Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 2015

Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie
Ergebnisse aus Psychotherapie, Beratung und Psychiatrie
Herausgeberinnen und Herausgeber:
Albert Lenz, Paderborn; Franz Resch, Heidelberg; Georg Romer, Münster;
Maria von Salisch, Lüneburg; Svenja Taubner, Klagenfurt
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Univ.-Prof. Dr. med. Franz Resch, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Zentrum für Psychosoziale
Medizin, Universitätsklinikum Heidelberg, Blumenstr. 8, D-69115 Heidelberg
Univ.-Prof. Dr. med. Georg Romer, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und
-psychotherapie, Schmeddingstr. 50, D-48149 Münster
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ISSN (Printausgabe): 0032-7034, ISSN (online): 2196-8225
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Inhalt
Editiorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491
Übersichtsarbeiten / Review Articles
Sandra Achtergarde, Jörg Müller, Christian Postert, Ida Wessing, Andreas Mayer
und Georg Romer
Der Zusammenhang von Bindungsmustern und der Entwicklung von
Angstsymptomen im Kindes- und Jugendalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496
Attachment Patterns and their Relation to the Development of Anxiety Symptoms in
Childhood and Adolescence
Originalarbeiten / Original Articles
Peter Zimmermann, Alexandra Iwanski und Fatma Çelik
Emotionsregulation und emotionale Verletzungssensitivität bei Jugendlichen
mit Angststörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527
Emotion Regulation and Emotional Vulnerability in Adolescents with Anxiety Disorders
Fallberichte / Case Reports
Antje Herbst, Judith Maria Fernholz, Kay Strothe und Sarah Schlund
Psychodynamisch-multisystemische Behandlung von Schulphobie mit
Trennungsangst im tagesklinischen Setting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545
Psychodynamic-multisystemic Therapy of School Phobia due to Separation Anxiety in
Day Clinic
Kurzbeiträge / Short Reports
Annette M. Klein, Tanja Müller-Göttken, Lars O. White, Anja Keitel-Korndörfer
und Kai von Klitzing
Evaluation der Psychoanalytischen Kurzzeittherapie für Kinder von 4-10
Jahren mit Angststörungen (PaKT): Zusammenfassung der Pilotstudie . . . . . . . . 563
Summary of the Pilot Study Short-term Psychoanalytic Child Therapy (PaCT) of Anxious
Children
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 489 – 490 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
490
Inhalt
Autoren und Autorinnen / Authors 572 | Buchbesprechungen / Book Reviews 574
Tagungskalender / Congress Dates 579 | Aus dem Inhalt des nächsten Heftes /
Preview of the next Issue 581
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EDITORIAL
Angststörungen und Bindungsentwicklung
Angstsymptome und Angststörungen zählen gemeinsam mit depressiven Störungen
und Störungen des Sozialverhaltens zu den häufigsten klinischen Auffälligkeiten
und psychischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter (Ravens-Sieberer et al.,
2008). Unbehandelt haben Angststörungen im Kindes- und Jugendalter ein hohes
Risiko für die Persistenz einer chronifizierten psychischen Erkrankung in höheren
Lebensaltern, wobei neben der spezifischen Persistenz einer Angststörung insbesondere depressive Störungen und Somatisierungsstörungen typisch sind. Insofern
kommt einem vertieften entwicklungspsychopathologischen Verständnis der Entstehung und Aufrechterhaltung von Angstsymptomen im Kindes- und Jugendalter
eine hohe Bedeutung für die Weiterentwicklung störungsspezifischer Behandlungsmethoden im Entwicklungskontext zu.
Im Säuglings- und Kleinkindalter sind Trennungs- und Verlustängste die bedeutsamsten bedrohlichen Ängste. Für deren Regulation und Bewältigung ist die reale
Verfügbarkeit einer sensitiven Bindungsperson unabdingbar. Je jünger ein Kind ist,
desto weniger kann es bei einer erlebten Trennung von der vertrauten Bindungsperson deren sichere Wiederkehr antizipieren. Demzufolge sind Trennungs- und
Verlustängste im frühen Kindesalter nicht differenzierbar, was unter anderem die
besondere Vulnerabilität für Trennungstraumata im Alter von 6 bis 36 Monaten
begründet (sensible Phase). Emotionale Störungen mit Trennungsangst sind im
Vorschul- und Grundschulalter die häufigsten behandlungsbedürftigen Angststörungen (Ihle u. Esser, 2002). Sie gehen im subjektiven Erleben der betroffenen Kinder typischerweise mit einer aus dem frühen Kleinkindalter persistierenden NichtDifferenzierbarkeit von Trennungs- und Verlustangst einher.
Bindungstheorie und Bindungsforschung beschäftigen sich seit ihren Anfängen
mit der Reaktion von Kindern auf Trennungs- und Verlusterlebnisse und der Bedeutung einer verlässlich emotional verfügbaren Bindungsperson für eine ungestörte
psychische Entwicklung in den ersten Lebensjahren (Bowlby, 1975, 1976). Im Titel
der Monografie, in der Klaus und Karin Grossmann die Ergebnisse von 40 Jahren
Bindungsforschung und sich stetig weiter entwickelnder Bindungstheorie integriert
zusammenfassen – „Bindungen: Das Gefüge psychischer Sicherheit“ (Grossmann u.
Grossmann, 2012) – verdichtet sich semantisch die Einsicht in die fundamentale
Bedeutung von Bindungsbeziehungen für den Erwerb der Fähigkeit, bedrohlich erlebte Ängste regulieren zu können.
So gesehen kann man eigentlich kein Modell für die Entstehung von Angststörungen im Kindesalter im Entwicklungskontext ohne ein differenziertes Verständnis
der Bedeutung von Bindungsbeziehungen für die Emotionsregulation konzipieren.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 491 – 495 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
492 Editorial
Oder kurz auf den Punkt gebracht: Angst kann man entwicklungspsychopathologisch ohne Bindung eigentlich nicht verstehen!
Diese Einsicht mag trivial klingen – sie ist es mitnichten. So lässt ein Blick in
die gängigen deutschsprachigen Lehrbücher der Kinder- und Jugendpsychiatrie in
den betreffenden Kapiteln zu Angststörungen die Rezeption der Bindungstheorie
und Bindungsforschung bei den referierten ätiologischen und entwicklungspathologischen Modellen und Risikofaktoren nahezu vollends vermissen. Dies steht in
deutlichem Gegensatz zum mittlerweile vorliegenden empirischen Forschungsstand,
durch den ein Zusammenhang zwischen unsicherer Bindung und einem erhöhten
Risiko für die Entstehung einer Angststörung hinreichend belegt ist (Achtergarde
et al., 2015). Für die klinische Praxis, insbesondere für die Weiterentwicklung und
Verfeinerung unserer störungsspezifischen psychotherapeutischen Behandlungsmethoden, ist das bloße Wissen um empirisch belegte Risikofaktoren nur von bedingtem Nutzen, solange diese nicht für ein differenzierteres Verständnis von ineinander greifenden Entstehungsmechanismen nutzbar gemacht werden können.
Hier kann die durch empirische Befunde der Bindungsforschung fundierte aktuelle
Bindungstheorie unser Verständnis der multifaktoriellen Entstehung und Aufrechterhaltung von Angststörungen nennenswert bereichern, zu dem selbstverständlich
auch empirische Befunde aus Genetik, Temperamentforschung, Lernpsychologie,
kognitiver Psychologie, Familiendynamik, Psychoanalyse und Psychotraumatologie
Wichtiges beitragen (Domschke u. Deckert, 2007; Helbig u. Petermann, 2008; Kullik
u. Petermann, 2012; Schweitzer u. Ochs, 2003; Hopf, 2009; Schneider, 2011).
In diesem Sinne lassen sich die Mechanismen, die die Entstehung von Angststörungen
im Kontext der Bindungsentwicklung begünstigen oder ihr entgegenwirken, wie folgt
entsprechend der vier Bindungsstile (A, B, C, D) differenzieren: Im Kreis der Sicherheit
(Powell, Cooper, Hoffman, Marvin, 2015) greifen Bindungserfahrungen und Explorationsverhalten des Kindes in ständiger Wechselwirkung ineinander. Solange sich ein
Kind der Verfügbarkeit einer Bindungsperson sicher fühlt (sichere Basis), kann es sich
angstfrei seinem Erkundungsdrang widmen – mit allen Konsequenzen für die Entwicklung erfahrungsbasierter emotionaler, kognitiver und sozialer Kompetenzen. Angst und
Stress unterbrechen das Explorationsverhalten des Kindes und aktivieren das Bindungssystem mit dem verhaltensbiologisch sinnvollen Ziel, die Nähe einer vertrauten Person
zu suchen, um deren ko-regulatorischen Kompetenzen, die unter anderem Sicherheit,
Trost, Orientierung und Halt geben, im Sinne eines Hilfs-Ich zu nutzen (sicherer Hafen).
Aus stetig wiederkehrenden sensitiven Reaktionen der Bindungsperson in solchen Situationen erwächst eine sichere Bindung (Typ B), die angstfreies Erkundungsverhalten,
die Entwicklung selbstregulatorischer und sozialer Kompetenzen ebenso wie die Entwicklung einer internalen Kontrollüberzeugung begünstigt, wovon wiederum erwartet
werden kann, dass dies alles der Entstehung pathologischer Angstsymptome protektiv entgegenwirkt. Eine unsicher-vermeidende Bindung (Typ A) bewirkt hingegen gehemmtes Explorationsverhalten und begünstigt in Folge negative soziale Erwartungen,
eine erhöhte Verletzungssensitivität und soziale Ängstlichkeit. Insbesondere wird die
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Editorial 493
Nähe vertrauter Personen typischerweise nicht als Ressource für die Bewältigung von
negativen Gefühlen wie Angst und Trauer genutzt, was wiederum auch bei der eigenen
Emotionsregulation allgemein vermeidende Strategien und die Entwicklung einer eher
externalen Kontrollüberzeugung begünstigt. Bei einer unsicher-ambivalenten Bindung
(Typ C) ist die von der Bindungsperson in emotional belasteten Situationen angebotene
Hilfe bzw. Beruhigung nicht hinreichend wirksam, was zum wiederkehrenden Einfordern der Nähe, typischerweise in einer Mischung aus Unmut und situativ unangemessenem anklammerndem Verhalten führt. Dies ist eine für Kind und Bindungsperson
gleichermaßen frustrierende Erfahrung, die durch eine missglückende Ko-Regulation
negativer Gefühle durch die Bindungsperson charakterisiert ist und im Sinne des internalen Arbeitsmodells eine ruminierende eigene Emotionsregulation begünstigt, bei der
der geäußerte Stress typischerweise maximal und appellativ ist, ohne innerlich wirksam
zur Ruhe kommen zu können. Bei einer desorganisiert-desorientierten Bindung (Typ D)
versagt die Ko-Regulation negativer Gefühle durch die Bindungsperson dahingehend,
dass diese durch eigene furchtsame, in sich inkonsistente oder offen feindselige Verhaltensmuster im Kind zusätzliche Gefühle von Bedrohung oder Verunsicherung induziert
und die Entwicklung konsistenter Verhaltensstrategien auf Seiten des Kindes für den
Umgang mit negativen Emotionen wie Angst und Trauer nachhaltig verhindert – eine
Situation, von der man erwarten kann, dass sie unter allen genannten Konstellationen
am ehesten die Entstehung einer Angststörung begünstigt (vgl. Moss et al., 2006).
Soweit die theoriegeleiteten Annahmen. Die Beiträge des vorliegenden Themenhefts sind in diesem Diskurs zu verstehen und sollen aus empirischer und klinischer
Perspektive zur vertiefenden Diskussion anregen. In der aktuellen Übersichtsarbeit
von Achtergarde, Müller, Postert, Wessing, Mayer und Romer (2015) wird der aktuelle empirische Forschungsstand zum Zusammenhang von Bindungsmustern und
der Entwicklung von Angstsymptomen im Kindes und Jugendalter aus entwicklungspsychologischer Perspektive methodenkritisch diskutiert, was unter anderem
ein bislang nicht dargestelltes differenziertes Verständnis dieses Zusammenhanges
in Bezug auf verschiedene Bindungstypen und spezifische Angststörungen erlaubt.
In der Originalarbeit von Zimmermann, Iwanski und Çelik (2016) wird eine kontrollierte Studie berichtet, in der bei Jugendlichen mit diagnostizierter Angststörung
Unterschiede in deren Emotionsregulation, emotionaler Verletzungssensitivität und
Verhaltenshemmung im Vergleich zu gesunden Jugendlichen untersucht wurden. Die
gefundenen Muster typischer Kognitionen, unter anderem im Sinne negativer sozialer
Erwartungen (Verletzungssensitivität), werden bindungstheoretisch diskutiert. Im
Fallbericht von Herbst, Fernholz, Strothe und Schlund (2015) wird die multimodale
tagesklinische Behandlung einer schweren Schulphobie mit Trennungsangst im Kindesalter berichtet. Neben der Bedeutung der Bindungsvorgeschichte des Kindes für
die Symptomgenese wird insbesondere die Bedeutung der Bindungsvorgeschichte der
Mutter und deren transgenerationale Transmission auf die internalen Arbeitsmodelle
des Kindes deutlich. Für die therapeutischen Veränderungen wird die Notwendigkeit
der Umstrukturierung der internalen Arbeitsmodelle der Mutter in einem Prozess
494 Editorial
zunehmend verbesserter Fähigkeit ihrer bindungsbezogenen Selbstreflexion (self reflecting function) hervorgehoben, die unter anderem im innovativen Setting der multisystemischen Familientherapie erarbeitet wurde. Das Themenheft wird durch einen
Kurzbeitrag aus der aktuellen Psychotherapieforschung zu Angststörungen im Kindesalter ergänzt. Klein, Müller-Göttken, White, Keitel-Korndörfer und von Klitzing
(2015) berichten eine beachtenswerte Pilotstudie zur Wirksamkeit Psychoanalytischer
Kurzzeittherapie (PaKT) bei Angststörungen im Kindesalter (4-10 Jahre). Bei dieser
neu entwickelten manualisierten Therapiemethode wird auf internalisierte Konflikte
im interpersonellen Kontext besonders fokussiert, die im symbolischen Spiel durchgearbeitet werden. Auf eine begleitende gezielte Arbeit an der Mentalisierungsfähigkeit
der primären Bindungsperson (i. d. R. der Mutter) wird dabei besonders Wert gelegt.
Wie kann dieser Diskurs für die Weiterentwicklung unserer psychotherapeutischen Behandlungsmethoden genutzt werden? Für die kognitive Verhaltenstherapie beispielsweise kann ein vertieftes Verständnis der Entstehungsgeschichte von
Kognitionen, die aus negativen sozialen Erwartungen resultieren, ebenso wie von
vermeidenden bzw. ruminierenden Mustern der Emotionsregulation im Kontext
der kindlichen Bindungsentwicklung den individuellen Zugang zum inneren Erleben von Angstpatienten erleichtern. Die Methoden der Schematherapie werden
als Erweiterung verhaltenstherapeutischer Verfahren unter anderem aus diesem
bindungtheoretischen Diskurs hergeleitet, auch mit dem Ziel, internale Arbeitsmodelle von unsicherer Bindung korrektiv zu beeinflussen (Roediger, 2012). In der
psychodynamischen Therapie kann insbesondere eine auf der OPD-KJ 2 beruhende
Konflikt- und Strukturdiagnostik unter anderem intrapsychische Nähe-DistanzKonflikte und bindungsbezogene strukturelle Defizite vor dem Hintergrund defizitärer Bindungserfahrungen verstehbar machen (Arbeitskreis OPD-KJ, 2013). Für
systemische Behandlungsansätze ist unter anderem die Anwendung des Konzepts
internaler Arbeitsmodelle von Angstbewältigung bezogen auf das gesamte Familiensystem sowie dessen transgenerationale Verwurzelung und Übertragung relevant
(vgl. Byng-Hall, 1995; Diamond, 2005; Herbst et al., 2015).
In diesem Sinne kann ein auf der empirischen Bindungsforschung basierender
bindungstheoretischer Diskurs zur Ätiologie und Entwicklungspsychopathologie der
Angststörungen im Kindes- und Jugendalter als konzeptuelles Bindeglied zur Weiterentwicklung der störungsspezifischen Behandlungsmethoden in den drei allgemein
wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren wesentlich beitragen.
Georg Romer
Achtergarde, S., Müller, J., Postert, C., Wessing, I., Mayer, A., Romer, G. (2015). Der Zusammenhang von Bindungsmustern und der Entwicklung von Angstsymptomen im Kindes- und
Jugendalter. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 64, 496-526.
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Editorial 495
Arbeitskreis OPD-KJ (2013). OPD-KJ 2: Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik im
Kindes-und Jugendalter: Grundlagen und Manual. Bern: Huber.
Bowlby, J. (1975). Bindung – Eine Analyse der Mutter-Kind-Beziehung. München: Kindler.
Bowlby, J. (1976). Trennung. Psychische Schäden als Folge der Trennung von Mutter und Kind.
München: Kindler.
Byng-Hall, J. (1995). Creating a secure family base: Some implications of attachment theory for
family therapy. Family process, 34, 45-58.
Domschke, K., Deckert, J. (2007). Genetik der Angsterkrankungen. Der Nervenarzt, 78, 825-835.
Diamond, G. S. (2005). Attachment-based family therapy for depressed and anxious adolescents.
In J. L. Lebow (Hrsg.). Handbook of clinical family therapy (S. 17-41). Hoboken; John Wiley.
Grossmann, K., Grossmann, K. E. (2012). Bindungen – Das Gefüge psychischer Sicherheit (5.,
vollst. überarb. Aufl.). Stuttgart: Klett-Cotta.
Helbig, S., Petermann, F. (2008). Entwicklungspsychopathologie Sozialer Angststörungen. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 56, 211-227.
Herbst, A., Fernholz, J. M., Strothe, K., Schlund, S. (2015). Psychodynamisch-multisystemische Behandlung von Schulphobie mit Trennungsangst im tagesklinischen Setting. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 64, 545-562.
Hopf, H. (2009). Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen: Diagnose, Indikation, Behandlung. Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel.
Ihle, W., Esser, G. (2002). Epidemiologie psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter: Prävalenz, Verlauf, Komorbidität und Geschlechtsunterschiede. Psychol. Rundschau, 53, 159-169.
Klein, A., Müller-Göttken, T., White, L. O., Keitel-Korndörfer, A., K. von Klitzing, K. (2015).
Evaluation der Psychoanalytischen Kurzzeittherapie für Kinder von 4-10 Jahren mit Angststörungen (PaKT). Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 64, 563-571.
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Moss, E., Smolla, N., Cyr, C., Dubois-Comtois, K., Mazzarello, T., Berthiaume, C. (2006). Attachment and behavior problems in middle childhood as reported by adult and child informants. Development and Psychopathology, 18, 425-444.
Ravens-Sieberer, U., Wille, D. P. N., Erhart, M., Bettge, S., Wittchen, H. U., Rothenberger, A., B.
Herpertz-Dahlmann, F. Resch, H. Hölling, M. Bullinger, C. Barkmann, M. Schulte-Markwort,
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Roediger, E. (2012). Was ist Schematherapie? Eine Einführung in Grundlagen, Modell und Anwendung. Paderborn: Junfermann Verlag.
Powell, B., Cooper, G., Hoffman, K., Marvin, B. (2015). Der Kreis der Sicherheit: Die klinische
Nutzung der Bindungstheorie. Lichtenau: Probst.
Schneider, S. (Hrsg.) (2011). Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen: Grundlagen und
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Schweitzer, J., Ochs, M. (2003). Systemische Familientherapie bei schulverweigerndem Verhalten. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 52, 440-455.
Zimmermann, P., Iwanski, A., Çelik, F. (2015). Emotionsregulation und emotionale Verletzungssensitivität bei Jugendlichen mit Angststörungen. Praxis der Kinderpsychologie und
Kinderpsychiatrie, 64, 527-544.
ÜBERSICHTSARBEITEN
Der Zusammenhang von Bindungsmustern und der
Entwicklung von Angstsymptomen
im Kindes- und Jugendalter
Sandra Achtergarde, Jörg Müller, Christian Postert, Ida Wessing, Andreas Mayer
und Georg Romer
Summary
Attachment Patterns and their Relation to the Development of Anxiety Symptoms in Childhood
and Adolescence
From the perspective of attachment theory, insecure attachment can be seen as a key risk
factor for the development of anxiety symptoms and anxiety disorders. This systematic review addresses the current state of empirical research on the relationship between attachment
status and anxiety symptoms respective anxiety disorders in childhood and adolescence. 21
current international studies published between 2010 and 2014 were included in this systematic review. These studies were heterogeneous in target populations, methods and study design. The majority of studies supported the assumed correlation between insecure attachment
and anxiety symptoms or anxiety disorders. These findings are more evident in studies with
school-age children than with preschool children or adolescents. Furthermore, the disorganized-disoriented type of attachment seems to be a particular risk factor for the development
of anxiety symptoms and anxiety disorders. Results were discussed in relation to attachment
theory and with reference to the results of previous relevant reviews.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64/2015, 496-526
Keywords
attachment theory – attachment – attachment security – anxiety – anxiety disorders
Zusammenfassung
Bindungsunsicherheit stellt aus Sicht der Bindungstheorie einen Risikofaktor für die Entstehung von Angstsymptomen und Angststörungen dar. Diese Übersichtsarbeit befasst sich
mit dem aktuellen empirischen Forschungsstand zum Zusammenhang zwischen Bindungsmustern und Angstsymptomen bzw. Angststörungen im Kindes- und Jugendalter. Diese
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 496 – 526 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
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Bindungsmuster und die Entwicklung von Angstsymptomen������
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Übersicht umfasst 21 internationale Publikationen, die zwischen 2010 und 2014 veröffentlicht wurden. Die Studien waren sehr heterogen in Bezug auf die jeweils untersuchten Populationen, Studiendesign und Methodik. Die Annahme eines Zusammenhangs zwischen
Bindungsmustern und Angstsymptomen bzw. Angststörungen wurde von der Mehrzahl der
Studien bestätigt. Die Zusammenhänge zeigten sich allerdings deutlicher und zuverlässiger
bei Kindern im Schulalter als bei Vorschulkindern und Jugendlichen. Weiterhin scheinen die
verschiedenen Muster der unsicheren Bindung von unterschiedlicher Bedeutung zu sein; so
scheint insbesondere der desorganisiert-desorientierte Bindungstyp einen Risikofaktor für
die Entstehung von Angstsymptomen und Angststörungen darzustellen. Die Ergebnisse werden im Bezug zur Bindungstheorie und im Hinblick auf die Resultate früherer Übersichtsarbeiten diskutiert.
Schlagwörter
Bindungstheorie – Bindung – Bindungssicherheit – Angst – Angststörungen
1
Bindung und Angst im Kindes- und Jugendalter
Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei Kindern
und Jugendlichen; die Prävalenz für Angsterkrankungen insgesamt liegt im Kindesalter bei 10,4 % (Ihle u. Esser, 2002). Neben spezifischen Phobien (z. B. vor Tieren),
der sozialen Phobie und Panikstörung/Agoraphobie gehören hierzu insbesondere
zwei Störungsgruppen, die nur im Kindesalter diagnostiziert werden: die emotionale Störung mit Trennungsangst und die damit häufig einhergehenden schulbezogenen Angstsyndrome (Schulangst und Schulphobie). Für die Entwicklung von
Angststörungen wird neben genetischen Faktoren, Temperamentseigenschaften,
ungünstigen Lebensereignissen (z. B. Stress, traumatische Erfahrungen) und familiären Faktoren (z. B. Angsterkrankungen der Eltern; Erziehungsverhalten) insbesondere die Rolle der Bindung zwischen Kind und Eltern diskutiert (Kerns u. Brumariu, 2014), wobei postuliert wird, dass eine unsichere Bindung mit einem höheren
Risiko für die Entwicklung von Angstsymptomen und Angststörungen einhergeht
(Bowlby, 1973; Cassidy, 1995; Deklyen u. Greenberg, 2008; Jaeggi, 2005). Die theoretischen Grundlagen und empirischen Befunde werden im Folgenden dargestellt,
um die Zielsetzung dieser Übersichtsarbeit für neuere empirische Befunde zu verdeutlichen.
1.1 Grundlagen der Bindungstheorie nach Bowlby und Ainsworth
Bindungs- und Explorationssystem. Das Konzept der Bindung beschreibt das emotionale Band zwischen einem Kind und dessen bedeutsamsten Bezugspersonen,
normalerweise den Eltern (Bowlby, 1969/2006; Zeanah, Berlin, Boris, 2011).
498 S. Achtergarde et al.
Kindliches Bindungsverhalten (z. B. Rufen, Nachlaufen oder Anklammern) dient
dazu, die Nähe zur Bezugsperson (wieder-)herzustellen und das Kind vor Gefahren zu schützen (Grossmann u. Grossmann, 2012). Neben dem Bindungsverhaltenssystem verfügt das Kind über ein weiteres Verhaltenssystem, das Explorationssystem, welches dem Spiel, der Erkundung der Umgebung und im weitesten
Sinne dem Lernen dient. Bei wahrgenommener Bedrohung wird das Explorationssystem deaktiviert und das Bindungssystem aktiviert – das Kind unterbricht
sein Spiel und wendet sich seiner Bindungsperson als seinem „sicheren Hafen“
zu. Hierbei werden negative Emotionen des Kindes wie Angst oder Trauer durch
die Bindungsperson reguliert und das kindliche Gefühl der Sicherheit wiederhergestellt. Von dieser „sicheren Basis“ aus kann sich das Kind nun wieder dem explorativen Spiel zuwenden (Grossmann u. Grossmann, 2012). Das kindliche Verhalten pendelt also stets zwischen Bindungs- und Explorationsverhalten, wobei
dem Bindungsverhalten die Angst als zentrales regulierendes Motivationssystem
zugrunde liegt (vgl. Goldberg, Grusec, Jenkins, 1999). Ein Mangel an emotionaler
Verfügbarkeit der Bindungsperson in bindungsrelevanten Situationen führt somit
zu erhöhter Ängstlichkeit der Kinder (Bowlby 1973).
Bindungsmuster. Auf der Grundlage ihrer Studien im Kleinkindalter unterschieden Ainsworth und Kollegen ein sicheres Bindungsmuster (Typ B) und zwei unsichere Bindungsmuster (unsicher-vermeidend, Typ A, und unsicher-ambivalent,
Typ C; gelegentlich auch als unsicher-kontrollierend bezeichnet). Sicher gebundene
Kinder protestieren in der Ainsworth Fremdensituation bei der Trennung von der
Mutter, zeigen bei der Wiedervereinigung Freude über ihre Rückkehr und lassen
sich leicht von ihr trösten, um danach bald weiterzuspielen. Unsicher-vermeidende
Kinder scheinen sowohl den Weggang der Mutter wie auch ihre Wiederkehr völlig
zu ignorieren und beschäftigten sich stattdessen ausschließlich mit Spielen und
Erkunden, zeigen in Situationen der Trennung jedoch psychophysiologisch Indikatoren einer deutlich erhöhten Belastung. Bei der Wiederkehr der Mutter nutzen
sie diese nicht als Quelle von Trost und Sicherheit. Unsicher-ambivalente Kinder
protestieren besonders heftig gegen die Trennung, suchen bei der Rückkehr der
Mutter engen Kontakt, der jedoch oft mit Ärger und Wut durchmischt ist, lassen
sich nicht gut trösten und benötigen viel Zeit, um sich zu beruhigen und ins Spiel
zurückzufinden. Später wurde noch ein weiteres Bindungsmuster beschrieben
(Typ D), das im Gegensatz zu den drei anderen, klar strukturierten und organisierten Bindungsmustern als „desorganisiert“ (bzw. desorientiert-desorganisiert)
bezeichnet wurde (Main u. Cassidy, 1988). Die betroffenen Kinder zeigten während der Trennung und Wiedervereinigung keine klare Verhaltensstrategie, sondern eine inkonsistente nicht vorhersagbare Mischung verschiedener Anteile oder
ungewöhnliche, unangemessene und bizarre Verhaltensweisen wie Erstarren oder
Stereotypien.
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Bindungsmuster und die Entwicklung von Angstsymptomen������
499
1.2 Hypothesen zum Zusammenhang zwischen Bindungssicherheit und
Angstregulation
Die klinische Bedeutung von sicheren und unsicheren Bindungsmustern für die
Entwicklung der Fähigkeit zur Angstregulation im Kindesalter wird in den vier folgenden Hypothesen zusammengefasst.
Unsicher-vermeidendend Bindungstyp-Hypothese. Unsicher-vermeidende Bindungs­
muster stellen einen Risikofaktor für die Entwicklung von Angstsymptomen und
Angststörungen dar (vgl. Colonnesi et al., 2011), da nur beim Vorhandensein einer
sicheren Bindung die kindliche Emotion „Angst“ offen gezeigt werden darf, um die
Sicherheit gebende Bindungsperson zu aktivieren (Bowlby, 1973; Cassidy, 1995). Hierdurch kann das Kind im Laufe seiner Entwicklung effektive anstelle von dysfunktionalen Strategien der Selbstregulation von Angst erlernen. Kinder mit einem unsichervermeidenden Bindungsmuster zeigen ihre Angst nicht offen, da sie nicht erwarten,
dass dieses Signal durch die Bezugspersonen empathisch beantwortet wird (z. B. Zurückweisung oder Nichtbeachtetwerden durch die Bezugspersonen).
Ambivalenz-Hypothese. Carlson und Sroufe (1995, zitiert nach Brumariu u. Kerns,
2010b) machen insbesondere den ambivalent-unsicheren Bindungstyp für die Entwicklung von Angstsymptomen und Angststörungen verantwortlich, da über den
übertriebenen Ausdruck von Angst ein Anreiz für das Kind besteht, bei der als unzuverlässig erlebten Bindungsperson eine Reaktion zu provozieren (Bowlby, 1973; Cassidy, 1995). Bei anderen unsicheren Bindungsmustern wird nach dieser Auffassung
ängstliches Verhalten dagegen nicht in demselben Maße direkt verstärkt.
Desorganisations-Hypothese. Für Kinder mit einem desorganisiert-desorientierten
Bindungsmuster besteht nach Moss et al. (2006; Kerns u. Brumariu, 2014) ein spezifisches Risiko für die Entwicklung von Angstsymptomen und Angststörungen darin,
dass bei belastenden Emotionen wie Angst diese nicht durch eine konkrete Verhaltensstrategie bewältigt werden können (Bowlby, 1973; Cassidy, 1995), wie es bei Kindern mit sicherer Bindung (Einholen von Unterstützung durch die Bindungsperson),
unsicher-vermeidender Bindung (Minimierung oder Verleugnung der Gefühle) oder
der unsicher-ambivalenten Bindung (Maximierung und Dramatisierung) der Fall
ist. In den vorgenannten Fällen besitzt das Kind zumindest eine konsistente Strategie
für sein Verhalten und orientiert sich dabei an den zu erwartenden Reaktionen der
Bindungsperson. Im Fall der desorganisierten Bindung fehlt dem Kind dagegen eine
solche Orientierung und eine konsistente Verhaltensstrategie, was sich in dysfunktionalen Reaktionen wie Erstarren, Panik oder Aggression ausdrücken kann. Bei einem
desorganisiert-desorientierten Bindungsmuster befindet sich das Kind zudem in dem
Dilemma, dass die Bindungsperson durch ihr Verhalten beim Kind zusätzlich Stress
oder Angst induziert (z. B. durch aggressive oder unvorhersehbare Reaktionen der
Bindungsperson). Das Kind reagiert auf dieses unlösbare Dilemma mit dem Zusammenbruch des Bindungsverhaltenssystems, was sich in inkonsistenten Reaktionen wie
z. B. Erstarren oder Dissoziation äußert.
500 S. Achtergarde et al.
Differenzierungs-Hypothese. Die „Differenzierungs-Hypothese“ bündelt verschiedene Vorstellungen, inwieweit bestimmte Typen aus dem Kreis unsicherer Bindung
eine bestimmte spezifische Angststörung entwickeln (Bowlby, 1973; Cassidy, 1995;
Manassis, 2001, zitiert nach Brumariu u. Kerns, 2010a,b; Goodman, Stroh, Valdez,
2012). Bei einer unsicher-vermeidenden Bindung macht das Kind beispielsweise
regelmäßig die Erfahrung, zurückgewiesen zu werden, was die Entwicklung einer
Erwartung begünstigt, dass andere Menschen ihm grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen. Diese kann sich schließlich in sozial vermeidendem Verhalten und der
Entwicklung einer Sozialphobie manifestieren. Des Weiteren wird ein Kind mit einer
unsicher-vermeidenden Bindung nicht ermutigt, negative Gefühle wie Angst oder
Unsicherheit offen zu zeigen, sondern eher zu verleugnen oder zu unterdrücken.
