70 JAHRE SCHWEIZER PALLOTTINER-PROVINZ ST. NIKLAUS VON FLÜE 1946 –2016 P. Adrian Willi SAC, Provinzial 1 Vorwort 3 Einleitung 6 Die Anfänge 9 Die Entwicklung 15 Von der Missionsprokura zur Delegatur 17 Von der Delegatur zur Provinz 19 Hl. Bruder Niklaus von Flüe VORWORT 70 Jahre Schweizer Pallottiner-Provinz, ist das ein Grund zum Jubel? Viele sind angesichts einer wachsenden Kirchenkrise und der damit verbundenen Probleme der fehlenden Berufungen und der zunehmenden Überalterung in den religiösen Gemeinschaften eher zurückhaltend. Ein Blick in die Geschichte der Pallottiner in der Schweiz zeigt aber auch deutlich die Führung Gottes. Einige Male schon haben echte Krisen dazu geführt, das Apostolat deutlicher zu erkennen und gezielter umzusetzen. Daraus ist jeweils eine Dynamik entstanden, deren Wurzeln nicht allein im menschlichen Bemühen gründen. Der Hl. Vinzenz Pallotti (1795–1850) hatte in einer Zeit grosser Umbrüche (Aufklärung, franz. Revolution) eine neue Sicht von einer lebendigen Kirche entwickelt. Zentral dabei war für ihn der Begriff und die Realität echter Zusammenarbeit: Alle Kräfte und Begabungen sind gerufen, dem Wort Gottes Raum in einer veränderten Gesellschaft zu schaffen. Das Bild aus dem Evangelium vom Sauerteig, der unter die Menge gemischt wird und alles durchsäuert (Mt 13, 33 / Lk 13, 20) liegt diesem neuen Kirchenbild zu Grunde: Christinnen und Christen sollen Sauerteig sein, sich hineingeben, sich einmischen … und Gott wird auch heute gegenwärtig sein. Seit dem 2. Vatikanischen Konzil ist dieses Kirchenbild in der Theologie und in der Praxis zur Selbstverständlichkeit geworden. Der Wandel von einem ausschliesslich hierarchischen hin zu einem ebenso wesentlich charismatischen und pfingstlichen Verständnis kirchlicher Gemeinschaft ist angekommen. Was also bleibt noch zu tun oder anders gefragt: Was ist die Aufgabe unserer Gemeinschaft? Wir stellen fest, dass uns überall Türen aufgehen und Menschen und Institutionen uns zur Mitarbeit einladen. Wir leben also in einer Zeit, in der man uns braucht. Das Schwin•1• Hl. Vinzenz Pallotti den der eigenen Kräfte durch ausbleibenden Nachwuchs und zunehmende Überalterung schmerz deshalb umso mehr. Es braucht gerade heute Animation der brachliegenden und verborgenen Talente und Begabungen im Sinne einer Zusammenarbeit aller Kräfte in der Kirche, um der Welt ein glaubwürdiges Zeugnis zu geben. Das Lieblingsgebet des Hl. Vinzenz Pallotti bleibt sehr aktuell: «Herr, sende Arbeiter (und Arbeiterinnen) in deine Ernte, und erbarme dich deines Volkes». Er dachte dabei nicht an Berufungen zum Priester- und Ordenslebens, sondern an das uns allen gemeinsame Apostolat, das Gott uns mit ins Menschsein gegeben hat. Das Charisma unseres Gründers ist auch unser Charisma. Hier liegt die Existenzberechtigung der Pallottiner: Auf die vielen Möglichkeiten einer Zusammenarbeit für die Erneuerung des Glaubenslebens in Kirche und Gesellschaft hinzuweisen. Das braucht es! Darum wollen wir mit Blick auf die Vergangenheit nicht aufhören, für eine Zukunft zu hoffen. P. Adrian Willi SAC, Provinzial •2• EINLEITUNG Am 7. Oktober 1946 erteilte die Religiosenkongregation