Samstag, 1. Oktober 2016 | Fr. 3.– (inkl. MWSt) Nummer 230 | 174. Jahrgang Basler Zeitung | Aeschenplatz 7 | Postfach 2250 | 4002 Basel Tel. 061 639 11 11 | E-Mail [email protected] Abonnements- und Zustelldienst: Postfach, 4002 Basel, Tel. 061 639 13 13 | E-Mail [email protected] Elsass/Deutschland € 2.80 Schweiz 4 International 5–6 Wirtschaft 7–9 Börse 11–12 Kultur 13–16 Kino 14 Meinungen 18–19 Region 21–28 Tagestipps 29 Notfälle 30 Bestattungen 30–31 Fernsehen/Radio 33–35 Sport 37–40 Thema Die Angst des Präsidenten. Albert Rösti, der neue Chef der SVP, fragt sich oft, was andere über ihn denken. Das muss er sich jetzt abtrainieren. Seite 2 Fünfeinhalb Jahre Haft für Behring Das Bundesstrafgericht verurteilt den Basler Financier wegen gewerbsmässigen Betrugs International Von Franziska Laur, Bellinzona «Der Zaun funktioniert.» Ungarn stimmt über die EU-Flüchtlingsquoten ab. Die Regierungspropaganda trommelt mit voller Kraft. Seite 6 So voll war der Saal im Gebäude des Bundesstrafgerichts in Bellinzona noch selten. Geschädigte, Interessierte, Fami lienangehörige: Sie sassen alle dort, um den Urteilsspruch über den Basler Financier Dieter Behring zu hören. Die einen hofften auf einen Freispruch, die anderen beteten um ein Urteil. Dieses wurde auch gefällt: Fünfein halb Jahre Haft für Dieter Behring wegen gewerbsmässigen Betrugs. Über 2000 Anleger wurden geschädigt – ins gesamt 800 Millionen Franken gingen verloren. Das Dreiergremium unter dem Gerichtspräsidenten Daniel Kipfer Wirtschaft Achterbahnfahrt. Nach einer Talfahrt an der Börse beflügeln Gerüchte um eine Bussenreduktion die Aktien der Deutschen Bank. Seite 9 Kultur Wie ich schreibe. Die amerikanische Bestsellerautorin Tess Gerritsen über die Schönheit von Anfängen und den Druck beim Beenden. Seite 15 sah es als erwiesen an, dass Behring stets die Kontrolle über die Geldflüsse gehabt hat, die in sein Anlagesystem geflossen sind. Er habe zumindest in der fraglichen Zeit – aufgrund von Ver jährung mussten nur noch die Jahre zwischen Oktober 2001 und 2004 bewertet werden – kaum Geld in sein Anlagesystem gesteckt. Behring hatte stets behauptet, er habe in jahrzehnte langer Arbeit ein todsicheres System ausgearbeitet. Das Gericht argumentierte, Exper ten hätten das System geprüft. Es sei simpel, banal und lange nicht so ausge klügelt, wie Behring sage. Auch sonst nehme er es mit der Wahrheit nicht allzu genau. So habe sich auch seine Geschichte über die Entstehung dieses Systems immer wieder verändert. Allzu lange Untersuchungsdauer Das Gericht stellte sich auf den Standpunkt, dass stets nur sehr wenig Geld über dieses Anlagesystem angelegt worden sei. Ansonsten seien die von Anlegern investierten Gelder für eigene Zwecke, zum Stopfen von Löchern und zur Bezahlung von Vermittlern einge setzt worden. Für gewerbsmässigen Betrug steht ein Strafmass von bis zu zehn Jahren zur Verfügung. Aufgrund der Uneinsichtig keit und des arglistigen Verhaltens wäre Bewegender Abschied Hält die Basler Serie weiter an? FCB: Auf Arsenal folgt Thun Basel Basel. Das erste Saisonviertel in der Super League ist vorbei, nun trifft der FC Basel heute im Rahmen der zehnten Runde zum zweiten Mal auf den FC Thun (20 Uhr, St.JakobPark). Gegen die Berner holten die Basler beim 3:0 Ende August einen von bislang neun Siegen in der Liga. Gut möglich, dass die Serie der weissen Weste auch nach dem mageren Auftritt in der Königs klasse bei Arsenal fortgesetzt wird. Beim FC Thun verteidigt mit Stefan Glarner der Bruder von Schwinger könig Matthias Glarner. Im Interview mit der BaZ erzählt der 30Jährige von seiner Vergangenheit als Juniorenfuss baller und