Wiege der demokratischen Verfassung der Weimarer Republik – das Konzentrationslager Buchenwald gebaut. Hier starben zwischen 1937 und 1945 nach Schätzungen 56.000 Insassen an Hunger, an einer perfiden Strategie des „Arbeitens bis zum Umfallen“, bei Massentötungen, bei Menschenexperimenten und weiteren Gewalttaten. Das Tor von Buchenwald steht für das Nebeneinander von Gräueltaten und Zivilisation. Es ist das Tor zu unvorstellbarem Leid der Opfer des Nationalsozialismus. Die Toraufschrift der meisten Lager verkündete den ankommenden Gefangenen „Arbeit macht frei“. Das Tor von Buchenwald Seite 12 / 13 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 21.09.2016 Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation trug jedoch in diesem Zusammenhang ebenso infames, anderes Motto, das die Häftlinge an der Innenseite lesen sollten, „Jedem das Seine“, entlehnt aus dem Römischen Recht. Die Torinschrift war das Werk eines ehemaligen Bauhaus-Studenten, Franz Ehrlich, der im Lager Buchenwald inhaftiert war. Es war womöglich ein subtiler Akt der Renitenz, dass Ehrlich sich für die Form der Buchstaben an Bauhaus-Künstlern inspirierte, die den Nazis verhasst waren. Die rote und weiße Farbe des Tores wurde regelmäßig erneuert, damit die Schrift lesbar blieb. Im Lager waren Gefangene aller Kategorien aus Deutschland und aus vielen europäischen Ländern inhaftiert, Juden und politische Gefangene, Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen, religiös und politisch Andersdenkende, Roma und Sinti, Homosexuelle, Kriegsgefangene und gewöhnliche Kriminelle. Die Insassen wurden als Zwangsarbeiter in den umliegenden Fabriken eingesetzt. Später, zwischen 1945 und 1950, benutzten die sowjetischen Behörden das Lager, um Personen, die als Gegner des Stalinismus betrachtet wurden, und mutmaßliche Nazis zu inhaftieren. 7000 Personen starben in diesem Zusammenhang. Kapitel: Krise und Erinnerung Seite 13 / 13 —— Martin-Gropius-Bau Pressebüro, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, T +49 30 254 86–236, F +49 30 254 86–235 [email protected], www.gropiusbau.de Stand: 21.09.2016 Deutschlands Geschichte ist stärker zersplittert als die der meisten anderen europäischen Länder. Seine Grenzen waren oft in Bewegung, und die längste Zeit der letzten 500 Jahre bestand es aus einem bunten Mosaik von politischen Gebilden. Doch es gibt auch Erinnerungen, die allen Deutschen gemeinsam sind – Erinnerungen einer Nation. Neil MacGregor stellt sie uns vor in einem Buch über Deutschland, wie es noch nie eines gab. Seine augenöffnende Reise durch die deutsche Geschichte beginnt mit dem Brandenburger Tor, und sie endet mit der Reichstagskuppel und Gerhard Richter. Unterwegs begegnen wir einem faszinierenden Ensemble, darunter Gutenbergs Buchdruck, Porzellan aus Dresden, deutsches Bier und deutsche Wurst, Goethe, Schneewittchen und Mutter Courage, die Krone Karls des Großen, ein Tauchanzug made in Ostdeutschland und das Tor von Buchenwald. Wie es Neil MacGregor gelingt, all diese Objekte zum Sprechen zu bringen und sie von deutscher Geschichte erzählen zu lassen, dabei die Schrecken der NS-Zeit nicht zu relativieren und doch den Reichtum der deutschen Geschichte begeistert und begeisternd vor dem Leser zu entfalten – das ist so intelligent, so bravourös und so unterhaltsam zugleich, dass man es einfach gelesen haben muss. Katalog zur Ausstellung im Martin-Gropius-Bau Berlin 640 S., 335 farb. Abb., 8 Ktn. Geb. € 39,95 ISBN 978-3-406-67920-9 „Lehrreich, kompakt und mitunter recht eigenwillig.“ Hubert Spiegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung „Erfrischend anders als so viele langweilige Geschichtsbücher über dieses seltsame Land.“ Klaus Hillenbrand, die tageszeitung „Spannender Ritt durch die Geschichte. Reich bebildert und hochwertig produziert.“ Kölner Stadtanzeiger „Eine deutsche Erinnerungsgeschichte, die sich wunderbar lesen, hören, sehen, fühlen und diskutieren lässt.“ Neil MacGregor war Direktor der National Gallery, London von 1987 bis 2002 und des Britischen Museums von 2002 bis 2015. Für Deutschland. Erinnerungen einer Nation wurde er mit dem Friedrich-GundolfPreis, der Goethe-Medaille und dem Deutschen Nationalpreis ausgezeichnet. Seit Oktober 2015 leitet er die Gründungsintendanz des Humboldt-Forums. WWW.C HBEC K.DE C.H.BECK Ulinka Rublack, Die Zeit 816 S., 159 Abb., 4 Ktn. Geb. € 39,95 ISBN 978-3-406-62147-5 816 S., 159 farb. Abb., 4 Ktn. Geb. € 25,– ISBN 978-3-406-65286-8 347 S., 125 farb. Abb. Geb. € 29,95 ISBN 978-3-406-65287-5 Unternehmensdarstellung Wall AG Wall AG. Für Städte. Für Menschen. Die Wall AG ist ein international tätiger Spezialist für Stadtmöblierung und Außenwerbung und Teil des Konzerns JCDecaux SA, der Nummer 1 der Außenwerbung weltweit. Das 1976 gegründete Unternehmen gestaltet unter Einbeziehung namhafter Architekten