im Vatikan die Bewilligung, in der Schweiz eine Pallottinerprovinz zu errichten. Der Provinzial der Limburger-Provinz, P. Heinrich Schulte, war Ende Oktober 1946 erstmals wieder in der Schweiz (P. Schulte war im Konzentrationslager Dachau inhaftiert gewesen). Am 22. Oktober 1946 verkündete er das Eintreffen der Bestätigungsurkunde aus dem Generalat in Rom für die Errichtung der Provinz. Der 24. Oktober 1946 ist das offizielle Datum der Errichtung der Schweizer-Provinz. Am 28. Oktober 1946 fand in Gossau, im Mutterhaus auf dem Friedberg, die Feier der Er- Café Fürstenland, Gossau, 1920 •3• St. Vinzenz Pallotti öffnet die Türen der Kirche. Bronzerelief in der Marienkapelle, Morschach, 2014. •4• hebung zur Provinz statt. Der erste Provinzial war der bisherige Delegat, P. Franz Xaver Kloos (18.2.1900–24.5.1950). Vom 7. bis 9. November 1946 tagte die erste Provinzversammlung, die auch das Patronat der neuen Provinz wählte: Bruder Niklaus von Flüe (1417–1487), dessen Heiligsprechung durch Papst Pius XII. auf das Jahr 1947 festgelegt war. Dieses erste Kapitel wurde durch die Präsenz des Generalrektors, P. Karl Hoffman geehrt. Die junge Provinz hatte 71 Mitglieder: 34 Patres, 18 Brüder und 19 junge Mitglieder in der Ausbildung. Den Höchststand an Mitgliedern erreichte die SchweizerProvinz im Jahre 1966: 113 Pallottiner, davon 75 Patres, 19 Brüder und 19 junge Mitglieder in der Ausbildung. Nach der Trennung zwischen Pallottinern und Schönstatt hatte die Schweizer-Provinz noch 51 Mitglieder. Seit 1971 sind 10 Mitbrüder in die Provinz aufgenommen worden. Zusammen mit P. Dr. Alfred Moser (Jg. 1926) bilden sie heute die inkardinierten Mitglieder der Provinz. Seit einigen Jahren geht die Provinz den Weg der internationalen Zusammenarbeit. Sechs Mitbrüder aus anderen Einheiten arbeiten heute mit den Schweizer Pallottinern zusammen (2 aus der Bangalore-Provinz (Indien), 1 aus der Posnan-Provinz (PL), 2 aus der Warschau-Provinz (PL) und 1 aus der Deutsch-Österreichischen-Provinz (D/A). Gemeinschaften in der Schweiz sind heute: Gossau (Mutterhaus), Morschach und Fribourg. •5• DIE ANFÄNGE Der erste Schweizer Pallottiner ist P. Jakob Pfändler (1851– 1898). Als Spätberufener traf er in Ipswich (GB) den ersten deutschen Pallottiner Emilian Kirner (1836–1887). 1878 kam er ins Noviziat San Patricio in Masio (Oberitalien/Piemont). Später folgte er P. Kirner nach New York in die Italienerseelsorge. Von dort kam er, ebenfalls als Emigrantenseelsorger, mit P. Franz Xaver Schuster (1852–1928) am 25. Juli 1886 nach Vale Veneto im brasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul an. So wurde dort die zehnte Niederlassung der Gesellschaft und die erste in Brasilien gegründet. Er gilt darum als Vorläufer der Santa Maria-Provinz Brasiliens. 