Zwänge können hierbei als Verhalten interpretiert werden, mit dem Angst (verdeckt)
zum Ausdruck gebracht und in Form von Zwangsverhalten bewältigt wird (Döpfner
u. Goletz, 2013). Die Differenzierungs-Hypothese umfasst weiterhin die Annahme,
dass unsicher-ambivalente sowie desorientiert-desorganisierte Bindungsmuster speziell die Entwicklung einer Störung mit Trennungsangst (und der damit eng verbundenen Diagnose Schulphobie) begünstigen (z. B. Goodman et al., 2012). Diese
Annahme beruht darauf, dass ein Kind in einer unsicher-ambivalenten, aber auch in
einer desorientiert-desorganisierten Bindungsbeziehung nicht die Erfahrung macht,
dass die Bindungsperson verlässlich seine signalisierten Bedürfnisse beantwortet. Das
Kind entwickelt so nicht das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Bindungsperson,
das notwendig ist, um auch Zeiträume der Trennung überbrücken zu können. Sein
Bindungssystem bleibt ständig und übermäßig aktiviert. Trennungen werden daher
als bedrohlich erlebt und können nicht toleriert werden, was sich zum Beispiel im
Störungsbild der pathologischen Trennungsangst äußern kann.
2
Der Stand der Forschung
2.1 Bisherige Übersichtsarbeiten
Zur Frage nach dem Zusammenhang zwischen Bindungssicherheit und pathologischer Angst bei Kindern wurden in jüngerer Zeit eine Meta-Analyse (Colonnesi et
al., 2011) sowie zwei internationale Übersichtsarbeiten (Brumariu u. Kerns, 2010b;
Esbjørn, Bender, Reinhold-Dunne, Munck, Ollendick, 2012) publiziert, die im Folgenden mit ihren Besonderheiten zusammenfassend dargestellt werden.
In der Meta-Analyse von Colonnesi et al. (2011) wurde der Zusammenhang zwischen Bindungssicherheit und klinischen Angstsymptomen im Kindesalter (von der
frühen Kindheit bis ins Jugendalter) untersucht. Insgesamt wurden 46 Studien
mit insgesamt N = 8.907 Kindern aus den Jahren 1994 bis 2010 eingeschlossen.
Dabei ergab sich ein mäßig starker Zusammenhang von r = .30 zwischen Angstsymptomen und unsicherer Bindung, wobei sich keine Unterschiede zwischen kli-
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�����������������������������������������������������������
Bindungsmuster und die Entwicklung von Angstsymptomen������
501
nischer und nicht-klinischer Symptomatik zeigten und auch keine Unterschiede
hinsichtlich verschiedener Angststörungen. Deutlich wurde jedoch, dass das unsicher-ambivalente Bindungsmuster am stärksten mit Angstsymptomen zusammenhing.
Die Übersichtsarbeit von Brumariu und Kerns (2010b) untersuchte den Zusammenhang zwischen Bindung und internalisierenden Symptomen, einschließlich Angst
und Depression. Es wurden alle Studien aus den Jahren 1984 bis 2008 einbezogen, die
ein Bindungsmaß sowie ein Maß für internalisierende Symptome, Angst oder Depression enthielten. In Bezug auf die Studien, die Angstsymptome im Kindesalter untersuchten, fanden sich in sechs von acht Studien signifikante Zusammenhänge in der erwarteten Richtung oder gemischte Ergebnisse; für das Jugendalter war dies in acht von
elf Studien der Fall. Die beobachteten Effektstärken lagen nach Cohen im mittleren bis
oberen Bereich.1 Die Autoren fanden den Zusammenhang zwischen Bindungsunsicherheit und Angstsymptomen entsprechend partiell unterstützt. Insbesondere zeigte
sich ein Zusammenhang zwischen dem unsicher-ambivalenten Bindungstyp und
Angstsymptomen, während unsicher-vermeidende Bindungsmuster nicht eindeutig
mit Angstsymptomen korrelierten. Zum desorganisiert-desorientierten Bindungstyp
gab es nicht ausreichend Studien, um den Zusammenhang mit Angstsymptomen einschätzen zu können. Es ist hervorzuheben, dass sich die Ergebnisse dieser Übersicht
auf einer dimensionalen Erfassung einer Angstsymptomatik stützen und demnach
nur eingeschränkt Aussagen zum Risiko für das Entstehen des klinischen Vollbildes
einer Angststörung zulassen.
Die Übersichtsarbeit von Esbjørn et al. (2012) legte den Schwerpunkt auf die Frage,
wie Angststörungen bei Kindern entstehen und welchen relativen Einfluss die Bindung dabei hat, verglichen mit der Fähigkeit von Kindern und Jugendlichen zur Emotionsregulation. Auf der Grundlage von 22 Studien wird nach Ansicht der Autoren
die Hypothese eines Zusammenhangs zwischen unsicherer Bindung und Angstsymptomen gestützt. Eine unsichere Bindung, speziell die unsicher-ambivalente Bindung,
erhöht demnach die Vulnerabilität von Kindern und somit das Risiko für die Entwicklung von Angstsymptomen bzw. Angststörungen. Die beobachteten Effektgrößen waren hierbei jedoch mit kleinen bis sehr großen Effekten sehr heterogen, was
nahelegt, dass hier nicht untersuchte Faktoren eine Rolle spielen. Die Aussagekraft
dieser Übersichtsarbeit wird eingeschränkt durch die Staffelung der Altersklasse sowie
den Einbezug von mütterlicher Bindungsrepräsentation, was nicht mit einem Zusammenhang zwischen kindlichem Bindungsmuster und kindlicher Angstsymptomatik
gleichgesetzt werden kann. Besonders hervorzuheben ist, dass in dieser Arbeit explizit
zwischen Angstsymptomen bzw. -syndromen und diagnostisch gesicherten Angststörungen unterschieden wurde.
1 Detaillierte Angaben zu den Effektstärken sowie den Einschlusskriterien und Erfassungsmethoden finden sich in Brumariu und Kerns (2010b).
502 S. Achtergarde et al.
2.2 Ziel der vorliegenden Arbeit
Im deutschsprachigen Raum ist die Rezeption des empirischen Forschungsstandes
in diesem Feld bislang noch unzureichend. Zudem existieren nur wenige deutschsprachige Originalstudien. In den deutschsprachigen Standardlehrbüchern der
Kinder- und Jugendpsychiatrie bleibt die Bedeutung von Bindung im Gefüge psychischer Sicherheit (Grossmann u. Grossmann, 2010) im Diskurs zur Ätiologie und
Pathogenese von Angststörungen bislang weitgehend unberücksichtigt. Ziel der
vorliegenden Arbeit ist eine aktualisierte Darstellung der diesbezüglichen Studienlage seit 2010 und einen Beitrag zur Rezeption des Zusammenhangs von Bindung
und Angststörungen im deutschsprachigen Bereich zu leisten. Aufgrund der methodischen Besonderheiten in den Altersbereichen Vorschul- (0-6 Jahre), Grundschul- (7-12 Jahre) und Jugendalter (13-18 Jahre) werden diese getrennt diskutiert,
wobei auch zwischen Längs- und Querschnittsstudien sowie zwischen Studien zu
dimensional erfasster Angstsymptomatik und zu klinischen Angststörungen (klinische Stichproben) unterschieden wird. Die methodischen Besonderheiten beziehen sich vor allem auf die entwicklungsangepasste Veränderung in der Erfassung
von Bindungssicherheit und Bindungsrepräsentanzen sowie Unterschieden in der
Erfassung durch Fremdurteile und Selbstauskünften – worauf im Folgenden entsprechend hingewiesen wird.
3
Methodik
3.1 Recherche2
Die Suche erfolgte in den psychologischen Fachdatenbanken psycARTICLES, psycINFO und PSYNDEX mit der Kombination der folgenden Schlagwörter: +attachment +anx*. Der Begriff „attachment anxiety“, zu Deutsch „Bindungsangst“, wurde
ausgeschlossen, ebenso die Begriffe „adult attachment“ und „romantic attachment“.
Es wurden ausschließlich wissenschaftliche Fachzeitschriften berücksichtigt, und
die Population der Teilnehmer wurde auf den Altersbereich der Kindheit und Jugend („adolescence, school age, childhood, preschool age, infancy, neonatal“) beschränkt. Im Anschluss daran erfolgte eine zusätzliche Suche in den Datenbanken
Google Scholar und Web of Science mit den Schlagwörtern „attachment“, „child“ and
„anxiety“. Um Überschneidungen mit den Suchergebnissen der bereits beschriebenen Reviews (Brumariu u. Kerns, 2010b; Esbjørn et al., 2012) und der Meta-Analyse (Colonnesi et al., 2011) zu vermeiden, wurde der Suchbereich auf den Zeitraum
von Januar 2010 bis Juni 2014 eingegrenzt.
2 Die Suchstrategie orientierte sich an den Empfehlungen des Centre for Reviews and Dissemination (2009).
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Bindungsmuster und die Entwicklung von Angstsymptomen������
503
3.2 Auswahl von relevanten Einzelstudien
3.2.1 Einschlusskriterien
In die Übersicht aufgenommen wurden Studien, die folgende Kriterien erfüllten:
• Die Teilnehmer mussten zum Zeitpunkt der Erfassung der Bindungssicherheit
jünger als 18 Jahre sein (die Angstsymptomatik/Angststörung durfte auch später
erfasst worden sein).
• Die Methodik der Studie musste klar beschrieben sein.
• In der Studie musste mindestens ein Bindungsmaß angewendet worden sein, das
Auskunft über die Bindungssicherheit geben konnte und/oder die Zugehörigkeit
eines Kindes zu einem spezifischen Bindungstyp/Bindungsmuster definierte.
• In der Studie musste ein standardisiertes Maß für Angst, Ängstlichkeit oder Angststörungen angewendet worden sein oder die Angstsymptomatik musste durch das
klinische Urteil eines Experten eingeschätzt worden sein.
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien wurden 21 aktuelle Publikationen in die
Übersichtsarbeit eingeschlossen. Tabellen 1 bis 3 beschreiben, getrennt für die Altersgruppen Vorschul-, Schul- und Jugendalter, kurz in ihren wesentlichen Merkmalen die entsprechenden Studien, insbesondere Größe und Herkunft der Stichprobe, verwendete Maße und Instrumente sowie die wesentlichen Ergebnisse zum
Zusammenhang zwischen Bindungssicherheit und späterer Angstsymptomatik.
4
Bindung und Angst: Aktuelle empirische Befunde
4.1 Bindung und Angstsymptome im Vorschulalter
Tabelle 1 (folgende Doppelseite) beschreibt fünf Studien aus den Jahren 2011 bis
2013, welche überwiegend verhaltensorientierte Verfahren zur Einschätzung der
Bindungssicherheit verwendeten (Fremde Situation bzw. Fremde Situation für das
Vorschulalter; Q-Sort-Verfahren), während die Angstsymptomatik unter anderem
mit klinischen Interviews, klinischen Ratingskalen, Elternfragebögen und Verhaltensbeobachtungen erfasst wurde. Die Stichproben wurden in drei von fünf Studien
aus der Normalbevölkerung rekrutiert.
4.1.1 Längsschnittstudien
Wie aus Tabelle 1 zu ersehen ist, waren die Ergebnisse der Längsschnittstudien mit
Kindern im Vorschulalter uneinheitlich. In einer Studie (McLaughlin, Zeanah, Fox,
Nelson, 2012) mit Waisenkindern aus Rumänien wurde ein Zusammenhang zwischen Bindungssicherheit und späterer Angstsymptomatik nachgewiesen. Jungen
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Hopkins, Lavigne,
Gouze, LeBailly,
Bryant, 2013
Pass, Arteche, Cooper, Creswell, Murray, 2012
Querschnittstudien
Hudson, Dodd,
Bovopoulos, 2011
T1: 3;2-4;5
Jahre; T2: 6
Jahre
Australien
3;2-4;5 Jahre (M = 4
Jahre, SD =
4 Monate)
4.44
Jahre (47-61
Monate)
ADIS-P
PAS
Doll Play
DISC-YC
Attachment
Q-Sort (Waters, CSI
1987)
CMPACS
Groß­
T1: 14
FST14
britannien Monate; T2:
4,5 Jahre
PAPA
ADIS-P
PAS
CMPACS
Nach Kontrolle des Kind-Temperaments keine sign. Zusammenhänge
zwischen Bindungstyp und Angststörungen bzw. Angstsymptomatik.
Mäßig hohe, aber sign. Korrelationen
zwischen Bindungssicherheit und
Angstmaßen (r = -.14 bis r = -.25). Im
Strukturgleichungsmodell keine direkten Effekte der Bindungssicherheit
auf die Angstsymptomatik. Indirekte
Effekte (vermittelt über die kindliche
Selbstregulation) waren klein, aber sign.
Nach Kontrolle der Angst zu T 1 keine
sign. Zusammenhänge (Pfade) zwischen Bindungssicherheit und Angststörungen bzw. Angstsymptomatik zu
T 2.
Kinder mit sicherer Bindung im Alter
von 42 Monaten zeigten im Alter von
54 Monaten geringere Angstsymptome
(Mädchen: β������������������������
�������������������������
= -0.40, p < .001; Jungen: β = -0.30, p = .006). Je höher die
Bindungssicherheit, desto geringer die
Angstsymptome (Mädchen: β = -0.42,
p < .001; Jungen: β = -0.36, p < .001).
Keine Zusammenhänge zwischen
Bindung und Verhalten im Doll PlayVerfahren.
Angstmaß Hauptergebnisse
Bindungsmaß
FST42
Rumänien/ T1: 42
USA
Monate; T2:
4,5 Jahre
Alter
Herkunft
N = 202 Kinder aus der
Australien
Bevölkerung; je 50 % mit
gehemmtem Temperament,
50 % ohne; jeweils 50 % Jungen
796 Kinder (davon 391 JunUSA
gen, 49,1 %), aus der Normalbevölkerung, ethnisch und
sozial gemischter Herkunft
N = 62 Kinder von sozial
ängstlichen Müttern; KG N
= 60
Stichprobe
Längsschnittstudien
Hudson, Dodd,
N = 202 Kinder aus der
Lyneham, Bovopou- Bevölkerung; je 50 % mit
los, 2011
gehemmtem Temperament
(behavior inhibition), 50 %
ohne; jeweils 50 % Jungen
N = 136 Waisenkinder
McLaughlin, Zeanah, Fox, Nelson,
2012
Tabelle 1: Studien zum Zusammenhang zwischen Bindungssicherheit und Angst des Kindes (1-6 Jahre)
504 S. Achtergarde et al.
Brumariu u.
Kerns, 2013
N = 1.097 Kinder
aus der Bevölkerung; 49,4 % Mädchen
Stichprobe
Längsschnittstudien
Murray et al., 93 Kinder mit Lip2010
penspalte/LippenKiefer-Gaumenspalte (58 Jungen); KG
N = 77 (48 Jungen)
Kerns, Siener, N = 1.364 Kinder
Brumariu,
(48 % Mädchen) aus
2011
der Bevölkerung
Alter
Bindungsmaß
T1:
Strange SituaGroß­
britannien 18 Monate; tion Procedure
T2: 7 Jahre (Ainsworth et
al., 1978) mit 18
Monaten
USA
T1: 54
My Family
Monate bis Questionnaire
1. Klasse;
(Kerns, Siener,
T2: 2.-6.
Brumariu, 2011)
Klasse
USA
T1: 15
Strange SituaMonate
tion Procedure
T2: 5./6.
(Ainsworth et
Jahrgangs- al., 1978) mit 15
stufe
Monaten
Herkunft
Unsicher gebundene Kinder (aus beiden Gruppen) wiesen häufiger als sicher gebundene Kinder ängstlich-depressive Symptome auf (χ2(1) =
4.43, p = .03).
Bindungssicherheit, gemessen in der 5. Klasse, korrelierte schwach, aber sign. negativ mit
Angstsymptomen in der 6. Klasse (r = -.10, p
< .01). Geringere Bindungssicherheit war mit
stärkerem Anstieg der Angst verbunden.
Sichere Bindung korrelierte schwach, aber sign.
negativ mit Angstsymptomatik (r = .-.07, p <
.05). Desorganisiert-desorientierte Bindung korrelierte sign. positiv mit Angst (r = .10; p < .01).
12-ItemAngstskala aus
CBCL 4-18
(Achenbach,
1991): Items 31,
32, 34, 45, 50,
71, 89, 112, 9,
29, 30, 66)
Hauptergebnisse
Teacher Report
Form (TRF;
Achenbach,
2001)
Angstmaß
Tabelle 2: Studien zum Zusammenhang zwischen Bindungssicherheit und Angst aus der mittleren Kindheit (7-12 Jahre)
Anmerkung: ADIS-P Anxiety Disorders Interview Schedule for DSM-IV, Parent Version; Silverman u. Albano, 1996); Attachment Q-Sort (Waters, 1987).
CMPACS Cassidy-Marvin (Macarthur) Preschool Attachment Classification System (Cassidy u. Marvin, 1992). CSI Eltern-Fragebogen (Child Symptom
Inventory-Parent Checklist; Gadow u. Sprafkin, 2000). DISC-YC Interview mit den Eltern (Diagnostic Interview Schedule for Children-Parent Scale
-Young Child Version; Fisher u. Lucas, 2006). Doll Play Beobachtungsverfahren zur Erfassung von Angst, spez. sozialer Angst (Pass, Arteche, Cooper,
Creswell, Murray, 2012). FST14 Fremde Situation (Ainsworth et al., 1978) mit 14 Monaten; Klassifizierung als „sicher“ oder „unsicher“. FST42 Fremde
Situation (Ainsworth, Blehar, Waters, Wall, 1978) mit 42 Monaten; Klassifizierung als „sicher“ oder „unsicher“; dazu kontinuierliche Einschätzung der
Bindungssicherheit. PAPA Preschool Age Psychiatric Assessment (Egger et al., 2006) mit 54 Monaten. PAS Preschool Anxiety Scale (; Spence et al., 2001).
PAS Preschool Anxiety Scale (Spence, Rapee, McDonald, Ingram, 2001). TABC-r Temperament Assessment Battery for Children-Revised (Martin, 1998;
Ball, Pelco, Havill, Reed-Victor, 2001)
�����������������������������������������������������������
Bindungsmuster und die Entwicklung von Angstsymptomen������
505
10-12 Jahre Eigenes StoryStem-Verfahren
(Brumariu u.
Kerns, 2010a;
Brumariu et al.,
2012)
Brumariu,
N = 87 Kinder (39
USA
Kerns, Seibert, Jungen) aus der Be2012
völkerung und ihre
Mütter; ethnisch
und sozial gemischte
Herkunft
Dominic Interactive Questionnaire (Valla,
Bergeron,
Smolla, 2000)
Preschool Attachment Classification System
(Cassidy u.
Marvin, 1992)
mit 3-4 Jahren
Kinder, die im Vorschulalter ein unsicher-desorganisiertes Bindungsverhalten gezeigt hatten,
wiesen im Alter von 11-12 Jahren eine höhere
Angstsymptomatik auf als Kinder mit sicherer
oder unsicher-organisierter (d. h. vermeidender
oder ambivalenter) Bindung.
Hauptergebnisse
SCARED; in
dieser Studie
wurden die
Werte der 5
Subskalen
verwendet
(Panikstörung,
Generalisierte
Angst, Sozialphobie, Trennungsangst,
Schulphobie).
SCARED; in
dieser Studie
wurde der
Gesamtwert
verwendet.
Sichere Bindung korrelierte sign. negativ mit den
Skalenwerten mehrerer Angststörungen (Gen.
Angst r = -.22, p < .05; Sozialphobie r = -.27, p <
.05; Schulphobie r = -.34; p < .01), aber nicht mit
Trennungsangst (r = -.02). Unsicher-ambivalente
Bindung korrelierte sign. nur mit Trennungs­
angst (r = .34, p < .01). Unsicher-vermeidende
Bindung korrelierte sign. negativ mit Trennungs­
angst (r = -.27, p < .05), aber nicht mit anderen
Angststörungen. Desorganisierte Bindung korrelierte sign. mit Sozialphobie (r = .26, p < .05) und
Schulphobie (r = .31, p < .01).
Sichere Bindung korrelierte negativ mit AngstGesamtwert (r = −.28, p < .01), desorganisierte
Bindung positiv (r = .31, p < .01). Vermeidende
Bindung korrelierte nicht mit Angst (r = −.06). Ambivalente Bindung korrelierte nicht mit Angst, wenn
Geschlecht und Familienstand kontrolliert wurden.
EATQ-R; CBCL Kinder mit desorganisierter Bindung berichteten
4-18; CSI
selbst höhere Schüchternheit; den Eltern zufolge
zeigten diese Kinder mehr soziale Ängstlichkeit.
Angstmaß
Bindungsmaß
Child Attachment
Interview (Target,
Fonagy, ShmueliGoetz, 2003)
10-12 Jahre Für diese Studie
entwickeltes
Story-Stem-Verfahren (Brumariu u. Kerns,
2010a)
T1: 3-4
Jahre;
T2: 11-12
Jahre
Kanada
8-12 Jahre
Alter
Herkunft
Querschnittstudien
Borelli, DaN = 97 Kinder (56,6 USA
vid, Crowley, % Jungen) aus unMayes, 2010
terer bis mittlerer
Mittelschicht
USA
Brumariu u.
N = 87 Kinder (39
Kerns, 2010a Jungen) aus der Bevölkerung und ihre
Mütter; ethnisch
und sozial gemischte
Herkunft
Stichprobe
Längsschnittstudien
Lecompte,
N = 68 Kinder
Moss, Cyr,
(33 Mädchen)
Pascuzzo,
2014
Tabelle 2: (Fortsetzung)
506 S. Achtergarde et al.
ipabo_66.249.76.55
Deutschland
8-12 Jahre
Ein unsicher-vermeidender Bindungsstil reduzierte die Wahrscheinlichkeit von Trennungsangst, während ein unsicher-ambivalenter sowie
ein desorientiert-desorganisierter Bindungsstil
die Wahrscheinlichkeit von Trennungsangst
erhöhten.
CBCL Anxiety Problems korrelierte zu r = .62
mit ACC-Skala Insecure und zu r = .70 mit ACCSkala Anxious-distrustful; aber nur N = 5 Kinder
zeigten spezifisches Angst-Profil
Bindungsrepräsentation (emotionale Verfügbarkeit) korrelierte mit Ängstlichkeit zu r = -.23 bis
r = -.26 (sign.). Bindungsverhalten korrelierte mit
Ängstlichkeit zu -.16 (Tendenz).
Attachment
DICA-R
Story Completion Task (ASCT;
Bretherton,
Ridgeway, Cassidy, 1990)
CBCL DSMorientierte
Skala Anxiety
Problems
(Achenbach u.
Rescorla, 2001)
California Child
Q-Sort (Block
u. Block, 1980;
Persönlichkeitsmerkmal
Ängstlichkeit)
Assessment
Checklist for
Children (ACC):
bindungsbe­
zogene Skalen
II-VI (TarrenSweeney, 2007)
Bindungsinterview für die
Späte Kindheit
(BISK; Zimmermann u.
Scheuerer-Englisch, 2000)
Anmerkung: EATQ-R Early Adolescent Temperament Questionnaire-Revised (Ellis u. Rothbart, 2001); CSI Child Symptom Inventory-Parent Checklist
(Gadow u. Sprafkin, 1998); SCARE Screen
�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������
for Child Anxiety Related Emotional Disorders (Birmaher et al., 1997); DICA-R Diagnostic
������������������������������
Interview for Children and Adolescents-Revised (Welner, Reich, Herjanic, Jung, Amado, 1987)
Zimmermann N = 34 Kinder aus
u. Scheuerer- ErziehungsberaEnglisch, 2013 tungsstellen; N =
35 Kinder aus der
Psychiatrie; N = 48
Kontrolle
N = 236 Kinder (128 Australien 4-11 Jahre
Jungen) in Pflegeoder Verwandtenbetreuung
5-10 Jahre
Tarren-Sweeney, 2013
USA
N = 36 Kinder aus
einer kinderpsychiatrischen Station
Goodman,
Stroh, Valdez,
2012
�����������������������������������������������������������
Bindungsmuster und die Entwicklung von Angstsymptomen������
507
508 S. Achtergarde et al.
und Mädchen, die im Alter von 3,5 Jahren eine sichere Bindung an ihre Adoptiveltern aufwiesen, zeigten im Alter von 54 Monaten weniger Angstsymptome als
Kinder mit unsicheren Bindungsmustern (Mädchen: β = -0.40, p < .001; Jungen:
β = -0.30, p = .006). Je höher die Bindungssicherheit war, desto geringer waren die
Angstsymptome bei den Kindern ausgeprägt (Mädchen: β = -0.42, p < .001; Jungen:
β = -0.36, p < .001). Die beiden anderen Längsschnittstudien (Hudson, Dodd, Lyneham, Bovopoulos, 2011; Pass, Arteche, Cooper, Creswell, Murray, 2012) fanden
hingegen keine signifikanten Zusammenhänge zwischen Bindungssicherheit und
späterer Angstsymptomatik.
4.1.2 Querschnittstudien
Auch die Querschnittstudien mit Kindern im Vorschulalter zeigten heterogene Ergebnisse. Die Studie der Arbeitsgruppe von Hopkins (Hopkins, Lavigne, Gouze, LeBailly, Bryant, 2013) wies gemischte Ergebnisse auf. Es fanden sich insgesamt mäßig
hohe, aber signifikante Korrelationen zwischen Bindungssicherheit und Angstmaßen (r = -.14 bis r = -.25). Im Strukturgleichungsmodell wurden hingegen keine
direkten Effekte der Bindungssicherheit auf die Angstsymptomatik nachgewiesen.
Es fanden sich jedoch kleine, aber signifikante indirekte Effekte der Bindungssicherheit (vermittelt über die kindliche Selbstregulation). Die Studie von Hudson und
Kollegen (Hudson, Dodd, Bovopoulos, 2011) berücksichtigte bei der Untersuchung
des Zusammenhangs zwischen Bindungssicherheit und Angst das kindliche Temperament als Kontrollvariable. Es zeigte sich, dass nach Kontrolle des Kind-Temperaments keine signifikanten Zusammenhänge zwischen Bindungstyp und Angststörungen bzw. Angstsymptomatik festzustellen waren.
4.1.3 Zusammenfassung: Vorschulalter
Die aktuellen Studien mit Kindern im Vorschulalter bestätigen nur teilweise die allgemeine Hypothese eines Zusammenhangs von unsicherer Bindung und der Entstehung
von Angstsymptomen (Unsicherheits-Hypothese). Die erwarteten Zusammenhänge
wurden nicht in allen Studien gefunden und die Effekte waren, auch wenn die Zusammenhänge signifikant waren, eher klein. In Studien, die weitere Moderator- und Mediatorvariablen wie das Temperament des Kindes oder die kindliche Selbstregulation
berücksichtigten, wurden keine direkten Zusammenhänge zwischen Bindungssicherheit und dem Auftreten einer Angstsymptomatik festgestellt.
4.2 Bindungssicherheit und Angst im Schulalter
Zehn Studien aus den Jahren 2010 bis 2014 untersuchten den Zusammenhang
zwischen Angstsymptomen bzw. Angststörungen und Bindungssicherheit im
Schulalter (6-12 Jahre; Tab. 2). Als Bindungsmaße wurden in dieser Altersgrup-
ipabo_66.249.76.55
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Bindungsmuster und die Entwicklung von Angstsymptomen������
509
pe teils verhaltensorientierte (Fremde Situationstest), teils repräsentationsorientierte Verfahren verwendet. Bindungsrepräsentanzen der Kinder wurden durch
Fragebögen, Bindungsinterviews und eigens für die Studie entwickelte Geschichtenergänzungsverfahren erhoben. Die Angstsymptomatik wurde mit spezifischen
Verfahren wie dem Screen for Child Anxiety Related Emotional Disorders (SCARED; Birmaher et al., 1997) oder mit Breitbandverfahren wie dem Eltern- oder
Lehrerurteil mit CBCL/TRF erfasst, wobei je nach Studie nur Selbst- oder Fremdeinschätzung berücksichtigt wurden. Die Stichproben wurden überwiegend aus
der Normalbevölkerung rekrutiert für vier prospektive Längsschnittstudien und
sechs Querschnittstudien.
4.2.1 Längsschnittstudien
Alle vier Längsschnittstudien bestätigten den erwarteten Zusammenhang zwischen
unsicherer Bindung und der Entstehung von Angstsymptomen im Schulalter (Unsicherheits-Hypothese). In der großen Studie von Kerns, Siener und Brumariu (2011)
mit N = 1.364 Kindern zeigte sich, dass die Bindungssicherheit zwar schwach, aber
signifikant negativ (r = -.10, p < .01) mit Angstsymptomen korrelierte. Die Analyse
von Wachstumskurven (latent growth curve analysis) zeigte zudem, dass eine geringere Bindungssicherheit mit einem stärkeren Anstieg der Angstsymptome über die
Zeit verbunden war. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Murray et al. (2010), obwohl
sich diese Längsschnittstudie über ein beträchtlich größeres zeitliches Intervall erstreckte. Die Autoren maßen die Bindungssicherheit von 170 Kindern mit und ohne
Lippen-Kiefer-Gaumenspalte im Alter von 18 Monaten und erfassten die kindliche
Symptomatik im Alter von sieben Jahren. Im Kleinkindalter unsicher gebundene
Kinder (mit und ohne Lippen-Kiefer-Gaumenspalte) wiesen später häufiger ängstlich-depressive Symptome auf (χ2(1) = 4.43, p = .03) als Kinder, die mit 18 Monaten
sicher gebunden waren.
Ebenfalls über ein größeres zeitliches Intervall erstreckte sich die Studie von Lecompte, Moss, Cyr und Pascuzzo (2014). Die Autoren erfassten bei 68 Kindern im
Alter von drei bis vier Jahren die beobachtbaren Bindungsmuster, die einen verlässlicheren Aufschluss über Bindungssituation der Kinder geben können als im späteren Kindesalter in Selbstauskunft erhobene Bindungsstile. Darüber hinaus wurde
bei den Kindern im Alter von elf bis zwölf Jahren die Angstsymptomatik mit einem
PC-gestützten, kindgerechten Selbstauskunftsverfahren erhoben. Kinder mit einem
unsicher-desorganisiertem Bindungsverhalten im Vorschulalter wiesen im Alter von
elf bis zwölf Jahren eine höhere Angstsymptomatik auf als Kinder mit sicherer oder
unsicher-organisierter (d. h. vermeidender oder ambivalenter) Bindung.
Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kamen Brumariu und Kerns (2013) in ihrer Studie
mit einer deutlich größeren Stichprobe (N = 1.097). Die Bindungssicherheit der Kinder im Alter von 15 Monaten konnte die Angstsymptomatik in der 6. Klasse schwach,
aber signifikant negativ vorhersagen (r = -.07, p < .05). Eine desorganisiert-desori-
510 S. Achtergarde et al.
entierte Bindung korrelierte dagegen signifikant schwach positiv mit der späteren
Angstsymptomatik (r = .10; p < .01). Die Bindungsmuster „unsicher-ambivalent“
und „unsicher-vermeidend“ korrelierten nicht signifikant mit der Angstsymptomatik.
Dieses Muster, das sich sowohl in der methodisch hochwertigen Studie von Lecompte et al. (2014) als auch in der Studie von Brumariu u. Kerns (2013) zeigte, bestätigt
die Desorganisations-Hypothese (vgl. Moss et al., 2006), wonach der desorganisierte
Bindungstyp einen besonders wichtigen Risikofaktor für das Entstehen einer Angstsymptomatik darstellt.