weshalb es ihn letztlich ins Sägemehl und nicht auf den Rasen gezogen hat. dw Seiten 38, 39, 40 Fair. Daniela Schneeberger hält die Unternehmenssteuerreform III für ausgewogen. Seite 27 Fasziniert. Gymnasiasten in Oberwil tüfteln an Robotern und besuchen Forscher und Wissenschaftler. Seite 28 Sport Keine Überraschungen. FussballNationaltrainer Vladimir Petkovic setzt für die nächsten beiden Länderspiele auf die bewährten Spieler. Seite 38 Das Magazin Alles Banane. Sie ist höchst gesund, äusserst beliebt und sehr nahrhaft: Das grosse Porträt der Lieblingsfrucht der Schweizer. Nur für Abonnenten Autogegner besitzt ein Auto Grossrat Wüthrichs Widerspruch Basel. Michael Wüthrich, der auch Wetter Region. Am Vormittag ist es trotz Wolken noch trocken. Am Nachmittag verdichten sich die Wolken, es regnet wiederholt, die Temperaturen erreichen höchstens noch 18 Grad. Seite 36 00230 9 771420 300001 ANZEIGE Jetzt cht nur ni Wählt haushälterische Politik mit Heiner Vischer. 3x auf Ihre Liste 3, LDP. www.wahlvisch.ch W er d en ! eine Strafe im oberen Fünftel dieses Strafraums angemessen, argumentierte der Gerichtspräsident. Da die Untersu chung mit zwölf Jahren jedoch unver hältnismässig lange gedauert habe und die Gesundheit von Dieter Behring ange schlagen sei, spreche man lediglich eine Strafe von fünfeinhalb Jahren Haft. Das schriftliche Urteil wird erst auf Frühling 2017 erwartet. Die Ver teidiger von Dieter Behring wollen die ses abwarten und dann entscheiden, ob sie den Fall ans Bundesgericht weiterziehen. Der Wahlverteidiger Daniel Walder liess jedoch durch blicken, dass er einen Weiterzug für wahrscheinlich hält. Seite 7 Letzte Ehre für Shimon Peres. Israel hat Abschied von einem seiner grössten Politiker genommen. Shimon Peres wurde gestern auf dem Herzlberg bei Jerusalem in Anwesenheit zahlreicher Staats- und Regierungschefs aus aller Welt beigesetzt. Mehr als 90 Delegationen aus 70 Ländern waren zur Beerdigung angereist – darunter US-Präsident Barack Obama und Ex-Präsident Bill Clinton, der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck und Frankreichs Staatschef François Hollande. Auch Bundespräsident Johann Schneider-Ammann war anwesend. SDA Foto Keystone Seite 5 Amerikanischer Kunstherbst Pollock im Kunstmuseum, Roni Horn in der Fondation Beyeler Basel/Riehen. Mit amerikanischer Kunst starten die Fondation Beyeler und das Kunstmuseum Basel in den Herbst. Während die Fondation Beyeler die New Yorker Künstlerin Roni Horn mit neuen, zeitgenössischen Werken vorstellt, zeigt das Kunstmuseum eine Retrospektive des Werkes des grossen abstrakten Expressionisten Jackson Pollock. Unter dem Titel «Der figurative Pol lock» zeichnet es den Entwicklungspro zess nach, den der 1912 geborene Künstler durchlief, bis er Ende der 1940erJahre die berühmten Drip pingBilder gemalt hat, die weitgehend abstrakt sind. Die Ausstellung wirft ein Licht auf eine ziemlich schwierige Künstlerkarriere. Pollock hat sich ein Leben lang mit den Ambivalenzen von figurativer und abstrakter Malerei beschäftigt. hm Seite 13 Mehrheit für die Schützen schon eine Reduktion des motorisierten Individualverkehrs um 50 Prozent ver langt hat, hat auf seinen Namen ein Auto eingelöst. Dies zeigen Recherchen der BaZ. Obwohl der GrünenPolitiker in der Öffentlichkeit die Bevölkerung lehrt, für ihr Auto einen Tiefgaragen parkplatz zu mieten, um die Allmend zu entlasten, steht Wüthrichs Fiat Cinque cento vor seinem Haus in der blauen Zone. Auch hatte Wüthrich letzten Win ter einen Skiträger an dem Auto mon tiert, obwohl er Freizeitfahrten mit dem Auto verurteilt. mar Seite 23 ANZEIGE 102 Nationalräte sind gegen schärferes