und Designer den öffentlichen Raum mit zukunftsfähigen Stadtmöbeln. Selbstreinigende, behindertengerechte City-Toiletten, Wartehallen, Stadtinformationsanlagen, Multifunktionssäulen, Kioske und hochwertige Werbeträger werden im eigenen Werk im brandenburgischen Velten hergestellt. Die Städte erhalten die Stadtmöbel kostenlos. Die Investitionen refinanziert Wall durch die Vermarktung der in die Produkte integrierten Werbeflächen. Über 28 verschiedene Designlinien hat das Unternehmen bislang für den urbanen Raum entwickelt. Wall realisiert das Konzept .Alles aus einer Hand: Entwicklung und Produktion, Reinigung und Wartung der Stadtmöbel sowie die Vermarktung der Werbeflächen erfolgen durch das Unternehmen selbst. Innovation, Qualität und Nachhaltigkeit kennzeichnen die Produkte und Dienstleistungen von Wall. Dieses Geschäftsmodell öffnet nicht nur den Städten, sondern auch der Außenwerbung neue Chancen und Räume. Werbeträger von Wall bringen die medialen Vorteile auf den Punkt: Die hoch frequentierten Standorte auf öffentlichen Plätzen und Straßen, die plakative Größe sowie die überzeugende Kontaktqualität kennzeichnen alle Wall- Premiumwerbeflächen. Bei der Vermarktung geht es um Klasse statt Masse: Wall lässt die immer bessere Qualität für sich sprechen. Seit Januar 2011 vermarkten die Wall AG und die JCDecaux Deutschland GmbH gemeinsam unter der Vertriebsmarke WallDecaux Premium Outdoor Sales, als Unternehmensbereich der Wall AG, ihre Werbeflächen in mehr als 60 deutschen Städten, darunter alle Millionenstädte. WallDecaux ist der größte Anbieter in Deutschland für das Werbeformat City Light Poster (CLP). Insgesamt vermarktet Wall europaweit mehr als 91.300 Werbeflächen, davon mehr als 6.332 an Transportmitteln wie Tram, Bus, U-Bahn und LKWs. Seit Beginn des Jahres 2011 ist der Vorstand der Wall AG auch verantwortlich für das Management der JCDecaux Deutschland GmbH und führt somit insgesamt 1.055 Mitarbeiter in Deutschland und der Türkei. 16. September 2016 bis 9. Januar 2017 Pina Bausch und das Tanztheater Martin-Gropius-Bau Veranstalter: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn. In Kooperation mit der Pina Bausch Foundation, Wuppertal. 30. September 2016 bis 8. Januar 2017 +ultra. gestaltung schafft wissen Martin-Gropius-Bau Veranstalter: Exzellenzcluster »Bild Wissen Gestaltung. Ein Interdisziplinäres Labor« der Humboldt-Universität zu Berlin 27. Oktober bis 20. November 2016 Lundahl & Seitl: Symphony of a Missing Room Martin-Gropius-Bau Teil der Programmreihe „Immersion. Analoge Künste im Digitalen Zeitalter“ 1. bis 6. November 2016 Jazzfest Berlin Haus der Berliner Festspiele und andere Orte 8. Oktober 2016 bis 9. Januar 2017 Der Britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation 9. bis 14. November 2016 Treffen junge Musik-Szene Haus der Berliner Festspiele Martin-Gropius-Bau 19. Oktober bis 4. Dezember 2016 Mona el Gammal: RHIZOMAT 17. bis 21. November 2016 Treffen junger Autoren Haus der Berliner Festspiele Ort wird bei Ticketkauf bekanntgegeben Teil der Programmreihe „Immersion. Analoge Künste im Digitalen Zeitalter“ 21. Oktober 2016 bis 15. Januar 2017 18. bis 20. November 2016 Schule der Distanz Martin-Gropius-Bau Bauen mit Holz – Wege in die Zukunft Teil der Programmreihe „Immersion. Analoge Künste im Digitalen Zeitalter“ Martin-Gropius-Bau 18. November 2016 bis 12. März 2017 Veranstalter: Technische Universität München Omer Fast »Reden ist nicht immer die Lösung« Martin-Gropius-Bau Teil der Programmreihe „Immersion. Analoge Künste im Digitalen Zeitalter“ 9. Dezember 2016 bis 5. März 2017 Robert Doisneau Fotografien Martin-Gropius-Bau Stand: 26. September 2016 Pina Bausch tanzt ein Solo in Danzón (Ausschnitt), Fotografie © Jochen Viehoff || David Georges Emmerich, Structure autotendante, © Collection FRAC Centre, Orléans / Photographie: François Lauginie || Gerhard Richter, Betty (Edition 23/25), 1991. Sammlung Olbricht, © Atelier Gerhard Richter || © Michael Rudolph || © Gassner Redolfi KG || © Ingeborg Oyen Thorsland || © Berliner Festspiele. Ta-Trung, Berlin, Philipp Jester || © Berliner Festspiele. Ta-Trung, Berlin, Philipp Jester || © Berliner Festspiele. Ta-Trung, Berlin, Philipp Jester || Omer Fast: 5000 Feet is the Best, Videoinstallation, Courtesy Galerie Arratia Beer / gb agency / Dvir Gallery / James Cohan Gallery © Omer Fast || Robert Doisneau: Le Baiser de L’Hotel de Ville, Paris, 1950 © Atelier Robert Doisneau, 2016 || © Laurent Philippe Haus der Berliner Festspiele Schaperstraße 24 10719 Berlin Martin-Gropius-Bau Niederkirchnerstraße 7 10963 Berlin www.berlinerfestspiele.de www.gropiusbau.de 16. bis 19. Dezember 2016 Palermo Palermo Haus der Berliner Festspiele Die Berliner Festspiele werden gefördert durch Berliner Festspiele Programm
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