Stellungnahme der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen zum Antrag der FDP-Fraktion „Investitionen in den nordrhein-westfälischen Wohnungsmarkt fördern - NRW-Mietpreisbremse außer Kraft setzen“ (Drucksache 16/12353) Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen (AKNW) vertritt ca. 31.000 Architektinnen und Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner. Ein wesentlicher Schwerpunkt der Arbeit des Berufsstandes kommt dabei dem Wohnungs-, und insbesondere dem Mietwohnungsbau zu. Grundsätzlich begrüßt die Architektenkammer NRW dabei alle Bestrebungen, die die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen zum Ziel haben. Gerade im Segment unterer und mittlerer Mietpreislagen, wo Marktmechanismen von Angebot und Nachfrage zunehmend nicht funktionieren, bedarf es nach Ansicht der AKNW einer staatlichen Intervention, vor allem durch Förderinstrumente, aber bei Bedarf auch ordnungsrechtlicher Maßnahmen, um so ein adäquates Angebot an preisgünstigen Wohnungen zu schaffen. 1. Ist eine fundierte Bewertung / Evaluation bereits jetzt möglich? 2. Welche Schutz- bzw. Abwehrmöglichkeiten bestehen für Mieterinnen und Mieter bei überzogenen Mieten? 3. Inwieweit hat die Mietpreisbremse einen abschreckenden, investitionshemmenden Charakter auf dem Wohnungsmarkt? 4. Welche Erkenntnisse haben Sie über die Mietpreisentwicklungen nach Einführung der NRW-Mietpreisbremse? 5. Hat die Mietpreisbremse die mit ihrer Einführung beabsichtigten, politisch gewünschten, Effekte gezeigt und ist demnach ein zielführendes Instrument für eine durchdachte Wohnungsmarktpolitik? Nach Einschätzung der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen liegen, lediglich 15 Monate nach dem Inkrafttreten der zugrundeliegenden Mietpreisbegrenzungsverordnung (MietbegrenzVO NRW), zu wenige Erkenntnisse vor, um eine wirklich fundierte Bewertung der Mietpreisbegrenzungsverordnung durchzuführen. Eine wissenschaftlich fundierte (Erst-)Bewertung der Mietpreisbegrenzungsverordnung bietet sich nach Auffassung der Architektenkammer frühestens nach zwei oder drei Jahren ihrer Gültigkeit an. Eine solche Evaluation könnte dann auch die Frage beantworten, inwiefern die sog. Mietpreisbremse einen innovationshemmenden Effekt auf den nordrhein-westfälischen Wohnungsmarkt hat. Derzeit lässt sich über aus der Mietpreisbremse resultierende Innovationshemmnisse nach Ansicht der AKNW allenfalls spekulieren. 6. Inwieweit führt die in dem Gesetzesentwurf der Landesregierung für eine neue Landesbauordnung vorgesehene feste Quote für rollstuhlgerechte Wohnungen zu einer bedarfsorientierten, zielorientierten Wohnungsbaupolitik? 7. Mit welchen Baupreissteigerungen ist durch die feste Quote von rollstuhlgerechten Wohnungen zu rechnen? 8. Welche Erkenntnisse haben Sie über die konkrete Nachfrage nach komplett rollstuhlgerechten Wohnungen in der Fläche von Nordrhein-Westfalen? Ist diese gleichverteilt im ländlichen Raum und in urbanen Metropolen? 9. Welche bedarfsorientierten Alternativen zur festen Quote von rollstuhlgerechten Wohnungen sind aus Ihrer Sicht geeigneter? Aus der Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung zur Novelle der BauO NRW ergibt sich weder ein Hinweis zum Bedarf an rollstuhlgerechten Wohnungen, noch wie der Bedarf bei den vorgesehenen Quoten in welcher Zeit gedeckt wird, noch werden Aussagen zu Kosten gegeben. Dabei belasten die Kosten in der Investition den Bauherren, in der Miethöhe den Mieter und bei der Belegung von Wohnungen mit Transfergeldempfängern auch die kommunalen Kassen. Um die Debatte sachlich führen zu können und eine Handreichung für zukünftige Planungen zu entwickeln, haben die Architektenkammer NRW und der Verband der Wohnungswirtschaft Rheinland Westfalen (VdW Rheinland Westfalen) bereits nach Veröffentlichung des Referentenentwurfs zur Novelle der Landesbauordnung NRW drei Architekturbüros beauftragt, Planungen anhand typischer Grundrisse zu optimieren und Kostenaussagen zu machen. Die Studien kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die in der Novelle der BauO NRW angedachten Anforderungen zu deutlichen Mehrkosten führen würden. Nimmt man einfache Ausstattungsstandards zum Maßstab, betragen die Mehrkosten (KG 300 und 400 DIN 276) bis zu 22 %, bei einem mittleren Standard 12 bis 14 %. Aus den vorgenannten Gründen hat die AKNW gegenüber einer pauschalen landeseinheitlichen Quote Bedenken. Das Schaffen von sog. R-Wohnungen macht nach Auffassung der Architektenkammer NRW nur da Sinn, wo ein offensichtlicher Bedarf besteht. Notwendig dafür ist eine empirische Grundlagenermittlung für den Bestand und eine hieraus abgeleitete Prognose für den zukünftigen Bedarf, da nur bedarfsgestützte und quartiersbezogene Lösungen zum Erfolg führen. Schon jetzt ist zu beobachten, dass entsprechende Angebote je nach Marktsituation vor Ort nicht nachgefragt werden und am falschen Standort leer stehen oder aufgrund der Größe und der Miethöhe kaum zu vermieten sind. Viele auf den Rollstuhl angewiesene Menschen nutzen barrierefreie Wohnungen (ohne R-Standard), weil