Waffenrecht Von Beni Gafner, Bern Psychologische Begutachtungen und medizinische Checks für Waffenbesitzer: Dies plant die EU in einer neuen Richtli nie. Die Schweiz wäre als SchengenMit glied direkt davon betroffen. Nun wird aber die Gegenwehr hierzulande immer stärker. Im Nationalrat hat eine absolute Mehrheit die Motion von SVPNational rat Werner Salzmann unterschrieben. Der Berner verlangt, der Bundesrat müsse mit jenen EUStaaten zusammen arbeiten, die gegen die verschärften Waffenrichtlinien sind. Unterstützen soll der Bundesrat gemäss Motionstext den «koordinierten Widerstand, damit das schweizerische Waffenrecht nicht angetastet wird». Salzmann bezichtigt Justizministerin Simonetta Sommaruga, «nur die halbe Wahrheit gesagt zu haben», als sie nach einem zweitägigen Besuch in Brüssel im Juni verkündete, es sei ihr gelungen, in einer Sonderregelung für die Schweiz das Sturmgewehr von den EURichtlinien auszunehmen. Tatsächlich liess die Jus tizministerin unerwähnt, dass die Aus nahmeregelung mit Verschärfungen für jene verbunden ist, die ihre Waffe behal ten wollen. Dazu gehören: eine aktive Mitgliedschaft in einem Schützenverein, Trainingsbescheinigungen, regelmässige Teilnahmen an Wettbewerben und die Registrierung von Waffen bei der EU. Allenfalls ein Referendum Dass eine Mehrheit der grossen Kam mer den Vorstoss Salzmanns unter schrieben hat, erhöht den Druck auf den Bundesrat bereits vor einer formellen Annahme. Kommen die Gesetzesver schärfungen eines Tages trotzdem, ergreifen die Schützen das Referendum. Dies würde das SchengenAbkom men mit der EU gefährden. Seite 4 Gesundheit im Alter Standorte Basel / Riehen Tel. 061 266 99 11 www.adullam.ch Kultur. | Samstag, 1. Oktober 2016 | Seite 13 Aus dem Dunkeln ins Licht Jackson Pollock und Roni Horn in Ausstellungen in Basel und Riehen Von Riehen her nach Basel fahrend, könnte der Unterschied für den Kunstreisenden in diesen Tagen nicht grösser sein. Während die Fondation Beyeler in einer sehr fokussierten Ausstellung das Werk der Fotografin, Zeichnerin und Bildhauerin Roni Horn zeigt, das man mit Worten wie formale Strenge, Klarheit und Luzidität einkreisen könnte, dokumentiert das Kunstmuseum Basel das jahrelange, nicht immer erfolgreiche Suchen Jackson Pollocks nach seinem künstlerischen Ausdruck. Pollock, der Superstar des Abstrakten Expressionismus, kommt uns beim Eingang zur Ausstellung auf einer ins Riesenhafte vergrösserten Fotografie entgegen. Zigarette im Mund. Hände in den Manteltaschen. Er befindet sich auf einem Spaziergang mit seiner Frau Lee Krasner und seinem Hund. Daneben steht ein Baum, dessen kahle Äste in den Himmel ragen. Es ist ein Winterbild. Entstanden in den 1950er-Jahren auf Long Island, wo die beiden sich ein Haus gekauft haben. Im Jahre 1956 verstarb Pollock im Alter von 54 Jahren bei einem Autounfall, den er selbst verschuldet hatte. Er, der ein Leben lang gegen seinen Alkoholismus angekämpft hatte und ihm immer wieder erlag, malte in den Jahren vor seinem Tod kaum noch. Die letzten Bilder, mindestens in der Basler Ausstellung, stammen aus dem Jahre 1953. Es sind kühn komponierte Gemälde, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Aggressive Bilder Das eine, ein grosses Breitformat, heisst «Ocean Greyness» und zeigt gelbgrüne Farbflecken, die einem vorkommen wie Augen. Sie scheinen völlig haltlos, von einem grauschwarzen, mit dickem Farbauftrag gemalten Malstrom erfasst worden zu sein. Das andere ist hochformatig und heisst «Easter and the Totem». Es besteht aus vertikalen weissen und schwarzen Streifen, die mit einer dünnen Farbschicht aufgetragen und mit figurativen Einsprengseln