4.2.2 Querschnittstudien
Die aktuellen Querschnittstudien mit Kindern im Schulalter bestätigten trotz großer methodischer Unterschiede übereinstimmend den erwarteten Zusammenhang
zwischen unsicherer Bindung und dem Entstehen von Angstsymptomen (Unsicherheits-Hypothese). Alle sechs Studien fanden signifikante Zusammenhänge zwischen
den erhobenen Maßen zur Bindungsrepräsentation und den jeweiligen Angstmaßen. Dies gilt auch für die einzige aktuelle Studie aus Deutschland (Zimmermann u.
Scheuerer-Englisch, 2013). In dieser Studie erfassten die Autoren bei 117 Kindern
zwischen acht und zwölf Jahren die berichtete Bindungsrepräsentation zu Mutter
und Vater mithilfe eines Interviews, das unter Einbeziehung der Kohärenz der Narrative die Bindungssituation der Kinder verlässlicher abbildet als der reine Selbstbericht. Zudem wurde die Ängstlichkeit mit einem Q-Sort-Verfahren erfasst. In dieser
Studie korrelierte die Bindungsrepräsentation (emotionale Verfügbarkeit als Hinweis auf sichere Bindung) signifikant negativ mit der Ängstlichkeit (r = -.23 bis r =
-.26); das Bindungsverhalten korrelierte tendenziell negativ mit der Ängstlichkeit (r
= -.16). Diese Ergebnisse sind von besonderem Interesse, da in dieser Studie auch
Kinder aus klinischen Substichproben einbezogen wurden (N = 34 Kinder aus Erziehungsberatungsstellen; N = 35 Kinder aus der Psychiatrie).
Besonders relevant, auch in theoretischer Hinsicht, erscheinen die Studien von
Brumariu, Kerns und Seibert (2012), Brumariu und Kerns (2010a) und Goodman et
al. (2012). Brumariu et al. (2012) erfassten bei 87 Kindern im Alter von zehn bis zwölf
Jahren die Bindungsqualität mithilfe eines eigens für diese Studie entwickelten Geschichtenergänzungsverfahrens und die Angstsymptomatik mithilfe eines Selbstbeurteilungsfragebogens. Es zeigte sich, dass eine sichere Bindung deutlich negativ mit
Angstsymptomen korrelierte (r = -.28, p < .01), während die desorganisierte Bindung
positiv mit Angstsymptomen korrelierte (r = .31, p < .01). Eine unsicher-vermeidende
Bindung korrelierte dagegen nicht mit Angstsymptomen (r = -.06). Eine unsicherambivalente Bindung korrelierte positiv mit Angstsymptomen, aber dieser Zusammenhang war nicht signifikant, wenn Geschlecht und Familienstand kontrolliert wurden. Die Ergebnisse stützen vor allem die Desorganisations-Hypothese (vgl. Moss et al.,
2006), der zufolge die desorganisierte Bindung einen besonderen Risikofaktor für die
Entwicklung von Angstsymptomen darstellt.
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Bindungsmuster und die Entwicklung von Angstsymptomen������
511
Brumariu und Kerns (2010a) bezogen sich auf dieselbe Stichprobe und dieselben
Verfahren wie Brumariu et al. (2012); in ihrer Studie wurden jedoch zusätzlich noch
verschiedene Arten von Angststörungen unterschieden (auf der Grundlage der SCARED-Subskalen Panikstörung, Generalisierte Angst, Sozialphobie, Schulphobie und
Trennungsangst, s. Tab. 2). Eine sichere Bindung korrelierte signifikant negativ mit
den meisten Angststörungen (Generalisierte Ängstlichkeit r = -.22, p < .05; Sozialphobie r = -.27, p < .05; Schulphobie r = -.34; p < .01), aber nicht mit Trennungsangst
(r = -.02). Eine unsicher-ambivalente Bindung dagegen korrelierte signifikant positiv
mit Trennungsangst (r = .34, p < .01), aber nicht mit den anderen Angststörungen.
Die unsicher-vermeidende Bindung wiederum korrelierte signifikant negativ mit
Trennungsangst (r = -.27, p < .05), aber nicht mit den anderen Angststörungen. Die
desorganisierte Bindung schließlich korrelierte signifikant mit der Sozialphobie (r =
.26, p < .05) und der Schulphobie (r = .31, p < .01). Diese sehr ausgeprägten Muster unterschiedlicher Zusammenhänge unterstützen die Differenzierungs-Hypothese (vgl.
Manassis, 2001), wonach nicht allein die Bindungssicherheit, sondern vor allem der
jeweilige Typ der unsicheren Bindung (vermeidend, ambivalent oder desorganisiert)
bestimmt, ob und wenn ja welche Angstsymptomatik mit einer unsicheren Bindung
einhergeht.
Der Zusammenhang zwischen spezifischen Bindungsmustern und spezifischen Störungsbildern wurde auch von Goodman et al. (2012) untersucht. Auch in dieser Studie
mit 36 Kindern aus einer kinderpsychiatrischen Stichprobe wurde die Bindungsrepräsentation mit einem Geschichtenergänzungsverfahren erhoben, wohingegen Angststörungen bei den Kindern mithilfe eines diagnostischen Interviews erfasst wurden.
Es zeigte sich insbesondere, dass Kinder mit einem unsicher-vermeidenden Bindungsmuster eine geringere Wahrscheinlichkeit hatten, eine Störung mit Trennungsangst zu
zeigen, während die Wahrscheinlichkeit für speziell diese Störung bei Kindern mit
unsicher-ambivalenten und desorientiert-desorganisierten Bindungsmustern erhöht
war. Auch diese Ergebnisse bestätigen die Differenzierungs-Hypothese und die Vorhersagen von Manassis (2001).
4.2.3 Zusammenfassung: Schulalter
Die aktuellen Studien bestätigen konsistent die Hypothese eines Zusammenhangs
von Bindungssicherheit und Angstsymptomen im Schulalter (Unsicherheits-Hypothese). Insbesondere die Längsschnittstudien lieferten Belege für die Existenz der
erwarteten Zusammenhänge auch über den Zeitraum von mehreren Jahren. Darüber hinaus fanden sich in mehreren der Studien Belege für die besondere Bedeutung
des desorganisierten Bindungstyps (Desorganisations-Hypothese), aber auch deutliche Hinweise auf bestimmte Muster von Zusammenhängen zwischen spezifischem
Bindungstypus und spezifischen Angststörungen (Differenzierungs-Hypothese).
512 S. Achtergarde et al.
4.3 Bindungssicherheit und Angst im Jugendalter
Zum Zusammenhang zwischen Bindung und Angstsymptomen bzw. Angststörungen
bei Jugendlichen wurden sechs Publikationen identifiziert, welche die Bindungsrepräsentanzen der Jugendlichen erfassen (s. Tab. 3, folgende Seite). Die aus der Normalbevölkerung stammenden Stichproben waren sehr unterschiedlich groß (zwischen N =
60 und N = 1.625), wobei drei der sechs Arbeiten aus China stammten und zwei ein
prospektives Längsschnittdesign aufwiesen.
4.3.1 Ergebnisse der Längsschnittstudie
Zwei Publikationen bezogen sich auf eine große Längsschnittstudie aus Neuseeland
(Jakobsen, Horwood, Fergusson, 2012; Raudino, Fergusson, Horwood, 2013) mit
über 900 Jugendlichen aus der Bevölkerung. In den Publikationen wurden jeweils
unterschiedliche Hypothesen hinsichtlich des Zusammenhanges zwischen Bindung
und der Entstehung von Angststörungen gestützt. Bei Jugendlichen im Alter von 15
Jahren korrelierte die sichere Bindungsrepräsentation signifikant negativ mit dem
Vorhandensein von Angststörungen im jungen Erwachsenenalter (von 21 bis 30
Jahren; r = -.11, p < .001; Raudino et al., 2013), und entsprechend traten signifikant
seltener Angststörungen auf (Jakobsen et al., 2012; Raudino et al., 2012). Zu berücksichtigen ist dabei, dass in dieser Studie als Selbstbericht das Inventory of Parent and
Peer Attachment (IPPA) genutzt wurde, sodass zu erwarten ist, dass z. B. unsichervermeidend gebundene Jugendliche ihre Bindungsbeziehungen eher idealisieren.
Jakobsen et al. (2012) berücksichtigten zusätzlich die Bedeutung von Angst- und
Vermeidungsverhalten im Alter von sieben bis neun Jahren. Sie stellten fest, dass
Angst und Vermeidung in der mittleren Kindheit das Risiko einer Angststörung im
frühen Erwachsenenalter erhöhte; dieser Effekt wurde jedoch vermindert, wenn im
Jugendalter eine sichere Bindungsrepräsentation vorlag.
4.3.2 Ergebnisse der Querschnittstudien
Die Ergebnisse der Querschnittstudien waren sehr uneinheitlich. Zwei Studien,
eine größere aus China (Zhao et al., 2011) mit 1.625 Jugendlichen und eine kleinere
Stichprobe aus Großbritannien (Oskis, Loveday, Hucklebridge, Thorn, Clow, 2011)
mit 60 Jugendlichen konnten keine Zusammenhänge zwischen Bindungsqualität
und Angstsymptomen nachweisen. Oskis et al. (2011) beobachteten zwar Zusammenhänge zwischen unsicher-ambivalenter Bindung und einer erhöhten Speichelkortisol-Sekretion; dies kann jedoch unseres Erachtens nicht eindeutig als Beleg für
eine Angstsymptomatik angesehen werden. Bei der Studie von Zhao et al. (2011) ist
zu beachten, dass es sich bei den teilnehmenden Jugendlichen zu einem großen Teil
um AIDS-Waisen handelte (N = 755; davon N = 296 Vollwaisen), die teilweise von
Pflegepersonen betreut wurden, sodass in diesen Fällen die Bindungsbeziehung zu
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Mothander u.
Wang, 2014
Peng, Lam,
Jin, 2011
Zhao et al.,
2011
Attachment Style
Interview (ASI;
Bifulco, Moran,
Ball, Bernazzani, 2002)
Trusting Relationship
Questionnaire
(Mustillo,
Dorsey, Farmer,
2005)
Inventory of
Parent and Peer
Attachment
(IPPA)
Inventory of
Parent and Peer
Attachment
(IPPA)
N = 510 Jugendliche (240
Jungen) aus
Pekinger Mittelschicht
China
12-20 Jahre
13-18 Jahre
6-18 Jahre
9-18 Jahre
(M = 14.16, SD
± 2.63)
Groß­
britannien
Neuseeland
T1: 15-16 Jahre; Inventory of
T2: 16-30 Jahre Parent and Peer
Attachment
(IPPA; Armsden u. GreenT1: 15-16 Jahre; berg, 1987)
T2: 21-30 Jahre
Neuseeland
Bindungsmaß
Alter
Herkunft
N = 755 AIDS- China
Waisen; N =
466 Kinder
HIV-infizierter
Eltern; KG N
= 404
N = 1083 High- China
school-Schüler
(49 % Jungen)
Raudino, Fer- N = 924 Jugusson, Horgendliche (449
Jungen)
wood, 2013
Querschnittstudien
Oskis, LoveN = 60 Mädday, Huckleb- chen (gesund,
ridge, Thorn, NormalbevölClow, 2011
kerung)
Stichprobe
Längsschnittstudien
Jakobsen,
N = 948 JuHorwood,
gendliche
Fergusson,
2012
Sichere Bindungsrepräsentation im Jugendalter
korrelierte mit geringerem Risiko für die Entwicklung einer Angststörung im jungen Erwachsenenalter und verminderte den Einfluss von Angst/
Rückzugsverhalten in der mittleren Kindheit.
Bindungsqualität mit 15 Jahren korrelierte
schwach, aber sign. negativ mit Angststörungen
im Alter von 21-30 Jahren (r = -.11, p < .001).
Hauptergebnisse
Anxiety/Withdrawal Scale
(CRS2) aus der
Child Rating
Scale (Hightower, 1987)
Social Interaction Anxiety
Scale (Mattick
u. Clarke, 1998)
Social Anxiety
Scale for Adolescents (SAS-A;
La Greca u.
Lopez, 1998)
Sicherheit der Bindung zur Mutter hatte sign.
Einfluss auf die soziale Ängstlichkeit (β = -.22,
p = .018).
Sign. Zusammenhang zwischen Sicherheit der
Bindung zur Mutter und sozialer Ängstlichkeit
(F1,23 = 10.75; p < .003).
Kein Zusammenhang zwischen einer vertrauensvollen Beziehung/Bindungsbeziehung zur
Pflegeperson und Angstsymptomen.
State-Trait
Keine Zusammenhänge zwischen Bindungsstil
Anxiety Inven- und STAI-Werten, jedoch zwischen ambivatory (Spielberg- lenter Bindung und Cortisoldysregulation.
er, 1970)
Composite
InternationalDiagnostic Interview (CIDI;
WHO, 1993)
Angstmaß
Tabelle 3: Studien zum Zusammenhang zwischen Bindungssicherheit und Angst aus dem Jugendalter (13-18 Jahre)
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Bindungsmuster und die Entwicklung von Angstsymptomen������
513
514 S. Achtergarde et al.
diesen aktuellen Pflegepersonen erfasst wurde und nicht die Bindung zu den leiblichen Eltern. Allerdings fanden sich in dieser Studie keine Unterschiede zwischen
den Jugendlichen mit HIV-positiven Eltern, die noch bei ihren Eltern lebten (N =
466), und den Jugendlichen aus gesunden Kontrollfamilien (N = 404): In keiner dieser Gruppen der AIDS-Waisen fanden sich Zusammenhänge zwischen Bindungs-/
Beziehungsqualität und Ängstlichkeit. Stattdessen wurden jedoch signifikante Zusammenhänge mit verschiedenen anderen Variablen berichtet (z. B. externalisierende Symptome, schulisches Verhalten, Beziehungen zu Gleichaltrigen, Erwartungen
für die Zukunft).
Zwei weitere große Studien aus China (Peng, Lam, Jin, 2011; Mothander u. Wang,
2014) mit N = 1.083 bzw. N = 510 Jugendlichen stellten dagegen signifikante Zusammenhänge zwischen der Sicherheit in der Bindungsrepräsentation zur Mutter und der
Angstsymptomatik der Jugendlichen fest. Bei beiden Studien ist hervorzuheben, dass
hierbei speziell das Ausmaß an sozialer Ängstlichkeit erfasst wurde.
4.3.3 Zusammenfassung: Jugendalter
Die aktuellen Studien mit Jugendlichen unterstützen teilweise mit schwachen Effektstärken die Hypothese eines negativen Zusammenhangs von Bindungssicherheit
und dem Risiko für das Entstehen von Angstsymptomen. Von besonderem Interesse erscheinen die Hinweise auf die langfristige protektive Wirkung einer sicheren
Bindung im Jugendalter. Die Befunde dieser Längsschnittstudie sprechen für die
Unsicherheits-Hypothese: Dies trifft auch für zwei der großen Studien aus China zu,
wenn auch eingeschränkt auf soziale Ängstlichkeit.
5
Diskussion
5.1 Einordnung aktueller Studien in bisherige Übersichtsarbeiten
5.1.1 Befunde zur Unsicherheits-Hypothese
In dieser Arbeit wurde der Zusammenhang zwischen Bindungssicherheit und
Angstsymptomen/Angststörungen im Kindes- und Jugendalter anhand von 21
aktuellen Originalarbeiten aus dem internationalen Raum untersucht. Trotz einer
beachtlichen methodischen Heterogenität der Studien zeichnete sich in der Zusammenschau aller Ergebnisse der Trend ab, dass die allgemeine Hypothese eines Zusammenhangs zwischen Bindungsunsicherheit und Angstsymptomen bzw. Angststörungen bestätigt wurde (Unsicherheits-Hypothese): 16 von 21 Publikationen
berichteten von einem solchen Zusammenhang, während in fünf Studien (davon
drei aus dem Vorschulalter und zwei aus dem Jugendalter) keine signifikanten Zusammenhänge festgestellt wurden. Damit stimmen die Ergebnisse dieser Arbeit
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Bindungsmuster und die Entwicklung von Angstsymptomen������
515
grundsätzlich mit den Resultaten vorangegangener Übersichtsarbeiten überein und
ergänzen und aktualisieren diese (vgl. Brumariu u. Kerns, 2010b; Colonnesi et al.,
2011; Esbjørn et al., 2012).
5.1.2 Befunde zur Ambivalenz-Hypothese
Die Ambivalenz-Hypothese wurde in den beiden einschlägigen Studien (Brumariu
et al., 2012; Brumariu u. Kerns, 2013) nicht bestätigt und steht damit im Gegensatz
zur Übersichtsarbeit von Esbjørn et al. (2012). Möglicherweise erschien in den neueren Studien der Einfluss der unsicher-ambivalenten Bindung geringer, weil die desorientiert-desorganisierte Bindung nun häufiger mit einbezogen wurde (Brumariu
u. Kerns, 2010b). Es ist anzunehmen, dass Kinder mit desorientiert-desorganisierter
Bindung in manchen älteren Studien, in denen diese Kategorie nicht explizit berücksichtigt wurde, stattdessen der Kategorie „unsicher-ambivalent“ zugeordnet wurden.
Eine Vermischung der Kategorien „C“ und „D“ in älteren Studien könnte demnach zu
einer Überschätzung des Einflusses der unsicher-ambivalenten Bindung geführt haben. Aufgrund der geringen Anzahl der Studien im untersuchten Zeitraum, die speziell die Frage der Ambivalenz-Hypothese untersuchten, und der großen Übereinstimmung in früheren empirischen Befunden (vgl. Esbjørn et al., 2012; Brumariu u. Kerns,
2010b; Colonnesi et al., 2011) sollte jedoch die Bedeutung der unsicher-ambivalenten
Bindung für die Entwicklung von Angstsymptomen und Angststörungen gegenwärtig
weiterhin als gegeben angenommen und weiter erforscht werden.
5.1.3 Befunde zur Desorganisations-Hypothese
Für die Desorganisations-Hypothese fanden sich Belege in vier aktuellen Studien
(Brumariu et al., 2012; Brumariu u. Kerns, 2013; Lecompte et al., 2014; Borelli, David, Crowley, Mayes, 2010) und unterstreichen damit die besondere Bedeutung der
desorganisiert-desorientierten Bindung als Risikofaktor für die Entwicklung von
Angstsymptomen und Angststörungen im Kindes- und Jugendalter (vgl. Moss et
al., 2006; Kerns u. Brumariu, 2014). Vier Gründe können hierfür verantwortlich
sein. Erstens wird aus bindungstheoretischer Sicht angenommen, dass eine desorganisiert-desorientierte Bindung dann entsteht, wenn die Bindungsperson, die das
Kind bei Bedrohung und Angst unterstützen und regulieren sollte, durch ihr eigenes furchtsames, aggressives oder inkonsistentes Verhalten selbst eine zusätzliche
Verunsicherung oder gar Bedrohung hervorruft. Zweitens erlernt das Kind keine
Strategien der Emotionsregulation über die Bezugsperson, um mit beängstigenden
Situationen umzugehen. Drittens kann eine eigenständige elterliche Psychopathologie den Hintergrund des unangemessenen Verhaltens der Bindungsperson bilden,
welcher wiederum einen eigenständigen Risikofaktor für die Entwicklung einer Psychopathologie (z. B. für eine Angststörung) beim Kind darstellt, sei es durch genetische Einflüsse (Hettema, Neale, Kendler, 2001) oder interaktionale Mechanismen
516 S. Achtergarde et al.
der familiären Transmission (Bögels u. Brechman-Toussaint, 2006). Viertens sind
weitere mit einer desorientiert-desorganisierten Bindung assoziierte Faktoren möglicherweise auch für die Ausbildung einer Angsterkrankung mitverantwortlich (Davis, Saeed, Antonacci, 2008) wie Entwicklungsstörungen, eine Intelligenzminderung
(z. B. Naber et al., 2007) oder ein niedriger sozioökonomischer Status der Familie
(vgl. Bernier u. Meins, 2008).
5.1.4 Befunde zur Differenzierungs-Hypothese
In beiden einschlägigen Studien (Brumariu u. Kerns, 2010a; Goodman et al., 2012)
konnte die zur Differenzierungs-Hypothese (siehe oben) gehörige Annahme gestützt
werden, dass eine unsicher-ambivalente Bindung die Wahrscheinlichkeit speziell von
Trennungsangst erhöhte. In beiden Studien wurde auch gezeigt, dass eine unsichervermeidende Bindung die Wahrscheinlichkeit einer Trennungsangst signifikant reduzierte. Aus bindungstheoretischer Sicht lässt sich dies damit erklären, dass die betroffenen Kinder Strategien entwickelt haben, sich bei emotionaler Belastung auf sich
selbst zu verlassen und bei Trennungen von der Bindungsperson keine emotionale
Erregung zu zeigen. Dies bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass diese Kinder bei einer
Trennung von ihrer Bindungsperson keinen Stress empfinden. Manche Studien, die
neurophysiologische und endokrinologische Variablen berücksichtigten (z. B. Speichelkortisol), stellten Stressreaktionen bei unsicher-vermeidend gebundenen Kindern
in Trennungssituationen fest (z. B. Schieche u. Spangler, 1994); dieser Befund wurde
jedoch nicht immer repliziert (Spangler u. Schieche, 1998).
Ein Zusammenhang der vermeidenden Bindung mit Sozialphobie oder Zwängen wurde in keiner Studie berichtet, und zwei Studien fanden gar keine Zusammenhänge zwischen der unsicher-vermeidenden Bindung und Angstsymptomen (Brumariu u. Kerns,
2013; Brumariu et al., 2012). Zu ähnlichen Ergebnissen waren auch schon manche ältere
Studien gekommen (z. B. Brumariu u. Kerns, 2008). Insgesamt erscheint die Bedeutung
der unsicher-vermeidenden Bindung für die Entwicklung von Angstsymptomen bzw.
Angststörungen noch unklar (vgl. Brumariu u. Kerns, 2010b). Zu berücksichtigen ist
hierbei, dass bestehende Bindungsmuster von Kindern oder Jugendlichen den Problembericht über die eigene Angstsymptomatik wesentlich beeinflussen können hinsichtlich
einer Minimierung (dismissing) der Symptome bei unsicher-vermeidend gebundenen
Kindern bzw. einer Maximierung (preoccupied) bei unsicher-ambivalent gebundenen
Kindern (Berger et al., 2005). Während sich diese Zusammenhänge im einfachen Selbstbericht nicht vermeiden lassen, erlauben Interviewansätze über die Einschätzung der
Kohärenz der Aussagen eine Bemessung möglicher impliziter Beeinträchtigungen der
Kinder, die diese nicht explizit berichten.
Die desorientiert-desorganisierte Bindung erhöhte entsprechend den Vorhersagen der Differenzierungs-Hypothese (siehe oben) in der Studie von Goodman et al.
(2012) die Wahrscheinlichkeit einer Trennungsangst und korrelierte in der Studie von
Brumariu und Kerns (2010a) vor allem mit der infolge von Trennungsangst entste-
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Bindungsmuster und die Entwicklung von Angstsymptomen������
517
hender Schulphobie, aber auch mit Sozialphobie. Die beobachtete Korrelation zwischen desorganisierter Bindung und Sozialphobie kann bindungstheoretisch erklärt
werden, wenn man annimmt, dass diese Kinder vielfach ungünstige Erfahrungen mit
ihren Bindungspersonen gemacht haben (z. B. von ihren Eltern geängstigt, bedroht
oder misshandelt wurden; vgl. Sachsse, 2003). Diese Erfahrungen können generalisieren, so dass die betroffenen Kinder allgemein ungünstige Erwartungen an das Verhalten fremder Personen entwickeln bzw. diese als bedrohlich empfinden, was sich in
einer Sozialphobie ausdrücken kann. Hinzu kommt im Sinne der DesorganisationsHypothese, dass die desorientiert-desorganisierte Bindung mit einer allgemein reduzierten Fähigkeit zur Angstregulation einher geht, da den Kindern eine adaptive
und konsistente Verhaltensstrategie fehlt, um mit potenziell ängstigenden Situationen
umzugehen. Einschränkend ist zu den Studien von Goodman et al. (2012) sowie von
Brumariu und Kerns (2010a) zu bemerken, dass es sich in beiden Fällen um Studien
mit eher kleineren Fallzahlen handelt (mit N = 36 und N = 87); beide bezogen sich
auf das Kindesalter, und in beiden Studien wurde die Bindungsqualität mit einem Geschichtenergänzungsverfahren erfasst. Die Studien liefern interessante Hinweise zur
Unterstützung der Differenzierungs-Hypothese, doch um ihre Gültigkeit weiter zu
überprüfen, wäre eine Durchführung vergleichbarer Studien an größeren Stichproben
aus verschiedenen Altersgruppen, möglichst mit unterschiedlichen Verfahren zur Erfassung der Bindungsqualität, notwendig.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die meisten der in dieser Übersichtsarbeit betrachteten Studien die allgemeine Hypothese eines Zusammenhangs zwischen
Bindungsunsicherheit und Angstsymptomen bzw. Angststörungen unterstützen
(Unsicherheits-Hypothese). Außerdem erbrachten die Studien deutliche Belege für
den Zusammenhang insbesondere zwischen desorganisierter Bindung und Angstsymptomen (Desorganisations-Hypothese) und lieferten auch einige Hinweise zur
Unterstützung der Differenzierungs-Hypothese, wobei eine empirische Überprüfung
der Ambivalenz-Hypothese auf der Grundlage der verfügbaren Studien noch nicht
hinreichend erfolgen konnte.
5.2 Charakteristika der Studien
Alter der Kinder/Jugendlichen. Wie dargestellt wurde, schwanken die Zusammenhänge zwischen Bindungssicherheit und Angst über das Vorschulalter, Schulalter
und Jugendalter erheblich, wobei signifikante Zusammenhänge in allen zehn Studien für das Schulalter beobachtet wurden – im Vorschulalter und im Jugendalter war
dies jeweils nur in vier von sechs Studien der Fall in hoher Übereinstimmung mit
Esbjørn et al. (2012) und partiell zu Brumariu und Kerns (2010b). Der grundsätzlich schwächere Zusammenhang zwischen der Bindungssicherheit und dem Risiko
für eine Angstsymptomatik im Jugendalter mag sich über Faktoren wie die Vielfalt
korrektiver Erfahrungen in der damit einhergehenden Sozialisation im Peer-System
erklären (vgl. La Greca u. Lopez, 1998; Tillfors, Persson, Willen, Burk, 2012), aus der
518 S. Achtergarde et al.
resultiert, dass die Bedeutung und der Erklärungswert von Bindung und Beziehung
zu den Eltern in dieser Altersstufe möglicherweise abnimmt.
Erfassung von Bindung und Angstsymptomen. Die Unterschiede zwischen den Altersgruppen werden auch von Änderungen in den Erfassungsmethoden begleitet (O’Connor
u. Byrne, 2007). Diese mögen die berichteten Zusammenhänge moderieren, wobei sowohl von Unterschätzungen des Zusammenhangs von Bindung und Angstsymptomen
– im Falle von ungenauen oder veränderlichen Informationen (insbesondere im Kleinkindalter) – als auch von Überschätzungen – im Falle gleicher Informanten für unterschiedliche Konstrukte – auszugehen ist. Darüber hinaus können in Selbstberichten von
Kindern und Jugendlichen eine Minimierung einer möglichen Angstsymptomatik bei
unsicher-vermeidender Bindung bzw. Maximierung bei unsicher-ambivalenter Bindung
nicht ausgeschlossen werden und entsprechende Zusammenhänge verschleiern bzw.
größer erscheinen lassen, als sie es tatsächlich sind (Berger et al., 2005). Interviewansätze
erlauben hier über die Einschätzung der Kohärenz der Aussagen eine Bemessung möglicher impliziter Beeinträchtigungen der Kinder, auch wenn diese nicht explizit berichtet werden. Entsprechend schwierig gestalten sich direkte Vergleiche der Effekte über
verschiedene Studien hinweg und entsprechend wichtig sind Studien zur Konsistenz
von Bindungsmustern über verschiedene Altersstufen (König, Gloger-Tippelt, Zweyer,
2007), die Kombination von Selbstauskunftsverfahren mit Methoden, die Bindungsverhalten beobachten oder in Interviews die Kohärenz bindungsrelevanter Aussagen
bemessen, sowie Modelle zur statistischen Kontrolle von Drittvariablen (vgl. Hudson
et al., 2011; Hudson, Dodd, Bovopoulos, 2011; Hopkins et al., 2013) oder sogenannter
Method-Faktoren (Lindell u. Whitney, 2001). Insgesamt erscheinen die Befunde robust
gegenüber der großen Variabilität der verwendeten Ansätze und Verfahren: in acht von
zehn Studien wurden die erwarteten Zusammenhänge auf Verhaltensebene nachgewiesen, sowie in neun von elf Studien bei der Erfassung mittels Bindungsrepräsentation.
Für die Erfassung einer Angstsymptomatik gelten ähnlich gelagerte Überlegungen (vgl.
Mian, Godoy, Briggs-Gowan, Carter, 2012).
5.3 Moderatorvariablen
Neben den Studiencharakteristika können auch weitere Moderatorvariablen den Zusammenhang zwischen Bindung und einer Angstsymptomatik bzw. Angststörung beeinflussen, die aufgrund der begrenzten Studienzahl nicht besprochen wurden. Hierzu gehört die sich entwickelnde Fähigkeit zur Emotionsregulation (z. B. Esbjørn et al.,
2012), das Geschlecht (des Kindes bzw. des Elternteils; Diener, Isabella, Behunin, 2008),
das kindliche Temperament (Planalp u. Braungart-Rieker, 2013), die Psychopathologie
der Eltern (Laulik, Chou, Browne, Allam, 2013), die Qualität der Beziehung der Eltern
untereinander (Bögels u. Brechman-Toussaint, 2006), das elterliche Erziehungsverhalten
(Pereira, Barros, Mendonca, Muris, 2014), aber auch sozio-ökonomische Faktoren (Vine
et al., 2012) sowie der kulturelle Hintergrund (Agishtein u. Brumbaugh, 2013; Keller,
2007; Otto u. Keller, 2014; Rothbaum, Weisz, Pott, Miyake, Morelli, 2000).
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Bindungsmuster und die Entwicklung von Angstsymptomen������
519
5.4 Einschränkungen der vorliegenden Übersicht
Die Grenzen der Aussagen dieser Übersichtsarbeit ergeben sich zunächst aus der
Zielsetzung, da die Konzentration überwiegend auf den empirischen Zusammenhang zwischen Bindung und einer Angstsymptomatik bzw. Angststörung fokussiert. Die vermuteten vermittelnden Prozesse sind vielfältig und bildeten nicht
den Schwerpunkt der Literatursuche und Auswertung. Weitere Einschränkungen
ergeben sich aus der gewählte Methodik der Literaturrecherche, welche jedoch die
Möglichkeit bieten, hierauf aufbauende ergänzende oder aktualisierte Zusammenfassungen zu erstellen. Limitationen der einbezogenen und diskutierten Studien
bleiben auch für diese Zusammenfassung weitestgehend bestehen – wenngleich mit
der Berücksichtigung von moderierenden Studiencharakteristika Beschränkungen
der einzelnen Studien partiell aufgehoben werden konnten. Schließlich fehlen zusammenfassende quantitative Aussagen, da die vorgestellten Studien nicht in allen
Fällen die entsprechende Information enthielten.
