Opfer der Bundeswehr bekommen nichts

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Mordsgeschäft
Die auf Zucker- und Tabakproduk­
tion ausgerichtete Ökonomie Kubas
basierte lange Zeit ausschließlich
auf Sklaverei. Nach langen Kämpfen
wurde sie vor 130 Jahren auf der
­karibischen Insel abgeschafft.
Von Volker Hermsdorf
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Subunternehmer in der Fleischindustrie treten Arbeitsrecht mit
Füßen. Von Simon Zeise
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Halt: Niger
Diplomaten: Bundesrepublik baut
Militärbasis in Niger zur Unterstützung
des Mali-Einsatzes. USA errichten
Drohnenstützpunkt. Von Simon Loidl
BUNDESWEHR / SEBASTIAN WILKE
Soldaten des Fallschirmjägerregiments 26 üben am 20. September über Frankreich für den Kampfeinsatz
nerstag herunter. Sie beziehe sich
lediglich auf die Unterzeichnung
einiger Dokumente, mit denen der
rechtliche Status der Benutzung militärischer Einrichtungen in Niger geregelt werde. Bereits jetzt fungiere
das Land als Drehscheibe für den
Mali-Einsatz, deutsche Transall-Maschinen seien schon seit einem halben Jahr in Niamey stationiert, so der
Ministeriumssprecher.
Fest steht, dass die westliche Militärpräsenz in dem nach dem »Human
Development Index« der Vereinten
Nationen ärmsten Land der Welt
massiv ausgebaut wird. Washington
und Paris verfügen bereits über Stützpunkte in Niger. Das Internetportal
The Intercept berichtete Ende September unter Berufung auf US-Regierungsdokumente von der Errichtung
eines Drohnenstützpunkts. Das Pentagon bestätigte gegenüber anderen
Medien, dass die USA 50 Millionen
Dollar in den Bau einer Startbahn
und von Hangars für Drohnen südlich der nigrischen Stadt Agadez investieren. Laut Washington dienen die
unbemannten Flugzeuge der Überwachung des nördlichen und westlichen
Afrikas. Nach den von The Intercept
verbreiteten Informationen wird die
Basis aber so ausgestattet sein, dass
auch bewaffnete Kampfdrohnen starten und landen können.
Der unter anderem von Niger aus
geführte Krieg in Mali ist ein direktes
Ergebnis der NATO-Intervention in
Libyen. Nach dem Sturz von Staatschef Muammar Al-Ghaddafi 2011
hatten sich viele frühere Mitglieder
der libyschen Armee in das nordmalische Gebiet Azawad abgesetzt und
sich dort aufständischen TuaregGruppen angeschlossen. Im Frühjahr
2013 mischte sich der Westen unter
Führung der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich in die Kämpfe zwischen Aufständischen und der inzwischen an die Macht geputschten Re-
gierung ein. Seit Sommer 2013 läuft
der Militäreinsatz als UN-Mission
Minusma. Im Juli beschloss der UNSicherheitsrat die Entsendung weiterer Einsatzkräfte nach Mali, wo nun
bis zu 13.289 ausländische Soldaten
und 1.920 Polizisten stationiert sind.
Unterdessen bereitet sich Bundeskanzlerin Angela Merkel auf eine dreitägige Reise nach Afrika vor,
die am Wochenende beginnen soll.
Ziel ist nach Medienberichten neben
Niger und Mali auch Äthiopien. In
einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit bezeichnete Merkel mit
Blick auf die Flüchtlingsfrage einen
neuen Umgang mit Afrika als »strategisch hochwichtige Frage«. Die
Kanzlerin weiter: »Wenn wir deutsche Interessen verfolgen wollen,
müssen wir realistischerweise sagen,
dass auch das Wohl Afrikas im deutschen Interesse liegt.«
Siehe Kommentar Seite 8
Opfer der Bundeswehr bekommen nichts
Angriff auf Zivilisten: Bundesgerichtshof lehnt Entschädigung der Kundus-Hinterbliebenen ab
D
er Bundesgerichtshof hat
Entschädigungsforderungen von Opfern des von
der Bundeswehr befohlenen Luftangriffs im afghanischen Kundus vom
September 2009 abgelehnt. Mit
dem Urteil vom Donnerstag bestätigte das Gericht entsprechende Entscheidungen der Vorinstanzen. Zur
Begründung hieß es, dass der damalige Bundeswehr- Oberst Georg
Klein »nach Ausschöpfung aller zur
Verfügung stehenden Aufklärungsmöglichkeiten« nicht habe erkennen
können, dass sich im Zielbereich
des Luftangriffs Zivilisten befanden. Die getroffene militärische Entscheidung sei daher völkerrechtlich
zulässig gewesen.