in Rot-, Grün- und Brauntönen animiert worden sind. Das in Pollocks Schaffen ziemlich einzigartige Bild, das an die Gemälde von Henri Matisse und Clyfford Still erinnert, weist, wenn man so will, auf eine Entwicklungsmöglichkeit dieses Künstlers hin in eine helle und offene Zukunft. Es sollte anders kommen. Der dunkle Malstrom sollte die letzten Jahre eines Künstlers bestimmen, der sich schon als junger Student mit den Gespenstern seiner Seele beschäftigte. Die sorgfältig gestaltete, von der Kuratorin Nina Zimmer streng chronologisch aufgebaute Ausstellung zeigt in den ersten Sälen Zeichnungen, die der 1912 als Sohn einer armen Bauernfamilie geborene Pollock als Kunststudent und als junger Maler zu Papier gebracht hatte. In den 1930er-Jahren lebte er in New York, schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten durch und besucht Malkurse. Der junge Künstler, der von Selbstzweifeln besessen war, arbeitete sich an grossen Vorbildern ab. In seinen frühen Zeichnungen und Gemälden sind Einflüsse von El Greco zu finden, von Pablo Picasso und von José Clemente Orozco, einem mexikanischen Künstler, der für seine Wandbilder bekannt war. Auch Einflüsse der indianischen Kultur Nordamerikas und des europäischen Surrealismus sind in den Arbeiten aus den 1930er-Jahren unverkennbar. Wer sich die in gedämpften, oft bräunlichen Farben gehaltenen Bilder aus jener Zeit anschaut, bekommt den Eindruck eines zähen Kampfes um Ausdruck. Da hat einer mit sich und seiner Kunst aufs Intensivste gerungen. Da gibt es äusserst aggressive und auch wieder sehr leise Bilder. Aber immer wieder erstaunen sie doch, die Aggressionen, die in Zeichnungen, wie jenem fratzenhaften Kopf aus dem Jahre 1940, zum Vorschein kommen, der den schlichten Titel «Number 21» hat. Oder in der Kampfszene, die im grossformatigen Gemälde «Naked Man with Knife» festgehalten wird, das zwischen 1938 und 1940 entstanden sein muss. Es scheint, als ob dann in den 1940er-Jahren etwas Ruhe eingekehrt sei in das Leben dieses Malers. Es entstehen in jener Zeit beeindruckende Mittelformate, in denen Pollock das Figürliche immer mehr zugunsten einer abstrakten Bildkomposition in den Hintergrund drängte. Wobei es ganz offensichtlich ist, dass er die Ambivalenzen zwischen gegenständlicher Malerei und Abstraktion als besonders reizvoll empfand. So lässt er in seinem atemberaubenden Bild «Stenographic Figure» nicht nur zwei Menschen an einem Tisch zu energischen Strichmännchen gerinnen, sondern überdeckt das Gemälde in einem zusätzlichen Arbeitsgang mit weissen, schwarzen und gelben Kritzeleien, die sich als stenografische Zeichen lesen lassen. Das beinahe abstrakte Bild bekommt einen ornamentalen Firnis, sodass der Betrachter zum Gezeigten zusätzliche Distanz erhält. Schwere Geburt In diesen Zeichen, die eine figürliche Malerei bedecken, kündigt sich schon jene Methode des Drippings an, die Jackson Pollock als Abstrakten Expressionisten weltberühmt gemacht hat. Er liess Ende der 1940er-Jahre mit einem Pinsel oder direkt aus einem Topf Farbe auf meist grossformatige Gemälde tropfen, deren Hintergrund vollkommen abstrakt war. Es entstanden dabei, obwohl die malerische Arbeit überaus bewegungsintensiv und dynamisch war, unglaublich ruhige, fast meditative Bilder. Die Tropfspuren, die halb zufällig, halb kontrolliert auf die Leinwand kamen, wirken auf uns heute ein bisschen wie bedeutungsvolle Schriftzüge aus dem Weltall, die man hier unten auf der Erde nie wird entziffern können. Dass diese nur wenige Jahre dauernde Phase im Leben des Künstlers erkämpft und erdauert werden musste, das lernt man in dieser Ausstellung. Es kommt einem ein