1896 ging er nach Kribi, Kamerun und wirkte als Missionar bis 1898. Schwer krank kam er nach Limburg, dann in die Schweiz P. Jakob Pfändler PSM •6• Epitaph von P. Jakob Pfändler in Steinerberg zurück, wo er am 8. Oktober 1898 im Hospital Schwyz verstarb und in der Pfarrei Steinerberg SZ beigesetzt wurde. Mit der ersten Expedition von P. Heinrich Vieter reiste auch Br. Robert Ulrich (1871–1915) von Romanshorn TG und Rorschach SG aus der Schweiz mit. Erst 19jährig entfaltete dieser als Schreiner eine reiche Bautätigkeit in Kamerun und gab sein fachliches Können auch in einer Art Berufsschule an die einheimischen Jugendlichen weiter. Br. Ulrich überlebte sogar Bischof Heinrich Vieter um ein Jahr und wurde 1915 als letzter Pallottiner vor der Schliessung der Mission durch die britisch-französische Kolonialarmee in Kamerun beerdigt (Ngowayang). 1890 trat Joseph Fischli (1864–1900) aus Näfels GL in Masio ins Noviziat der Pallottiner ein. Mit der zweiten Expedition nach Kamerun reiste er als Bruder 1891 in die Mission und war bei der Gründung der Station Edea mit dabei. Später half er, die Station Engelberg, die hauptsächlich mit Spenden aus der Schweiz zustande kam, aufzubauen. •7• P. Karl Hoegn PSM Schon damals gab es in der Schweiz Fördererkreise der Kamerunmission der Pallottiner: Der Kreis um Seminardirektor Spieler in Hitzkirch LU, jener um den Domherrn Wengi in Solothurn SO und später um den unermüdliche Kaplan Adalbert Stöckli aus Dietwil AG. Weiter zählt auch Br. Josef Stadlin (1872–1948) aus Zug zu den ersten Schweizer Pallottinern. Er trat nach seiner Berufslehre 1896 im Walderdorffer Hof in Limburg ins Noviziat ein. 1899 reiste er als Missionar nach Kamerun. Br. Stadlin ist insofern für die Geschichte der Schweizer Pallottiner wichtig als er aktiv bei den Überlegungen bezüglich einer Gründung eines Hauses in der Schweiz und dessen Aufbau mit dabei war. Er begleitete 1920 P. Karl Hoegn (1872–1939) und P. Ernst Ruf (1881–1925) in die erste Niederlassung der Pallottiner in der Schweiz, die Missionsprokura in Gossau. •8• DIE ENTWICKLUNG Gossau · Die Gründung der Missionsprokura in Gossau erfolgte am 4. Oktober 1920. Die Deutschen Mitglieder des Generalrates mussten zu Beginn des 1. Weltkrieges (Eintritt Italiens auf der Seite der Entente in den 1. Weltkrieg) in die Schweiz ins Exil. So weilte der Generalprokurator P. Peter Resch (späterer Generalrektor) im Kapuzinerinnen Kloster Wonnenstein im Kanton Appenzell. Auch P. Karl Hoegn war dort. Generalrektor Karl Gissler leitete die Gesellschaft von Einsiedeln SZ aus. Das Bestreben der Limburger Provinz, ausserhalb des Reiches Niederlassungen zu haben, war nicht neu. Die politische Situation zeigte nun, wie wichtig dies war. Die Gründe dafür: 1. Ausweichmöglichkeit wegen der unsicheren politischen und wirtschaftlichen Lage in Deutschland. 2. Unterstützung der Missionsarbeit durch die Schweizer Katholiken und die zunehmende Notwendigkeit von Missionsprokuren in neutralen Staaten (Papst Pius XI.). 3. Berufungspastoral und die Errichtung eines Missionsgymnasiums. Bischof Robertus Bürkle von St. Gallen (1863–1930) traf im Herbst 1919 Missionsbischof und Pallottiner Franziskus Hennemann (1882–1951; seit November 1914 Nachfolger von Bischof Heinrich Vieter als Apostolischer Vikar in Kamerun). Bischof Bürkle erfuhr zum ersten Mal von der Absicht der Pallottiner, in der Schweiz eine Niederlassung zu gründen. Bischof Bürkle war begeistert für die Missionen und für die Katholische Aktion. Daher gewann er Sympathie für die Pallottiner, da