6
Fazit für die Praxis
Als wichtigstes Ergebnis der vorliegenden Arbeit kann festgehalten werden, dass die
Mehrzahl der aktuellen empirischen Studien die Annahme eines Zusammenhangs
zwischen einer unsicheren Bindung im Kindesalter und der Entwicklung von Angstsymptomen bzw. Angststörungen im Kindes- und Jugendalter unterstützt, wobei insbesondere die desorganisiert-desorientierte Bindung als bedeutsamer Risikofaktor
erscheint. Diese Ergebnisse erscheinen unabhängig davon, mit welchen Instrumenten
oder Verfahren die Bindungssicherheit bzw. die Angstsymptomatik erfasst wurden und
welches Design der Studie zugrunde lag. Allerdings waren die Zusammenhänge trotzdem in vielen Studien nur schwach bis mittelstark ausgeprägt. Bindungsunsicherheit
erscheint als Risikofaktor für die Entwicklung einer Angstsymptomatik bzw. Angststörung im Kindesalter, wenngleich weitere Risikofaktoren und Belastungen hinzutreten müssen, damit sich die Symptome manifestieren und verfestigen. Bindungserfahrungen bilden hierbei als „Gefüge psychischer Sicherheit“ (Grossmann u. Grossmann,
2012) ein möglicherweise essentielles psychisches Fundament für die Entwicklung der
Fähigkeit zu einer adaptiven Angstregulation, indem sie das Suchen und Nutzen der
Nähe einer vertrauten Person als effektive angstmindernde Strategie fest im Verhaltensrepertoire verankert. Bindungsmuster dienen im späteren Lebensverlauf als mentales Arbeitsmodell der Regulation insbesondere negativer Emotionen, indem Kinder
auf der Basis wiederholt erfahrener Interaktionsmuster mit ihren Bindungspersonen
Erwartungen über zukünftige Interaktionen zu Bezugspersonen ausbilden (Bretherton u. Munholland, 2008). Innere Arbeitsmodelle prägen also die Gestaltung sozialer
und emotionaler Regulationsprozesse, inwieweit und in welcher Form in Beziehungen
Nähe und Sicherheit gesucht und Emotionen reguliert werden. Menschen mit sicherer
520 S. Achtergarde et al.
Bindung zeigen hier später eine adaptivere emotionale Regulation und – im Gegensatz zu Menschen mit Bindungsstörungen – eine deutlich höhere Ich-Flexibilität (EgoResiliency), sind also anpassungsfähiger und stressresistenter, ohne dabei ihre Ziele
aus dem Blick zu verlieren (Zimmermann u. Scheuerer-Englisch, 2013; Zimmermann
u. Iwanski, 2014). Während Menschen mit unsicher-vermeidender Bindungsrepräsentation in therapeutischen Gesprächen eine vorhandene emotionale Belastung eher
minimieren, intensivieren Menschen mit unsicher-ambivalenter Bindungsrepräsentation diese eher (Berger et al., 2005). Bei Bindungsdesorganisation und erlebter Angst
ist die Cortisolreaktion als Indikator für dysfunktonale Emotionsregulationsstrategien besonders ausgeprägt (Spangler u. Zimmermann, 2014). Die Kenntnis dieser
Bindungsdynamiken kann für die psychotherapeutische Arbeit mit Angstpatienten
nutzbar gemacht werden.
Korrektive Bindungserfahrungen können als ein wichtiges Element bei der multimodalen Behandlung von Angststörungen betrachtet werden. Aktuelle empirische
Studien haben gezeigt, dass sich durch entsprechende Interventionen (z. B. gezielte
Elterntrainings) das Interaktionsverhalten der Eltern verbessert, die Eltern-Kind-Bindung gestärkt und die psychische Gesundheit der Kinder nachhaltig gefördert wird
(Scott, 2012).
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Korrespondenzanschrift: Dr. Jörg M. Müller, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie,
-psychosomatik und -psychotherapie, Universitätsklinikum Münster, Schmeddingstraße
50, 48149 Münster; E-Mail: [email protected]
Sandra Achtergarde, Jörg Müller, Christian Postert, Ida Wessing, Andreas Mayer und Georg Romer, Klinik
für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie, Universitätsklinikum Münster;
Christian Postert, Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften, Hochschule für Gesundheit,
Bochum
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ORIGINALARBEITEN
Emotionsregulation und emotionale Verletzungssensitivität
bei Jugendlichen mit Angststörungen
Peter Zimmermann, Alexandra Iwanski und Fatma Çelik*
Summary
Emotion Regulation and Emotional Vulnerability in Adolescents with Anxiety Disorders
From an attachment perspective, insecure attachment patterns in both infancy and adolescence are risk factors for the development of anxiety disorders in adolescence. Dysfunctional
emotion regulation and biased social information processing are possible mediating processes. This study examines differences in emotion regulation, emotional vulnerability, and
behaviour inhibition in adolescents with clinical diagnosis of anxiety disorder and healthy
controls. Adolescents with anxiety disorder reported more maladaptive emotion regulation
depending on the specific emotion and a higher incidence of reporting hurt feelings in social
interactions. In contrast, behaviour inhibition did not explain additional variance. The results
suggest that adolescents with anxiety disorders show a bias in the interpretation of social interactions as frequently emotionally hurting, and the use of dysfunctional emotion regulation
strategies that minimize the possibility for effective social emotion regulation by close others
or therapists. The results are interpreted within attachment framework.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64/2015, 527-544
Keywords
emotion regulation – emotional vulnerability – anxiety disorders – attachment – adolescence –
behaviour inhibition
Zusammenfassung
Aus bindungstheoretischer Perspektive ist unsichere Bindung in der Kindheit und im Jugendalter ein Risikofaktor für die Entwicklung und Aufrechterhaltung einer Angststörung. Hierbei
können dysfunktionale Emotionsregulationsstrategien und eine negative, stereotype, soziale
* Unser Dank gilt Dipl.-Psych. Alexandra Held, Dr. Elisabeth Fremmer-Bombik und Dr. Simon
Meier sowie den teilnehmenden Jugendlichen für ihre Unterstützung.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 527 – 544 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
528 P. Zimmermann et al.
Informationsverarbeitung als mediierende Prozesse zwischen Bindung und Psychopathologie
betrachtet werden. Die vorliegende Studie untersucht auf dieser theoretischen Basis Unterschiede in Emotionsregulation, emotionaler Verletzungssensitivität und Verhaltenshemmung
bei Jugendlichen mit diagnostizierter Angststörung im Vergleich zu Jugendlichen einer gesunden Kontrollstichprobe. Jugendliche mit Angststörung wiesen mehr maladaptive Emotionsregulationsstrategien auf, die je nach Emotion variierten und berichteten mehr Situationen zu
erleben, in denen sie sich emotional verletzt fühlten ohne jedoch solche Situationen anders zu
bewerten als die Jugendlichen der Kontrollgruppe. Verhaltenshemmung erklärte keine zusätzliche Varianz. Die Ergebnisse legen nahe, dass Jugendliche mit Angststörungen einen Bias in der
Interpretation sozialer Interaktionen als häufig emotional verletzend haben und Emotionsregulationsstrategien nutzen, die nicht effektiv sind und eine soziale Regulation durch andere nahestehende Personen einschränken oder verhindern. Dies wird bindungstheoretisch diskutiert.
Schlagwörter
Emotionsregulation – Verletzungssensitivität – Angststörung – Bindung – Jugendalter –
Verhaltenshemmung
1
Die Entwicklung von Angststörungen
Angststörungen gehören zu den häufigsten Störungen des Kindes- und Jugendalters
mit einer Lebenszeitprävalenz von 15-20 %, sodass Erkenntnisse über Entwicklungsprozesse, die ursächlich oder aufrechterhaltend für dieses Störungsbild sind, eine
große Relevanz für Interventionen haben (Beesdo, Knappe, Pine, 2009). Allerdings
liegt eine große Heterogenität des Störungsbildes und der Entwicklungsverläufe vor
(Nelemans et al., 2014), sodass verschiedene Risikoprozesse und ihr Zusammenspiel
im Laufe der Entwicklung im Sinne von Multifinalität und Multikausalität betrachtet
werden müssen (Cicchetti, 2013). Neben den klassischen Risikofaktoren wie niedriger Bildungsstatus und geringes Einkommen, die eher oft störungsunspezifisch
sind, werden biologische Faktoren, wie z. B. die kurze Variante des Serotonintransporterpolymorphismuses (5-HTTLPR) oder biologisch beeinflusste Faktoren wie z.
B. Verhaltenshemmung (Hirshfeld-Becker et al., 2007), aber auch soziale Einflussfaktoren wie Erziehung und Bindung untersucht (vgl. Beesdo et al., 2009).
Ausgehend von Grays biopsychologischer Persönlichkeitstheorie (Gray u. McNaughton, 2000) unterscheiden sich Menschen in der Ausprägung des neurologisch
basierten Verhaltenshemmungssystems (Behavior Inhibition System; BIS) und des
Verhaltensaktivierungssystems (Behavior-Activation/Activation System; BAS). Das BISSystem reagiert auf Bestrafung, das Ausbleiben von Belohnung und bei unbekannten,
neuen, uneindeutigen, angstauslösenden Umweltreizen. Verhaltenshemmung äußert
sich in einem Anstieg der physiologischen Aktivierung sowie einer erhöhten Vigilanz.
Das BAS-System wird als appetitives System bei Belohnung und Nichtbestrafung aktiviert und reguliert Annäherungsverhalten. Studien zeigen, dass in der mittleren Kind-
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Emotionsregulation und emotionale Verletzungssensitivität bei Angststörungen������
529
heit (9-13 Jahre) hohe Verhaltenshemmung (BIS) mit mehr sozialen Ängsten und mehr
emotionalen Problemen zusammenhängt (Kingsbury, Coplan, Weeks, Rose-Krasnor,
2013). Ähnliche Ergebnisse zeigen sich auch im Vergleich von klinisch diagnostizierten
Stichproben mit gesunden Kontrollgruppen im Alter von acht bis 18 Jahren (Vervoort,
Wolters, Hogendoorn, de Haan, Boer, Prins, 2010). Allerdings erklären biologische Prozesse nur für manche Jugendliche die Entstehung einer Angststörung und sind als Risikofaktor oft nicht störungsspezifisch. So zeigen Überblicksarbeiten zum Zusammenhang
zwischen dem 5-HTTLPR und Psychopathologie, dass die kurze Allel-Variante eher mit
Aggression als mit Ängstlichkeit einhergeht, obwohl frühe Studien eher Ängstlichkeit
damit assoziierten (Carver u. Miller, 2006). Außerdem zeigt sich, dass genetische Unterschiede durch soziale Einflussfaktoren wie Bindungssicherheit im konkreten Verhalten
moderiert werden können (Zimmermann, Mohr, Spangler, 2009).
Studien zum Einfluss sozialer Faktoren auf die Entwicklung oder die Aufrechterhaltung
von Ängstlichkeit oder Angststörungen machen deutlich, dass auch hier transaktionale,
bi-direktionale Entwicklungspfade betrachtet werden sollten. In einer Meta-Analyse zu
Erziehungseffekten auf die Angstentwicklung konnte gezeigt werden, dass vor allem elterliche Kontrolle und elterliche Zurückweisung bzw. der Mangel an elterlicher Wärme
Unterschiede in der Ängstlichkeit von Kindern erklären (McLeod, Wood, Weisz, 2007).
Vergleichbar werden auch überbehütendes Erziehungsverhalten von Müttern (Bögels,
van Oosten, Muris, Smulders, 2001) und Vätern (Pereira, Barros, Mendonça, Muris,
2014) als Einflussfaktor auf die Angstentwicklung belegt. Allerdings wirken auch bereits
aufgebaute, habituelle Persönlichkeitsstrukturen des Kindes oder Jugendlichen auf die
soziale Umwelt und evozieren spezifische Reaktionen dieser.
2
Bindung und Angststörungen
Das Bindungskonzept integriert das transaktionale Entwicklungsmodell, indem es
davon ausgeht, dass Kinder in Abhängigkeit von ihrer Disposition, der Feinfühligkeit ihrer Bezugspersonen und kritischen Lebensereignissen eine bestimmte Verhaltensorganisation aufbauen (Bowlby, 2011; Sroufe u. Waters, 1977). Die Feinfühligkeit
beschreibt dabei die dynamische Anpassung der Fürsorge und Ermutigung an den
akuten Zustand oder das Temperament des Kindes mit dem Ziel seiner Regulation
und Beruhigung. Dies zielt auf den Kern des Bindungskonzepts, da das Bindungsverhaltenssystem in Situationen ausgelöst wird, die intensive negative Emotionen hervorrufen wie Angst oder Trauer, welche die Regulationsfähigkeit des Kindes oder Jugendlichen herausfordern oder überfordern (Zimmermann u. Scheuerer-Englisch, 2013).
Eine sichere Bindung äußert sich in effektiver sozialer Emotionsregulation des Kindes
oder Jugendlichen durch Körperkontakt oder Kommunikation mit der Bezugsperson.
Eine unsicher-vermeidende Bindung ist der Versuch einer individuellen Emotionsregulation des Kindes oder Jugendlichen ohne die Bezugsperson, die jedoch nicht effektiv ist. Eine unsicher-ambivalente Bindung entspricht einer ineffektiven, sozialen
530 P. Zimmermann et al.
Emotionsregulation, bei der Körperkontakt oder Kommunikation nicht beruhigend
wirken (vgl. Zimmermann u. Scheuerer-Englisch, 2013). Somit sind die beiden unsicheren organisierten Bindungsmuster entweder durch Vermeidung einer sozialen
Regulation und Rückzug bei Angst oder Trauer oder durch die Unwirksamkeit angebotener Hilfe oder Beruhigung als Risikofaktoren für die Entwicklung von Angststörungen zu betrachten. Empirisch zeigt sich hierfür einige Evidenz. So ist eine unsicherambivalente Bindung an die Mutter in der frühen Kindheit mit einer erhöhten Rate
an Angststörungen im späten Jugendalter assoziiert, auch bei Kontrolle des kindlichen
Temperaments und der Ängstlichkeit der Mutter (Warren, Huston, Egeland, Sroufe
1997). Auch wenn Bindungsmuster in der frühen Kindheit und im Jugendalter nicht
notwendigerweise übereinstimmen (Zimmermann et al., 2000), ergeben sich auch zu
Bindungsmustern im Jugendalter signifikante Zusammenhänge zwischen unsicherer
Bindung und Ängstlichkeit (Kobak u. Sceery, 1988; Zimmermann, Gliwitzky, BeckerStoll, 1996; Zimmermann u. Scheuerer-Englisch, 2013). Frühkindliche Bindungsdesorganisation ist längsschnittlich auch im Jugendalter noch mit erhöhter Cortisolausschüttung in Angstsituationen assoziiert (Spangler u. Zimmermann, 2014). Es zeigen
sich aber auch Zusammenhänge zu Angststörungen, wie die Überblicksarbeiten von
Brumariu und Kerns (2010) und Colonnesi und Kollegen (2011) darlegen. Insgesamt
ergab sich eine mittlere Effektstärke von r = .30 und deutlichere Zusammenhänge zu
unsicher-ambivalenter Bindung.
Die Bindungstheorie erklärt den Zusammenhang zwischen unsicherer Bindung und
der Entwicklung von Störungen über den Aufbau internaler Arbeitsmodelle, welche die
soziale Informationsverarbeitung und die Emotionsregulation negativer Emotionen mit
steuern, wenn sie aktiviert werden (Zimmermann u. Scheuerer-Englisch, 2013).
Die soziale Informationsverarbeitung bei unsicherer Bindung ist charakterisiert durch
selektive Wahrnehmung und einen Bias bei der Interpretation sozialer Situationen (Dykas u. Cassidy, 2011), sodass man eher Zurückweisung oder Autonomieeinschränkung
erwartet (Zimmermann, 1999). Die Emotionsregulation bei unsicherer Bindung geht
mit der Vermeidung von Situationen, Ausdruckskontrolle und wenig Suche nach sozialer Unterstützung einher. Man kann also vermuten, dass wenig effiziente, maladaptive
Emotionsregulationsstrategien wie Vermeidung und Ruminieren und die häufige Bewertung sozialer Interaktionen als zurückweisend oder emotional verletzend mediierende Prozesse zwischen Bindungsmustern und Angststörungen sein können. Solche
Prozesse beschreiben auch Esbjørn, Bender, Reinholdt-Dunne, Munck und Ollendick
(2012) als mögliche Einflussfaktoren auf die Entwicklung von Angststörungen.
3
Emotionsregulation und Angststörungen
Die Rolle von Emotionsregulation als erklärendem Faktor für die Entstehung oder Aufrechterhaltung psychischer Störungen und speziell auch von Angststörungen ist noch
nicht vollständig erforscht. Emotionsregulation umfasst alle Prozesse die an der ziel-
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Emotionsregulation und emotionale Verletzungssensitivität bei Angststörungen������
531
gerichteten Veränderung von emotionalen Reaktionen beteiligt sind (Zimmermann
u. Iwanski, 2013) und die zur Überwachung, Bewertung und Steuerung emotionaler
Reaktionen mit dem Ziel der kurz- oder langfristigen Anpassung des Individuums
beitragen (Gross u. Thompson, 2007). Intensität, Qualität, Ausdruck, Dauer, zeitlicher
Verlauf und Latenz bis zum Abklingen der Emotion können über Emotionsregulationsprozesse gesteuert und verändert werden (Zimmermann u. Thompson, 2014). Aldao,
Nolen-Hoeksema und Schweizer (2010) konnten in einer Meta-Analyse deutliche Zusammenhänge zwischen einzelnen Emotionsregulationsstrategien und verschiedenen
psychopathologischen Erkrankungen im Jugend- und Erwachsenenalter nachweisen.
Die Nutzung von Vermeidung oder dysfunktionaler Rumination zeigt einen Zusammenhang mittlerer Effektstärke mit Ängstlichkeit aber auch Depressivität.
Akzeptanz der Situation oder Problemlösen zeigten negative Zusammenhänge ebenfalls mittlerer Effektstärke mit Ängstlichkeit und auch Depressivität. Es gibt
empirische Hinweise darauf, dass Angststörungen in der Kindheit mit maladaptiven
Emotionsregulationsstrategien zusammenhängen (Hannesdottir, Doxie, Bell, Ollendick, Wolfe, 2010). Ängstliche Kinder und Jugendliche weisen eine geringere Emotionsregulationsfähigkeit und ein geringeres Emotionswissen auf und berichten gleichzeitig Emotionen intensiver zu erleben als nicht-ängstliche Kinder und Jugendliche
(Hannesdottir u. Ollendick, 2007; Southam-Gerow u. Kendall, 2000; Suveg u. Zeman,
2004). Darüber hinaus vermeiden sie häufiger Situationen, die intensive negative
Emotionen auslösen könnten, suchen aber gleichzeitig mehr soziale Unterstützung
zur Regulation ihrer Emotionen als die Kinder und Jugendlichen einer unauffälligen
Kontrollgruppe (Carthy, Horesh, Apter, Gross, 2010). In einer weiteren Studie zeigten
Carthy, Horesh, Apter, Edge und Gross (2010), dass Jugendliche im Alter von 10-17
Jahren mit diagnostizierter Angststörung Probleme damit haben, im Laborsetting nach
Instruktion auf Aufforderung hin kognitive Neubewertung als Emotionsregulationsstrategie wirksam umzusetzen. Nur wenn sie diese Strategie ohnehin anwenden, sind
sie ebenso effektiv wie Kinder und Jugendliche ohne Angststörung. Im Selbstbericht
über die alltägliche Nutzung von kognitiver Umbewertung zeigte sich jedoch, dass
Kinder und Jugendliche mit Angststörung diese Strategie im Alltag seltener nutzen als
die gesunde Kontrollgruppe. Suveg und Zeman (2004) konnten darüber hinaus zeigen, dass ängstliche Kinder im Selbstbericht Probleme damit haben, Trauer und Ärger
zu regulieren und sich wenig selbstwirksam dabei erleben. Dies deutet darauf hin, dass
die Regulationsdefizite nicht nur auf die Emotion Angst bezogen sind. Dies zeigt sich
in ähnlicher Weise in der Studie von Lange und Tröster (2014) zur Nutzung adaptiver
und maladaptiver Strategien zur Regulation von Angst, Trauer und Ärger bei Kindern
und Jugendlichen mit einer sozialen Angststörung, sozial-ängstlichen Kindern und
Jugendlichen ohne diagnostizierte Angststörung und einer Kontrollgruppe im Alter
von zehn bis 16 Jahren. Es zeigte sich, dass Kinder mit diagnostizierter Angststörung
weniger adaptive Strategien nutzten als die Kontrollgruppe, jedoch nicht Kinder mit
Anzeichen sozialer Angst, aber ohne Diagnose. Auch hier waren die Unterschiede nur
für die Regulation von Trauer und Ärger signifikant, nicht aber für die Regulation
532 P. Zimmermann et al.
von Angst, der störungstypischen Emotion. Hinsichtlich der Nutzung maladaptiver
Regulationsstrategien deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Kinder und Jugendliche mit diagnostizierter Angststörung häufiger maladaptive Strategien zur Regulation
von Angst, Ärger und Trauer nutzen als Kinder und Jugendliche der Kontrollgruppe.
Sozial-ängstliche Kinder ohne Diagnose nutzten maladaptive Strategien nur in der
Regulation von Ärger häufiger als Kinder der Kontrollgruppe. Es zeigen sich demnach
deutliche emotionsspezifische Unterschiede in der Emotionsregulation von Kindern
und Jugendlichen mit Angststörung und gesunden Kindern und Jugendlichen.
4
Soziale Informationsverarbeitung bei Angststörungen: Die Rolle
emotionaler Verletzungssensitivität
In der sozialen Informationsverarbeitung zeigte sich bei Kindern mit Angststörungen ein Interpretationsbias mehrdeutiger Situationen (Pereira et al., 2014; Britton, Lissek, Grillon, Norcross, Pine, 2011). Bindungstheoretisch wird angenommen,
dass Kinder mit Angststörungen aufgrund vergleichbarer familiärer Erfahrungen in
sozialen Situationen häufiger Zurückweisung erwarten oder aber viele Situationen
emotional als Ablehnung der eigenen Person erleben und somit häufiger emotional
verletzt sind. Emotionale Verletzung ist eine soziale Emotion ähnlich wie Scham
oder Eifersucht (Hareli u. Hess, 2012) und tritt bei Persönlichkeits- oder Beziehungsabwertung auf, wie z. B. durch sozialen Ausschluss. Emotionale Verletzung
wird je nach Attribution der Situation und der Absichten des Täters sowie der Beziehung zu diesem von Ärger, Trauer oder Angst begleitet (Leary u. Springer, 2001;
Vangelisti, 2009). Es wird angenommen, dass die emotionale Verletzungsempfindung dann entsteht, wenn eine Person Trauer über einen emotionalen Schaden erlebt, welcher ihr zugefügt wurde, sowie Angst vor erneuter Verletzung empfindet.
Der diese emotionale Verletzung manchmal begleitende Ärger wird in diesem Ansatz eher als Maskierung der eigenen Verletzbarkeit interpretiert (Vangelisti, 2009).
Unterschiede in der habituellen Neigung sich verletzt zu fühlen werden als ein Persönlichkeitskonstrukt verstanden, welches die emotionsspezifische Disposition erfasst, häufig emotional verletzende Situationen zu erleben und darauf intensiv mit
dem Gefühl emotionaler Verletzung zu reagieren (Zimmermann u. Çelik, 2015).
Im Jugendalter sagt die Erwartung, von anderen zurückgewiesen zu werden, soziale Ängstlichkeit und sozialen Rückzug sogar vier Monate später voraus (London,
Downey, Bonica, Paltin, 2007). Eine erhöhte Tendenz auf soziale Exklusion ängstlich zu reagieren, sagt nach einer experimentellen Induktion einer solchen Erfahrung mehr soziale Ängstlichkeit noch zwei Monate später vorher (Levinson, Langer,
Rodebough, 2013). Bedeutsam für den Bereich psychischer Störungen erscheint
neben den tatsächlichen Erfahrungen vor allem das mögliche Vorliegen eines Bewertungsbias zu sein, der zu einer subjektiven erhöhten Häufigkeit des Erlebens von
emotionaler Verletzung beiträgt.
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Emotionsregulation und emotionale Verletzungssensitivität bei Angststörungen������
533
Ausgehend von der bisherigen empirischen Befundlage kann man also erwarten, dass
bei Jugendlichen mit Angststörungen maladaptive Emotionsregulationsstrategien und
ein Bias in der Bewertung sozialer Interaktionen, der zur häufigen Bewertung als zurückweisend und emotional verletzend führt, vorliegen. Bindungstheoretisch betrachtet, sind beide Prozessebenen, also die Regulation negativer Emotionen und die soziale
Informationsverarbeitung durch internale Arbeitsmodelle von Bindung beeinflusst.
Deshalb soll in dieser Studie geprüft werden, ob dysfunktionale Emotionsregulation und
dysfunktionale soziale Informationsverarbeitung bei Angststörungen im Jugendalter gehäuft auftreten. In der vorliegenden Studie wurde konkret erwartet, dass
1. Jugendliche mit Angststörungen negative Emotionen häufiger maladaptiv regulieren als eine gesunde Kontrollgruppe und vor allem typischerweise Vermeidung und
Ausdruckskontrolle verbunden mit Ruminieren zeigen, wobei emotionsspezifsch
eine unterschiedliche Nutzung der Regulationsstrategien zu erwarten sind;
2. Jugendliche mit Angststörungen Situationen, in denen sie Kritik oder sozialem
Ausschluss ausgesetzt sind, zwar ebenso emotional verletzend erleben wie Jugendliche ohne Angststörung, aber berichten, häufiger emotional verletzende Situationen
zu erleben;
3. Jugendliche mit Angststörung sich nicht in Verhaltenshemmung (BIS) und Verhaltensaktivierung (BAS) von einer gesunden Kontrollgruppe unterscheiden, wenn
man emotionale Verletzungssensitivität kontrolliert.
5
Methode
5.1 Stichprobe und Datenerhebung
Die Stichprobe bestand aus 50 Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 17 Jahren
(davon 58 % weiblich) mit einem Durchschnittsalter von 15,1 Jahren. 26 Jugendliche (davon 50 % weiblich) kamen aus klinisch nicht auffälligen Familien und 24
Jugendliche (davon 66 % weiblich) befanden sich in vollstationärer Behandlung in
Kinder- und Jugendpsychiatrien. Ein Chi-Quadrat-Test ergab keinen signifikanten
Unterschied in der Geschlechtsverteilung der beiden Gruppen. Ein signifikanter
Altersunterschied der Gruppen lag ebenfalls nicht vor. Die Patienten wurden auf
Grundlage einer diagnostizierten Angststörung (spezifische Phobien, Sozialphobien,
Zwangsstörungen und posttraumatischer Belastungsstörung) der Kliniken rekrutiert und nach Zustimmung der Eltern und Jugendlichen selbst in die Untersuchung
einbezogen. Komorbide Störungen oder medikamentöse Behandlungen waren kein
Ausschlusskriterium für die Teilnahme an der Studie. Die Kontrollgruppe wurde
an Regelschulen rekrutiert. Bei keinem der Jugendlichen der Kontrollgruppe war
zum Zeitpunkt der Datenerhebung eine psychische Vorerkrankung bekannt. Die
Teilnahme an der Studie war freiwillig. Die Jugendlichen füllten zur Erhebung von
Emotionsregulation, emotionaler Verletzungssensitivität und Verhaltenshemmung
534 P. Zimmermann et al.
und -aktivierung Fragebögen aus. Bindung wurde mit dem Bindungsinterview für
die Späte Kindheit (BISK; vgl. Zimmermann u. Scheuerer-Englisch, 2013) erhoben,
jedoch nicht mehr in diesen Bericht mit aufgenommen.
5.2 Messinstrumente
Emotionsregulation. Emotionsregulation wurde mithilfe des Negative Emotion Regulation Inventories (NERI; Zimmermann, Scharf, Iwanski, 2008) erfasst. Der NERI ist
ein Selbstberichtfragebogen zur Erfassung emotionaler Erfahrungen und Emotionsregulation in spezifischen emotionsauslösenden Situationen. Es werden pro Emotion
(Trauer, Ärger und Angst) zwei Situationen vorgegeben (z. B. ein Versprechen wird
gebrochen für Ärger) für die die Probanden angeben sollen, ob die Situation bereits
einmal erlebt wurde, welche Emotionen sie gefühlt haben und welche Regulationsstrategien in einer solchen Situation typisch für sie sind. Zunächst soll die Intensität
der erlebten Emotion auf einer 7-stufigen Likert-Skala eingeschätzt werden (1 = überhaupt nicht bis 7 = sehr stark). Die Mittelwerte für die drei Emotionen, also Angst in
Angstsituationen, Trauer in Trauersituationen und Ärger in Ärgersituationen werden
in Analysen kontrolliert, da sich zeigte, dass die Emotionsintensität mit der Nutzung
der Strategien einhergeht (Zimmermann u. Iwanski, 2014). Der NERI erfasst neben
der Emotionsintensität auch die Nutzung sieben verschiedener Regulationsstrategien:
Adaptive Emotionsregulation (6 Items, z. B. „Ich beruhige mich zunächst selbst und
überlege mir was zu tun ist“; α = .93), Suche nach sozialer Unterstützung (4 Items, z.
B. „Ich suche Unterstützung und Trost“; α = .91), Passivität (5 Items, z. B. „Ich denke,
ich muss damit leben“; α = .88), Vermeidung (4 Items, z. B. „Ich ziehe mich zurück
(gehe weg, bleibe alleine)“; α = .78), Ausdruckskontrolle (3 Items, z. B. „Ich zeige nicht,
wie ich mich fühle“; α = .87), dysfunktionale Rumination (5 Items, z. B. „Gedanken
wie “Warum passiert mir das wieder” oder “Was wird wieder von mir erwartet” beschäftigen mich und beanspruchen einen großen Teil meiner Energie“; α = .91) und
Dysregulation (4 Items, z. B. „Ich drücke meine negativen Gefühle direkt aus und gebe
anderen die Schuld, dass ich in der Situation bin“; α = .90). Für alle 31 Items müssen
die Probanden auf einer 7-stufigen Likert-Skala bewerten, wie typisch diese Verhaltensweisen für sie in der jeweiligen spezifischen Situation sind (1 = sehr untypisch
bis 7 = sehr typisch). Die resultierenden sieben Regulationsstrategien werden generell (über alle drei Emotionen hinweg) und emotionsspezifisch für Trauer, Ärger und
Angst berechnet, so dass Aussagen über die generelle Emotionsregulation aber auch
die Trauer-, Ärger- und Angstregulation gemacht werden können. Die Validität und
Reliabilität des NERIs wurde bereits in mehreren Studien geprüft (Zimmermann u.
Iwanski, 2014; Scharf u. Zimmermann, 2009).
Emotionale Verletzungssensitivität. Emotionale Verletzungssensitivität wurde mit
dem „Emotionale Verletzungssensitivitätsfragebogen“ (EVF; Çelik u. Zimmermann,
2009) in der Selbstauskunft der Jugendlichen erfasst. Erhoben werden für 33 potenziell emotional verletzende Situationen, a) die Verletzbarkeit, das heißt die Intensität des
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Emotionsregulation und emotionale Verletzungssensitivität bei Angststörungen������
535
Gefühls der Verletzung als emotionale Reaktivität (z. B. „Es verletzt mich, wenn andere Menschen keine Zeit mit mir verbringen wollen“) auf einer 7-stufigen Likert-Skala
mit einem Range von 1 (gar nicht) bis 7 (sehr stark) und b) die Verletzlichkeit, das
heißt die subjektiv eingeschätzte Häufigkeit, mit der diese Situationen erlebt werden
auf einer 6-stufigen Likert-Skala mit einem Antwortformat von 0 (nie) bis 5 (jeden
Tag). Schließlich werden c) die Personen, die die Verletzung auslösen (Eltern, Partner,
Freunde, Geschwister, Vorgesetzte etc.), sowie d) der absolute Range an tatsächlich
emotional verletzenden Situationen erhoben. In die vorliegende Analyse wurden die
ersten beiden Skalen mit einbezogen. Die interne Konsistenz liegt in dieser Studie für
die beiden Skalen bei Cronbach’s α > .90. Die Test-Retest-Stabilität der Subskalen lag
in Vorstudien je nach Altersgruppe zwischen r = .63 und r = .70. Die beiden Dimensionen waren in Vorstudien orthogonal und sind auch in dieser Studie nicht signifikant
miteinander assoziiert (r = .08, n. s.).
Behavior Inhibition System/Behavior Approach System. Die Skalen für das Behavior
Approach System (BAS) und Behavior Inhibition System (BIS) für Kinder und Jugendliche wurden mittels des Fragebogens von Colder und O’Connor (2004) in der deutschen
Fassung (Zimmermann, 2008) erhoben. Zum Verhaltensaktivierungssystem zählen
hierbei die Skalen Belohnungsabhängigkeit („Wenn ich bekomme, was ich möchte, bin
ich ganz begeistert und voller Energie“), sozialer Antrieb („Ich liebe den Wettbewerb
und tue alles, um zu gewinnen.“) sowie sensation seeking („Es fällt mir oft schwer Dinge
zu beenden, die mir Spaß machen.“). Die drei Skalen Belohnungsabhängigkeit, sozialer
Antrieb und sensation seeking wurden zusammengefasst zur Skala Verhaltensaktivierung (BAS). Die Verhaltenshemmung (BIS) wird über die Skala Bestrafungssensitivität
erfasst („Ich frage lieber nach, ob ich etwas haben kann, wenn ich nicht sicher bin, ob
ich es bekomme.“). Die internen Konsistenzen für die Skalen lagen in der Stichprobe
bei Cronbach’s α = .82 und α = .85. Die beiden Dimensionen sind in dieser Stichprobe
signifikant negativ miteinander assoziiert (r = -.27, p = .049).
