Hildesheim am 28.09.2016

IHDE & COLL.
RECHTSANWÄLTE  FACHANWÄLTE  HANNOVER
FERDINANDSTR. 3  30175 HANNOVR  Tel. 0511/ 33 65 09 0
Verwarnt – verklagt – verurteilt - verschaukelt
Typische Rechtsfallen in der Zahnarztpraxis
Referent:
Rechtsanwalt und Notar Frank Ihde
Stand: 29.08.2016
Aufklärungsfall
Basisinformation
Zum Lernen und Merken
Eigene Notizen
Erhebliche Aufklärungsrisiken bei Anästhesien!
OLG Hamm fordert alternative Aufklärung bei
Leitungsanästhesien, sofern auch intraligamentäre
Anästhesien möglich sind
Für die Zahnarztpraxis von ganz erheblicher Bedeutung
ist eine Entscheidung des OLG Hamm vom 19. April
2016 (26 U 199/15). Der behandelte Patient hat eine L
(Leitungsanästhesie) erhalten, obschon im konkreten Fall
auch eine intraligamentäre Anästhesie möglich war. Im
Prozess hatte der Zahnarzt argumentiert, dass die
intraligamentäre
Anästhesie
keine
echte
Behandlungsalternative darstelle, weil insbesondere bei
Angstpatienten viele Einstiche nicht möglich seien.
Infolge der Leitungsanästhesie litt der Patient im
konkreten Fall über Gefühllosigkeit in der Zunge und
Parästhesien.
Das OLG Hamm hat sich über die Einwendungen des
Zahnarztes hinweggesetzt, und erkannt, dass eine
alternative Aufklärung über die Möglichkeit der
intraligamentären Anästhesie geschuldet worden war. Es
wurden zunächst keinerlei Anhaltspunkte dafür
festgestellt, dass die L nicht lege artis durchgeführt
wurde. Die durch sie verursachte Nervenverletzung
wurde von dem Gericht als – seltene – Komplikation
bewertet, und damit eine Risikoaufklärung bejaht, ferner
eine Aufklärung über eine echte Behandlungsalternative
(intraligamentäre Anästhesie). Eine solche Aufklärung
greift grundsätzlich ein, wenn bei mehreren medizinisch
gleichermaßen
indizierten
und
üblichen
Behandlungsmethoden unterschiedliche Risiken und
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Erfolgsaussichten bestehen. Ob diese Entscheidung so
richtig ist, oder ob die Anästhesie selber nicht als
Behandlungsmethode bezeichnet werden kann, kann
angesichts dieser rechtskräftigen Entscheidung zunächst
einmal dahinstehen. Viel wichtiger ist, dass in der Praxis
wohl kaum eine solche Aufklärung durchgeführt wird.
Das bedeutet aber auch, dass sich unzählige Zahnärzte
bei ihrer täglichen Arbeit einem hohen Risiko aussetzen.
Denn das OLG hat in der zitierten Entscheidung einen
Betrag von 4.000,00 Euro als Schmerzensgeld wegen
unterbliebener Aufklärung über Anästhesiealternativen
ausgeurteilt.
Es kann den Zahnärzten, die diese Form der Anästhesie
anwenden, nur empfohlen werden, sich durch korrekte
Aufklärung und durch entsprechende Aufklärungsbögen
vor einer entsprechenden Schadenersatz- und
Schmerzensgeldpflicht zu schützen.
3
Lunkerfall
Basisinformation
In einem Haftungsprozess vor dem Landgericht
Osnabrück wird ein Fall untersucht, bei dem es u.a. um
einen herausnehmbaren ZE mit einem Transversalbügel
ging. Dieser bestand aus einer Legierung wie folgt:
- Gold-Silberlegierung „aurumed Eco38“
- Kobalt-Chrom-Gusslegierung „wironit“
- Lot.
Nach Eingliederung dieses Zahnersatzes zeigten sich bei
der Patientin blaue und braune Verfärbungen an der
Zunge und an den Zähnen. Ein Gutachten ergab, dass der
bei der Patientin verwendete Materialmix zu deutlichen,
nicht hinnehmbaren Korrosionserscheinungen geführt
habe. Außerdem sind vom Sachverständigen so genannte
Lunker festgestellt worden. Es hätten sich starke
Inhomogenitäten im Metallgefüge gebildet, die für eine
höhere
Bruchgefahr
sorgen
und
außerdem
wahrscheinlich für die bläulichen Verfärbungen
verantwortlich sind.