sie hauptsächlich in den Missionen tägig waren und das Laienapostolat förderten. Er hiess die Pallottiner in der Diözese St. Gallen willkommen. Man entschied sich unter verschiedenen Ortschaften für Gossau und zog ins ehemalige Café Fürstenland neben der Schutzengelkirche ein. •9• Stickerei zum Friedberg, Gossau Wegen der kulturkämpferisch begründeten Religionsartikel durfte in der Schweiz keine neue Ordensgemeinschaft gegründet werden. Darum gründete man einen Verein. Das Haus der Pallottiner besass absichtlich keine Kapelle, damit kein falscher Verdacht aufkommen konnte. Die Gemeinschaft leistete ihren Dienst und ihre religiösen Verpflichtungen in der nahegelegenen Schutzengelkirche. 1926 erwarben sich die Pallottiner eine ehemalige Stickerei, das Haus «Friedberg» mit Grundstück für den Auf- und Ausbau eines Gymnasiums (1. März 1926). Im Herbst konnte der Schulbetrieb mit neun Schülern im Missionskollegium St. Notker (selig gesprochener Benediktiner des Klosters St. Gallen) aufgenommen werden. Die Schule bewährte sich und bald stellte sich die Frage nach einem Ausbau und nach der Anschlussschule für die Matura. Winterthur · Ein zweiter Stützpunkt in der Schweiz war erwünscht. Dekan Meyer aus Winterthur ZH nahm Kontakt zu P. Ernst Ruf auf und durch dessen Vermittlung entsandte der Provinzial P. Romuald Laqua (1879–1956) drei Pallottiner für die Gemeindeseelsorge in Winterthur ZH (Diaspo• 10 • ragemeinde). Der erste Pallottiner, der nach Winterthur kam, war P. Oskar Sebold (1881–1942), auch ein ehemaliger Kamerun-Missionar. Er war es auch, der sieben Jahre später als Letzter Winterthur wieder verliess. Durch ihn entstand die Beziehung zwischen Gossau und Frankenstein (Zabkowice Slaskie, PL), wo sich die Gossauer Pallottiner finanziell am Aufbau beteiligten. Die Arbeit in Winterthur war aufreibend und zeigte keine Erfolge in der Berufungspastoral. Fribourg · 1930 waren sieben Schüler der Schule in Gossau bereit für den Übertritt in die Anschlussschule, um in zwei Jahren mit dem Maturitätsabschluss den Anschluss an die theologische Ausbildung zu erwerben. Unter den verschiedenen Möglichkeiten kristallisierten sich das Kollegium in Villa Thérèse, Fribourg • 11 • Schwyz und das Gymnasium St-Michel in Fribourg heraus. Über die Beziehung des Laienlehrers Eugen Gruber kam ein Treffen zwischen Professor Dr. Gustav Schnürer, dem Staatsrat und Erziehungsdirektor Dr. Ernest Perrier und den Patres Franz Wagner (1879–1953) und Ludwig Huber (1895–1964) zustande. Dies stellte die Weichen für die Pallottiner in die Kanisiusstadt nach Fribourg. Die Anschlussschule war das berühmte, ehemalige jesuitische Collège St-Michel. Nach Ostern 1930 zogen die sieben Schüler mit ihrem Präfekten P. Ludwig Huber ins Foyer Saint-Justin ein. Es war die erste Unterkunft in Fribourg. Sie konnte aber nur provisorisch sein, da ja bereits im nächsten Jahr wieder eine grössere Anzahl Schüler folgen sollte. Also suchte man nach einem eigenen Haus, nicht zuletzt auch deswegen, weil die Mietzinsen eine schwer Last für die junge Gemeinschaft bildeten. Die Dominikaner wollten damals ihr Haus «Villa Thérèse» verkaufen. Der Preis war