6
Ergebnisse
6.1 Unterschiede in der Nutzung von Emotionsregulationsstrategien
Um Gruppenunterschiede in der Nutzung der sieben Emotionsregulationsstrategien in Angstsituationen zu prüfen, wurden ANOVAs berechnet, bei denen jeweils
die Intensität der erlebten Angst in den Angstsituationen, Alter und Geschlecht als
Kovariaten kontrolliert wurden, da diese mit der Nutzung der Emotionsregulationsstrategien korrelieren, das Geschlecht zwischen den Gruppen nicht exakt gleich
verteilt ist und das Geschlecht die Nutzung von Strategien beeinflusst. Diese Vorgehensweise wurde für alle weiteren Analysen ebenfalls angewandt.
536 P. Zimmermann et al.
6
+
5,5
5
Mittelwert
4,5
+
4
+
*
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3
Angststörungsgruppe
Kontrollgruppe
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1
Abbildung 1: Nutzung der Emotionsregulationsstrategien in Angstsituationen getrennt für die Angststörungs- und nicht-klinische Kontrollgruppe (Mittelwert und SE; * p < .05; + p < .10).
Jugendliche mit einer Angststörung gaben an, dass sie in angstauslösenden Situationen
signifikant weniger soziale Unterstützung suchen (F(1,45) = 6.25; p = .016, eta2 = .12),
sowie tendenziell weniger adaptive Emotionsregulation (F(1,45) = 3.76; p = .056, eta2 =
.077), mehr Vermeidung (F(1,45) = 3.70; p = .061, eta2 = .076) und mehr Ausdruckskontrolle (F(1,45) = 3.23; p = .079, eta2 = .066) aufweisen als Jugendliche der nicht-klinischen
Kontrollgruppe (vgl. Abb. 1). Für die Nutzung der anderen Emotionsregulationsstrategien ergab sich kein statistisch bedeutsamer Unterschied in Abhängigkeit der Gruppenzugehörigkeit. Die Effektstärken lagen bei eta2 = .057 für Passivität, eta2 = .043 für
dysfunktionales Ruminieren und eta2 = .017 für Dysregulation.
*
5,5
5
Mittelwert
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**
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Abbildung 2: Nutzung der Emotionsregulationsstrategien in Trauersituationen getrennt für die Angststörungs- und nicht-klinische Kontrollgruppe (Mittelwert und SE; ** p < .01; * p < .05).
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Emotionsregulation und emotionale Verletzungssensitivität bei Angststörungen������
537
Gruppenunterschiede in der Nutzung der sieben Emotionsregulationsstrategien in
Trauersituationen wurden mittels ANOVAs ermittelt, bei denen die Intensität der
erlebten Trauer in den Trauersituationen, sowie Alter und Geschlecht als Kovariaten
kontrolliert wurden. Jugendliche mit Angststörungen nutzten signifikant weniger
adaptive Emotionsregulation (F(1,45) = 10.76; p = .002, eta2 = .193), weniger Suche
nach sozialer Unterstützung (F(1,45) = 6.83; p = .012, eta2 = .132) und verwenden dafür signifikant mehr Vermeidung (F(1,45) = 7.4; p = .009, eta2 = .142) und mehr Ausdruckskontrolle (F(1,45) = 4.32; p = .043, eta2 = .087) in Trauersituationen als Jugendliche der nicht-klinischen Kontrollgruppe (vgl. Abb. 2). Die Gruppenunterschiede
bei Passivität (eta2 = .018), dysfunktionalem Ruminieren (eta2 = .058) und Dysregulation (eta2 = .003) in Trauersituationen waren nicht signifikant.
5
Mittelwert
4,5
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Kontrollgruppe
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Abbildung 3: Nutzung der Emotionsregulationsstrategien in Ärgersituationen getrennt für die Angststörungs- und nicht-klinische Kontrollgruppe (Mittelwert und SE; * p < .05; + p < .10).
Um Gruppenunterschiede in der Nutzung der sieben Emotionsregulationsstrategien
in Ärgersituationen zu prüfen, wurden ANOVAs berechnet und die Intensität des
erlebten Ärgers in den Ärgersituationen sowie Alter und Geschlecht als Kovariaten
kontrolliert. Jugendliche mit Angststörungen zeigten bei Ärger signifikant häufiger
dysfunktionale Rumination (F(1,45) = 6.36; p = .015, eta2 = .124) und weniger adaptive
Emotionsregulation (F(1,45) = 5.70; p = .021, eta2 = .112), sowie tendenziell mehr Ausdruckskontrolle (F(1,45) = 3.45; p = .070, eta2 = .071) und weniger Suche nach sozialer
Unterstützung (F(1,45) = 3.68; p = .061, eta2 = .076) als Jugendliche der nicht-klinischen
Kontrollgruppe (vgl. Abb. 3). Es zeigten sich keine statistisch bedeutsamen Effekte
der Gruppenzugehörigkeit auf die Nutzung von Passivität (eta2 = .001), Vermeidung
(eta2 = .038) und Dysregulation (eta2 = .017) in Ärgersituationen.
Die Analysen zur Emotionsregulation blieben auch bei Kontrolle für das Ausmaß an
Verhaltenshemmung (BIS) als basale Temperamentsdimension erhalten. Jugendliche
538 P. Zimmermann et al.
mit Angststörungen suchen in Angstsituationen, Trauersituationen und Ärgersituationen signifikant weniger soziale Unterstützung, zeigen signifikant mehr Vermeidung
in Angst- und Trauersituationen und verfügen in Trauersituationen über weniger adaptive Strategien.
6.2 Gruppenunterschiede in den Dimensionen für emotionale
Verletzungssensitivität
Um zu prüfen, ob die Angststörungsgruppe eine höhere Intensität in der emotionalen Reaktion auf potenziell verletzende Situationen (Verletzbarkeit) oder das
häufigere Erleben solcher Situationen (Verletzlichkeit) berichtet, wurden Varianzanalysen mit Kontrolle von Alter und Geschlecht durchgeführt (s. Tab. 1). Es ergab
sich kein signifikanter Unterschied für das Ausmaß an Verletzbarkeit zwischen Jugendlichen mit diagnostizierter Angststörung und Jugendlichen der Kontrollgruppe, jedoch gaben Jugendliche in der Angststörungsgruppe signifikant häufiger an,
verletzende Situationen zu erleben, als Jugendliche in der Kontrollgruppe (F(1,49) =
5.88, p = .019, eta2 = .135).
Tabelle 1: Mittelwerte und Standardabweichungen der Verletzbarkeit und Verletzlichkeit für die Angst­
störungsgruppe und die Kontrollgruppe
Emotionale Verletzungssensitivität
Verletzbarkeit
Verletzlichkeit
N
M
(SD)
M
(SD)
Angststörungsgruppe
24
4.50
(1.11)
1.98
(0.89)
Kontrollgruppe
26
4.43
(0.89)
1.34
(0.75)
N = Stichprobengröße, M = Mittelwert, SD = Standardabweichung
6.3 Gruppenunterschiede in Verhaltensaktivierung (BAS) und
Verhaltenshemmung (BIS)
Neben der emotionalen Verletzungssensitivität sollte geprüft werden, ob Verhaltenshemmung (BIS) und Verhaltensaktivierung (BAS) als biologisch basierte Persönlichkeitsmerkmale zusätzlich Unterschiede zwischen den Störungsgruppen erklären können.
Allerdings zeigten die korrelativen Zusammenhänge, dass emotionale Verletzbarkeit
(also Intensität) signifikant positiv mit der BIS-Komponente einherging (r(50) = .39, p =
.005) und emotionale Verletzlichkeit (also Häufigkeit) signifikant positiv mit der BISKomponente (r(50) = .47, p = .001) und signifikant negativ mit der BAS-Komponente
(r(50) = -.38, p = .007) einherging. Somit sind die beiden Konzepte nicht unabhängig.
Um nun zu prüfen, ob sich Unterschiede in den Ausprägungen der beiden Dimensionen des BIS/BAS-Fragebogens zwischen den beiden Gruppen zusätzlich zur
Verletzungssensitivität ergaben, wurden Varianzanalysen mit Kontrolle von Alter, Ge-
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Emotionsregulation und emotionale Verletzungssensitivität bei Angststörungen������
539
schlecht und emotionaler Verletzungssensitivität durchgeführt. Es ergaben sich keine
signifikanten Gruppenunterschiede in Verhaltenshemmung (BIS) (F(1,49) = 2.1, n. s.,
eta2 = .090) zwischen Jugendlichen mit einer diagnostizierten Angststörung (M = 3.27;
SD = .84) und der unauffälligen Kontrollgruppe (M = 2.75; SD = .80). Bei der Skala
Verhaltensaktivierung (BAS) hatte die klinische Gruppe (M = 2.41; SD = .60) eine
tendenziell (F(1,49) = 3.0, p = .09, eta2 = .11) niedrigere Ausprägung als die gesunde
Kontrollgruppe (M = 2.86; SD = .56).
7
Diskussion
Ziel der Studie war zu prüfen, ob die Regulation negativer Emotionen und die generalisierte Interpretation sozialer Interaktionen als emotional verletzend, Jugendliche
mit Angststörungen von Jugendlichen einer gesunden Kontrollgruppe unterscheiden.
Hintergrund dieser Fragestellungen, sich die Prozesse der Emotionsregulation und
der sozialen Informationsverarbeitung genauer zu betrachten, sind die bindungstheoretischen Annahmen, dass internale Arbeitsmodelle von sich selbst und anderen bei
Jugendlichen mit unsicherer Bindung durch zwei Aspekte gekennzeichnet sind: Zum
einen durch die Anwendung eher maladadaptiver Emotionsregulationsstrategien, wie
Vermeidung und Ausdruckskontrolle. Zum anderen durch die Neigung, soziale Interaktionen häufiger so zu interpretieren, dass sie nicht akzeptiert werden oder ihnen
die Autonomie und Kompetenz, also die Fähigkeit etwas allein und richtig machen
zu können, abgesprochen wird. Da dysfunktionale Emotionsregulation wie auch eine
voreingenommene Bewertung der eigenen Umwelt mit klinischer Symptomatik einhergehen (Aldao et al., 2010), sind beide Prozesse zur Erklärung der Störungsgenese
oder für Therapie- und Beratungsansätze relevant.
Die Ergebnisse zur Emotionsregulation machen zunächst deutlich, dass es emotionsspezifische Unterschiede in der Regulation negativer Emotionen gibt. Hierin stimmen
die Ergebnisse mit denen von Lange und Tröster (2014) überein. Interessanterweise sind
die Unterschiede in der Emotionsregulation von Angst, der Emotion, die mit dem Störungsbild am nächsten assoziiert ist, am geringsten. Jugendliche mit einer Angststörung
suchen weniger soziale Unterstützung bei Eltern und Freunden und tendieren dazu, so zu
tun, als ob alles in Ordnung wäre und die Situation zu vermeiden, wenn sie Angst haben.
Bei Trauer hingegen sind sie deutlich vermeidender und wenig adaptiv, versuchen also
kaum, die eigene Stimmung zu ändern und nach Lösungen der Situation zu suchen. Soziale Unterstützung wird ebenfalls wenig gesucht. Bei Ärger ruminieren Jugendliche mit
Angststörungen stark darüber, was ihnen zugestoßen ist, und suchen nicht adaptiv nach
Lösungen. Sie neigen außerdem dazu, Ärger zu unterdrücken, und suchen eher keine soziale Unterstützung. Insgesamt betrachtet ziehen sich Jugendliche mit Angststörung bei
Angst sozial zurück, unterdrücken den gerichteten Ausdruck von Angst oder überspielen die emotionale Relevanz der Situation. Obgleich unregulierbare Angst ihr Hauptsymptom ist, ist für sie der Weg der sozialen Regulation, wie Beruhigung oder Ermutigung
540 P. Zimmermann et al.
durch Bezugspersonen oder Betreuer, sehr untypisch. Gleichzeitig wird über Ausdruckskontrolle auch anderen potenziell helfenden Personen nicht signalisiert, dass sie Angst
haben und Hilfe notwendig wäre. Sowohl die aktive Suche nach sozialer Unterstützung
als auch die Nutzung potenzieller Helfer ist somit eingeschränkt. Bei Angst verhalten
sich diese Jugendlichen also so, dass sie dem unsicher-vermeidenden Bindungsmuster
entsprechen. Bei Trauer hingegen findet man bei Jugendlichen mit Angststörungen typischer ein „aus dem Feld gehen“, der belastenden Situation am liebsten entfliehen wollen
und wenig Fähigkeit darüber nachzudenken, wie man die eigene Situation ändern kann.
Bei Ärger wiederum sind Jugendliche mit Angststörungen deutlicher negativ grüblerisch,
also ruminierend, und können die Situation nicht ändern oder versuchen dies nicht. Diese Hilflosigkeit der Jugendlichen ist bei Ärger vergleichbar der passiven Hilflosigkeit
von unsicher-ambivalent gebundenen Kindern. Für die Therapie oder Beratung bedeutet
dies, dass man die emotionale Qualität der Situation, in der sich ein Jugendlicher mit
Angststörungen befindet, berücksichtigen sollte, um dessen typische Emotionsregulationsmuster mit einzubeziehen und emotionsspezifisch zu behandeln.
Die Ergebnisse zur Verletzungssensitivität machen deutlich, dass Jugendliche mit
Angststörungen keine merklich erhöhte Sensibilität oder Empfindlichkeit für soziale
Kritik oder Abwertung haben im Vergleich zu Jugendlichen einer gesunden Kontrollgruppe. Alle Jugendlichen erleben also eine vergleichbare Intensität emotionaler Verletzung bei Abwertungen der eigenen Person oder sozialem Ausschluss. Es ist somit nicht
die Reaktivität für solche Situationen oder eine zu niedrige Schwelle für soziale Bewertungen, die sehr schnell erreicht oder überschritten ist, sondern die erhöhte erlebte und
erinnerte Häufigkeit, in solche Situationen zu geraten oder als verletzend zu interpretieren, die Jugendliche mit Angststörungen kennzeichnet. Dies würde dafür sprechen, dass
Jugendliche mit Angststörungen keine effektiven Strategien haben, solche Bewertungssituationen zu verhindern oder zu bewältigen. Die Relevanz von Verletzungssensitivität
wird dadurch bestätigt, dass Verhaltenshemmung keine zusätzliche Varianz erklärt und
somit dieses Temperamentsmerkmal in der Reaktivität auf Bestrafung zumindest in dieser Stichprobe die Gruppe der Jugendlichen mit Angststörungen nicht spezifisch oder
zusätzlich kennzeichnet. Es sind somit eher soziale Bewertungsprozesse als das Temperament das Jugendliche mit Angststörungen von nicht auffälligen Gleichaltrigen unterscheidet. Dies deutet einen möglichen Weg für Therapie oder Prävention an.
Die Studie hat in ihrer jetzigen Form einige Einschränkungen, die man vor einer
Generalisierung berücksichtigen muss. Die Stichprobe ist relativ klein, um einerseits
die Ergebnisse verallgemeinern zu können und andererseits aber auch genügend Power zu haben, um alle theoretisch ableitbaren Unterschiede aufzudecken. Sie kann
somit als eine Pilotuntersuchung betrachtet werden. Die Erhebung erfolgte nicht stets
zu Beginn des stationären Aufenthalts und die Therapiedauer wurde nicht kontrolliert, sodass erste Therapieeffekte möglicherweise bestehende Gruppenunterschiede
ohne Behandlung verringert haben könnten. Die berichteten Ergebnisse sind nur auf
den Selbstbericht der Jugendlichen bezogen. Allerdings erfolgte die Diagnose von
klinischen Angststörungen unabhängig und klinisch fundiert. Außerdem stimmen
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Emotionsregulation und emotionale Verletzungssensitivität bei Angststörungen������
541
Selbst- und Fremdberichte, z. B. durch Eltern, bei Symptomen oder Verhaltensweisen selten überein (Vierhaus u. Lohaus, 2008). Beide Aspekte sollten in zukünftigen
Studien genauer berücksichtigt werden. Selbstverständlich gibt es weitere Risiko- und
Schutzfaktoren, die in dieser Studie nicht berücksichtigt werden konnten, ebenso wie
eine Differenzierung der verschiedenen Formen der Angststörung. Der Einbezug der
erhobenen Bindungsmuster im BISK konnte aufgrund der noch unvollständigen Auswertung nicht mehr in diesen Bericht mit einbezogen werden. Deskriptiv liegt ein
Überwiegen an unsicheren Bindungsmustern bei der klinischen Gruppe vor.
Trotz dieser Einschränkungen, lässt sich festhalten, dass Jugendliche mit Angststörungen emotionsspezifische Unterschiede in Emotionsregulationsstrategien, die es erschweren, sie für therapeutische Interventionen im Sinne sozialer Regulation zu erreichen, da sie – emotionsspezifisch unterschiedlich – die Notwendigkeit von Regulation
nicht kommunizieren, eher vermeiden oder den Ausdruck unterdrücken und nicht
von sich aus in ihrer sozialen Umwelt danach suchen. Dies sind Prozesse, die mit unsicherer Bindung assoziiert sind und Anamnese sowie therapeutische Interventionen
beeinflussen können.
Fazit für die Praxis
Jugendlichen mit Angststörungen haben vor allem Probleme damit, Trauer und Ärger effektiv zu regulieren, Emotionen, die man bei der Hauptdiagnose Angststörung
möglicherweise eher außer Acht lässt. Da diese Jugendlichen sich in sozialen Kontexten oft verletzt fühlen und gleichzeitig Rückzug und Ausdruckskontrolle ohne
Lösungsmöglichkeiten zeigen, werden sie leicht „übersehen“. Sie brauchen emotionsspezifische Interventionsansätze, kein allgemeines Training. Der Vertrauensaufbau in
der therapeutischen Beziehung scheint zentral, um nicht nur oberflächliche Compliance zu erhalten, sondern sie kompetent in der Regulation von negativen Gefühlen
zu machen.
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Korrespondenzanschrift: Prof. Dr. Peter Zimmermann, Lehrstuhl Entwicklungspsychologie, Bergische Universität Wuppertal, FB G, 42119 Wuppertal;
E-Mail: [email protected]
Peter Zimmermann, Alexandra Iwanski und Fatma Çelik, Bergische Universität Wuppertal
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FALLBERICHTE
Psychodynamisch-multisystemische Behandlung von
Schulphobie mit Trennungsangst im tagesklinischen Setting
Antje Herbst, Judith Maria Fernholz, Kay Strothe und Sarah Schlund
Summary
Psychodynamic-multisystemic Therapy of School Phobia due to Separation Anxiety in Day Clinic
Psychodynamic understanding and systemic approach in the multi-family treatment of a day
care clinic are illustrated following the case report of a seven-year old girl with school phobia
due to separation anxiety. The treatment modalities of the day clinic at the University Medical
Center Muenster are described focussing on the multi-systemic approach. Using psychodynamic and systemic hypotheses the process of treatment is developed. Specific interventions,
differentiated into reorganizations of inner and outer world issues, are traced to psychodynamic and systemic hypotheses. In conclusion it is argued that the integration of psychodynamic and multisystemic therapy methods in day clinic parent-child treatment provide a
promising treatment approach.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64/2015, 545-562
Keywords
multisystemic therapy – parent counselling in child psychiatry – separation anxiety – anxiety
disorders – psychodynamic therapy
Zusammenfassung
Dargestellt werden psychodynamisch-systemisches Verstehen und therapeutisches Vorgehen
in der tagesklinischen Multifamilien-Behandlung an der Universitätsklinik Münster anhand
der Fallgeschichte einer siebenjährigen Patientin mit Schulabsentismus bei ausgeprägter Trennungsangst. Beschrieben werden die Behandlungsmodalitäten mit Fokus auf dem multifamilientherapeutischen Kontext. Daran anschließend wird die in die therapeutische Reorganisation von Innenwelt- und Außenweltthemen differenzierte Behandlung der Patientin entlang
der psychodynamisch-systemischen Arbeitshypothesen nachvollzogen. Schlussfolgernd stellt
sich dar, dass die Integration psychodynamischer und multisystemischer Therapiemethoden
in der tagesklinischen Eltern-Kind-Behandlung einen erfolgversprechenden Ansatz bildet.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 545 – 562 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
546 A. Herbst et al.
Schlagwörter
Multifamilientherapie – Elternarbeit in der Kinderpsychiatrie – Trennungsangst – Angststörungen – Psychodynamische Therapie
1
Behandlungsmodalitäten
Die Tagesklinik Roxel für Kinder, Jugendliche und Familien an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie des Universitätsklinikums Münster umfasst zwölf Behandlungsplätze aufgeteilt in eine Kinder- und
eine Jugendlichengruppe. In ambulante Vorgespräche nach Zuweisung durch niedergelassene Vorbehandler werden gegebenenfalls auch Mitglieder der erweiterten
Familie, Lehrer, Mitarbeiter der Jugendhilfe oder andere in den Behandlungsauftrag
involvierte Personen einbezogen. Das multiprofessionelle Team setzt sich aus dem
Pflege- und Erziehungsdienst (PED) und Therapeuten/innen mit unterschiedlichen
Professionen und Arbeitsschwerpunkten (Ärzte, Psychologen, Kunst- Körper- und
Musiktherapeutin) zusammen. Zur Vertrauensbildung in der Zusammenarbeit
zwischen Familien und Behandlungsteam ist Zuverlässigkeit, Kontinuität und
Transparenz von großer Bedeutung. Der Therapieansatz ist durch eine systemische
Grundhaltung geprägt, die die Krankheit in den Kontext des Lebensumfeldes des
definierten Patienten setzt. Die Behandlungsdauer ist in der Regel auf circa drei
Monate angelegt. Die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik
und -psychotherapie des Universitätsklinikums Münster gehört gemeinsam mit
der kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik Viersen und der kinder- und jugendpsychiatrischen Universitätsklinik Dresden zu den ersten Kliniken in Deutschland,
die beginnend in den 90er Jahren die aus den USA stammende Multifamilientherapie (Laqueur, 1972) umfassend in ihre Behandlungskonzepte integrierte (Scholz,
2010). In dieser Tradition wurde auch die Tagesklinik Roxel im Jahr 2010 eröffnet,
in Anlehnung an das Konzept der Familientagesklinik der TU-Dresden (Schemmel,
2006; Asen u. Scholz, 2009). Das multifamilientherapeutische Setting der Tagesklinik bildet Rahmen und Kontext der Gesamtbehandlung. Gleichzeitig wird der
Behandlungsprozess aller Patienten durch den individualtherapeutischen psychodynamischen Zugang in der Einzeltherapie und durch auf die einzelne Familie bezogene Eltern- und Familiengespräche begleitet. Die komplementäre therapeutische
Begleitung von realer Außenwelt und psychischer Innenwelt der Patienten hat sich
zunehmend bewährt. Bei unseren Patienten und ihren Eltern entsteht häufig nicht
nur die „wohlwollende Neugierde wie andere Familien mit der Erkrankung ihrer
Kinder umgehen“ (Scholz, 2010), sondern auch der Wunsch nach einer vertieften
Auseinandersetzung mit eigenen inneren Erlebenswelten. Inter- und intraindividuelle Prozesse werden so miteinander in Verbindung gebracht.
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Behandlung von Schulphobie mit Trennungsangst������
547
1.1 Umsetzung der Multifamilientherapie
Im Kinderbereich der Tagesklinik Roxel werden die Patienten an drei bis vier Tagen in der Woche ab der Mittagszeit von mindestens einem Elternteil begleitet. Alle
Familien essen gemeinsam mit ihren Kindern, gestalten den weiteren Tagesablauf
mit und verlassen die Klinik gemeinsam um 16:00 Uhr. Vormittags werden die Patienten in der Klinik beschult und nehmen Einzel- und Gruppentherapieangebote
ohne Einbeziehung der Eltern wahr. Mit dem Eintreffen der Eltern findet eine ritualisierte Übergabe mit allen Eltern und Familienbetreuern statt, um deutlich zu
machen, dass die Verantwortung für die pädagogische Betreuung der Kinder für
den Rest des Tages bei den Eltern liegt. Der Nachmittag ist dann in verschiedenen
Therapieeinheiten fest vorstrukturiert, Bausteine sind Eltern-Kind-Interaktionstherapie, getrennte Kinder- und Elterngruppen, eine Rollenspielgruppe, Kunst-,
Musik-, und Bewegungstherapie im Einzel- und Interaktionssetting. Aus dem PED
steht jeder Familie eine Fachkraft als Familienbetreuer zur Verfügung, die die Familie während des gesamten Aufenthaltes begleitet. Der Multi-Familien-Gruppe
(zweimal wöchentlich 60 Minuten) kommt die Aufgabe zu, einen Raum zu bilden,
in dem sich die realen Lebenssituationen der Familien abbilden. In therapeutischer
Begleitung können hier wertfrei Beobachtungen ausgetauscht werden, Wahrnehmungen verglichen, Bewertungen mit den Familien formuliert und Veränderungswünsche benannt werden (5-Schritte-Modell nach Asen u. Scholz, 2009). Wenn
Gruppenmitglieder den Betroffenen ihre eigenen Reflexionen und Befindlichkeiten
zur Verfügung stellen, kann es zu Perspektivenwechseln kommen und damit Veränderungen der Weg bereitet werden. Im Rahmen der Gruppe können im Rollenspiel
Veränderungen in Haltung und Handlung im Sinne von Probehandeln stattfinden.
Geschieht dies in wertschätzender Atmosphäre und respektvollem Umgang miteinander, kann im Sinne gruppentherapeutischer Wirkfaktoren die Gruppe heilende
Kräfte freisetzen (Yalom, 2007). Für das In-Gang-Setzen familientherapeutischer
Prozesse hat sich besonders bewährt, viel mit den Familien zu spielen. Das gemeinsame Spielen mobilisiert unmittelbar einen angstfreien Umgang mit Emotionalität
und gibt uns die Gelegenheit, auf eine offene und explorationsfreudige Atmosphäre
zwischen Eltern und Kindern hinzuwirken. Damit ergeben sich in der Eltern-KindInteraktion einfacher Optionen der veränderten Perspektivübernahme.
1.2 Elterliche Präsenz in der Tagesklinik Roxel
Im milieutherapeutischen Rahmen der Tagesklinik kommt das Konzept der elterlichen
Präsenz zur Anwendung. Der Begriff „Elterliche Präsenz“ wurde von Haim Omer geprägt (s. z. B. Omer u. von Schlippe, 2011; Omer, 2013) und beinhaltet unter anderem
eine positive elterliche Autorität mit den Hauptfaktoren von Responsivität und Lenkung im elterlichen Verhalten. Haim Omer griff für dieses Konstrukt das Modell des
548 A. Herbst et al.
autoritativen Erziehungsstils von Baumrind (1981) auf und verband es mit bindungstheoretischen Annahmen (Bowlby, 1988). Verwendung findet unter anderem auch die
Metapher des „sicheren Hafens“ (Ainsworth, 1991). Haim Omer griff diese Metapher
erneut auf, indem er der elterlichen Präsenz den Begriff der elterlichen „Ankerfunktion“ hinzufügte. Die Ankerfunktion erfüllt sich in der haltgebenden Struktur für
das Kind, hat darüber hinaus als eine wichtige zweite Ebene die „Selbstverankerung“
der Eltern zum Thema. An dieser Stelle schließt sich im Behandlungsmodus unserer
Tagesklinik der Kreis zur psychodynamisch ausgerichteten Elternarbeit, die von der
Annahme geleitet wird, dass nur über einen empathischen Zugang zu der Innenwelt
der primären Bezugspersonen eines Kindes dessen entwicklungsrelevante Außenwelt
vollständig erfasst werden kann. Das Erkunden der mentalen Repräsentanzen von
Bindungserfahrungen im Sinne der „inneren Arbeitsmodelle“ der Eltern nach Bowlby (Bowlby, 1988) erzeugt im Kontext des psychodynamischen Gesamtverständnisses
einen haltgebenden und affektiv stützenden therapeutischen Rahmen, den die Eltern
nutzen können, um das Erleben von Bindungssicherheit auf Seiten des Kindes zu stärken. „Verankerung“ gelingt somit in der biografischen Elternarbeit aus einem vertieften Verständnis um eigene verinnerlichte Bindungssicherheit, sowie aus der Reflexion
von lebensgeschichtlich bedingten Erlebens- und Verhaltensmustern heraus (s. a. Lebowitz u. Omer, 2013). Parallel wird das Selbstwertgefühl der Eltern in der Elternrolle
durch die Familienbetreuer in der täglichen Eltern-Kind-Interaktionstherapie sehr
gezielt gestützt. Zum Einsatz kommt dabei regelmäßig positives Video-Feedback (s. a.
Lehmkuhl u. Seeger, 1993).
2
Fallbericht Marie1
2.1 Aufnahmekontext
Die Aufnahme der siebenjährigen Marie erfolgte nach Indikationsstellung und
kurzem ambulantem Behandlungsversuch durch die Institutsambulanz im Hause.
Die Aufnahmediagnosen nach ICD-10, MAS (Multiaxiales Klassifikationsschema)
lauteten:
Achse I: Emotionale Störung des Kindesalters mit Trennungsangst (F93.0)
Schlafstörung (F51.9)
Achse II: keine umschriebene Entwicklungsstörung
Achse III: durchschnittliches Intelligenzniveau (HAWIK-Testung 2014)
Achse IV: geringe Schallleitungs-Schwerhörigkeit, mit Hörgerät versorgt
Achse V: Psychosoziale Umstände ohne signifikante Verzerrung
1 Name geändert. Eine informierte Zustimmung der Familienmitglieder zur Publikation der anonymisierten Fallgeschichte liegt vor.
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Behandlung von Schulphobie mit Trennungsangst������
549
Achse VI: deutliche Beeinträchtigung des psychosozialen Funktionsniveaus in den
Bereichen Schule, Familie, Gleichaltrigenbeziehungen
Berichtete Symptomatik bei Aufnahme. Es wird eine lange Vorgeschichte von Trennungsängstlichkeit beginnend im zweiten Lebensjahr berichtet. Ein Umzug der Familie im fünften Lebensjahr mit Kindergartenwechsel und Geburt der jüngeren Schwester im gleichen Jahr verstärkten diffuse Ängste Maries vor Kindesentführungen,
Naturkatastrophen, Unfällen, Einbrechern und Krankheiten. Der Schulbesuch sei seit
der Einschulung schwierig gewesen. Dabei bewältige Marie die schulischen Leistungsanforderungen leicht und gern. Seit dem Beginn der Sommerferien nach Abschluss
der ersten Klasse sei die Symptomatik der Trennungsangst eskaliert. Marie habe sich
kaum noch mit Freundinnen verabredet, habe nicht mehr bei den Großeltern übernachten wollen, und verlangt, im Bett der Eltern zu schlafen. Sie habe Schwierigkeiten
beim Ein- und Durchschlafen sowie Alpträume entwickelt. Der Schulbesuch sei nach
den Ferien immer schwieriger geworden, bis Marie nach den Herbstferien durch die
Eltern gar nicht mehr zum Schulbesuch habe bewegt werden können. Sie schreie und
weine heftig und lang anhaltend, zeige Attacken von Angst, schlage wild um sich und
klage immer wieder über Bauch- und Kopfschmerzen.