Zum Lernen und Merken
Eigene Notizen
Zwar ist der Arztvertrag grundsätzlich Dienstvertrag
(§ 611 ff BGB). Nach der Rechtsprechung des BGH ist
aber abweichend hiervon bei reinen zahntechnischen
Fertigungsmängeln das Werkvertragliche Haftungsrecht
(§ 631 BGB) anzuwenden.
Nach § 634 a verjähren im Ergebnis Mängelansprüche in
zwei Jahren. Das gilt nur dann nicht, wenn der Zahnarzt
Mängel arglistig verschwiegen hat.
Ohne dass der Patient dem Zahnarzt eine Frist für die
Beseitigung von Mängeln gesetzt hat und außerdem
nicht mehr in der Behandlung des Zahnarztes erschienen
ist, hat dieser nach zweieinhalb Jahren Klage auf
Schadenersatz – und Schmerzensgeld erhoben. Das
Landgericht hat den Zahnarzt dazu verurteilt. Es ist der
Ansicht, es sei ein Dienstvertrag zustande gekommen.
4
Desinfektionsfall I
Basisinformation
Zum Lernen und Merken
Der Zahnarzt extrahiert in einer Sitzung drei
Weisheitszähne. In Folge einer danach auftretenden
akuten Infektion muss sich der Patient sogar ins
Krankenhaus begeben.
Üblicherweise muss der Patient dem Zahnarzt einen
Behandlungsfehler nachweisen. Die Beweislast liegt also
bei dem Patienten. Ganz anders sieht die Situation
jedoch aus, wenn der Patient Hygienestandards
hinterfragt. Die Aufbereitung von Medizinprodukten
nach einem geeigneten validierten Verfahren zählt zu
diesen
Standards.
Juristisch
gehört
die
Instrumentenaufbereitung
zum
Bereich
des
„vollbeherrschbaren Risikos“. In einem solchen Fall
kommt es zur Beweislastumkehr zugunsten des
Patienten. Dabei ist zu beachten, dass der
Sterilisationsprozess
lediglich
das
Ende
der
Aufbereitungskette abbildet. Alle vorausgehenden
Teilschritte sind wesensnotwendige Voraussetzungen für
eine erfolgreiche Sterilisation mit anschließender
Instrumentenfreigabe. Alle Schritte müssen belegt
werden können. Diese Belege hat die Zahnarztpraxis in
regelmäßigen
Abständen
durch
entsprechende
Prüfindikatoren zu kontrollieren. Letztlich muss die
Dokumentation bei einer Chargenfreigabe jeden
Teilschritt der Aufbereitung und den entsprechenden
Erfolg lückenlos abbilden. Dabei ist zu beachte, dass die
Dokumentation
nicht
nur
Angaben
zum
Sterilisationsprozess sondern auch darüber enthalten
muss, dass die Instrumente vorher ordnungsgemäß
gereinigt und desinfiziert, kontrolliert und steril gut
verpackt wurden. Ist das nicht dokumentiert, darf ein
Gericht davon ausgehen, dass es auch nicht erfolgt ist.
Im nachfolgenden Rechtstreit schildert der Zahnarzt
genau, wie er den Desinfektionsvorgang hinsichtlich
seiner Hände durchgeführt hat. Zur Desinfektion,
Reinigung und Sterilisation seines Instrumentariums
führt er nichts aus.
Der Patientenanwalt trägt vor, das Instrumentarium, das
anlässlich der Operation verwendet wurde, sei nicht in
validierten Verfahren ordnungsgemäß aufbereitet,
desinfiziert und gereinigt worden. Eine Sterilisation in
einem validierten Verfahren habe ebenfalls nicht
stattgefunden.
Wie ist die Rechtslage?
Eigene Notizen
Dabei ist der Weg zu einer validierten Aufbereitung gar
nicht so schwierig. Der Zahnarzt muss lediglich die
gesetzlichen Vorgaben aus der MPBetreibV mit den
Anweisungen aus der Anlage 1 der aktuellen RKI-
5
Richtlinie verbinden und ausführen.