für die Pallottiner viel zu hoch. Doch die Deflation verringerte innert Jahresfrist den Preis auf nur noch einen Drittel, so dass die Limburger Provinz diesen Kauf am 5. April 1932 wagen durfte. Ebikon · Während die Wurzeln des Hauses Gossau in Kamerun und Limburg liegen, finden wir diese für Ebikon in Uruguay und Brasilien und Friedberg bei Augsburg. P. Herman Sälzler (1894–1972) stammte aus der Süddeutschen Herz-Jesu-Provinz. Er hatte Beziehungen zum berühmten Prälaten Robert Mäder aus Basel (1875–1945). Dieser Kämpfer im Spätkulturkampf der Schweizerischen Diaspora schlug P. Sälzler vor, die Pallottiner sollten in der Schweiz eine Spätberufenenschule aufbauen, da es viele junge, berufstätige Männer gäbe, die eine Berufung zum Priester hätten. 1932 mietet P. Sälzler mit Erlaubnis seines Provinzials P. Heinrich Fechtig (1889–1960) in Meggen ein Haus, die • 12 • Niederlassung St. Franz-Xaver, Morschach Villa Schönwil. Der Plan hat Erfolg! Nach zwei Jahren war das Haus zu klein. Pallottinerbruder Franz Distel (1911–2008) war in diesem Hause logiert und machte von dort aus Werbung für unsere Zeitschrift. Der Ebikoner Pfarrer machte ihn auf die Liegenschaft am Rotsee aufmerksam. Es war eine ehemalige Hotelfachschule, später zu einem Internat für Kantonsschüler der Stadt Luzern umgestaltet. Danach stand das Haus leer. 1934 konnten die Pallottiner die Liegenschaft erwerben und die Spätberufenenschule als St. Klemens weiterführen. Morschach · Am 29. November 1934 wurde mit Zustimmung des Bischof von Chur und der Pallottinergeneralleitung in Rom die Liegenschaft «Riedmatt» in Morschach gekauft. Am 14. September 1935 konnten der erste Rektor, P. Franz Xaver Kloos (1900–1950) und der erste Novizen• 13 • meister, P. Max Volk die Hauskapelle im umgebauten Haus einweihen und mit den ersten sieben Novizen das Schweizer Noviziat der Pallottiner in Morschach eröffnen. Nur gerade ein Novizenkurs (1934) fand noch in Olpe satt. Dann liessen es die politischen Verhältnisse in Deutschland nicht mehr zu. Am 7. Mai 1939 wurde die Marienkapelle durch P. Generalrektor Carl Hoffmann auf den Titel «Maria, Königin der Apostel» geweiht. Die schnelle Zunahme von Novizen brachte rege Bautätigkeiten hervor. Um den Zusammenhang zwischen den Schülern von Gossau und Fribourg zu fördern, suchte man sozusagen von einem «schweizerischen Schönstattzentrum». Für einige Jahre war das St. Martin im Calfeisental bei Vättis. Aus verschiedenen Gründen entschied man sich später aber für Morschach als Zentrum der schweizerischen Schönstattbewegung. Der Grundstein in der Aussenwand der Apsis der Marienkapelle erinnert daran (1914–1934). 1. Profess und Einkleidung in Morschach, 1935 • 14 • VON DER MISSIONSPROKURA ZUR DELEGATUR Die Notwendigkeit des Zusammenwirkens der beiden deutschen Provinzen wurde angesichts der wachsenden Gemeinschaft in der Schweiz immer dringender. Die Krisenjahre in Deutschland und die Notwendigkeit des gemeinsamen Auftretens in der Schweiz verlangten einen neuen, unabhängigeren Status. Die Förderer (beide deutschen Provinzen betrieben mit je eigenem Netz separat Werbung für die eigenen Pallottiner-Schriften) sollen sich