2.2 Szenischer Ersteindruck im prästationären Kontakt
Zum prästationären Erstkontakt erschien eine ratlos und deutlich erschöpft wirkende
Mutter (Frau E.) in Begleitung der körperlich zart und mit langen blonden Haaren
sehr mädchenhaft wirkenden siebenjährigen Marie, deren Gesichtsausdruck mit aufeinandergepressten Lippen bemüht finster wirkte und die ein Plüschpferd unter den
Arm geklemmt hielt. Blickkontaktaufnahme und Händedruck zur Begrüßung der
Therapeutin gestalteten sich mit Marie problemlos, der Nachfrage nach dem Namen
des Plüschpferdes wurde dagegen eine deutliche Abfuhr erteilt – Marie erklärte, die
Therapeutin brauche nicht zu glauben, sie sei ein Kleinkind, das Stofftieren Namen
geben würde. Die Kindsmutter zeigte sich unangenehm berührt über die abweisende
Art ihrer Tochter und begann deren Verhalten wortreich zu erklären, um dann rasch
überleitend die Symptomatik des schulvermeidenden Verhaltens zu schildern. Sofort
wurde sie durch Marie harsch zurückgewiesen, dass sie „davon“ nicht erzählen dürfe. Als die Mutter, sich bei Marie entschuldigend und in Diskussionen verstrickend,
sich weiterhin der Therapeutin gegenüber verständlich machen wollte, begann Marie
plötzlich sehr laut „la la la“ und „Nein nein nein“ zu lautieren und machte ihre Mutter
darauf aufmerksam, dass sie von nun an alles, was die Mutter sagen würde, übertönen
werde, bis sie nach Hause gehen dürfe und setzte diese Ankündigung sofort wirksam um. Auf eine ablenkende Sequenz, die die Therapeutin ins Gespräch einbrachte,
konnte Marie sich angemessen einlassen, berichtete von Freunden und Hobbys, als
aber die Mutter korrigierend ins Gespräch eingriff, da Marie aus ihrer Perspektive
„flunkerte“, knüpfte Marie nicht nur an ihr übertönendes Lautmalen an, sondern un-
550 A. Herbst et al.
terstrich ihre Forderung nach Abbruch des Gespräches durch heftiges Rütteln und
Schieben am Stuhl der Mutter. Ein Begrenzungsversuch der Kindsmutter führte zu
einem für die Therapeutin überraschend ausgeprägtem Gewaltausbruch von Marie.
Sie trat ihrer Mutter heftig mit ihren Stiefeln gegen die Beine und boxte diese rücksichtslos mit ihren Fäusten. Die Kindsmutter schien wenig überrascht, stieß ein paar
Schmerzenslaute aus und blickte hilfesuchend zur Therapeutin („Sehen Sie sich das
an!“). Die fortwährenden Tritte und Boxschläge ungeschickt abwehrend, fragte sie die
Therapeutin über die erneut auch lärmende Marie hinweg um Rat für die Situation.
Auf die Rückfrage, was die Kindsmutter denn üblicherweise in solchen Situationen
unternehme, berichtete sie, sie schicke die Tochter dann aus dem Zimmer. Die Kindsmutter wurde von der Therapeutin ermuntert, sich entsprechend einer gewohnten
häuslichen Situation zu verhalten. Als die Kindsmutter sich von ihrem Stuhl erhob
und begann, die lärmende und kickende Marie in Richtung Zimmertür zu schieben,
hielt diese zunächst dagegen, um sich dann, als die Mutter begann mehr Körpereinsatz
zu zeigen, unter dem Aufschrei „Du tust mir weh!“ auf den Boden fallen zu lassen.
Von dort, auf dem Rücken liegend, beschimpfte sie die Kindsmutter aufs Heftigste mit
extremen Schimpfworten und setzte dabei ein machtvolles Lächeln auf. Die Kindsmutter, der zwischenzeitlich Tränen der Beschämung und Hilflosigkeit in den Augen
standen, versuchte noch kurz und kraftlos, Marie an einem Arm in Richtung Tür zu
ziehen und sackte dann zurück auf ihren Stuhl. Als sie anhob zu sprechen, sprang Marie lautierend wieder auf und begann das „Spiel“ von vorne. Durch den hilfesuchenden
Blick der Kindsmutter animiert, entschied die Therapeutin sich zu einer deutlichen
verbalen Begrenzung Maries, welche die Situation blitzartig auflöste. Marie blickte die
Therapeutin entgeistert und verletzt an, setzte sich auf ihren Stuhl zurück. Zum Erstaunen der Therapeutin blickte die Kindsmutter nicht erwartungsgemäß erleichtert,
sondern eher erschrocken und fast ängstlich zur Therapeutin. Die Situation erfassend,
wechselte Marie ihren Sitzplatz auf den Schoß der Mutter, wo sie sich embryoartig
zusammenrollte. Die Kindsmutter entspannte sich sofort, umfing Marie mit den Armen und streichelte sie beruhigend. Im Anschluss verliefen Symptombericht und Auftragsklärung durch die Kindsmutter ungestört. Marie „maulte“ gelegentlich vor sich
hin, wollte keinen Gesprächsbeitrag mehr beisteuern, erschien aber konzentriert dem
Gespräch zu folgen. Zum Gesprächsende konnte sie sich angemessen und versöhnlich
verabschieden, eine verbale Zustimmung zu der mit der Kindsmutter vereinbarten
zeitnahen tagesklinischen Aufnahme gab sie dabei nicht ab.
2.3 Familienanamnese
Marie lebt mit beiden Eltern, der jüngeren Schwester Luise und dem zweijährigen
Bruder Henri in einer Kleinstadt. Der Vater arbeitet als Angestellter in einer verantwortungsvollen Position. Die Mutter ist von Beruf Sozialpädagogin und arbeitete
in diesem Beruf bis zu Maries Geburt. Henri wurde als Pflegekind in die Familie
aufgenommen. Die Großeltern väterlicherseits leben im selben Haus und unterstüt-
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zen die Familie sehr. Die Kinder können sich frei zwischen den Haushalten bewegen. Die Mutter berichtet aus ihrer Herkunftsfamilie von einer konflikthaften und
belasteten Elternbeziehung. Ihr eigener Vater sei cholerisch und unberechenbar
gewesen; die eigene Mutter wird als psychisch hoch belastet und zeitweise suizidgefährdet beschrieben. Maries Mutter schilderte sich selber als ein ernstes Kind, dass
schon früh Verantwortung für die Geschwister übernommen habe. Im Zusammenhang mit den häuslichen Konflikten werden von ihr Gefühle von Hilflosigkeit, Ohnmacht und Scham beschrieben. Sich selbst beschreibt sie als selbstunsicher, zu dick
und ängstlich. In ihrem Beruf als Sozialpädagogin erlebe sie sich kompetent und
selbstwirksam, könne Leitungsverantwortung tragen. Maries Vater sei als Kleinkind
an Krebs erkrankt und erfolgreich behandelt worden, wovon er selbst jedoch erst
als junger Erwachsener durch Zufall erfahren habe. Er beschreibt sich selbst aus der
Erinnerung heraus als fröhlichen, sportlichen Jungen. Maries Urgroßmutter väterlicherseits sei kriegstraumatisiert gewesen. Die Großmutter väterlicherseits erinnere
sich daran, dass die Urgroßmutter immer wieder plötzlich verschwunden sei und sie
selber als Kind voller Angst nach ihrer Mutter im Wald gesucht hätte.
2.4 Kindliche Entwicklung und Symptomgenese
Marie ist das erste Kind der Eltern. Die Kindsmutter sei nach erst kurz bestehender und von beiden Partnern noch als unsicher empfundener Beziehung ungeplant schwanger geworden. Die Schwangerschaft sei im ersten Trimenon von starker
Übelkeit der Mutter belastet gewesen, die zur Krankenhausbehandlung geführt
habe und sich im zweiten Trimenon gebessert habe. Frau E. habe darauf bestanden,
dass Herr E., der eine vorangegangene langjährige Partnerschaft im Vorfeld beendet
hatte, zunächst wie geplant in eine WG einzöge. Die Eltern hätten jedoch viel Zeit
miteinander verbracht und sich auf das Kind gefreut. Im 6. Schwangerschaftsmonat
habe Frau E. einen kleineren Autounfall erlitten, den sie als bedrohlich und von
großen Ängsten um das ungeborene Kind begleitet erlebt habe. Nach zweitägiger
Krankenhausbehandlung sei der weitere Schwangerschaftsverlauf ungestört gewesen. Die Geburt sei am Termin erfolgt, jedoch protrahiert verlaufen und bei der
wegen Geburtsstillstand durchgeführten Sectio habe Frau E. Todesängste erlebt.
Marie sei gesund geboren, habe „ab der Geburt nur geschrieen“. Durch das massive Schreien in den ersten Lebensmonaten habe die Mutter sich stark verunsichert
und wenig kompetent erlebt. Herr E. habe Marie durch Nuckelnlassen an seinem
Finger beruhigen können. Die Meilensteine der frühkindlichen Entwicklung seien
zeitgerecht erreicht worden. Marie habe aber in ihrer sozialen Entwicklung bereits
im Kleinkindalter eine erhöhte Angstbereitschaft gezeigt, habe sich sozial auffallend skeptisch verhalten. Bei neuen sozialen Kontakten habe sie längere Anlaufphasen benötigt. Der zunächst durch gelingende Trennung von der Mutter positiv
beurteilte Kindergartenbesuch habe sich nach einem umzugsbedingten Wechsel des
Kindergartens in den Augen der Kindsmutter zu einer ihr Kind bedrohenden Situ-
552 A. Herbst et al.
ation entwickelt. Marie schien sich übereng an eine Erzieherin zu binden, die eine
angemessene Rollenabgrenzung nicht eingehalten habe. Als die Kindsmutter einmal
den Austausch eines Kusses zwischen ihrer Tochter und der Erzieherin beobachtet
habe, habe sie bei der Kindergartenleitung die Entlassung der Mitarbeiterin erwirkt.
Nach einer vorübergehenden Exazerbation der trennungsängstlichen Symptomatik
mit diffusen und um sich greifenden Ängsten, erschien Marie im letzten Kindergartenjahr entspannter, konnte anklammerndes Verhalten zur Mutter schrittweise
aufgeben. Die Symptomatik der Trennungsangst setzte erneut im Übergang vom
Kindergarten in die Grundschule ein. Parallel entwickelte Marie im häuslichen
Rahmen massive Trotz- und Wutanfälle aus geringen Anlässen. Die Wut zeigte sich
größtenteils gegen die Kindsmutter gerichtet.
2.5 Arbeitshypothesen zu Beginn der Behandlung
Das von Marie dargebotene widersprüchliche Bild zwischen panischer Angst auf
der einen Seite sowie Macht und Überheblichkeit auf der anderen Seite schien auf
fixiert erscheinenden dyadischen Beziehungskonflikten mit der Mutter zu beruhen.
Ein Prozess der Triangulierung zwischen Marie und beiden Eltern war offensichtlich nur unzureichend in Gang gekommen. Vorläufer eines intrapsychischen Konflikts „Unterwerfung versus Kontrolle“ (Arbeitskreis OPD-KJ, 2013) schienen sich
in interpersonellen Spannungen mit der Kindsmutter abzubilden. Die Schule zu
besuchen, schien für Marie auch zu bedeuten, die Kontrolle über die häusliche Situation abzugeben, in der auch zwei jüngere Geschwister die eigene Stellung bedrohen
könnten. Maries Mutter schien Wut und Ärger ihrer Tochter als Bedrohung für die
Mutter-Kind-Beziehung und ihres professionellen Selbst zu erleben. Zudem schienen in der Mutter durch Maries Ausagieren von Angst und Wut eigene traumatische
Beziehungserfahrungen und damit verbundene Gefühle von überwältigender Ohnmacht und Haltlosigkeit reaktualisiert zu werden, die sie als Kind mit einem cholerischen Vater und einer psychisch instabilen Mutter gemacht hatte. Maries Mutter
schien sich durch ihre Tochter vorgeführt und entwertet zu fühlen. Sie schien mit
heftigen Wutgefühlen zu reagieren, die wiederum Scham auslösten und in ihrem
Erleben „nicht sein durften“. In einer Logik des zugespitzten „entweder – oder“
schienen innige Momente von Zweisamkeit und konflikthafte Auseinandersetzungen nicht integriert werden zu können. Die Mutter fühlte sich „im Kampf “ mit
der Tochter. Sie schien die Unterstützung des Vaters nicht gut annehmen zu können,
da sie sich sonst in ihrer Kompetenz abgewertet fühlte. Die Unsicherheit und Zurückhaltung des Vaters schien in Konfliktsituationen wie ein „Brandbeschleuniger“
für Maries expansives Suchen nach stabilen Grenzen zu wirken. Transgenerationale
Verflechtungen und aufgeweichte Generationengrenzen schienen dabei sehr an der
Destabilisierung der elterlichen Funktionen beteiligt zu sein.
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553
3
Interventionen
Abgeleitet von den genannten Hypothesen definierten wir folgende Behandlungsziele:
• die Öffnung der Mutter-Kind-Dyade in Richtung Triangulierung zu unterstützen,
• die Rolle des Vaters als haltgebendes und triangulierendes Objekt zu stärken,
• die Eltern in ihrer erzieherischen Kompetenz und ihrer elterlichen Präsenz zu stärken, um haltgebende Grenzsetzungen zu etablieren,
• entgegengerichtete Affekte von Angst, Wut und Ärger der Patientin in die Kommunikation und Bearbeitung zu bringen,
• Selbstwirksamkeit und Anerkennung der Patientin in der Gleichaltrigengruppe zu
stärken,
• die Autonomie aller Familienmitglieder zu fördern, dependente und überinvolviert-verstrickte Beziehungsmuster zu identifizieren und einer bewussten Reflexion durch die Eltern zugänglich zu machen,
• die mütterlichen Ängste in eine separate therapeutische Aufarbeitung zu bringen,
• transgenerationale Mechanismen mit der Familie herauszuarbeiten und einer bewussten Reflexion durch die Eltern zugänglich zu machen.
3.1 Innenweltbegleitung
3.1.1 Einzeltherapie
Mit Marie wurde in wöchentlichen einstündigen Sitzungen eine spieltherapeutisch
angelegte Einzeltherapie durchgeführt. In diesem Kontext zeigte sie sich bereits in
der ersten Stunde als neugieriges und interessiertes Mädchen, das sich unbefangen
und ausgelassen auf ein Spiel mit dem Sceno-Material einlassen konnte. Sie spielte
ohne viel Ermunterung Szenen aus dem Familienleben nach, die sie lebhaft kommentierte. Dieser erste Eindruck in der Einzeltherapie zeichnete ein völlig anderes
Bild als das durch die bisherigen Eindrücke und Berichte vorab entstandene. Marie erschien schwingungsfähig und fröhlich, sogar fast übermütig und humorvoll
grenztestend. In sehr offener und authentischer Weise erzählte sie vom Alltagsleben der Familie und antwortete bereitwillig auf Fragen, schien den Kontakt mit der
Therapeutin intensiv auszukosten. Maries Kompetenzen in der Kontaktgestaltung,
Verbalisierung und Freude am eigenen Handeln wurden als deutliche Ressourcen
identifiziert. Die therapeutischen Interventionen in der Spieltherapie waren darauf
ausgerichtet, verschiedene emotionale Qualitäten im Erleben Maries zu explorieren,
vor allem auch Gefühle von Wut, Traurigkeit und Angst. Hierzu standen verschiedene Materialien zur Verfügung, von denen Marie meist das Spiel mit Spielfiguren
oder Stofftieren wählte. Hier zeigte sich eine sehr unscharfe Trennung und „Aufweichung“ vor allem der „negativen“ Gefühle, die im gemeinsamen Spiel näher
erforscht und von Marie zunehmend differenzierter benannt werden konnten. So
stellte sich zum Beispiel heraus, dass zuvor als Angst benanntes Erleben bei näherer
554 A. Herbst et al.
Betrachtung eher Qualitäten von Wut, Enttäuschung und Scham aufwies. In der
durchgeführten projektiven Diagnostik „Verzauberte Familie“ reproduzierte sich
das Muster von unzureichend etablierten Beziehungs- bzw. Generationengrenzen:
Marie zeichnete alle Familienmitglieder als Pferde; sich selbst wie die Mutter als
„Stute“, den Vater als Hengst und die Geschwister als Fohlen. In der Gegenübertragung war oft Wut spürbar, aber auch Traurigkeit. Diese Eindrücke konnten Marie
zur Verfügung gestellt werden und erwiesen sich als hilfreich in der emotionsfokussierten Arbeit.
3.1.2 Therapeutische Elternarbeit
Während der Behandlung erfolgten wöchentliche Elterngespräche mit einem Elternteil (überwiegend der anwesenden Mutter), sowie alle zwei bis drei Wochen familientherapeutische Sitzungen, zum Teil in erweiterter Runde mit den Großeltern
väterlicherseits. Es wurde deutlich, dass Frau E. sich versagend zu erleben schien
und das Aufsuchen der Tagesklinik als persönliches Scheitern ihrer elterlichen Fähigkeiten wahrnahm. Frau E. hatte von sich das Bild, als ausgebildete und erfahrene
Sozialpädagogin auch als Mutter perfekt funktionieren zu müssen, und erlebte die
Konflikte in der Beziehung mit Marie als extrem frustrierend. Durch eine wertschätzende Haltung und ressourcenorientierte Interventionen gelang es, eine vertrauensvolle Beziehung herzustellen, in der sich diese schwierigen Gefühle thematisieren
ließen. Im Verlauf der Behandlung konnte als weiteres bedeutsames Moment die eigene Bindungsunsicherheit sowie die Traumatisierung der Mutter durch Gewalterfahrungen und existenzielle Angst in ihrer eigenen Herkunftsfamilie herausgearbeitet werden. Frau E. konnte erkennen, dass in ihrer eigenen Kindheit grundlegende
Bedürfnisse nach hinreichender Sicherheit bei ihr nicht erfüllt worden waren und
diese eigenen Erfahrungen in der Beziehung zur ihrer Tochter reaktiviert wurden:
Hierbei projizierte sie eigene unverarbeitete Angst- und Ohnmachtsgefühle aus ihrer eigenen Kindheit auf Marie und übertrug zudem ängstigende Anteile des übermächtigen tyrannischen Vaters ihrer eigenen Kindheit auf sie. Im Sinne einer projektiven Identifikation nahm Marie unbewusst beide Rollenzuschreibungen in sich
auf und brachte sie in Szene. Das reflexive Verständnis, dass ihre Ohnmachtsgefühle
im Zusammenhang mit Maries expansivem Verhalten einen Bezug zu eigenen Biografie haben, entlastete Frau E. deutlich. Im Umgang mit Marie konnte Frau E. ihre
Sorge vor einer Traumatisierung Maries durch elterliche Grenzsetzung als zu ihr
gehöriges Schema identifizieren und sie wurde ermutigt, ihre erzieherische Kompetenz angstfreier umzusetzen. In gemeinsamen Sitzungen mit beiden Eltern konnten
diese Erklärungsmodelle besprochen werden und so Vertrauen und gegenseitiges
Verständnis fortentwickelt werden. Eine Empfehlung einer eigenen Psychotherapie
für Frau E. wurde von dieser angenommen. In der elterlichen Beziehung fand sich
eine Imbalance der Rollen, so zeigte sich Herr E. in seiner Vaterrolle eher als im
Erziehungsalltag weithin passiv bleibender „Versorger,“ der seiner Frau als Sozialpä-
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dagogin die größeren erzieherischen Kompetenzen zuschrieb und wenig Vertrauen
in seine eigenen intuitiven elterlichen Fähigkeiten zu haben schien. Mit den Eltern
konnte erarbeitet werden, die Tagesklinik für sich als Experimentierfeld einer balancierteren Rollenaufteilung zu nutzen. Frau E. gelang es, Kontrolle abzugeben
und ihrem Mann mehr Raum in der Erziehung zu überlassen. Herr E. erlebte sich
zunehmend selbstwirksam im Vertrauen auf seine intuitiven Fähigkeiten als Vater.
Insbesondere positive Rückmeldungen von anderen Eltern aus der Elterngruppe in
der MFT zu Herrn E.’s väterlichen Kompetenzen verarbeitete Frau E. zunächst als
Vorwurf gegen sich als Mutter. Die hierdurch ausgelösten Konflikte auf Elternebene
konnten identifiziert und bearbeitet werden. In einer zentralen Therapiesitzung mit
den im selben Haus lebenden Großeltern väterlicherseits konnten bislang unausgesprochene Sorgen und Ängste auf allen Generationenebenen thematisiert werden.
So gelang es dem Kindsvater, seine Eltern nach seiner eigenen Erkrankung als Kind
zu fragen und sich mit eigenen bis dahin als diffus wahrgenommenen Ängsten zu
konfrontieren und eine Beruhigung zu erfahren. Die im Haus wohnende Großmutter berichtete von einer Reaktivierung eigener kindlicher Ängste durch die Schreie
Maries und die dadurch bedingte eigene Belastung sowie den Impuls, der Familie
in Konfliktsituationen zur Seite zu stehen und für Entlastung zu sorgen. Diese „Einmischung“ der Großmutter wurde von Maries Eltern als Verunsicherung auf Elternebene identifiziert. Erstmals mitgeteilt wurden von der Großmutter auch bis dahin unausgesprochene Ängste, die Ehe der Eltern könne der hohen Belastung nicht
standhalten. Durch die Enttabuisierung und Auflösung der Sprachlosigkeit konnte
ein Veränderungsprozess initiiert werden, und die bis dahin unverstandenen und
diffusen Ängste aus der transgenerationalen Vergangenheit verloren zunehmend
ihre dynamische Wirksamkeit.
3.1.3 Symbolisierungsarbeit in der Kunsttherapie
Über den spielerischen und explorativen Kontakt mit verschiedenen Materialien
in der Kunsttherapie konnte Marie gut Zugang zu eigenen Gefühlen finden. Beim
Reiben, Schäumen, Drücken von Filz-Wolle hellte ihre Stimmung sichtlich auf. Im
Kontakt mit diesen Materialien gab Marie ihre finstere Mimik und die gebundene,
schlaffe Körperhaltung mehr und mehr auf. Zusätzliches Gewicht bekam dieses
Selbstgewahrwerden in den Stunden gemeinsam mit anderen Kindern. Das gemeinsame Tun im Gruppensetting und die geteilte Freude am Tun verstärkten die positiven Affekte. Marie zeigte sich in ihren sozialen Kontakten zunehmend sicherer. Sie
erweiterte beobachtbar das Spektrum ihrer Fähigkeiten. Je sicherer sie sich erlebte,
desto mehr erlaubte sie sich, mit Grenzen zu spielen. Wasser floss über Tische, überraschend kraftvoll wurde der Filz geworfen, Schaum flog. Der ganze Körper zeigte
sich in dynamischen und fließenden Bewegungen. Die Gruppe der Kinder nahm
mit Freude und Anerkennung Anteil an Maries Erleben, was zu einer weiteren
Stärkung ihres Selbst beitrug. Auf dieser Basis konnte sich Marie neuen Aufgaben
556 A. Herbst et al.
stellen und modellierte mit Ton. Dabei zeigte sie sich in der der Art ihrer Gestaltungen unreif und kleinkindhaft. Sie war jedoch gut in der Lage, ihre Wünsche nach
Abgrenzung und eigenem Raum zu symbolisieren. Im Verlauf gelang ihr auch die
Externalisierung ihrer Ängste in Gestalt eines Koboldes. Aus dieser emotionalen Distanz heraus experimentierte sie mit verschiedenen Größen dieser Figur und konnte
als passende Relation feststellen: „[der Kobold ist] heute kleiner als ich“. Genüsslich
fand sie auch Ausdruck für aggressive und regressive Anteile, in dem das Wesen
z. B. Geschenke in Form von „Kötteln“ brachte. Die deutliche Freude, mit der sie
diesen Prozess durchlebte, bildete ihr Erleben von mehr Stärke und Kompetenz ab.
In gemeinsamen kunsttherapeutischen Interaktionsstunden mit der Mutter konnte
Marie diese Entwicklung nicht parallel nachvollziehen. Immer wieder mussten aus
der Interaktion entstandene Affekte besänftigt werden. Hier zeigten sich wiederholt
Wünsche der Mutter nach Kontrolle auch des inneren Erlebens der Tochter, nach
Einfluss auf die Symbolwelt ihres Kindes („Warum immer Pferde, nimm doch mal
...! Nimm nicht den Löwen, nimm doch die Ente!“). Dies konnte bearbeitet werden.
Maries Wünsche nach mehr Autonomie ohne Verlust der Sicherheit in der Bindung
an die Mutter wurden deutlich. Mutter und Tochter lernten Kontrolle abzugeben
und einander zunehmend Raum für autonomes Handeln zu lassen.
3.2 Außenweltbegleitung
3.2.1 MFT-Gruppe
In der MFT- Gruppe zeigten sich beide Elternteile, die Marie abwechselnd begleiteten, in sehr unterschiedlichen Beziehungen zu ihrer Tochter. Frau E. blieb, ihrem
Selbstbild als professionelle Sozialpädagogin entsprechend, zunächst auf innerer Distanz zu den anderen Eltern. Sie erlebte es als deutlich schambesetzt, sich als Mutter
einer sich verweigernden, „ungehorsamen“ Tochter vor der Gruppe zu zeigen. Maries Symptome von Verweigerung, Ängstlichkeit und auch aggressiver Symptomatik
standen aber unweigerlich im Raum. Frau E. zeigte sich in ihrem Verhalten zunächst
oft hoch ambivalent. Sie pendelte zwischen einer überfürsorglichen und schützenden Haltung und der Abwertung ihres Kindes in Momenten, in denen sie ihre
eigenen Affekte, wie z. B. Wut und Scham nicht mehr beherrschen konnte. In Korrespondenz dazu war Marie lange nicht in der Lage, sich innerhalb der Gruppe in
Anwesenheit der Mutter kompetenter zu erleben. Das Bindungsverhalten zeigte sich
unsicher-ambivalent. Die Mutter schien Marie durch ihre wiederholten „hastigen
beschützenden Reaktionen“ (Omer u. Lebowitz, 2012) an der sozialen Exploration
und damit an der Entwicklung neuer Kompetenzen zu hindern. Angestoßen durch
die Elterngespräche und sich entwickelnden Beziehungen zu den anderen Eltern,
gelang es Frau E. eine zunehmend nachsichtige Haltung sich selbst gegenüber zu
entwickeln, den Anteil ihres mütterlichen Fürsorgeverhaltens wertzuschätzen und
sich trotzdem zunehmend stärker mit ihren erzieherischen Anforderungen an Ma-
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Behandlung von Schulphobie mit Trennungsangst������
557
rie zu positionieren. Der „öffentliche Raum“ der Gruppensituation mit Eltern und
Kindern konnte so zunehmend für einen Realitätsabgleich zu altersangemessenen
Entwicklungsaufgaben genutzt werden. Herr E. mutete und traute seiner Tochter in
den Gruppensitzungen mit den anderen Familien mehr zu und unterstützte sie so,
sich zu zeigen. In Anwesenheit des Vaters zeigte sich Marie schnell sicherer. Sie war
dann besser in der Lage, vorhandene Ressourcen zu nutzen. Der Vater konnte in
der MFT-Gruppe die elterliche Ankerfunktion offensichtlich besser wahrnehmen.
Durch entsprechende Rückmeldungen aus der Gruppe und gestützt durch VideoFeedback veränderte sich die Rolle des Vaters auch innerhalb der Familie. Er erlebte
sich zunehmend wirksam und in seiner Rolle selbstbewusster. In gestärkter Elternbeziehung konnte er in Allianz mit der Kindsmutter haltgebende Grenzsetzungen
innerhalb der Familie zunehmend effektiv unterstützen.
3.2.2 Begleitung der Trennungssituationen
In den ersten zwei Wochen der tagesklinischen Behandlung wurde die morgendliche Situation zu Hause und die Hinfahrt zur Tagesklinik von den Eltern als sehr
schwierig beschrieben. Marie verweigerte sich, schrie und zeigte sich aggressiv den
Eltern gegenüber. Zu Behandlungsbeginn war im Beisein Maries die Vereinbarung
getroffen worden, dass Eskalationen zu Hause per Telefon in die Tagesklinik berichtet werden und im Bedarfsfall die Möglichkeit der aufsuchenden häuslichen Unterstützung durch Mitarbeiter gegeben sei. Während das telefonische Coaching zum
Einsatz kam, musste die häusliche Unterstützung im Krisenfall nicht zum Einsatz
kommen. Die schwierigen morgendlichen Situationen wurden mit dem Eintreffen
Maries in der Tagesklinik zeitnah nachbesprochen. In den ersten zwei Wochen wurde Marie nach enger Absprache und Autorisierung durch die Eltern von der Familienbetreuerin in der morgendlichen Verabschiedungssituation in der Tagesklinik
festgehalten. Die Trennungssituation wurde hierbei möglichst kurz gehalten. Über
von Marie mitgebrachte Kuscheltiere konnte schnell wieder ein positiver Kontakt
entstehen. Zu beobachten war, dass Marie sich trotz teils heftigster Gefühlsausbrüche mit wütendem Weinen jeweils nach der Trennung von der Mutter zügig beruhigte und dann angepasst und ohne weitere Auffälligkeiten den Vormittag gestalten
konnte. Hierzu erhielt die Kindsmutter detaillierte Rückmeldungen. Im weiteren
Verlauf konnte das Winken am Fenster als Ritual eingeführt werden. In der dritten
Woche schaffte es Marie, sich ohne Festhalten von der Mutter zu verabschieden. Die
täglich neu dosiert angepassten „Zumutungen“ (Festhalten, etc.), die in der Haltung
des Zutrauens vermittelt und verkörpert wurden, stärkten die Ich-Funktionen der
Patientin in stetigen Schritten. Die Trennungsproblematik zeigte sich über mehrere
Wochen erneut am Nachmittag, wenn Marie zu regelmäßig stattfindenden externen
Sportgruppe der Kinder mitfahren sollte. Anders als am Morgen waren zu dieser
Zeit auch alle anderen Eltern anwesend, was die Situation für die Kindesmutter anfänglich erschwerte. Frau E. konnte schrittweise darin bestärkt werden, Marie auch
558 A. Herbst et al.
in der Verweigerungshaltung und lautem Agieren entgegenzustehen und standhaft
zu bleiben. Nach der Thematisierung der „peinlichen Situation“ (dass Frau E. vor
den anderen Eltern handeln muss) im geschützten Rahmen, schien Frau E. mehr
Mut und Kraft zu haben, was sich positiv auf Marie übertrug.
3.2.3 Eltern-Kind-Interaktion
In der Interaktionstherapie mit Familie E. entstanden Eindrücke darüber, wie das Familiensystem interagierte, nach welchen Mustern es sich verhielt, wie die Beziehung
zwischen Eltern und Kind stattfand und wie Eskalationen und Versöhnungen aussahen. Die Interaktionseinheiten mit jeweils einem Elternteil von Marie fanden zweimal
wöchentlich statt. Die Eltern-Kind Interaktions-Sitzungen wurden von der zuständigen
Familienbetreuerin geplant und begleitet. In der Interaktionszeit mit Familie E. ging es
darum, die Eltern in ihrem Handeln mit Marie zu begleiten und sie zu coachen, ihre
Position als Eltern zu stärken und alternative Handlungsmöglichkeiten zu erproben.
Dabei war es der Anspruch der Familienbetreuerin, keine Lösungen vorzugeben, sondern die Eltern in der Entwicklung von eigenen Lösungen zu unterstützen. Es wurde
deutlich, dass in Korrespondenz mit Maries intrapsychischem Konflikt als innerfamiliäres Konfliktthema ebenfalls „Unterwerfung versus Kontrolle“ (Arbeitskreis OPDKJ, 2013) im Vordergrund stand, unter dem Marie in ihrer Autonomieentwicklung
behindert wurde. Besonders zwischen Marie und ihrer Mutter entstand wiederkehrend ein Kampf um Sieg und Niederlage im „Entweder-oder-Modus“. Ziel der Elterngespräche war, der Mutter einen Weg zu zeigen, wie sie aus diesem Kampf aussteigen
konnte. Über gemeinsame Aktivitäten, Ansprechen von gefühlten „Tabuthemen“ und
das Herstellen von angemessenen situativen Realitätsbezügen konnte zunehmend ein
für die Mutter stimmiger Mittelweg zwischen der notwendigen Klarheit von Grenzen
und einer liebevoll-wohlwollenden Haltung Marie gegenüber entstehen sowie eine
Einschätzung entwickelt werden, was Marie aushalten kann und was ihr „zugemutet
und zugetraut“ werden kann.
3.2.4 Schulbesuch
In der Klinikschule zeigte sich Marie nach anfänglicher kurzer Gewöhnungsphase angepasst und konnte nach ihren altersentsprechenden Fähigkeiten und Fertigkeiten am Unterricht teilnehmen. Im letzten Drittel der Behandlung wurde die Reintegration in Maries Heimatschule von der Familienbetreuerin begleitet. Da der
Austausch zwischen der Klassenlehrerin und den Kindseltern im Vorfeld der Aufnahme bei unterschiedlichen Sichtweisen auf die Symptomatik von Marie nur noch
erschwert möglich gewesen war, war eine vermittelnde Rolle der Familienbegleiterin zunächst sehr hilfreich. Aufgelöst werden konnte auch die Frage der Notwendigkeit einer Schulwegbegleitung. Frau E. entschied sich, ihrer Tochter den Schulweg
unbegleitet zuzutrauen, das „Ankommen“ in der Schule nicht mehr zu begleiten.
