Das Wohnzimmer der Familie Glück

Medieninformation vom 27. September 2016
Das Wohnzimmer der Familie Glück
Jüdisches Museum Wien/Extrazimmer: 28. September 2016 bis 26. März 2017
Die Wohnzimmer-Einrichtung der Familie Glück repräsentiert ein auf den ersten Blick ganz
normales Wiener Möbelensemble aus den 1920er-Jahren. Die Geschichte dieser Möbel macht sie
aber zu herausragenden zeitgeschichtlichen Objekten: Denn während die meisten Möbel der
Wiener Jüdinnen und Juden in den Jahren nach 1938 „arisiert“ in Wien zurückgelassen werden
mussten, gelang es der Familie Glück, ihre Einrichtung über Frankreich nach New York zu bringen.
Im Zentrum der Ausstellung steht eine jüdische Kürschner-Familie aus Wien mit all ihren
Einzelschicksalen. Ihre Geschichte beginnt mit der Zuwanderung aus den nordöstlichen
Kronländern der Monarchie um 1900 nach Wien und erzählt vom Ankommen und Fußfassen in
Wien, von der Flucht nach Amerika im Jahr 1938 bis zur Auflösung der New Yorker Wohnung mit
dem Wiener Mobiliar im Jahr 2014 und dessen Rückkehr nach Wien. Henry Glück, der 1934 in
Wien geboren wurde und die Schoa in Frankreich überlebte, schenkte die Möbel dem Jüdischen
Museum Wien.
Henry Glück kam nicht zufällig auf das Jüdische Museum Wien: Seine Stiefmutter Herta Kleeblatt
Glück war eine enge Verwandte von Norman Kleeblatt, dem Chefkurator des Jewish Museum New
York. Er und Henry Glück erachteten nach dem Tod von Herta Kleeblatt Glück das Jüdische
Museum Wien als den richtigen endgültigen Aufbewahrungsort für die Wohnzimmer-Einrichtung,
die nun mit Unterstützung des Außenministeriums nach Wien gebracht wurde. Das Jüdische
Museum Wien feiert die Rückkehr dieses Wiener Wohnzimmers aus New York mit einer sehr
persönlichen Ausstellung, bei der die Möbelstücke als integraler Bestandteil der Geschichte der
Familie Glück im Mittelpunkt stehen. Präsentiert wird dabei nicht nur eine Ausstellung über das
Wohnen im Wien der 1920er-Jahre, sondern auch eine Erzählung von Flucht und Migration im 20.
Jahrhundert.
Eine typische Wiener jüdische Familiengeschichte
Die Geschichte der Familie Glück aus Wien erzählt von jüdischer Flucht und Migration im
20. Jahrhundert. Hersch Glück, der aus Tarnopol/Ternopil in der heutigen Westukraine stammte,
kam um 1900 nach Wien – zu dieser Zeit strebten besonders viele Jüdinnen und Juden aus
Galizien in die Hauptstadt der Habsburgermonarchie - in der Hoffnung auf ein besseres Leben.
Seine Frau Judith Widder, stammte aus dem heute westslowakischen Neutra/Nitra. Hersch Glück
war Kürschner und Kappenmachermeister, seine Söhne Erwin und Walter erlernten ebenfalls
dieses Handwerk. Nachdem die Familie zunächst in Ottakring ansässig war und danach an
mehreren Orten in der Leopoldstadt wohnte, lebte sie ab 1916 am Fleischmarkt 15. Ihre Werkstatt
hatten die Glücks jeweils an derselben Adresse.
Die Geschichte der Flucht der Familie beginnt 1938 ebenfalls am Fleischmarkt 15. Nach dem
„Anschluss“ wurde der Betrieb von den Nazis „arisiert“, Erwin Glück, dem Vater des damals
vierjährigen Henry Glück, gelang es bereits im April 1938 nach Frankreich zu entkommen, Henry
und seiner Mutter Lily, die im Textilhandel tätig war, erst im März 1939. Erwin reiste bald von
Frankreich aus weiter in die USA, seine Frau Lily wurde in Nizza verhaftet, nach Auschwitz
deportiert und dort ermordet. Ihre Mutter Johanna und Erwins Vater Hersch wurden 1941 in
Kaunas (im heutigen Litauen) von den Nazis getötet.
Der achtjährige Henry Glück kam nach der Deportation seiner Mutter 1942 in einem von
dominikanischen Patern geführten Internat unter – dieses Internat steht auch im Zentrum des
Films „Auf Wiedersehen, Kinder“ (Original: „Au revoir les enfants“) von Louis Malle aus dem Jahr
1987. Ein Ausschnitt aus dem Film ist in der Ausstellung zu sehen. Danach wurde Henry von der
französischen Familie Vigué aus Aix-en-Provence aufgenommen, lebte dort unter falscher Identität
und überlebte so den Krieg. Mitglieder der Familie wurden 2010 auf Anregung von Henry Glücks
zu Gerechten unter den Völkern erklärt.
Henry Glücks Vater Erwin konnte nach seiner Flucht aus Frankreich in New York als Kürschner
Fuß fassen und nannte sich fortan Irving. Er heiratete ein zweites Mal – Herta Kleeblatt, eine
Emigrantin aus Deutschland. 1946 fand er über eine jüdische Hilfsorganisation seinen Sohn Henry
wieder und holte ihn in die USA. Im New Yorker Stadtteil Queens richtete sich das Ehepaar Glück
Kleeblatt einen Haushalt ein, dessen Grundstock die Wohnzimmer-Einrichtung bildete, die Irving
Glück aus Wien in die neue Heimat bringen konnte. Henry kehrte 1957 zum Studium nach
Frankreich zurück, wo er bis heute lebt. Irving Glück starb 1979, Herta Kleeblatt Glück 2012. Henry
Glück entschied sich im Zuge der Wohnungsauflösung die Wiener Möbel dem Jüdischen Museum
Wien zu schenken.
„Das Wohnzimmer der Familie Glück“ ist vom 28.9.2016 bis 26.3.2017 im Jüdischen Museum
Wien, einem Museum der Wien Holding, zu sehen. Zur von Adina Seeger kuratierten und Stefan
Fuhrer gestalteten Ausstellung erscheint auch ein zweisprachiger Katalog zum Preis von 18 € im
Eigenverlag des Museums, der im Bookshop Singer erhältlich ist. Das Museum in 1010 Wien,
Dorotheergasse 11, ist von Sonntag bis Freitag 10 bis 18 Uhr geöffnet. Am zweiten Standort, im
Museum Judenplatz, Judenplatz 8, 1010 Wien, ist von Sonntag bis Donnerstag von 10 bis 18 Uhr,
Fr 10 bis 14 Uhr geöffnet. Weitere Informationen und Ermäßigungen unter www.jmw.at oder unter
[email protected]
Rückfragehinweis
Medienbüro des Jüdischen Museums Wien
Alfred Stalzer, Mediensprecher
Tel.: +43-1-505 31 00; Mobil: +43-664-506 49 00
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