nicht länger konkurrenzieren. Die Leitungen der beiden deutschen Provinzen trafen sich an Ostern 1933 zu einer Konferenz über den beiderseitigen Interessenausgleich in Hohenheim bei Stuttgart. Resultat: Das gesamte Gebiet der Schweiz soll Delegatur der Limburger Provinz werden, möglichst bald aber unabhängig. Dies ist der Beschluss auch der Generalkonsulta vom 28. Mai 1934. Zu diesem Zeitpunkt lebten 29 Patres und Brüder in der Schweiz. Davon waren sieben Brüder Schweizer. Ebenfalls standen für das kommende Jahr sieben Novizen in Aussicht. P. Heribert Liehr (1898–1938) wurde am 4. Oktober 1934 der erste Provinzdelegat in der Schweiz. Schon 1937 wurde er krankheitshalber durch P. Franz Xaver Kloos abgelöst. P. Kloos wurde 1937 aus politischen Gründen in Gossau eingebürgert und besass den Schweizerpass. Zu diesem Zeitpunkt ist der Gesamtbestand der Pallottiner in der Schweiz bereits auf 57 Mitglieder gestiegen. 1944, anlässlich der Priesterweihe von P. Jakob Staubli und P. Josef Beerli beglückwünschte der Bischof von St. Gallen, Dr. Josephus Meile (1891–1957) die Pallottiner zu dem «Geist des Aufstrebens und der Aufgeschlossenheit für alle seelsorgerlichen Fragen». Ja, der Gnädige Herr wagte sogar zu sagen, dass es «die zeitaufgeschlossenste und regsamste Gemeinschaft sei, die er kenne» (Hauschronik I, pag. 291). • 15 • P. Heribert Liehr, 1. Delegat 1934 und P. Franz Xaver Kloos, 1. Provinzial 1946 • 16 • VON DER DELEGATUR ZUR PROVINZ Im Jahre 1945 fand zu Händen der Generalleitung eine geheime Abstimmung aller Mitglieder der Delegatur über die Frage einer eigenen Provinz statt. Der Provinzrat von Limburg schlug vor, die Schweizer Delegatur und die Österreicher Delegatur (von Limburg) zu einer Schweizerischen-Österreichischen Provinz zusammenzuschliessen. Da in Österreich sowohl die norddeutsche, wie auch die süddeutsche Provinz eine Delegatur besassen, wurde dieser Vorschlag in der Delegatursitzung vom 7. Juli 1945 in Ebikon abgelehnt. Wohl durch das positive Resultat der geheimen Abstimmung motiviert, strebten die Verantwortlichen eine Erhebung der Schweizer Pallottiner zur Provinz an. Die römische Religiosenkongregation erteilte zu diesem Schritt die Bewilligung am 7. Oktober 1946. Am 20. Oktober 1946 kam der Limburger Provinzial, P. Heinrich Schulte, erstmals wieder in die Schweiz und verkündete beim Mittagessen am 22. Oktober 1946, die Bestätigungsurkunde der neuen Schweizer- Provinz sei unterwegs. Am 24. Oktober 1946 wurde die Schweizer-Provinz offiziell errichtet. Erster Provinzial wurde der bisherige Delegat P. Franz Xaver Kloos. Vom 7. bis 9. November 1946 fand die erste Provinzversammlung der neuen Provinz statt. Generalrektor P. Carl Hoffmann war persönlich anwesend. Während dieser Versammlung wurde auch der Patron der neuen Provinz gewählt: Der selige Bruder Niklaus von Flüe (erst 1947 heiliggesprochen). Schwerpunkt des Apostolates in der Schweiz war die Jugendarbeit an den Schulen und in Heimen. Jedoch war es der Wille der jungen Provinz, weitere Apostolatsaufgaben in der kategorialen Seelsorge, die mit dem Charisma des Gründers und der Gemeinschaft im Sinne des Laienapostolates