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Behandlung von Schulphobie mit Trennungsangst������
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Beginnend mit einem Hausbesuch der Familienbegleiterin am frühen Morgen und
gemeinsamen „Antrittsbesuch“ in der Schule sowie Vereinbarung der Möglichkeit
der telefonischen oder präsenten Unterstützung durch die Familienbegleiterin gelang der Übergang in die Heimatschule problemlos.
4
Behandlungsende
4.1 Behandlungsergebnis
Marie konnte nach zwölfwöchiger Behandlungszeit und vollständig wiedererlangtem regelmäßigen Besuch ihrer Heimatschule stabilisiert entlassen werden.
Zum Ende der Behandlung bestanden zwar die Machtkämpfe der Eltern mit Marie
in ihrer Ausprägung noch weiterhin fort, die Bewertung und Bewältigung auf Elternebene hatte sich jedoch entscheidend gewandelt. Die Eltern konnten sich beide
in notwendigen Grenzsetzungen Marie gegenüber als Halt und Sicherheit gebende
Eltern erleben, die Beziehungen zeigten sich entspannter. In einem abschließenden
Gespräch mit der Familie äußerte diese Zufriedenheit mit dem Behandlungsverlauf
und dem Behandlungsergebnis.
4.2 Katamnese
Sechs Monate nach der Entlassung aus der teilstationären Behandlung wird der
Schulbesuch von Marie nach wie vor erfolgreich bewältigt, die Kindsmutter berichtet, dass sie weiterhin wiederkehrende Machtkämpfe mit ihrer Tochter auszufechten habe, hierfür aber die in der tagesklinischen Behandlung erworbenen Bewältigungsmuster weiterhin gut nutzen könne und berichtet von einer insgesamt positiv
wahrgenommenen Entwicklung.
5
Diskussion und Ausblick
Die dem Schulabsentismus bei Schulphobie zugrundeliegende Problematik einer
unbewältigten Trennungsangst und die mit ihr einhergehende Psychodynamik und
Familiendynamik ist in der Literatur seit Jahrzehnten von vielen Seiten beleuchtet
worden (Sperling, 1961; Oelsner, 2003). Von verschiedenen Autoren wurden auch
Typisierungen von Familienmustern vorgenommen (Schweitzer u. Ochs, 2003;
Knollmann, Reissner, Kiessling, Hebebrand, 2013; Knollmann, Al-Mouhtasseb,
Hebebrand, 2009; Lehmkuhl, Doll, Blanz, 1988; Overmeyer, Blanz, Schmidt, Rose,
1995). Bei ausgeprägter Schulphobie ist die ambulante Behandlung oft nicht ausreichend bzw. obsolet. Die multimodale Behandlung im tagesklinischen Setting ist bei
Verläufen mit länger andauerndem Fernbleiben von der Schule nicht zuletzt wegen
560 A. Herbst et al.
der täglichen Aktualisierung der Trennungssituation und der damit einhergehenden
Chance, diese Aktualisierung mit allen damit verbundenen emotionalen Begleitreaktionen von Eltern und Kind therapeutisch aufzugreifen, besonders geeignet.
Insbesondere die reflektierende Betrachtung transgenerationaler Mechanismen der
Transmission unbewältigter Angstthemen in den Familiensystemen in Verbindung
mit einem intensiven Peergroup-Effekt unter Patienteneltern im multisystemischen
Setting und der ebenso intensiven Arbeit an der Eltern-Kind-Interaktion im Hier
und Jetzt trägt zur Nachhaltigkeit der Behandlungseffekte dieses ebenso verstehenden wie übenden Behandlungsansatzes bei. Um den Überblick über den Behandlungsprozess zu behalten, wenn komplexe interpersonale und intrapsychische
Veränderungen parallel therapeutisch „angestoßen“ werden, sind gut organisierte
Teamstrukturen sowie ein hohes multiprofessionelles Reflexionsniveau auf solider
konzeptueller Basis nötig. Als „lohnendes Ergebnis“ dieses auf mehreren Ebenen
intensiv herausfordernden Therapieansatzes sehen wir auf Seiten unserer Patienten,
neben den generell positiven Rückmeldungen unserer Patientenfamilien, eine erfreuliche Nachhaltigkeit und anhaltend hohe Entwicklungsdynamik begonnener
Prozesse in der poststationären Nachsorge. Nicht zu vernachlässigen ist zudem das
auf Seiten des Behandlungsteams auf allen Ebenen zu verzeichnende hohe Selbstwirksamkeitserleben und eine hohe Arbeitszufriedenheit.
Fazit für die Praxis
• Die Integration von psychodynamischen und systemischen Therapieansätzen
zeigt im tagesklinischen Setting synergistische Effekte.
• Die familienorientierte Behandlung in einem tagesklinischen Setting ist bei
Trennungsängsten im Kindesalter wegen der täglichen Aktualisierung der Trennungssituation besonders gut geeignet.
• Die psychodynamisch-verstehend ausgerichtete Elternarbeit trägt zur Nachhaltigkeit von Therapieeffekten bei.
• Der Ansatz der Multifamilientherapie (MFT) integriert die Wirkfaktoren von
Gruppentherapien in die tagesklinische Behandlung und bildet einen therapeutischen Raum, in dem sich reale Lebenssituationen der Familien abbilden und in
den Therapieprozess einfließen können.
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Behandlung von Schulphobie mit Trennungsangst������
561
Literatur
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Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik,
Schmeddingstraße 50, 48129 Münster; E-Mail: [email protected]
Antje Herbst, Judith Maria Fernholz und Kay Susanne Strothe, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie,
-psychotherapie und -psychosomatik der Universitätsklinik Münster; Sarah Schlund, Hamburg
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KURZBEITRÄGE
Evaluation der Psychoanalytischen Kurzzeittherapie
für Kinder von 4-10 Jahren mit Angststörungen (PaKT):
Zusammenfassung der Pilotstudie1
Annette M. Klein*, Tanja Müller-Göttken*, Lars O. White, Anja Keitel-Korndörfer
und Kai von Klitzing
Summary
Summary of the Pilot Study Short-term Psychoanalytic Child Therapy (PaCT) of Anxious Children
We provide a summary of a recently published study on Psychoanalytic Child Therapy (PaCT;
Göttken, White, Klein, von Klitzing, 2014) for young children with emotional and affective
symptoms. Consisting of approximately 20 psychotherapy sessions, therapists treat families
in parent-child, child-alone, parent-alone settings, aiming to uncover and work through a
relational theme underlying the symptoms. Thirty families were entered into a wait-list controlled study in an outpatient setting (n = 18 treatment group; n = 12 waitlist) with the aim of
assessing the effectiveness of PaCT (Göttken u. von Klitzing, 2014) for 4- to 10-year-olds with
anxiety disorders. After treatment, over half of the children of the treatment group no longer
met criteria for anxiety disorder while no children of the control group remitted during the
wait-list interval. In addition, parent, child and teacher reports showed significant symptom
reduction. The pattern of results lend preliminary support to psychodynamic intervention
as an effective tool for treating childhood anxiety and affective disorders and call for future
randomized controlled trials to provide additional evidence for these promising effects.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64/2015, 563-571
Keywords
psychodynamic child psychotherapy – clinical outcome study – anxiety disorders – internalizing symptoms – preschool and early school age
1 Diese Studie wurde von der Heidehof Stiftung GmbH gefördert. Die Autoren danken allen teilnehmenden Eltern und Kindern.
* Geteilte Erstautorenschaft
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 563 – 571 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
564 A. M. Klein et al.
Zusammenfassung
In diesem Beitrag wird die kürzlich publizierte Evaluationsstudie einer psychoanalytischen
Kurzzeittherapie für Kinder mit Angststörungen in einem ambulanten Setting zusammenfassend dargestellt (Orginalartikel: Göttken et al., 2014). Dreißig Kinder (12 Mädchen) mit diagnostizierter Angststörung und ihre Familien erhielten circa 20 Sitzungen der manualisierten
psychoanalytischen Kurzzeittherapie (PaKT; Göttken u. von Klitzing, 2015). Ein Teil dieser
Familien wurde dabei erst nach einer Wartezeit behandelt (n = 12 Wartekontrollgruppe), alle
anderen Familien (n = 18) direkt nach Einschluss in die Studie. Diagnosen und internalisierende Symptome sowie Gesamtproblemwert in der Elterneinschätzung wurden zu Prä-, Post- und
Follow-Up-Zeitpunkten bzw. vor und nach der Wartezeit erhoben. Zusätzlich waren Erzieher/
Lehrer- und Kindeinschätzung zu Prä-, Post- und Follow-Up-Zeitpunkten verfügbar. Zum einen wurden nun Vergleiche der Veränderungen beider Gruppen vorgenommen und zum anderen Vergleiche zwischen allen drei Messzeitpunkten für die gesamte Stichprobe. Von den 27
Kindern, deren Daten zum Post-Zeitpunkt zur Verfügung standen, wiesen über die Hälfte nach
der Therapie keine Angststörung mehr auf, wohingegen es bei der Wartekontrollgruppe keine
Remission gab. Die von den Eltern berichteten internalisierenden Symptome sowie der Gesamtproblemwert verringerten sich signifikant und stärker als in der Wartekontrollgruppe. Auch die
Berichte der Erzieher/Lehrer und Kinder wiesen auf eine signifikante Symptomreduktion hin.
Die Abnahme der Angstsymptome und -störungen blieb auch sechs Monate nach Abschluss der
Therapie (Follow-Up) erhalten. Die vielversprechenden Befunde dieser ersten Pilotstudie weisen darauf hin, dass PaKT ein effektives Behandlungskonzept für Kinder mit internalisierenden
Symptomen und Störungen darstellt, das in zukünftigen randomisierten Kontrollgruppenstudien einer weiteren Überprüfung unterzogen werden sollte.
Schlagwörter
Psychoanalytische Kurzzeittherapie für Kinder – Evaluationsstudie – Angststörungen – Internalisierende Symptome – Vorschulalter – frühes Schulalter
1
Theoretischer Hintergrund
Angststörungen stellen die häufigste psychische Störung im Kindesalter dar (Cart­
wright-Hatton, McNicol, Doubleday, 2006) und können mit einer starken Beeinträchtigung des Kindes, der Eltern und Lehrer einhergehen. Bleiben Angststörungen
unbehandelt, können diese oft über einen langen Zeitraum weiterbestehen oder
Vorläufer anderer psychischer Störungen wie z. B. Depression sein (Kovacs u. Devlin, 1998). Effektive psychotherapeutische Interventionen, die die Angstsymptome
mindern, können demzufolge auch die weitere Entwicklung des Kindes nachhaltig
verbessern.
Bisher gibt es nur wenige Studien, die Psychotherapie für Angststörungen im Kindesalter evaluiert haben, insbesondere solche, die psychodynamische Therapieansätze
untersuchen. Dagegen gibt es mehre kontrollierte Evaluationsstudien, in denen die
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Psychoanalytische Kurzzeittherapie
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für Kinder mit Angststörungen (PaKT)������
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Wirksamkeit von kognitiv-behavioralen Therapieansätzen beforscht wurde (für einen
Überblick zu Wirksamkeitsstudien siehe White, Göttken, Graneist, Klein, 2014).
In diesem Beitrag soll die Evaluation der Pilotstudie „Psychoanalytische Kurzzeittherapie für Kinder von 4 bis 10 Jahren mit Angststörungen (PaKT)“ zusammenfassend dargestellt werden. Eine ausführliche Darstellung ist bereits auf Englisch
publiziert worden (Göttken et al., 2014). Darüber hinaus wurde die mütterliche Mentalisierungsfähigkeit als möglicher Einflussfaktor auf den Therapieerfolg untersucht
(Müller-Göttken, White, von Klitzing, Klein, 2014).
Das Ziel der Evaluationsstudie bestand darin, die Wirksamkeit von PaKT bei der
Behandlung von Angststörungen sowohl in Hinblick auf kategoriale als auch dimensionale Maße zu überprüfen und mit möglichen Veränderungen während der Wartezeit
zu vergleichen.
2
Methode
2.1 Ablauf der Datenerhebung und Stichprobe
Die teilnehmenden Kinder im Alter von vier bis zehn Jahren wurden an die kinderund jugendpsychiatrische Ambulanz der Universitätsklinik aufgrund von emotionalen Symptomen wie Ängstlichkeit, Sorgen, Traurigkeit oder starker Schüchternheit
überwiesen. Die Eltern erhielten ausführliche mündliche und schriftliche Aufklärung
über das Therapieangebot und die Begleitforschung und erteilten ihre Zustimmung
zur Teilnahme an der Studie. Die Studie wurde durch die Ethikkommission der Universität Leipzig, Medizinische Fakultät geprüft und erhielt ein positives Votum. Die
ausführliche Datenerhebung fand vor der Therapie (Prä), nach der Therapie (Post)
sowie sechs Monate nach Abschluss der Therapie (Follow-Up) statt.
Das Einschlusskriterium zur Teilnahme an der Studie stellte die Diagnose einer
Angststörung nach DSM-IV dar, das von N = 30 Kindern erfüllt wurde. Wenn ein
Therapeut verfügbar war, begann die Therapie für die Familie direkt nach Einschluss
in die Studie (n = 18). Wenn ein Kind nicht sofort behandelt werden konnte, weil kein
Therapeut verfügbar war, wurde es der Warteliste zugeordnet (n = 12) und erhielt
nach der Wartezeit (durchschnittlich 16,4 Wochen) sowie einer weiteren Datenerhebung die Behandlung. In diesen Fällen stellte die erste Datenerhebung den Wert vor
der Wartezeit und die zweite Datenerhebung den Wert vor der Therapie (Prä) dar. Die
Therapie dauerte im Schnitt 22 Sitzungen (über durchschnittlich 41 Wochen).
Die Stichprobe bestand aus 12 Mädchen und 18 Jungen. Das Durchschnittsalter der
Kinder bei Therapiebeginn betrug 7,07 Jahre (Altersrange = 4,33-9,33).
Die Drop-out-Rate zwischen Prä und Post lag bei zehn Prozent (n = 3), zwei weitere
Familien beteiligten sich nicht an der Follow-Up-Untersuchung. Damit lagen die PräPost-Daten für n = 27 und die Prä-Follow-Up-Daten für n = 25 Familien vor.
566 A. M. Klein et al.
2.2 Psychoanalytische Kurzzeitherapie (PaKT)
Die Psychoanalytische Kurzzeittherapie (PaKT) für Kinder von vier bis zehn Jahren
umfasst fokaltherapeutische (Klüwer, 2005) sowie mentalisierungsbasierte Aspekte
(Verheugt-Pleiter, Zevalkink, Schmeets, 2008). Sie findet im Rahmen von 20 bis 25 wöchentlichen psychotherapeutischen Sitzungen in wechselnden Settings – TherapeutEltern-Kind, Kind allein, Eltern allein – statt. Hierbei wird auf der Ebene interpersoneller Beziehungen und internaler Repräsentationen ein zentrales Konfliktthema, das
den Symptomen des Kindes und möglichen familiären Dysfunktionen zugrunde liegt,
identifiziert und modifiziert. In den individuellen Sitzungen mit dem Kind hilft der
Therapeut dem Kind, das zentrale Konfliktthema im freien Spiel durchzuarbeiten. In
den fünf bis sechs Elternsitzungen (jede 4. Sitzung) spricht der Therapeut die möglichen und teils unbewussten Bedeutungen der kindlichen Symptome an.
PaKT ist als Manual in englischer Sprache veröffentlicht worden (Göttken u. von
Klitzing, 2014) und kürzlich auch auf Deutsch erschienen (Göttken u. von Klitzing,
2015). Ausführliche Beschreibungen des Konzepts finden sich zudem in Göttken und
von Klitzing (2011a, b).
Acht Psychologen und Kinderpsychiater, die sich überwiegend noch in der tiefenpsychologisch orientierten Psychotherapieausbildung befanden, führten die Therapien durch und wurden regelmäßig supervidiert. Die fortlaufende Adhärenzkontrolle
ergab eine gute Umsetzung des Manuals.
2.3 Instrumente
Wir verwendeten zum einen den kategorialen Ansatz unter Einsatz eines strukturierten klinischen Interviews (Befragung der Eltern mittels des Preschool Age Psychiatric Assessment, PAPA; Egger, Ascher, Angold, 2004) und zum anderen den
dimensionalen Ansatz unter Nutzung international verbreiteter und gut validierter
Fragebögen (Strengths and Difficulties Questionnaire, SDQ; Goodman, 1997; Child
Behavior Checklist, CBCL; Achenbach, 1991; Achenbach u. Rescorla, 2003). Weiterhin wurden gemäß des Multi-Informanten-Ansatzes Eltern, Erzieher/Lehrer sowie
die Kinder selbst befragt, letztere mittels des Berkeley Puppet Interview (BPI; Measelle, Ablow, Cowan, Cowan, 1998). Tabelle 1 stellt eine Übersicht über die dimensionalen Instrumente und erfassten Skalen dar.
3
Ergebnisse
3.1 Veränderungen der Diagnosen Prä-Post
Nach der Behandlung mit PaKT wiesen n = 18 Kinder (66,67 % von 27, die die Therapie beendeten) keine Diagnose einer Angststörung mehr auf, was eine signifikante
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Verbesserung darstellt. Während nach der Wartezeit alle 12 Kinder (100 %) die Diagnose der Angststörung weiterhin erfüllten, wiesen 12 der direkt behandelten Kinder (75 %) keine Diagnose einer Angststörung mehr auf, sodass sich die beiden
Gruppen signifikant hinsichtlich der Veränderung unterscheiden.
3.2 Veränderungen der Symptomatik Prä-Post
Pro Elterneinschätzung der verschiedenen Symptombereiche wurden univariate Varianzanalysen mit dem Zeitpunkt (Prä, Post) als Innersubjektfaktor und der Gruppenzugehörigkeit (Behandlungsgruppe vs. Wartekontrollgruppe) als Zwischengruppenfaktor durchgeführt. Auf der Skala des SDQ Emotionale Symptome zeigte sich hierbei
eine signifikante Veränderung über die Zeit sowie ein signifikanter Interaktionseffekt
von Gruppenzugehörigkeit x Zeitpunkt, wobei die Behandlungsgruppe eine signifikant größere Symptomreduktion aufwies als die Wartekontrollgruppe. Die gleichen
Ergebnismuster zeigten sich für den SDQ Gesamtproblemwert, CBCL Internalisierende Probleme, CBCL Sozialer Rückzug sowie den CBCL Gesamtproblemwert. Bei der
CBCL-Skala Angst/Depression konnte eine signifikante Veränderung über die Zeit
gefunden werden, während der Interaktionseffekt nur marginal signifikant war. Bei
der CBCL-Skala Externalisierende Probleme zeigte sich ein signifikanter Interaktionseffekt, während der Zeiteffekt nicht signifikant war. Für die SDQ-Skala Verhaltensprobleme konnte dagegen keine Veränderung nachgewiesen werden.
Unter Einbezug sämtlicher Teilnehmer gerechnet (Univariate Varianzanalysen mit Messwiederholung Prä-Post) bestätigte sich das Bild: Von Prä zu Post verringerten sich die
Symptome, gemessen mit den verschiedenen Skalen signifikant, außer bei SDQ Verhaltensprobleme. Für eine Übersicht zu den signifikanten Veränderungen siehe Tabelle 1.
Die Einschätzungen der Erzieher bzw. Lehrer mittels des SDQ lagen nur für die Präund Postmessung, nicht jedoch für die Erhebung vor der Wartezeit vor, sodass hier keine
Gruppenvergleiche vorgenommen werden konnten. Stattdessen wurden für alle Teilnehmer Veränderungen der Symptome während der Therapiezeit untersucht. Univariate Varianzanalysen mit Mess­wiederholung ergaben dabei signifikante Verringerungen
der Symptomatik hinsichtlich emotionaler Symptome, Verhaltensprobleme sowie des
Gesamtproblemwerts.
Entsprechende Berechnungen für die Kindeinschätzung im BPI (Prä-Post) ergaben,
dass sich die internalisierenden Symptome nach der Therapie signifikant verringert
hatten, während die selbstberichteten externalisierenden Symptome nur tendenziell
abgenommen hatten.
3.3 Veränderungen der Diagnosen Prä-Follow-Up
Zum Follow-Up-Termin sechs Monate nach Abschluss der Behandlung mit PaKT wiesen n = 22 Kinder (88 % von 25, die an der Follow-Up-Erhebung teilnahmen) keine
Diagnose einer Angststörung mehr auf, was eine signifikante Verbesserung darstellt.
568 A. M. Klein et al.
Tabelle 1: Verwendete Instrumente, Informanten und signifikante Veränderungen (p < .05) über die Zeit
(Gesamtstichprobe)
Instrumente
Informanten Verwendete Skalen
Strengths and DiffiEltern
culties Questionnaire,
SDQ (Goodman,
1997)
Erzieher/
Lehrer
Child Behavior
Checklist, CBCL
(Achenbach, 1991)
Eltern
Berkeley Puppet
Interview, BPI
(Measelle et al.,1998)
Kind
Emotionale Symptome
Verhaltensprobleme
Gesamtproblemwert
Emotionale Symptome
Verhaltensprobleme
Gesamtproblemwert
Internalisierende Probleme
Sozialer Rückzug
Angst/Depression
Externalisierende Probleme
Gesamtproblemwert
Internalisierende Probleme
Externalisierende Probleme
Veränderung
Prä-Post
sign.
sign.
sign.
sign.
sign.
sign.
sign.
sign.
sign.
sign.
sign.
-
Veränderung
Prä-Follow-up
sign.
sign.
sign.
sign.
sign.
sign.
sign.
sign.
sign.
sign.
-
3.4 Veränderungen der Symptomatik Prä-Follow-Up
In die Analysen der Prä-Follow-Up-Effekte flossen die Einschätzungen der Eltern,
Erzieher/Lehrer und Kinder jeweils für die Gesamtstichprobe ein. Da die Kinder der
Wartekontrollgruppe nach der Wartezeit von circa vier Monaten auch die Behandlung erhalten hatten, war ein Vergleich der verschiedenen Gruppen für den Followup-Zeitpunkt nicht möglich.
Die ANOVAs mit Messwiederholung (Prä, Follow-Up) der Elterneinschätzungen ergaben signifikante Behandlungseffekte für alle untersuchten Skalen. Bei den Einschätzungen der Erzieher bzw. Lehrer erwiesen sich die Verringerungen der emotionalen
Symptome sowie des Gesamtproblemwerts als signifikant.
Dagegen unterschieden sich die vom Kind beim Follow-Up-Zeitpunkt berichteten
internalisierenden und externalisierenden Probleme nicht mehr signifikant von der
Einschätzung vor der Therapie.
3.6 Intent-to-Treat-Analysen
Sämtliche Analysen wurden auch als Intent-to-Treat-Analysen – das heißt, nicht
vorhandene Daten einzelner Patienten (z. B. wegen Dropout) werden durch PräWerte ersetzt, was einer sehr konservativen Schätzung entspricht – durchgeführt.
Bei den Einschätzungen der Eltern blieben die Veränderungen über die Zeit signifikant, die Interaktionseffekte (Gruppenzugehörigkeit x Zeitpunkt) erwiesen sich
aber teilweise nur als marginal signifikant.
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4
Psychoanalytische Kurzzeittherapie
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569
Diskussion
In Übereinstimmung mit unseren Erwartungen fanden wir signifikante Abnahmen
der von den Eltern berichteten Symptome und mit dem klinischen Interview erhobenen Diagnosen nach der Behandlung mit PaKT auch im Vergleich zu einer
Wartekontrollgruppe. Diese Effekte blieben beim Follow-Up sechs Monate nach
Abschluss der Therapie erhalten. Zudem zeigten sich signifikante Symptomreduktionen in Erzieher/Lehrer- sowie Kindeinschätzungen.
Die Teilnehmer, welche in der Ambulanz der Kinder- und Jugendpsychiatrie Behandlung suchten, wiesen Angststörungen mit einem hohen Ausmaß an komorbiden
depressiven und externalisierenden Symptomen auf – es handelt sich also um eine
klinisch auffällige Gruppe, die besonders schwer zu behandeln ist (Rapee et al., 2013).
Unseren Ergebnissen zufolge kann PaKT zudem bereits bei Kindern im Vorschulalter
sehr gut angewendet werden.
Die Rate des vollständigen Rückgangs der Angststörungsdiagnose nach PaKT
(66,67 % der Kinder) war hoch und vergleichbar mit den Raten, die in Studien zur
Kognitiv-Behavioralen Therapie genannt werden (z. B. Hirshfeld-Becker et al., 2010).
Die von den Eltern, Erziehern/Lehrern und Kindern berichteten Symptomreduktionen wiesen moderate bis große Effektstärken auf. Weiterhin gingen mit der Therapie nicht nur Verringerungen von internalisierenden, sondern auch von externalisierenden Symptomen einher, was bisherige Befunde, die ebenfalls eine breite Wirkung
psychodynamischer Behandlungen dokumentieren konnten (z. B. Abbass, Rabung,
Leichsenring, Refseth, Midgley, 2013; Muratori, Picchi, Bruni, Patarnello, Romagnoli,
2003), repliziert. Wie die Einschätzungen der Eltern und Erzieher/Lehrer zum FollowUp-Zeitpunkt zeigten, handelt es sich zudem um nachhaltige Verbesserungen.
Unsere Studie wurde innerhalb eines klinischen Settings, der psychiatrischen Institutsambulanz, durchgeführt. Als Limitation ist aufzuführen, dass die Gruppenzuweisung zur direkten Behandlung versus Wartekontrollgruppe nicht randomisiert erfolgte, sondern sich in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit eines Therapeuten ergab.
Die Tatsache, dass sich die Familien beider Gruppen nicht hinsichtlich sozidemografischer Variablen oder dem Ansprechen auf die Behandlung mit PaKT unterschied,
spricht für eine unbeeinflusste Zuweisung.
Darüber hinaus nahm die Behandlungsdauer im Vergleich zur Wartezeit weitaus
mehr Zeit in Anspruch, was spontane Verbesserungen während der Behandlungszeit
wahrscheinlicher macht. Allerdings war die Dauer der Wartezeit vergleichbar mit
bzw. länger als bei anderen Therapiestudien und eine weitere Verlängerung wäre aus
ethischen Gründen problematisch gewesen.
Auch die Stichprobengröße ist als Limitation aufzuführen, da so nur mittlere bis
große Effekte statistisch nachgewiesen werden konnten.
570 A. M. Klein et al.
Fazit für die Praxis
• Die hier zusammengefasste Pilotstudie weist darauf hin, dass PaKT als eine psychoanalytische Kurzzeittherapie eine vielversprechende Behandlung für Vorschul- und junge Schulkinder mit Angststörungen darstellt. Darüber hinaus
wurden durch die Behandlung auch komorbide depressive und externalisierende Symptome erfolgreich reduziert. PaKT ist manualisiert und ermöglicht nach
einem Training und unter Supervision auch noch weniger erfahrenen Therapeuten die Behandlung von Kindern mit Angststörungen. Als nächsten Schritt
sollte die Wirksamkeit von PaKT in einem Randomisierten KontrollstudienDesign und gegebenenfalls mit größerer Stichprobe untersucht werden.
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Annette M. Klein, Tanja Müller-Göttken, Lars O. White, Anja Keitel-Korndörfer und Kai von Klitzing,
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters,
Universität Leipzig
AUTOREN UND AUTORINNEN
Sandra Achtergarde, Dr. phil., Dipl.-Psych., wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kinder- und
Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik, Universitätsklinikum Münster; davor wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen.
Fatma Çelik, Dr., Dipl. Psych., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Entwicklungspsychologie der Bergischen Universität Wuppertal, Forschungsschwerpunkte: Bindungsforschung,
Entwicklung emotionaler Verletzungssensitivität, emotionale Entwicklung.
Judith Maria Fernholz, Assistenzärtin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Klinik für Kinderund Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik der Universitätsklinik Münster, Systemische Familientherapeutin i. A.
Antje Herbst, Dr. med., Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Hypnotherapeutin, Oberärztliche Leitung der Tagsklinik Roxel der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik der Universitätsklinik Münster.
Alexandra Iwanski, Dr., Dipl. Psych., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Entwicklungspsychologie der Bergischen Universität Wuppertal, Forschungsschwerpunkte: Bindungsforschung, emotionale Entwicklung, Entwicklung unter Risikobedingungen.
Anja Keitel-Korndörfer, M. A. Kommunikations- und Medienwissenschaft, Dipl.-Psych., wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters, Universität Leipzig. In Ausbildung zur Psychologischen
Psychotherapeutin.
Annette M. Klein, Dr. phil., Dipl.-Psych., wissenschaftliche Mitarbeiterin und Forschungskoordinatorin an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des
Kindes- und Jugendalters, Universität Leipzig.
Andreas Mayer, Dr. phil., Dipl.-Psych., wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Münster.
Jörg Michael Müller, Dr. phil., Dipl.-Psych., Forschungskoordinator der Klinik für Kinder- und
Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik, Universitätsklinikum Münster, davor
wissenschaftlicher Assistent an den Universität Tübingen, und wissenschaftlicher Mitarbeiter an
den Universitäten Bremen und Heidelberg.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 572 – 573 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
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Autoren und Autorinnen 573
Tanja Müller-Göttken, Dipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin (DPV/
IPA) und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters, Universität Leipzig.
Christian Postert, Dr. med. Dr. phil., wissenschaftlicher Mitarbeiter der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik, Universitätsklinikum Münster und Professor mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie an der Hochschule
für Gesundheit in Bochum.
Georg Romer, Prof. Dr. med., Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie am Universitätsklinikum Münster.
Sarah Schlund, M. A. Sozialpädagogin, systemischer Elterncoach (IF Weinheim), Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin i. A.
Kay Susanne Strothe, grad. Kunsttherapeutin, Dipl.-Sozialpädagogin, Mitarbeiterin der Klinik
für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik der Universitätsklinik
Münster.
Kai von Klitzing, Prof. Dr. med., Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie,
Psychoanalytiker (IPA), Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und
Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters, Universität Leipzig.
Ida Wessing, Dr. rer. nat., Dipl.-Psych., wissenschaftliche Mitarbeiterin der Klinik für Kinder- und
Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik, Universitätsklinikum Münster.
Lars O. White, M.Sc., B.Sc., Verbundprojektkoordinator AMIS, wissenschaftlicher Mitarbeiter an
der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und
Jugendalters, Universität Leipzig.
Peter Zimmermann, Prof. Dr., Dipl. Psych., Universitätsprofessor und Lehrstuhlinhaber des
Lehrstuhls Entwicklungspsychologie der Bergischen Universität Wuppertal, Forschungsschwerpunkte: Bindungsforschung, soziale und emotionale Entwicklung, Entwicklung unter Risikobedingungen.
BUCHBESPRECHUNGEN
Fooken, I., Heuft, G. (Hrsg.) (2014). Das späte Echo von Kriegskindheiten. Die Folgen
des Zweiten Weltkriegs in Lebensverläufen und Zeitgeschichte. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 308 Seiten, 29,99 €.
Das vorliegende Buch ist ein Ergebnis des 2. Internationalen Kongresses zum Thema
„Kindheiten im Zweiten Weltkrieg in Europa“, keine 1:1-Widergabe, weil dort unterschiedliche Medien eingesetzt worden waren, aber es enthält die Vielfalt der dort
vorgestellten und diskutierten Themen.
Genau das macht die Stärke dieses Buches aus, dass das Thema, das erst in den letzten Jahren in den Fokus gerückt ist, von so vielen verschiedenen Seiten beleuchtet
wird. Der erste Teil beschäftigt sich mit dem Einfluss der abwesenden Väter auf die
Entwicklung der Kinder. Eine umfangreiche Befragung vaterloser Töchter ergab, dass
in der Regel das Leitbild einer intakten Familie aufrechterhalten wurde, die Sehnsucht
nach Halt blieb, aber auch eine Erkenntnis der erarbeiteten eigenen Stärke. In einer
Langzeituntersuchung zeigte sich, dass ein Vaterverlust ein wichtiger, aber nicht der
einzige Faktor ist für später auftretende psychische Beschwerden.
