Aktuelle Predigt: Erntedank

Predigt Erntedank 2 Kor 9,6-15
Welt!
von Pfarrerin Rowena Jugl
Denn heute feiern wir das Erntedankfest. Das Erntedankfest ist
Alles ist ruhig um mich herum. Keine Staubsaugergeräusche
mehr, kein Autolärm, keine anderen Stimmen. Ich sitze auf
meinem Lieblingsstuhl. Was für ein Tag! Der Tag schien heute
länger als 24h zu dauern. Aber jetzt ist alles geschafft. Um
diese Uhrzeit wird wohl niemand mehr anrufen, Computer und
sehr alt und das einzige Fest im Kirchenjahr, das mit der Natur
verbunden ist. Alle anderen Feste sind ausgerichtet an Leben
und Sterben Jesu und dann mit Pfingsten auch an der Wirkung
des Heiligen Geistes. Das Erntedankfest ist also etwas
Besonderes. Es fällt aus dem Rahmen.
Smartphone zum Mails- und Nachrichten-Checken bleiben aus.
Vielleicht ist es auch genau dazu da: Einmal innezuhalten.
Ich atme tief ein und spüre der Ruhe in meinem Körper nach.
Bildlich gesprochen aus dem Rahmen zu fallen. Herauszutreten
Nun nehme ich auch die sanften Geräusche des Abends wahr:
aus dem Alltagstrott und sich und sein Leben von außen zu
Manches Vogelgezwitscher, das Brummen der Traktoren auf
betrachten: Was macht mein Leben aus? Was mache ich hier
den Feldern. Mein Blick wandert in Richtung der
eigentlich? Was genieße ich und nehme es meist als
untergehenden Sonne. Ein Lächeln breitet sich in meinem
selbstverständlich hin? Das Erntedankfest lässt den Menschen
Gesicht aus, ich summe ein Lied und ich weiß gar nicht genau,
dankbar auf die Schöpfung und sein eigenes Leben blicken.
warum. Ich weiß und fühle gerade nur eins: „Danke, lieber
Der Dank äußert sich auch darin, dass wir bereit sind zum
Gott! Es ist schön in deiner Welt!“
Teilen dessen, was letztlich ohnehin nicht uns gehört. Vom
Diese letzten beiden Sätze werden wir, liebe Gemeinde,
sprechen wir heute alle laut aus. In allem, was wir heute sagen,
singen und beten: Danke, lieber Gott! Es ist schön in deiner
Danken und Teilen hörten wir auch in der ersten Lesung aus
dem 2. Korintherbrief. Da hörten wir folgende Worte:
(Lesung des Predigttextes in Auszügen....)
„Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine
schon geliebt haben. Und Gott gibt so viel. Liebe ist Geben –
Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit....So werdet ihr reich sein
diese Aussage wird von Gott genauso getroffen wie von
in allen Dingen, zu geben in aller Einfalt, die durch uns
Menschen. Eine Charaktereigenschaft, die wir von ihm haben.
wirkt Danksagung an Gott.
So hat er uns Menschen geschaffen. Gott ähnlich sein. Gerne
Interview in die Kirchenbänke: Was gibt Gott uns? Dinge im
geben. So, wie Gott uns gern beschenkt. Jeden Tag sorgt sich
Korb versteckt unter einer Decke: Blume, Eine Flasche Milch,
Gott darum, dass es Leben gibt auf der Erde. Psalm 104
Brot, Äpfel, Pflaster
beschreibt dies sehr eindrücklich. Es heißt dort: „Du lässest
- Blume steht für Liebe untereinander. Ein freundliches Wort.
Ein Dankeschön an den anderen.
Wasser in den Tälern quellen, dass sie zwischen den Bergen
dahinfließen, dass alle Tiere des Feldes trinken […] Du
feuchtest die Berge von oben her, du machst das Land voll
- Milch zeigt mir, dass Gott uns die Tiere anvertraut. Auch den
Früchte […]. Du lässest Gras wachsen für das Vieh und Saat zu
Tierschutz. Wir leben von den Tieren, aber auch mit ihnen.
Nutz den Menschen, dass du Brot aus der Erde hervorbringst,
- Brot. Zum Essen. Aber auch: das Brot des Lebens - Jesus
dass der Wein erfreue des Menschen Herz und sein Antlitz
Christus.
schön werde vom Öl und das Brot des Menschen Herz stärke.
- Äpfel. Die Süße der Früchte. Das Freudige im Leben. Das
schenkt uns Gott auch.
Es warten alle auf dich, dass du ihnen Speise gebest zur rechten
Zeit. Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie; wenn du deine
Hand auftust, so werden sie mit Gutem gesättigt. Verbirgst du
- Trost. Gott schenkt uns seinen guten Geist. Er ist bei uns,
dein Angesicht, so erschrecken sie; nimmst du weg ihren
wenn wir ihn darum bitten.