übereinstimmen, zu übernehmen: Presseapostolat, Arbeiter• 17 • seelsorge, Seelsorge in der Gastronomie (HORESA), Aufbau einer Sakristanenschulung, Interessengemeinschaft für Pfarrköchinen etc. Tatsächlich gingen die Schweizer Pallottiner neue Wege der Verkündigung im Sinne einer Kollaboration mit den Laien und im Sinne der drängenden Reformen in der Kirche, die sich seit dem Kriegsende mehr und mehr aufdrängten. Dabei wagte man mutig eine Analyse der kirchlichen und gesellschaftlichen Situation und entwarf entsprechende pastorale Massnahmen. • 18 • HL. BRUDER NIKLAUS VON FLÜE Niklaus von Flüe ist eine bedeutende historische Persönlichkeit der Schweiz. 1417 wurde er am Vorabend der Reformation geboren. Er gehörte einer wohlhabenden Bauernfamilie an und machte eine gewisse Karriere in der Armee und in öffentlichen Ämtern. Er heiratete mit 30 Jahren Dorothea Wyss von der Schwendi und hatte mit ihr zehn Kinder. Von früher Kindheit an mit mystischen Erfahrungen begabt, wurde er zum Sucher des Göttlichen. Mit 50 Jahren verliess er mit Einverständnis seiner Frau die Familie und zog sich • 19 • als Einsiedler fünf Gehminuten von seinem Haus entfernt in den Ranft zurück. Seine tiefe Gottverbundenheit liess ihn zum Ratgeber für viele werden. Er pflegte Kontakt zu den Mächtigen seiner Zeit, die sich von ihm beraten liessen. Er vermittelte 1482 während der sogenannten «Stanser Tagsatzung» (die höchste Exekutive der damaligen Eidgenossenschaft) einen politischen Kompromiss und verhinderte damit das Auseinanderfallen des Bundes, ohne den es die heutige Schweiz nicht gäbe. Sein Leben war begleitet von Visionen, von Gebet und Betrachtung (Radbild) und die letzten 20 Jahre von einem unerklärlichen Fastenwunder (Enthaltsamkeit von jeglicher Speise). Seine Mystik ist im Bereich der «Devotio moderna» anzusiedeln. Seine Botschaft empfiehlt Bescheidenheit und Rechtschaffenheit, richtet sich gegen Korruption (auch in der Kirche und im Klerus) und fremden Söldnerdienst. Wo immer er konnte, vermittelte er Frieden. Er wurde schon zu Lebzeiten als Heiliger verehrt. Er gilt als der Landespatron der Schweiz. Zur Zeit der Erhebung der Schweizer Pallottiner-Provinz war die offizielle Heiligsprechung von Niklaus von Flüe durch Papst Pius XII. im Gange. Die Persönlichkeit des Einsiedlers, aber auch der Ort seines Wirkens (Flüeli-Ranft) haben grossen Einfluss auf das religiöse Leben in der Schweiz. Die Auseinandersetzung mit seinem Leben und die Verehrung, die man ihm entgegenbrachte, war für die Schüler und später die Novizen der Pallottiner selbstverständlich. Viele Schweizer waren gerade dannzumal nach dem 2. Weltkrieg fest davon überzeugt, dass die Verschonung der Schweiz der Fürbitte des Bruder Klaus zu verdanken sei. Die Wahl zum Provinzpatron lag sozusagen auf der Hand. • 20 • Herausgeber: Schweizer Pallottiner Provinz, CH 9200 Gossau Übersetzungen: 24 translate, CH 9014 St. Gallen Bilder: Provinzarchiv der Pallottiner-Provinz, CH 9200 Gossau Gestaltung und Satz: Daniela Bieri-Mäder, CH 9246 Niederbüren Druck: Cavelti AG, medien. digital und gedruckt., CH 9200 Gossau © 2016 Schweizer Pallottiner-Provinz
© Copyright 2024 ExpyDoc