Im 2. Teil geht es um die literarische Aufarbeitung von Kriegs- und Verlusterfahrungen. Krieg ist nicht ästhetisch, aber es gibt ästhetische Formen, ihn zu beschreiben. In der Kinder- und Jugendliteratur werden Verluste, Flucht, Vertreibung, Hunger,
Shoa aufgegriffen.
Der 3. Teil beschäftigt sich damit, inwieweit Kriegskindheitserfahrungen ein Thema in gesellschaftlichen Institutionen sind. Sehr spannend ist das Kapitel über Geschichtsunterricht. Schüler sollen die Subjektivität von Quellen erkennen und damit
zu Urteilsfähigkeit erzogen werden. Einrichtungen wie Erzählcafés und Fotoausstellungen sind mögliche Angebote für ehemalige Kriegskinder. Manche engagieren sich
friedenspolitisch, um sich nicht als Opfer fühlen zu müssen und dem Druck der Herkunftsfamilie etwas entgegensetzen zu können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die
Eltern der Kriegskinder selbst solche des Ersten Weltkriegs waren.
Die vierte Einheit befasst sich mit zeithistorischen Besonderheiten durch die Kriegsfolgen. Gerade in Pflegesituationen lassen sich transgenerationale Traumatisierungen
erkennen. Alte Menschen leiden unter Autonomieverlust. Werden sie von polnischen
Pflegekräften versorgt, kann allein deren Sprache traumatische Erfahrungen triggern,
umgekehrt haben oft die Vorfahren von Pflegekräften selber Traumata durch die
Deutschen erfahren. Hier hilft zur Entlastung Supervision und Besinnung auf eine gemeinsame Basis. Das Erleben von Kindern im Krieg wurde oft nicht ernst genommen,
sie sollten Garanten für eine glückliche Zukunft sein.
Teil 5 hat Kriegsprägungen und Transgenerationalität zum Thema. Studien über
Autorität und Familien zeigten, dass ein autoritäres Erziehungsklima und die sozioöPrax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 574 – 578 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
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Buchbesprechungen 575
konomische Lage Einfluss auf die politische Einstellung im Erwachsenenalter haben.
Heute erfolgt die Erziehung stark durch Massenmedien, Schule und Sportgruppen.
Durch Rechtsextremismus besteht eine Permanenz von Gewalt in der Gesellschaft.
Bombenangriffe und Ähnliches führen dazu, dass Kinder überflutet werden von Todesangst, im Krieg entstehen auch Trennungstraumata. Die Nachkommen übernehmen oft das Haltgeben für die Eltern. Dies zeigte sich besonders auch in Forschungen
über den Feuersturm in Hamburg 1943.
Die 6. Einheit befasst sich mit den verdeckten Spuren des Krieges in der Versorgung
und Pflege im Alter. Eine Krankenhausseelsorgerin stellt fest, dass Kriegskinder, die
Schweres erfahren haben, oft tiefe Gefühle vermeiden und somit Lebendigkeit und
engere Beziehungen. In der Geriatrie müssen die Vergangenheitserfahrungen der Patienten einbezogen werden. Es gibt häufig im Alter eine Traumareaktivierung. Von
daher ist eine Sensibilisierung des Fachpersonals nötig.
Der letzte Teil beschäftigt sich mit spezifischen Symptomen und deren Behandlung,
die durch Kriegsbelastungen entstanden sind.
Das Buch ist für alle geeignet, die mit älteren Menschen zu tun haben, um bestimmte
Verhaltensweisen besser zu verstehen und sie einordnen zu können. Es trägt auch zu
einem bessern Selbstverständnis als Kinder oder Enkel von Kriegskindern bei.
Charlotte von Bülow-Faerber, Ilsede
Ghuman, J. K., Ghuman, H. S. (Hrsg.) (2014). ADHD in preschool children. Assessment and treatment. New York: Oxford University Press, 228 Seiten, 29,99 £.
An Fachbüchern zu ADHS bei Schulkindern besteht kein Mangel. Dagegen sucht
man nach wissenschaftlich fundierten Informationen zum Vorschulbereich weitgehend vergeblich. Folglich verdient der vorliegende Herausgeberband Beachtung.
In zehn lesenswerten Beiträgen werden verschiedene klinische Aspekte der Hyperaktivitäts-/Aufmerksamkeitsstörung bei Kindern im Alter von drei bis fünf Jahren
beleuchtet. Da Forschungsergebnisse zu dieser Altersgruppe zum Teil noch spärlich
sind, nehmen die Autoren immer wieder Bezug auf Befunde, die an älteren Kindern
gewonnen wurden, doch behalten sie durchweg die eigentlich gemeinte Altersgruppe im Auge. Der Leser erhält dadurch einen Überblick über den Stand der Forschung und bekommt Informationen zu einigen wichtigen fachlichen Fragen, die
sich bei Diagnostik und Behandlung stellen.
Die vier Beiträge, die der Diagnostik gewidmet sind, geben eine Reihe nützlicher
Hinweise zur Exploration einschließlich Komorbidität und Differentialdiagnostik. In
seiner Gesamtheit wird hier aber ein diagnostischer Standard gesetzt, von dem die
klinisch-diagnostische Praxis vermutlich nicht nur hierzulande noch weit entfernt ist.
In Ermangelung empirisch bewährter Testinstrumente nehmen dabei die Angaben der
Bezugspersonen einen prominenten Platz ein. Dass in dem Band als Referenz noch
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DSM-IV-TR und nicht DSM-5 gewählt wurde, tut der Relevanz der gelieferten Informationen aber keinen Abbruch. ADHS wird überwiegend als kategoriale Störung
aufgefasst und die in der Praxis oft problematische Frage einer Abgrenzung zwischen
altersgemäß „normaler“ Unruhe und Impulsivität einerseits und einer behandlungsbedürftigen Störung andererseits spielt in diesem Band eine eher untergeordnete Rolle.
Die sechs Kapitel zur Behandlung können als durchaus gelungene Zusammenstellung
aufgefasst werden. Zwei Beiträge sind Elterntrainingsprogrammen gewidmet, welche
die Eltern-Kind-Interaktion in den Mittelpunkt stellen: Parent-Management-Training
(PMT), das unter anderem auch unter dem Namen Triple-P in Deutschland bekannt
ist, und Incredible Years. Beide Programme wurden für Störungen des Sozialverhaltens
entwickelt, haben sich aber auch bei Kindern mit ADHS bewährt und eignen sich für
den Vorschulbereich: Die Beschreibung ist anschaulich, Befunde zur Programmevaluation werden referiert. Der wichtigen – und kontroversen – Frage der medikamentösen Behandlung sind zwei Kapitel gewidmet, deren eines den Stand der Forschung
widergibt (Fazit: Anwendung bei Vorschulkindern ist bei genauerer Überwachung in
Kombination mit psychosozialen Interventionen wissenschaftlich vertretbar). Das andere Kapitel widmet sich der klinischen Praxis und behandelt in erster Linie psychopharmakologische Fragestellungen, die sich bei den verfügbaren Wirkstoffen ergeben.
Ein weiteres Kapitel behandelt ergänzende und alternative Methoden, die von Ernährungsumstellung über Nahrungsergänzungsmittel bis zu Biofeedback, Akupunktur
und Gedächtnistraining reichen. Auf der Grundlage der vorhandenen Befunde werden
Empfehlungen bezüglich Indikation ausgesprochen. Das abschließende Kapitel behandelt Einschlafstörungen bei Vorschulkindern mit ADHS und warnt davor, die in der
Erziehungsberatung üblichen Tipps hier unkritisch einzusetzen.
Auch wenn nicht alle Problemstellungen im Zusammenhang mit ADHS bei Vorschulkindern zufriedenstellend bearbeitet wurden, handelt es sich um ein sorgfältig
ausgearbeitetes Buch, das auf dem deutschsprachigen Markt seinesgleichen sucht und
das zur Lektüre wärmstens empfohlen werden kann.
Dieter Irblich, Auel
Sarimski, K. (2013). Soziale Risiken im frühen Kindesalter. Göttingen: Hogrefe,
172 Seiten, 24,95 €.
Kinder, die unter besonderen psychosozialen Belastungen aufwachsen, sind erhöhten Risiken hinsichtlich ihrer Entwicklung und ihrer psychischen Gesundheit ausgesetzt. Zu verschiedenen Risikogruppen, z. B. Kindern psychisch kranker Eltern, sind
in den letzten Jahren Monographien erschienen, die den Forschungsstand abgebildet und Ansätze zur Unterstützung der betroffenen Kinder bzw. deren Familien publik gemacht haben. Der vorliegende Band bündelt nun das vorhandene empirische
Wissen zu verschiedenen Problembereichen unter besonderer Berücksichtigung der
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Buchbesprechungen 577
frühen Kindheit, arbeitet die wesentlichen Wirkfaktoren von Interventionen heraus
und versucht eine kritische Bewertung der vorhandenen Hilfesysteme.
Neben Kindern in Armutslagen werden Kinder psychisch kranker, insbesondere depressiver Mütter sowie Kinder alkoholabhängiger und drogenabhängiger Eltern thematisiert. Die Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Beziehung und die kindliche Entwicklung stehen dabei im Mittelpunkt. Es folgen empirische Ergebnisse zu Präventions- und
Interventionsprogrammen sowohl in den USA, wo breit angelegte Evaluationsstudien
wichtige Erkenntnisse zu Wirkfaktoren und Entwicklungsverläufen liefern, als auch
zum ungleich bescheideneren Forschungsstand im deutschen Sprachraum.
Aus den referierten Informationen arbeitet der Autor die Schlüsselelemente heraus, auf
die es seiner Meinung nach ankommt, um den betroffenen Kindern wirkungsvoll und
nachhaltig zu helfen. Er betont, dass Interventionen, die auf die Mutter-Kind-Beziehung
zielen, bei den genannten Problemgruppen größere und nachhaltigere Effekte haben als
solche, die psychosoziale Hilfestellung zu geben oder kompensatorisch die betroffenen
Kinder zu fördern suchen. Voraussetzung ist allerdings, dass es gelingt, ein tragfähiges
Arbeitsbündnis zu den zum Teil emotional instabilen und in ihrer Beziehungsfähigkeit
beeinträchtigten Eltern zu finden. Als besonders wirkungsvoll für diesen Personenkreis
werden Methoden herausgestellt, die die Mentalisierungsfähigkeit der Mütter sowohl
in Bezug auf das Selbsterleben als auch die Vergegenwärtigung kindlicher Bedürfnisse
fördern. Erst auf dieser Grundlage sollte dann die Veränderung des Erziehungsverhaltens z. B. mithilfe von Videofeedback zum Einsatz kommen. In den referierten Studien
häufen sich die Hinweise darauf, dass ein hoher Qualifizierungsstandard der Berater ein
wesentlicher Faktor für eine wirkungsvolle Arbeit mit hoch belasteten Familien ist.
Abschließend beleuchtet Sarimski die in Deutschland vorhandenen Hilfesysteme,
in deren Zuständigkeit die hier besprochenen Risikofamilien fallen. Neben der medizinischen Gesundheitsversorgung einschließlich Sozialpädiatrischen Zentren, Erziehungsberatungsstellen, Frühförderstellen usw. sind dies nun auch die Modellprojekte der
Frühen Hilfen, zu deren Aufbau die Kommunen Bundesmittel abrufen können. In einer
vergleichenden Betrachtung werden Stärken und Schwächen der verschiedenen Angebote herausgestellt und es wird zumindest thesenhaft angedeutet, dass sich die programmatisch geforderte Vernetzung der frühen Hilfen bisher nicht im erwünschten Maße
abzeichnet, sondern dass sich insbesondere für Kinder mit Entwicklungsstörungen, die
im Kontext der genannten psychosozialen Risiken vermehrt auftreten, Kompetenzüberschneidungen ergeben, die für die Betroffenen kaum vorteilhaft sein können. Sarimski
weist hier auf ein wichtiges Problemfeld hin, dem derzeit bei der Implementierung der
Frühen Hilfen vielerorts nicht genügend Beachtung geschenkt wird.
Es handelt es sich hier um ein informatives, übersichtlich gestaltetes und letztlich auch programmatisch wichtiges Buch, das einer breiten Leserschaft empfohlen
werden kann, nicht nur im Bereich der beratenden Berufe, sondern auch in den
Institutionen, die mit regionaler Sozialplanung befasst sind.
Dieter Irblich, Auel
578 Buchbesprechungen
Die folgenden Neuerscheinungen können zur Besprechung bei der Redaktion
angefordert werden:
–– Ahnert, L. (2015). Wieviel Mutter braucht ein Kind? Bindung – Bildung – Betreuung: öffentlich und privat. Heidelberg: Springer, 344 Seiten, 14,99 €.
–– Fabian, E. (2015). Die Haben-Seite der Psyche. Psychodynamische Arbeit mit Ressourcen.
Stuttgart: Schattauer, 182 Seiten, 29.99 €.
–– Hauke, G., Dall’Occhio, M. (2015). Emotionale Aktivierungstherapie (EAT). Embodimenttechniken im Emotionalen Feld. Stuttgart: Schattauer, 168 Seiten, 29,99 €.
–– Richter, D., Brähler, E., Ernst, J. (Hrsg.) (2015). Diagnostische Verfahren für Beratung und Therapie von Paaren und Familien. Göttingen: Hogrefe, 314 Seiten, 59,95 €.
–– Schmidt-Traub, S. (2015). Kinder liebevoll und konsequent erziehen. Ein Ratgeber für Eltern
und Erzieher. Göttingen: Hogrefe, 167 Seiten, 17,95 €.
–– Schubert, C. (2015). Psychoneuroimmunologie und Psychotherapie. Stuttgart: Schattauer, 492
Seiten (2., überarb. Aufl.), 89,99 €.
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TAGUNGSKALENDER
24.-26.9.2015 in Magdeburg:
15. wissenschaftliche Jahrestagung der DGSF. simply emotional – simply systemic. Wie Gefühle Systeme bewegen
Auskunft: ISFT Magdeburg, Hegelstr. 18, 39104 Magdeburg; Tel.: 0391-50968999, E-Mail:
[email protected], Internet: www.dgsf-tagung-2015.de
24.-26.9.2015 in Hannover:
Wissenschaftliche Jahrestagung der BKE. Zeit Bindung
Auskunft: Internet: www.bke.de
1./2.10.2015 in Freiburg:
Fachtagung: Bilanz und Perspektiven der Resilienzforschung
Auskunft: E-Mail: [email protected]
2.-4.10.2015 in Würzburg:
25. Jahrestagung der DGGN
Auskunft: Prof. Dr. H. Collmann, Neurochirurgische Universitätsklinik, Josef-Schneider-Str.
11, 97080 Würzburg; E-Mail: [email protected]
15.-17.10.2015 in Alpbach, Tirol, Österreich:
Kongress Essstörungen 2015, 23. Internationale Wissenschaftliche Tagung
Auskunft: Netzwerk Essstörungen, Templstraße 22, 6020 Innsbruck, Österreich;
Tel. +43-512-576026, Fax +43-512-58 36 54, E-Mail: [email protected], Internet:
www.netzwerk-essstoerungen.at
23.-24.10.2015 in Wien/Österreich:
16. Jahrestagung der Österreichischen Adipositas Gesellschaft. Adipositas 2015, Vision &
Wirklichkeit
Auskunft: Österreichische Adipositas Gesellschaft, Währingerstraße 76/13, A-1090 Wien;
Tel.: +43-650-7703378, Fax: +43-1-2645229, E-Mail: [email protected]
6./7.11.2015. in Bochum:
23. Wissenschaftliches Symposium für Psychotherapie: Bindung und Bindungsforschung
Auskunft: Frau S. Ratzke, Tel.: 0234-5077-3442, E-Mail: [email protected], Internet:
www.lwl-klinik-bochum.de
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 579 – 581 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
580 Tagungskalender
13.-14.11.2015 in Essen
6. Deutsches Kinderhospizforum: Lebensfreude, Lebensbrüche, Lebensfülle – Wege entstehen beim Gehen
Auskunft: Silke Schneider, Tel.: 02761-94129-33, Fax: 02761-94129-60, E-Mail: [email protected], Internet: www.kinderhospizforum.de
14.11.2015 in Frankfurt a. M.:
16. Fachtagung des Frankfurter Arbeitskreis für Psychoanalytische Pädagogik e. V.: Unheimlich
verlockend – Zum pädagogischen Umgang mit Sexualität
Auskunft: FAPP – Frankfurter Arbeitskreis für Psychoanalytische Pädagogik e. V., Myliusstr.
20, 60323 Frankfurt a. M.; Internet: www.fapp-frankfurt.d
24./25.11.2015 in Essen:
Workshop: Akute Trauma-Nachsorge und Arbeit mit traumatisierten Familien
Auskunft: ifs, Bochumer Str. 50, 45276 Essen; Tel.: 0201-8486560,
E-Mail: [email protected], Internet: www.ifs-essen.de
28.11.2015 in München:
Interdisziplinäres Symposium: Familienentwicklung und Stärkung der elterlichen Kompetenz
Auskuft: Internationale Akademie für Entwicklungs-Rehabilitation und Theodor-HellbrüggeStiftung, Heiglhofstr. 63/II, 81377 München; Fax: 089-7193610, E-Mail: [email protected], Internet: www.theodor-hellbruegge-stiftung.de
30.11.2015 in Essen
Beginn der Seminarreihe Marte Meo Grundkurs (Practitioner)
Auskunft: ifs, Bochumer Str. 50, 45276 Essen; Tel.: 0201-8486560,
E-Mail: [email protected], Internet: www.ifs-essen.de
07.12.2015 in Essen
Beginn der Seminarreihe Systemisch Kompakt – für Jugendhilfekontexte
Auskunft: ifs, Bochumer Str. 50, 45276 Essen; Tel.: 0201-8486560,
E-Mail: [email protected], Internet: www.ifs-essen.de
21.01.2016 in Essen
Beginn der Seminarreihe Systemische Traumapädagogik
Auskunft: ifs, Bochumer Str. 50, 45276 Essen; Tel.: 0201-8486560,
E-Mail: [email protected], Internet: www.ifs-essen.de
12.02.2016 in Essen
Beginn der Seminarreihe Hypno-Systemisches Arbeiten in Beratung und Therapie
Auskunft: ifs, Bochumer Str. 50, 45276 Essen; Tel.: 0201-8486560,
E-Mail: [email protected], Internet: www.ifs-essen.de
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Tagungskalender 581
24.-28.2.2016 in Berlin:
29. Kongress für Klinische Psychologie, Psychotherapie und Beratung. The Dark Side of the
Moon. Krisen, Traumata ... - verlorene Sicherheit zurückgewinnen
Auskunft: DGVT, Postfach 1343, 72003 Tübingen; Tel.: 070-71943494, Fax: 070-71943435,
E-Mail: [email protected], Internet: www.dgvt.de
4./5.3.2016 in München:
Münchner Symposion Frühförderung 2016: Kultur pur! Bedeutung kultureller Aspekte für
das System Interdisziplinäre Frühförderung
Auskunft: Arbeitsstelle Frühförderung Bayern, Pädagogische Abteilung, Frau Agnes Winzker,
Seidlstraße 18 a, 80335 München; Fax: 089-545898-29, E-Mail an: [email protected]
11./12.3.2016 in Wien/Österreich:
8. Wiener Fortbildungstagung: Essstörungen und assoziierte Krankheitsbilder
Auskunft: Internet: www.ess-stoerung.eu/index-Dateien/Page13064.htm
Aus dem Inhalt des nächsten Heftes
L. Werpup-Stüwe und F. Petermann: Visuelle Wahrnehmungsleistungen bei Kindern mit
motorischen Entwicklungsstörungen – S. Loos et al.: Posttraumatische Belastungsstörung
bei Kindern und Jugendlichen – M. Birkhölzer: Assessments of Identity Development in
Adolescence (AIDA)
Konstruktiver
Stressabbau
Egle (Hrsg.)
Sexueller Missbrauch, Misshandlung, Vernachlässigung
Differenziert werden Krankheitsbilder sowie
die wissenschaftlich fundierten Möglichkeiten der Therapie, Prävention und Begutachtung schwer traumatisierter Patienten
sowie der Täter selbst dargestellt.
4., erw. u. vollst. aktual. Aufl. 2015.
Ca. 992 Seiten, 52 Abb., 56 Tab., geb.
Ca. € 99,99 (D) / € 102,80 (A)
ISBN 978-3-7945-2921-6
Eltern bitten Lehrer und Berater an den
Runden Tisch
2015. 163 Seiten, mit 11 Abb., kartoniert
€ 14,99 D
ISBN 978-3-525-40222-1
eBook: € 11,99 D
ISBN 978-3-647-40222-2
Hoffmann, Roshdi (Hrsg.)
Irrtum und Preisänderungen vorbehalten. Abb.: © www.fofotila.de
Helmut Bonney / Juliane Bonney
Schulversagen?
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der Folgen früher Stresserfahrungen
Amok und andere Formen
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Risikokindern
Handreichung für pädagogische
Fachkräfte im Übergang vom
Elementar- zum Primarbereich
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Katrin Nelius
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von Til Tiger
Das Kinderbuch zum „Trainingsprogramm für sozial unsere
Kinder“
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(Hrsg.)
Arnold Lohaus · Michael Glüer (Hrsg.)
Entwicklungsförderung
im Kindesalter
Grundlagen, Diagnostik und Intervention
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Trotz vielfältiger erfolgreicher Anstrengungen zur
Qualitätssteigerung des pädagogischen Alltags in
Kindertagesstätten ist der Anteil der Kinder mit frühen
schulischen Anpassungs- und Lernproblemen in den vergangenen Jahrzehnten erheblich angestiegen. Um dem
entgegenzuwirken, wurde in Baden-Württemberg in den
letzten Jahren ein Konzept zur gezielten zusätzlichen
Förderung von Kindern mit schulrelevanten Entwicklungsauffälligkeiten entwickelt und erprobt.
Die
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2015, 98 Seiten, Kleinformat,
€ 9,95 / CHF 14,90
ISBN 978-3-8017-2696-6
E-Book
Die Tigergeschichte unterstützt sozial unsichere Kinder
zwischen vier und zehn Jahren auf fantasievolle und
altersgerechte Weise dabei, mehr Selbstbewusstsein zu
entwickeln. Das Kinderbuch kann auch als Ergänzung
zum Buch »Mutig werden mit Til Tiger. Ein Trainingsprogramm für sozial unsichere Kinder« (ISBN 978-3-80172247-0) verwendet werden, um die im Training erzielten
Effekte langanhaltend zu unterstützen. Die liebebvollen
Illustrationen regen die Fantasie der Kinder an und
animieren zum Ausmalen.
Auch als
E-Book
E
Entwicklungsförderung im
fö
KKindesalter
G
Grundlagen,
Diagnostik und
Interventionen
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2014, 326 Seiten,
20
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ISBN
IS 978-3-8017-2543-3
Das Buch führt zunächst allgemein in die Grundlagen
der Entwicklungsförderung ein. Im zweiten Teil wird
auf spezifische Funktionsbereiche der kindlichen
Entwicklung eingegangen, wie Motorik, Sprache, intellektuelle, soziale und emotionale Fähigkeiten. Neben
diesen allgemeinen Bereichen werden akademische
Kompetenzen (mathematische Kompetenzen, Lese- und
Rechtschreibkompetenz), Hochbegabung, musikalische
und Medienkompetenzen diskutiert.
Gerhard W. Lauth · Matthias Grünke
Joachim C. Brunstein (Hrsg.)
Interventionen bei
Lernstörungen
Förderung, Training und
Therapie in der Praxis
Ge
Gerhard
W. Lauth
Ma
Matthias Grünke
Joa
Joachim C. Brunstein (Hrsg.)
In
Interventionen
bei Lernstörungen
be
För
Förderung,
Training und
Therapie in der Praxis
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2., überarbeitete
und erweiterte Auflage
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2., überarb. u. erw. Auflage 2014,
589 Seiten, € 49,95 / CHF 66,90
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ISBN 978-3-8017-2486-3
ISB
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Der vorliegende Band präsentiert in seiner überarbeiteten und erweiterten Neuauflage zahlreiche effektive
Möglichkeiten der Lernförderung. Führende Expertinnen
und Experten stellen Interventionen mit einer empirischen gut belegten Wirksamkeit dar, sodass sie im
(Förder-)Unterricht, in Trainings und in Therapien leicht
umgesetzt werden können.
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Anne Alvarez
Isabelle Meier
Das denkende
Herz
Großeltern –
Große Eltern
Drei Ebenen psychoanalytischer
Therapie mit
gestörten Kindern
Archetypische und
klinische Perspektiven der GroßelternEnkelkind-Beziehung
»Minutiös diagnostiziert Alvarez den psychischen Zustand ihrer Patienten, unterscheidet
beispielsweise sehr genau, ob ein Kind auf
psychopathische Weise von Gewalt fasziniert
ist oder einfach voller Gewalt ist, die es nicht
verarbeiten kann (...). Anne Alvarez hat wirklich etwas zu sagen.« (Herbert Kley, Psyche)
304 S., geb. Großoktav, € 34,90
ISBN 978-3-95558-066-7
Meier zeigt an klinischen Beispielen, auf
welche Weise sich Großeltern-EnkelkindBeziehungen sowohl positiv als auch negativ
auf die kindliche Psyche auswirken und wie
sich dies auch in Psychotherapien und Psychoanalysen niederschlägt.
184 S., Pb. Großoktav, € 19,90
ISBN 978-3-95558-115-2
Manfred Endres
Catharina Salamander
(Hrsg.)
Jutta Kahl-Popp
Das Gefühl,
Gestalt
anzunehmen
Latenz:
Entwicklung
und Behandlung
Zur Subjektivität in
der Psychotherapieausbildung
Kahl-Popp wertet Interaktionssequenzen von
klinischen und supervisorischen Dialogen
aus. Desgleichen werden Träume der angehenden Psychotherapeuten analysiert. Sie
zeigt somit auf, welche Faktoren in den psychotherapeutischen Ausbildungen das Lernen
hin zu klinischer Könnerschaft anregen oder
beeinträchtigen.
208 S., Pb. Großoktav, € 24,90
ISBN 978-3-95558-117-6
Jahrbuch der Kinderund JugendlichenPsychoanalyse, Bd. 3
Das Latenz-Kind wagt normalerweise den
Sprung aus der Familie und beginnt in der
Schule zu lernen. Doch in der Latenz offenbaren sich dann Probleme und Konflikte aus
vorangegangenen Entwicklungsschritten, die
nun psychotherapeutisch bearbeitet werden
müssen.
284 S., geb. Großoktav, € 29,90
ISBN 978-3-95558-071-1
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Ängste abbauen – Stärken fördern
Kinder- und Jugendlichentherapie bei Carl-Auer
Neu
230 Seiten, Kt, 2015
€ (D) 24,95/€ (A) 25,70
ISBN 978-3-8497-0069-0
324 Seiten, Kt, 2015
€ (D) 34,–/€ (A) 35,–
ISBN 978-3-8497-0091-1
120 Seiten, Kt, 2013
€ (D) 13,95/€ (A) 14,40
ISBN 978-3-8497-0004-1
128 Seiten, Kt, 2. Aufl. 2009
€ (D) 13,95/€ (A) 14,40
ISBN 978-3-89670-465-8
109 Seiten, Kt, 2015
€ (D) 9,95/€ (A) 10,30
ISBN 978-3-8497-0082-9
118 Seiten, Kt, 2015
€ (D) 9,95/€ (A) 10,30
ISBN 978-3-8497-0026-3
Carl-Auer Verlag • www.carl-auer. de
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Tabus sichern Identität –
Tabubrüche ermöglichen Entwicklung
Hartmut Kraft
Die Lust am Tabubruch
2015. 244 Seiten, mit 15 Abb., kartoniert
€ 19,99 D
ISBN 978-3-525-49154-6
eBook: € 15,99 D
ISBN 978-3-647-49154-7
Tabus sichern Identität – Tabubrüche ermöglichen Entwicklung. So ist es immer
wieder interessant zu fragen, warum wir uns dem einen Tabu unterwerfen, ein
anderes aber brechen – oder ein neues errichten.
Tabus haben Konjunktur. Bestimmte Tabubrüche führen zum Ausschluss aus der
Bezugsgruppe. So ist ein Politiker, der in Deutschland das Antisemitismus-Tabu
bricht, schnell am Ende seiner Karriere. Doch besteht immer auch eine Lust am
Tabubruch, das Bedürfnis, überholte und verkrustete Denk- und Handlungsmuster abzustreifen. Von der sexuellen Revolution bis zu den Auseinandersetzungen
um die Homosexuellenehe zieht sich ein roter Faden des gesellschaftlichen Wandels. Auf diesem Weg mussten zahlreiche Tabus in Frage gestellt, gebrochen und
neue Normen und Gesetze aufgestellt werden. Der Psychoanalytiker Hartmut
Kraft untersucht das Tabuphänomen in all seinen spannenden Facetten.
Verlagsgruppe Vandenhoeck & Ruprecht
www.v-r.de
www.klett-cotta.de / fachbuch
Tanja Göttken, Kai von Klitzing
Psychoanalytische
Kurzzeittherapie mit Kindern
(PaKT)
Ein Behandlungsmanual
287 Seiten, gebunden
€ 37,95 (D).
ISBN 978-3-608-94882-0
Tanja Göttken / Kai von Klitzing
Psychoanalytische
Kurzzeittherapie mit
Kindern (PaKT)
NEU
Ein Behandlungsmanual
Das erste psychoanalytische Manual für Kinderpsychiatrie
und -psychologie
»Dieses Buch ist gleichermaßen für weniger und mehr erfahrene Psychotherapeuten geeignet. Ersteren dient es als eine gute Einführung in die
Diagnostik und Therapie der psychoanalytischen Kindertherapie, letzteren kann es als Anregung dienen, das eigene theoretische und therapeutische Wissen zu erweitern. Es integriert erfolgreich Altes und Neues in dem
SInne, dass nicht nur neuere psychoanalytische Konzepte aufgenommen
werden, sondern auch, indem die Autoren keine Scheu haben, sich der
wissenschaftlichen Prüfbarkeit ihres Vorgehens zu stellen. …
In ihrem außergewöhnlich gut strukturierten Buch bringen uns die beiden
Autoren die Vorteile dieses Ansatzes für das Gebiet der Kindertherapie
nahe. … Ein inhaltsreiches Buch, das hoffentlich ein Lehrbuch wird.«
Daniel Barth, Kinderanalyse
Blättern Sie online in unseren Büchern
und bestellen Sie bequem und
versandkostenfrei unter:
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Leitfaden für die systemische Arbeit mit
Kindern, Jugendlichen und ihrem sozialen
Umfeld
Reinert Hanswille (Hg.)
Handbuch
systemische Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapie
Mit einem Vorwort von Jochen Schweitzer.
2015. 590 Seiten, mit einigen Abb. und
digitalem Zusatzmaterial, gebunden
€ 49,99 D
ISBN 978-3-525-40195-8
eBook: € 39,99 D
ISBN 978-3-647-40195-9
Die systemische Therapie stellt durch die enge Einbeziehung der Familie, ihre Haltungen wie
Wertschätzung, Ressourcen-, Kontext- und Lösungsorientierung sowie ihre verbale und nonverbale Methodenvielfalt den idealen Zugang für die psychotherapeutische Arbeit mit Kindern
und Jugendlichen dar, die auffällige Verhaltensweisen zeigen.
Dieses Handbuch aus der Feder renommierter Therapeuten bietet einen Überblick über:
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grundlegende Werkzeuge und Settings in der systemischen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie,
spezifische Herausforderungen der therapeutischen Arbeit mit verschiedenen Altersstufen,
unterschiedliche Familien- und Lebensformen und ihre Bedeutung für den Therapieprozess,
systemische Diagnostikverfahren und das Störungsverständnis,
Arbeiten mit Symptomen und Auffälligkeiten,
systemisch-familientherapeutische Techniken und Verfahren aus benachbarten Therapierichtungen,
Versorgungskontexte.
Das dazugehörige Online-Material enthält Arbeitsblätter zu kreativen Techniken und Methoden sowie Diagnostikmaterial.
Verlagsgruppe Vandenhoeck & Ruprecht
www.v-r.de