die Bewegungsflächen individuell ausreichen, die Mietkosten geringer sind und der Standort stimmt. Die AKNW regt daher in Übereinstimmung mit dem VdW Rheinland Westfalen an, Regelungen zu der Frage, ob solche Wohnungen benötigt werden, den Kommunen mit ihrer örtlichen Marktkenntnis zu überlassen und diesen ein entsprechendes Satzungsrecht zu geben. Es ist richtig und wichtig, dass der Gesetzgeber das barrierefreie Bauen auch durch entsprechende gesetzliche Neuregelungen befördern möchte. Bezüglich der R-Quote erscheint es allerdings sinnvoller, den Kommunen in die Hand zu geben, ob sie über das ohnehin festgelegte Maß an Barrierefreiheit auch Quoten für rollstuhlgerechte Wohnungen einführen wollen. Vorbild für die vorgeschlagene Regelung kann die im Gesetzentwurf angedachte Neuregelung zur Herstellung von Stellplätzen sein, die in die Hoheit der gemeindlichen Satzungsgeber gegeben werden soll. Werden die Teile der DIN 18040, die bauaufsichtlich erforderlich sind, verbindlich eingeführt, sind die Anforderungen klar umrissen. Die Einführung von den bauaufsichtlich relevanten Anforderungen aus der DIN 18040 Teil 2 sollte bei Wohnungen mit Augenmaß und nur in unbedingt notwendigem Umfang geschehen. Bei dieser Erarbeitung bietet die AKNW ihre Expertise an. Es muss sorgfältig zwischen dem Ziel der Schaffung von barrierefreiem und rollstuhlgerechtem Wohnraum einerseits und der Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum andererseits abgewogen werden. 10. Wie stellt sich die Mietpreisentwicklung in NRW nach Ihrer Beobachtung dar, insbesondere mit Blick auf die Ballungsräume? 11. Welche sozialen Probleme ruft diese Entwicklung hervor? Die Nachfrage nach preisgünstigem, aber auch demografiefestem Wohnraum steigt in NordrheinWestfalen bereits seit Jahren kontinuierlich - trotz bisher rückläufiger Bevölkerungszahlen. Bereits heute sehen sich die Wohnungsmärkte entlang der Rheinschiene und in den Universitätsstädten von Nordrhein-Westfalen mit zum Teil rasant steigenden Mieten und erheblichen Wohnungsengpässen konfrontiert. Seit Jahren übersteigt hier die Nachfrage nach preisgünstigem Wohnraum das Angebot. Gerade für einkommensschwache Haushalte wird es hier zunehmend schwieriger, angemessene Wohnungen zu finden. Diese Entwicklung hat sich durch die aktuelle Zuwanderung von Flüchtlingen nochmals verschärft. Der Bedarf an preisgünstigem Wohnraum wird überdies in den kommenden Jahren in NordrheinWestfalen nicht geringer werden. Immer mehr Menschen können sich beispielsweise aufgrund veränderter Erwerbsbiografien, der Zunahme von Minijobs sowie einer verstärkten Beschäftigung im Niedriglohnsektor den frei finanzierten Wohnraum nicht mehr leisten. So haben allein in einer Stadt wie Köln rund 45 % der Einwohner Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein. Ergänzt wird diese Entwicklung von einem weiterhin rückläufigen preisgebundenen Wohnungsbestand und einem deutlichen Rückgang der Angebotszahlen im frei finanzierten preisgünstigen Segment. -2- Die sozialen, aber auch die gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen dieser Entwicklung sind nach Ansicht der Architektenkammer immens. Wenn ganze Bevölkerungsteile gezwungen sind auf die Peripherie der Ballungszentren auszuweichen hat dies nicht nur erhebliche Konsequenzen für die Verkehrsinfrastruktur einer Stadt / einer gesamten Region, sondern auch für die Zusammensetzung und Stabilität ganzer Wohnquartiere und Stadtteile. Die notwendige soziale Durchmischung kann gefährdet sein. Um langfristig erhebliche soziale Schieflagen und Spannungen zu vermeiden, bedarf es insbesondere einer weiterhin aktiven Wohnraumförderpolitik des Landes, eines verstärkten wohnungspolitischen Engagements der Kommunen sowie verbesserter steuerlicher Rahmenbedingungen. Bei Bedarf können diese durch räumlich begrenzte, die Disparitäten des Wohnungsmarktes berücksichtigende, ordnungspolitische Maßnahmen flankiert werden. 12. Ist der Mieterschutz vor ungerechtfertigter Mietpreiserhöhung umfassend oder muss er fortentwickelt werden? 13. Welche Maßnahmen sind nach Ihrer Auffassung sinnvoll? 14. Wie bewerten Sie das Instrument der Mietpreisbremse, hat es negative Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt und Neubauaktivitäten/Investitionstätigkeiten, trotz der Ausnahme von Neubau und umfassenden Modernisierungen? 15. Welche Erfahrungen und objektiv nachvollziehbaren Daten liegen Ihnen rund ein Jahr nach Inkrafttreten der Mietpreisbremse vor? 16. Sind Ihnen konkrete Fälle bekannt, in denen sich Mieterinnen oder Mieter bzw. Mieterschutzvereine auf die Mietpreisbremse berufen und gegen Vermieter oder ihre Vermieterin vorgehen/vorgegangen sind? 17. Sollten die Regelungen der Mietpreisbremse (auf Bundesebene) verschärft und der Schutz der Mieterinnen und Mieter verstärkt werden? Zu diesen Fragen empfiehlt die Architektenkammer NRW die Befragung der Wohnungswirtschaft sowie der Mieterverbände bzw. verweist auf die Antwort zu den Fragen 1 bis 5. Düsseldorf, 5. Oktober 2016 -3-
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