Sind diese Verknüpfungen erstellt, dann eröffnet sich
dem Zahnarzt eine „Komfortzone“ in dieser Zone hat
der Gesetzgeber zu Gunsten des Praxisbetreibers die
Vermutungswirkung etabliert. Kann der Zahnarzt
den Nachweis erbringen, dass alle Instrumente den
Prozess durchlaufen haben, also nach einem
geeigneten validierten Verfahren aufbereitet wurden,
wird vermutet, dass er alles richtig und korrekt
gemacht hat.
Empfehlenswert ist, dass sich der Zahnarzt über die
Beraterbörse der Bundesrepublik Deutschland gelisteten
Berater oder Beratungsgesellschaften informiert.
6
Desinfektionsfall II
Basisinformation
Zum Lernen und Merken
Zahnarzt Dr. Steril bekommt einen Bußgeldbescheid und
soll 4.000,00 € für zwei Taten bezahlen. In dem
Bescheid wird als „Tat 1“ Folgendes formuliert:
Vergleiche dazu Einzelheiten im Bescheid auf der
nächsten Seite.
Eigene Notizen
Sie führen die Reinigung und Desinfektion Ihrer
Medizinproduktion, die Sie an Menschen anwenden, seit
mehr als zwei Jahren mit einem nicht validierten
Verfahren
durch.
Das
Reinigungsund
Desinfektionsgerät wird seit 2013 in Ihrer Praxis
betrieben. Eine Erstvalidierung des Verfahrens erfolgte
jedoch erst am 07.01.2016.
Als „Tat 2“ wird Folgendes formuliert:
Sie führen die Sterilisation Ihrer Medizinprodukte, die
Sie an Menschen anwenden, seit mehr als zwei Jahren
mit einem nicht validierten Sterilisationsverfahren durch.
Das Sterilisationsgerät wird seit 2009 in Ihrer Praxis
betrieben. Eine Erstvalidierung des Verfahrens erfolgt
jedoch erst am 07.01.2016.
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Röntgenbilder und Kronenrand
Basisinformation
Zum Lernen und Merken
Regelmäßig streiten Zahnarzt und Patient vor dem
zuständigen Gericht um die Frage, ob der Randschluss
der vom Zahnarzt eingesetzten Kronen in Ordnung war.
Es kommt regelmäßig zur Auswertung vorhandener
Röntgenaufnahmen durch Sachverständige. Lässt sich im
Nachhinein die klinische Situation im Zeitpunkt der
Eingliederung nicht mehr feststellen, kommt es häufig
auf die Auswertung von Röntgenaufnahmen an.
Zur generellen Darstellbarkeit von Passungsmängeln
durch Röntgenaufnahmen kann auf die einschlägige
wissenschaftliche Literatur verwiesen werden
(Enkling, N. Rathje, J. und Jöhren, P. Abgleich zwischen
Röntgenbefund,
klinischem
Befund
und
Patientenbeschwerden. Zahnärztliche Mitteilungen 1996,
Nr. 23, 01.12.2006 (3190 – 3196) ).
Hier ist besondere Vorsicht geboten, da die Aussagekraft
von Röntgenaufnahmen für den Randschluss von Kronen
begrenzt ist.
Eigene Notizen
Danach gilt, dass es sowohl falschnegative als auch
falschpositive Befunde gibt. Falschnegativ heißt, dass
ein real vorhandener Defekt im Röntgenbild nicht
dargestellt wird. Falschpositiv bedeutet, dass ein
vermeintlicher Defekt in der Realität nicht vorhanden ist.
Bei der Suche nach Randschlussfehlern wird eine Quote
von 50 – 60 % Falschpositiver Röntgenbefunde
angegeben.
Zur objektiven Beurteilung ist stets ein ergänzender
klinischer Befund erforderlich.
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Schmerzpatientenfall
Basisinformation
Zum Lernen und Merken
Am Montagmorgen erscheint Patient Dr. X in ihrer
Praxis um 8:30 Uhr. Die allgemeine Sprechstunde
beginnt hier. Er erklärt, er habe über das Wochenende
starke Zahnschmerzen gehabt. Sie selber sind aber noch
nicht in der Praxis und wollen erst so gegen 9:30 Uhr
erscheinen.
Bei Notdienstpatienten ist wenigstens eine Untersuchung
anzubieten. Das Praxispersonal kann nicht entscheiden,
ob die Behandlung des Patienten weiteren Aufschub
duldet.
Ihre Helferinnen erklären dem Patienten, er benötige für
die Behandlung einen Termin.
