27. SONNTAG IM JAHRESKREIS C, 19. Sonntag nach Trinitatis

Sonntag, 2. Oktober 2016
27. SONNTAG IM JAHRESKREIS C, 19. Sonntag nach
Trinitatis
Hab 1, 2-3; 2, 2-4, 2 Tim 1, 6-8.13-14, Lk 17, 5-10
10.00 Straning (Jubelpaare)
Liebe Schwestern und Brüder,
Glaube ist nicht gleich Glaube!
Diese Unterscheidung zu treffen, wird wahrscheinlich weder für Sie noch für mich
ausschlaggebend gewesen sein. Und doch macht es einen Unterschied. Lange war mir
dies auch nicht so ganz bewusst. Denn mein lückenhaftes theologisches Wissen und
meine in Unterscheidung wenig begabte Ratio konnte das, wovon JESUS im eben
gehörten Evangelium spricht, nicht wirklich klar auseinanderhalten.
Glaube ist nicht gleich Glaube!
Der Glaube, der uns „geläufig“ ist, so wie wir ihn im Credo Sonntag für Sonntag
bekennen und der sich in Überzeugungen und Worten äußert, weil wir einmal gelernt
haben, dass Glaube Vertrauen ist, das man hat oder nicht hat und mit dem ich als
Mensch glaubwürdig bin, ist hier nicht gemeint. Denn in dieser Evangeliumsstelle
kommt es auf etwas anderes an. Glaube, für den die Jünger Stärkung erbitten, ist hier
gedacht als eine Wundermacht.1 Vor der wir immer wieder staunend stehen. Und wer
daran Anteil hat, der kann dadurch mit einer Leichtigkeit zum Beispiel zu seinem
„Apfelbäumchen im Garten“ sagen, dass es sich woanders hin verpflanzen soll. Und er
wird es tun! Will sagen, auch wenn dieser Glaube noch so klein ist, es geht hier nicht um
eine Quantität, wie ein Senfkorn eben, der verfügt letztlich über eine Macht und eine
Kraft, wie sie sonst nur der Schöpfer hat.2 Denn es wird verdächtig, wenn man meint, all
das, was groß ist in dieser von Größenwahn durchdrungenen Welt muss doch von Gott
kommen. Das Gegenteil ist, wie wir wissen, oft der Fall.3
1
Vgl. Klaus Berger, Meditationen zu den Sonntagsevangelien, Lesejahr C, 266.
2
vgl. ebd. 266.
3
vgl. ebd. 265.
Über diese Art eines wunderwirkenden Glaubens wird heute kaum gesprochen. Und
doch gibt es ihn als eine besondere Gabe, als ein Charisma, das nicht jeder hat. Dieser
Glaube zeigt sich als das vorbehaltlose Offensein für Gott, das Gottes Heilshandeln
ermöglicht.4 Wenn wir diesem Glauben, dieser Kraft, in uns Raum geben, kann sie
Staunenswertes vollbringen. Denn wer sich ganz und gar auf Gott einlässt – womit wir
uns oft schwer tun, weil wir meinen selber so gescheit zu sein und deshalb alles selbst in
die Hand nehmen zu müssen – der wird sehen, wenn er, was das alles Entscheidende ist,
mit Gott eines Sinnes ist, dass auch das scheinbar Unmögliche möglich werden kann.
Und noch einer „Schwierigkeit“ in diesem eben gehörten Evangelium gilt es sich
zuzuwenden: dem Wort vom Sklavendienst. Spätestens hier, bei diesem Wort, stehen
uns die (letzten) Haare zu Berge. Wir sind doch keine Sklaven! Und obendrein auch noch
unnütz! Die nur aus einer Schuldigkeit heraus agieren! Also alles, was Recht ist! Ein
Sklave wird doch nur wie eine „Sache“ behandelt, als bloßes Eigentum, der kein Recht
darauf hat, bedient zu werden, sondern sich erst dann ausruhen darf, wenn er alle
Arbeiten, die ihm aufgetragen und befohlen worden sind, zur vollsten Zufriedenheit
seines Herrn erledigt hat. Und demzufolge hat er auch keinen Dank für die geleistete
Arbeit zu erwarten.5
Können Sie, liebe Schwestern und Brüder, mit dieser Vorstellung? Wahrscheinlich nicht!
Ich weiß nicht, wie es Ihnen oder mir ergeht, wenn jemand undankbar ist? Wenn man
sich bemüht, sich anstrengt und abrackert und dann kommt keine Reaktion? Nichts!
Kein Dank! Obwohl so manche Bedankungsorgien auch bedenklich sind.