bisschen vor wie eine Schwergeburt, bis Pollock dann endlich vom Dunkel seiner Anfänge ans Licht seiner abstrakten Drippings kommt, dieser gewaltigen Werke, von denen man gerne noch viel mehr als die zwei kleinen Formate gesehen hätte, die es in die Ausstellung geschafft haben. Vom Werden, vom mühsamen Kampf um das Licht, wenn wir das so einfach fassen dürfen, spürt man in der geradezu beschwingten Ausstellung in © Museum Frieder Burda, Baden-Baden / ProLitteris Von Christoph Heim Schwarze Linien und seltsame Zeichen. Jackson Pollock: The Tea Cup, 1946. Zu Strichfiguren geronnene Menschen, die sich bei einer Tasse Tee unterhalten. der Fondation Beyeler nichts. Sie konfrontiert uns vielmehr schon im ersten Saal mit den verschiedenen Gesichtern der Künstlerin, die alte und neue Fotos von sich nebeneinanderhängt und dabei immer wieder wie ein ganz anderer Mensch aussieht. Wir durchstreifen danach einen wunderbar künstlichen Rosengarten mit bunten Blättern konkreter Poesie. Wir tauchen schliesslich ein in die Wellen der Londoner Themse, die von der Künstlerin mit Bedeutung aufgeladen sind, wie wenn man in eine Wasseroberfläche alles und jedes hineinlesen könnte. Und endlich stehen wir vor jenen sagenhaften Glasskulpturen, von denen jede wohl fünf Tonnen wiegt. Wir trauen unseren Augen nicht. Sie sehen wie riesige Wassergefässe aus, sind aber durch und durch, in einem unendlich aufwendigen und langwierigen Prozess, aus Glas gefertigt. Das ist stupende Handwerkskunst und die Begegnung damit ist hinreissend: Da schauen wir hinein, das Glas ist noch transparenter, als es Wasser sein könnte. Und wir sehen doch nur den Boden. Der figurative Pollock, Kunstmuseum Basel, 2. Oktober 2016–22. Januar 2017. «Ich wünschte, ich hätte politischen Einfluss» Roni Horn (61) über ihre Ausstellung in der Fondation Beyeler und die amerikanische Politik Von Christoph Heim BaZ: Roni Horn, Sie stellen erstmals in der Fondation Beyeler aus. Was bedeutet Ihnen dieses Museum? Roni Horn: Ich fühle mich der Fonda- tion Beyeler sehr verbunden. Als Gebäude und als kuratiertes Museum ist die Fondation Beyeler von erster Qualität. Wenn du hier arbeitest, dann spürst du, dass du in einem Museum von Weltklasse bist. Hier in Riehen fühle mich sehr gut aufgehoben. Ich habe wirklich nichts Kritisches zu sagen. Was ziemlich ungewöhnlich ist für mich. Hat Ihre hohe Meinung zur Institution auch die Auswahl von Werken für diese Ausstellung beeinflusst? Die Architektur des Museums erlaubt mir, mein ganzes Werk zu zeigen, also Skulpturen, Zeichnungen und Fotografien. Die Skulpturen im Speziellen, also meine Glasarbeiten, die ich «Water Double» nenne, wollen im Tageslicht gezeigt werden. Es gibt wenige Institutionen, wo das möglich ist. Hier geschieht das auf sehr organische Weise dank der Struktur des Gebäudes, das so wunderbar in die Umgebung hineingepasst ist. Ich kann hier Werke zeigen, die in höchstem Masse konzeptuell sind, als auch solche, die man als Besucher sinnlich erfahren muss. «Th Rose Prblm» oder «a.k.a.», bei denen es sich meiner Ansicht nach in hohem Masse um konzeptuelle Kunst handelt, brauchen kein Tageslicht. Beide Werkgruppen befassen sich mit Identitätsfragen. Ich versuchte in dieser Ausstellung, die ich mit Theodora Vischer von der Fondation machen konnte, meine ganze Kunst vorzustellen, also alles von mir einzubeziehen. Es ist wie eine Gruppenausstellung von mir selbst. Leute, die bei mir einen einheitlichen Stil suchen, denen muss ich gestehen, dass ich keinen habe. Ich will keinen. Was denken Sie über die aktuelle amerikanische Politik? Sehen Sie, als Ronald Reagan gewählt wurde, dachte ich, Amerika