Odem, so vergehen sie und werden wieder Staub“. – Ja, Gott
Wer liebt der gibt. Das können alle nachvollziehen, die selbst
beschenkt uns, jeden Tag aufs neue, er gibt Leben und was
dazu gehört, und er nimmt auch Leben und führt es zu ihm
entschieden, dankbar zu sein. Diese Entscheidung treffe ich
zurück. Das sollte uns immer wieder klar werden: Das, was wir
jeden Morgen, wenn ich aufwache, denn ich kann wählen.
haben, ist nicht selbst gemacht. Es stammt von Gott.
Ich kann im Bett bleiben und damit hadern, dass mein Körper
Das wusste auch ein 92-jähriger Mann. Er beschloss nach dem
dies und jenes nicht mehr so reibungslos schafft – oder ich
Tod seiner Frau, ins Altersheim zu gehen. Die Wohnung schien
kann aufstehen und dankbar sein für alles, was ich noch kann.
ihm zu groß, und er wollte für seine letzten Tage auch noch ein
Jeder Tag ist ein Geschenk, und solange ich meine Augen
bisschen Gesellschaft haben, denn er war geistig noch in guter
öffnen kann, will ich sie auf den neuen Tag richten, und
Verfassung. Im Heim musste er lange in der Halle warten, ehe
solange ich meinen Mund öffnen kann, will ich Gott danken für
ein junger Mann zu ihm kam und mitteilte, dass sein Zimmer
all die glücklichen Stunden, die ich erleben durfte und noch
nun fertig sei. Er bedankte sich und lächelte seinem Begleiter
erleben darf.“
zu, während er, auf seinen Stock gestützt, langsam neben ihm
Dankbar sein....Ich weiß, dass sagt sich so einfach. „Danke“ ist
herging. Bevor sie den Aufzug betraten erhaschte der Alte
auch so ein einfaches Wort, das wir zum Beispiel von unseren
einen Blick in eines der Zimmer und sagte. „Mir gefällt es sehr
Kindern immer einfordern. Aber danken wir selbst oft genug?
gut.“ Sein junger Begleiter war überrascht und meinte, er habe
Neulich ist mir eine Postkarte in die Hände gefallen, an die ich
doch sein Zimmer noch gar nicht gesehen.
mich – passend zum Thema – gern erinnere: Man sieht auf der
Bedächtig antwortete der alte Mann: „Wissen Sie, junger
Vorderseite eine Familie am gedeckten Esstisch sitzen und die
Mann, ob ich den Raum mag oder nicht, hängt nicht von der
Ehefrau fragt ihren Mann: „Wollen wir vielleicht vorher
Lage oder der Einrichtung, sondern von meiner Einstellung ab,
beten?“ Darauf antwortet der Mann entsetzt: „Wieso? Stimmt
von der Art, wie ich ihn sehen will. Und ich habe mich
was mit dem Essen nicht?“ Die Postkarte trägt den Titel:
Tischgebet – nicht mehr selbstverständlich. Wenigstens vor der
Danke für die Blumen auf den Gräbern, dass wir unsere
warmen Mahlzeit am Tag kann man Gott ein Mal „Danke“
Verstorbenen nicht vergessen möchten.
sagen:
Danke, dass wir hier bei uns abends noch spazieren gehen
Vielleicht tun Sie das ja heute vor dem Mittagessen am
können, ohne dass wir gleich überfallen werden.
gedeckten Tisch auch.
Danke dafür, dass wir Freunde haben, die fragen, wie es uns
Vielleicht sagen Sie:
geht.
Danke für das wunderbare Bild, wenn die Strohballen auf den
GOTT,
Feldern stehen und von der Morgensonne angestrahlt werden,
Danke, dass wir genügend zu essen haben, dass wir uns sogar
Danke für das Eichhörnchen, das ich vor meinem Fenster
aussuchen können, was wir kochen und essen.
flitzen sehe und mich lächeln lässt.
Danke für die Bauern, die an der Landwirtschaft festhalten
Bei jedem von uns gibt es Dinge, Ereignisse und Personen, für
trotz gedrückter Preise für Milch, Brot, Gemüse und Fleisch.
die man dankbar sein kann. Es muss uns nur bewusst werden.
Danke, dass es noch Handwerker gibt, die ihre Arbeit
gewissenhaft machen und versuchen hier in der Region
Arbeitsplätze zu sichern.
Danke für die Betreuerinnen und Betreuer in den Kitas. Für die
Lehrer und Lehrerinnen, die sich jeden Tag einer enormen
Verantwortung stellen.
Dieser Tag, das Erntedankfest, ist ein Fest gegen die
Selbstverständlichkeit.
Wir sagen heute zu unserem eigenen Leben laut und deutlich:
Danke, guter Gott. Du meinst es gut mit uns. Du hast uns so
reichlich beschenkt. Wir wollen gut mit diesen Gaben
haushalten und andere Menschen immer im Blick behalten.
Danke für alles. Amen.