Das Krankenhaus 10/2016

10.2016
das
Krankenhaus
Editorial
DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum
Alarm aus dem
Schockraum
D
ie gemeinsame Selbstverwaltung hat bekanntlich sehr
viele Aufträge aus dem KHSG übertragen bekommen
und inzwischen auch ein ganzes Bündel abgearbeitet. Das gilt
insbesondere für jene Vorgaben, mit denen auf Wunsch des
Gesetzgebers im DRG-System „händische“ Eingriffe vorzunehmen waren. Fast 1 Mrd. € sind im jetzt verabschiedeten
DRG-Katalog für 2017 allein durch die Abwertung von Sachkostenanteilen und durch die Absenkung bzw. Abstufung einzelner Fallpauschalen auf die Personalkosten umgewichtet
worden.
Als nächstes steht die ebenfalls gesetzlich verfügte Neubewertung der stationären Notfallleistungsanteile im DRG-System an. Hier hat der G-BA den Auftrag, bis zum Ende des Jahres ein Stufensystem der Notfallstrukturen in Krankenhäusern
zu entwickeln, auf dessen Grundlage Zu- und Abschläge von
den Fallpauschalen festgelegt werden sollen. Das Ganze natürlich aufwandsneutral.
Auch wenn die Vorgabe im Qualitätskapitel des SGB V
steht, hat sie das Ziel, die Kosten stationärer Notfallvorhaltungen im DRG-System differenzierter auszugestalten. Derzeit
müssen Kliniken, die keine Notfallstrukturen vorhalten, einen
Abschlag von 50 € auf die abgerechneten Fallpauschalen hinnehmen. Dass das eine sehr pauschale Vorgehensweise ist,
kann vermutet werden. Umgekehrt stellt sich aber die Frage,
welche Kostenanteile aus den vorgehaltenen Bereichen der
stationären Notfallstrukturen bereits über die DRG-Kalkulation den jeweiligen Leistungen zugeordnet sind. Dies dürfte
bei vielen Fallpauschalen, wie beispielsweise Herzinfarkten,
Schlaganfällen oder Schwerstunfallverletzten, der Fall sein.
Gleichwohl steht außer Frage, dass eine noch stärker aufwandsgerechte Zuordnung der Kosten der vorgehaltenen Notfallstrukturen angestrebt werden sollte.
Deshalb hat die DKG die Absicht des Gesetzgebers, relevante Anknüpfungspunkte in den Versorgungsstrukturen zu
identifizieren, grundsätzlich positiv angenommen. Allerdings
wurde von Anfang an der G-BA als die falsche Adresse gesehen. Der Beratungsstand im G-BA zeigt nun, dass das der Fall
ist. Der GKV-Spitzenverband will offensichtlich ein Konzept in
die Beschlussfassung bringen, das viele überzogene Anforderungsmerkmale so zu Anforderungsketten verknüpft, dass
Hunderten von Krankenhäusern die Notfallversorgungseigen-
schaft abgesprochen werden würde. Ohne Eingreifen des Gesetzgebers droht ein gewaltiger Kahlschlag in der Notfallversorgung durch die Krankenhäuser.
Die Vorstellung, dass bis zum gesetzlich vorgegebenen Termin für die Festlegung der Abschläge am 30. Juni 2017 vielleicht 400, 500 oder noch mehr Krankenhäusern die Mitteilung
gemacht werden müsste, dass deren Notfallstrukturen nicht
G-BA konform sind und dass deren sämtliche Fallpauschalen
auf der Grundlage eines absolut realitätsfremden G-BA Konzeptes in Millionenhöhe gekürzt werden, sollte in der Koalition
und in den Landesregierungen die Alarmglocken zum Schrillen bringen. Massenhaft würden sich Krankenhäuser veranlasst sehen, auch aus der ambulanten Notfallversorgung auszusteigen. Im ganzen Lande wäre mit Protesten zu rechnen.
Die Übertragung dieser Aufgabe an den G-BA wird dort offensichtlich als Auftrag zur radikalen Flurbereinigung in der
ganzen Breite der flächendeckenden Notfallversorgung genommen. Wie schon bei anderen Strukturqualitätsprojekten
werden idealtypische Vorstellungen, zum Beispiel zentrale
Notfallaufnahmen in allen Krankenhäusern und nicht realisierbare Personalvorhaltungen, zur exekutierenden Norm gemacht. Das mag zwar von der Politik so nicht gemeint gewesen
sein, kommt aber so raus, wenn diese Aufgabe so in der Zuständigkeit des G-BA bleibt. Selbst mögliche Kompromisse in
einer Endabstimmung im Plenum können das Grundproblem
des Kahlschlags durch überzogene Anforderungen nicht lösen.
Die Gemeinschaft der Krankenhäuser bekennt sich zur
sachgerechten Kalkulation der Fallpauschalen. Identifizierte
Kosten müssen den Leistungen so gut wie möglich zugerechnet werden. Mit jeder neuen Version des DRG-Kataloges findet
die Verfeinerung der Kostenzuordnung auch statt. Die für das
DRG-System originäre zuständige Selbstverwaltung ist hier
weiter gefordert. Bedarf für ein Stufenkonzept mit realitätsfernen Strukturqualitätsanforderungen gibt es aber nicht.
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