Die Frauen und Mütter, die so selbstverständlich in ihrer Sorge für ihre Familien da sind,
die tagtäglich in der Küche und am Bügeltisch stehen und ich rede hier nicht von den
sogenannten modernen und emanzipierten Frauen, sondern von denen, die sich bis zur
Selbstaufopferung abmühen, die wissen das wohl am besten. Und am Muttertag dann
das gebundene schlechte Gewissen in Blüte, wird dem auch nicht mehr ganz „gerecht“
werden können.6
Das, was JESUS hier sagt, hat auch bei uns zu gelten. Ausnahmslos. Denn all das, was wir
tun, hat auf IHN hin ausgerichtet zu sein, wahrlich nicht auf den Pfarrer, weil er doch so
„süß“ ist oder dem Bischof, weil er vielleicht so gut aussieht und eloquent ist. Sondern es
muss uns unmissverständlich klar werden, dass wir „nur“ Mitarbeiter sind. Freilich oft
unbedankt. Aber voller Chance.
4
Vgl. „Glaube“, in: Die Bibel A-Z, das große Nachschlagwerk in Farbe, 245.
5
Vgl. Rainer Dillmann/ Cesar Mora Paz, Das Lukasevangelium, Ein Kommentar für die Praxis, 299f.
6
Vgl. Dr. Johannes Kreier, Kloster am Rande der Stadt, 27. Sonntag im jahreskreis C, 2013.
Deshalb soll niemand müde werden im Dienst Gottes. Wer einfach treu und zuverlässig
ist, ohne ständig auf großen Dank zu warten, der wird letztlich glücklich und seines
Lebens froh sein. Denn es ist immer noch besser des HERRN Arbeiter zu sein als Sklave
einer alles beherrschenden Technologie, die unsere Seele „tötet“.
Ein Wort an die Jubelpaare
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Jubelpaare,
was es heißt, verheiratet zu sein, wissen die am besten, die es sind. Andere wie zum
Beispiel wir als Geistliche können diesbezüglich höchstens ein paar Gedanken zum
Nachdenken mit auf dem Weg geben und in Erinnerung rufen. Aber sie dürfen vor allem
nicht so tun, als ob sie bestens darüber Bescheid wüssten, wie es „funktioniert“ und wie
Verheiratet-Sein gelingt, auch wenn man in eine Familie hineingeboren worden ist und
es sozusagen live miterlebt hat, wie die Eltern ihre Ehe gelebt und ihren gemeinsamen
Weg in all den Höhen und Tiefen miteinander gegangen sind. Wie sie mit
Schwierigkeiten, Herausforderungen, Enttäuschungen, in den Fragen und Sorgen um die
Erziehung der Kinder, gemeinsam nach Wegen und Lösungen gesucht haben. Oder was
es heißt, in Streit und Meinungsverschiedenheiten zu geraten, mit Störungen von außen
umzugehen, oder der Gefahr ins Auge blicken zu müssen, scheitern zu können,
mangelndes Vertrauen zu haben oder von Eifersucht geplagt zu sein. Oder wie man sich
verhalten soll, wenn der „Vogel“ des anderen einmal lauter zwitschert als der eigene?
All diesen Fragen und alltäglichen Erfahrungen haben Sie, liebe Jubelpaare,
„standgehalten“ oder immer wieder einen Weg gefunden, gut miteinander umzugehen,
einander immer noch zu lieben und vom Wunsch beseelt zu sein, zusammenzubleiben.
Dafür danken wir Ihnen heute, dass Sie allen, die sich vielleicht damit schwer tun oder
die diese Entscheidung, aus welchen Gründen auch immer, rückgängig gemacht haben,
ein Beispiel geben, dass es möglich ist, in Liebe und Treue daran festzuhalten und nicht
aufzugeben. Achtsamkeit, Respekt, einander Freiheit zu gewähren, gegenseitige
Wertschätzung, einander verzeihen zu können, und einander nicht gegenseitigen mit
Erwartungen zu überfordern. Weil man nicht alles erfüllen kann und dazu auch nicht
fähig ist, sondern sich nur selbst einer Haltung aussetzt, die nicht gut tut.
Es bedarf auch des Mutes, einander dies immer wieder zu zeigen, dass man einander
liebt, am einmal gesprochenen JA festhält, dass man zueinander steht, nicht nur in
Worten, sondern auch in Gesten. Wie steht es mit Umarmungen? Wann haben Sie
einander zum letzten Mal umarmt?
Auszuhalten und durchzuhalten scheint heutzutage in unserer Welt der Beliebigkeiten
schwierig geworden zu sein, und dennoch kann es gelingen, wie Sie, liebe Jubelpaare,
dies für uns unter Beweis stellen.
Und damit der Worte genug. Denn man muss nicht immer gescheit darüber reden,
sondern Dinge einfach tun. Liebe diskutiert man nicht, man tut sie. Ehe bespricht und
erläutert man nicht, man lebt sie! Mit Herz und Hirn, mit Verstand und Gefühl.
Und um an das Wort des heutigen Evangeliums anzuschließen, auch im Wissen, dass es
sich so leicht dahinsagt: Wer für seine Liebe Dank erwartet, liebt nicht! (Heinrich Seidel)
oder, wie Antoine de Saint-Exupery es sagt: Die wirklich Liebe beginnt, wo keine
Gegengabe erwartet wird.