stirbt an Unterhaltung. Es scheint mir heute, das ist wirklich der Fall. Die Tragödie von Donald Trump ist, dass er es nicht für eine Tragödie hält, gewählt zu werden. Es ist eine grosse Tragödie, dass ein Mann von diesen sehr, sehr ärmlichen Qualitäten, sowohl als menschliches Wesen als auch in intellektueller Beziehung, es in unserem politischen System so weit nach vorne schaffte. Warum ist das geschehen? Amerika vernachlässigt seit Langem die Erziehung und Bildung seiner Bürger. Trump ist das Resultat davon. Die Leute wählen Trump, weil er unterhaltend ist. Ich hoffe sehr, dass er nicht Präsident wird. Aber ich denke, der Schaden am amerikani- «Die Demokratie ist in diesem Wahlkampf ernsthaft beschädigt worden.» schen System, an der Idee von Demokratie, ist bereits angerichtet. Die Demokratie ist ernsthaft beschädigt worden in diesem Wahlkampf. Wenn Hillary Clinton gewählt wird, dann hat sie eine unsägliche Schlammschlacht hinter sich. Sie wurde ver- höhnt und verletzt und kritisiert in einer Weise, die es ihr unmöglich machte, auf natürliche Weise zu reagieren. Sie wurde weiter kritisiert und kritisiert. Als Frau fühle ich mich wirklich demoralisiert. Trump führte uns vor, wie tief die Vorurteile gegen Frauen verwurzelt sind. Sehen Sie nur die E-Mail-Affäre, wie die aufgespart wurde, damit sie im Wahlkampf hochgekocht werden konnte. Das ist Missbrauch von Macht. Es geht dabei nur um die Denunziation einer überaus intelligenten und integren Persönlichkeit, die sehr viel geleistet hat. Die Trump-Kampagne hat Hillary landesweit als Lügnerin abgestraft. Sie fragten mich nach Politik. Ich denke sehr viel darüber nach. Ich wünschte, ich hätte mehr Einfluss. Haben Sie keinen Einfluss als Künst lerin? Als Künstler hat man keinen politischen Einfluss. Ich denke Kim Kardashian hat vielleicht etwas Einfluss, aber sie ist keine Künstlerin. Ich verstehe einfach nicht, wie es so weit kommen konnte. Man hat den Eindruck, die Verbindung zur Umwelt sei total gestört. Die Leute leben gar nicht mehr in der Welt. Sie leben in einer Luftblase. Es ist gar nicht mehr der eigene Kopf, der sich in der Luftblase befindet. Es ist der Kopf von jemand anderem. Wie beeinflusst diese Kritik an den politischen Verhältnissen Ihre Kunst? Ich ist ein anderer. Die Künstlerin auf einem Jugendfoto und so, wie sie heute aussieht: «a. k. a.», 2008/2009, Privatsammlung. © Roni Horn/Foto Hermann Feldhaus Es ist kein direkter Einfluss. Ich verstehe mich nicht als politische Künstlerin. Aber ich denke, meine Arbeit enthält schon Politik. Der Sinn für Humanität, den man in meinem Werk spüren kann, die Erfahrungen, die man mit meinem Werk machen kann, spiegeln auch meine politische Auffassung. Aber ich spreche in meiner Kunst nicht über Trump oder Hillary in einem wörtlichen Sinne. Diese Politiker sind kein Thema für meine Kunst. Ausstellung mit neuen Werken von Roni Horn, Fondation Beyeler, Riehen. 2. Oktober 2016 bis 1. Januar 2017. www.fondationbeyeler.ch ANZEIGE Jetzt abholen: Gratistickets für das Kunstmuseum Basel. Als Partner des Kunstmuseums Basel wünscht Ihnen die Credit Suisse viel Vergnügen in der Ausstellung «Der figurative Pollock». Die Ticketaktion gilt ab dem 3. Oktober 2016 – solange Vorrat – in den Credit Suisse Geschäftsstellen Basel- Stadt, Basel-Land und Rheinfelden. Gegen Abgabe eines ausgefüllten Talons werden pro Person maximal zwei Gratistickets abgegeben. Berechtigt sind alle natürlichen Personen ab 14 Jahren mit Wohnsitz in der Schweiz. Die Abgabe der Tickets ist nicht an den Abschluss eines Rechtsgeschäfts geknüpft. credit-suisse.com
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