Der BGH verneinte zudem im
Grundsatz, dass die Bundesrepublik
für fahrlässige Pflichtverletzungen
von Bundeswehrsoldaten bei Auslandseinsätzen haften muss. (AZ:
III ZR 140/15) »Das Handeln eines
Beamten kann nicht mit dem eines
Soldaten in einer Gefechtssituation
gleichgesetzt werden«, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Hermann zur
Begründung.
Bei dem von Klein veranlassten
Luftangriff auf zwei Tanklastzüge waren rund 140 Zivilisten getötet worden. Klein behauptet, dass die Tanklaster als rollende Bomben gegen das
Feldlager hätten eingesetzt werden
können. Auf Anforderung der Bundeswehr griffen US-Kampfjets die
Tanklaster an. Die beiden Kläger, ein
Vater von zwei mutmaßlich bei dem
Luftschlag getöteten Kindern sowie
eine Frau, die ihren Ehemann verlor,
forderten deshalb 90.000 Euro von
der Bundesrepublik. Weil das Völkerrecht Entschädigungen aber nur
zwischen Staaten kennt, nicht jedoch
gegenüber Individuen, beriefen sich
die Kläger auf eine sogenannte Amtspflichtverletzung Kleins und forderten, der Staat als Dienstherr müsse für
den Schaden aufkommen.
Der Rechtsanwalt der afghanischen Kläger, Karim Popal, hatte
schon im Vorfeld angekündigt, bei
Ablehnung der Schadenersatzansprüche Verfassungsbeschwerde
einzulegen und gegebenenfalls auch
den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Strasbourg anzurufen.
(AFP/Reuters/jW)
Polen: Striktes Verbot von
Abtreibungen abgelehnt
Warschau. Nach Protesten der Bevölkerung hat das polnische Parlament am Donnerstag ein geplantes
striktes Abtreibungsverbot abgelehnt. 352 Abgeordnete stimmten
gegen den von den regierenden
Nationalkonservativen ursprünglich
befürworteten und auch von der einflussreichen katholischen Kirche unterstützten Gesetzentwurf, 58 waren
dafür. Das Gesetz hätte nur noch bei
einer unmittelbaren Lebensgefahr
REUTERS
D
ie Bundesrepublik errichtet
eine Militärbasis in Niger.
Das sagte laut einer Meldung
der Nachrichtenagentur AFP der deutsche Botschafter in Niger, Bernd von
Münchow-Pohl, bei einer Rede während einer Veranstaltung am 3. Oktober. Von dem westafrikanischen Land
aus soll die Bundeswehr demnach
künftig ihren Einsatz in Mali koordinieren. »Mit der Errichtung einer
deutschen Luftwaffenbasis« zur Unterstützung der UN-Mission »Minusma« habe »ein neues Kapitel unserer
Zusammenarbeit begonnen«, wird
der Diplomat zitiert. Die Bundesrepublik wolle künftig mehr »Verantwortung übernehmen«, umschrieb der
Botschafter den Ausbau militärischer
Infrastruktur. Niger sei ein »Schlüsselland« im Kampf gegen »Terrorismus« und »irreguläre Migration«.
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums spielte die Meldung auf
Nachfrage von junge Welt am Don-
der Frau einen Schwangerschaftsabbruch erlaubt. Bereits jetzt zählt die
polnische Abtreibungsgesetzgebung
zu den restriktivsten in Europa. Sie
erlaubt Schwangerschaftsabbrüche nur bei Gefahr für das Leben
der Mutter, nach Vergewaltigung
oder Inzest oder, wenn der Fötus
bleibende Missbildungen aufweist.
Zehntausende Menschen hatten in
den vergangenen Wochen gegen das
Gesetzesvorhaben demonstriert. Zu
Protesten aufgerufen hatten unter anderem feministische Gruppen sowie
die Linkspartei Razem. (AFP/jW)
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