Eigene Notizen
Allerdings muss – damit eine Berufsverfehlung von der
Kammer bejaht werden könnte – auch ein Verschulden
des Zahnarztes vorliegen. Welche Einlassungsmöglichkeiten gibt es?
Daraufhin beschwert sich der Patient bei der
Zahnärztekammer, die sie zur Stellungnahme auffordert.
Wie wollen sie antworten?
10
Herausgabe der Dokumentation an Patienten
Basisinformation
Zum Lernen und Merken
Bei ihnen wurde die nicht sehr gern gesehene Patientin
Frauke Frech behandelt, die sich danach in die
Behandlung eines anderen Zahnarztes begibt. Die
Patientin erklärt sich mit ihrem bisherigen
Behandlungsverlauf nicht einverstanden. Daraufhin
verlangt sie die Herausgabe der Patientendokumentation.
Sie erscheint sogar in der Praxis und verlangt
unverzügliche Übergabe. Da das Personal die Unterlagen
nicht kopieren und herausgeben wollen, bevor der
Zahnarzt dazu etwas gesagt hat, vertrösten sie die
Patientin auf den nächsten Tag.
Die Berufsordnung schreibt vor, dass der Zahnarzt
verpflichtet ist, Patientenunterlagen in Kopie an den
Patienten herauszugeben.
Eigene Notizen
Aber: Nach der einschlägigen Rechtslage trifft den
Patienten eine Vorleistungspflicht hinsichtlich der
Kopierkosten. Nach einer juristischen Auffassung soll
der Zahnarzt sogar nicht verpflichtet sein, Kopien
anzufertigen.
Die Patientin geht zum Anwalt, der an die
Zahnärztekammer schreibt, der Zahnarzt habe seine
Pflicht zur Herausgabe seiner Patientenunterlagen
verletzt und beantragt die Einleitung eines
Berufsrechtlichen Verfahrens.
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Körperverletzung durch Röntgen
Basisinformation
Zum Lernen und Merken
In einem Zulassungsentzugsverfahren wurde von Seiten
der KZV festgestellt, dass eine Zahnärztin bei mehreren
Patienten mehrmals geröntgt hat (bis zu 4mal) ohne dass
sich aus der Dokumentation die Sinnhaftigkeit der
Röntgenaufnahme ergeben hat. Die KZV zeigt die
Zahnärztin bei der Staatsanwaltschaft an, weil so der
Tatbestand der Körperverletzung durch unsinniges
Röntgen erfüllt sei.
Der Bundesgerichtshof hat sich bisher – soweit
ersichtlich – nur dazu geäußert, dass ein exzessives
Röntgen den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt.
Vereinzeltes Röntgen führt nicht mit Sicherheit zu einer
Schädigung
körperlicher
Strukturen.
Das
Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft
daher eingestellt.
Eigene Notizen
Wird die Staatsanwaltschaft vor dem zuständigen
Strafgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens
beantragen?
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Befundung nicht dokumentiert
Basisinformation
Zum Lernen und Merken
Zahnarzt X erklärt dem Patienten, mehrere Zähne seien
bei ihm extraktionsreif und empfiehlt Sofortimplantate.
Der Patient willigt ein. Später kommen dem Patienten
Bedenken und er fragt den Nachbehandler, ob die Zähne
überhaupt extraktionswürdig gewesen seien. Die
Behandlungsunterlagen und Röntgenbilder werden
übergeben. Aufgrund der Röntgenbilder kann nicht mit
der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, ob die
Zähne extraktionswürdig waren.
Ganz besonders wichtig für den Zahnarzt ist nicht nur
die tatsächliche Befundung, sondern auch deren
Dokumentation. Ist medizinisch zweifelsfrei geboten,
bestimmte Befunde zu erheben, bevor eine Behandlung
durchgeführt wird und wird eine solche Befundung nicht
dokumentiert, kann es zur Beweislastumkehr kommen.
Der Zahnarzt hätte hier also die Extraktionswürdigkeit
der Zähne dokumentieren müssen, z. B. den
Lockerungsgrad bzw. die parodontale Insuffizienz der
extrahierten Zähne.
In der Patientenkartei steht dazu nur, dass die Zähne
extrahiert werden mussten.
Der Patientenanwalt sagt, hier fehle eine ausreichende
Befundung der Extraktionswürdigkeit. Deshalb erfolge
eine Umkehr der Beweislast.
Eigene Notizen
Eine vergleichbare Problematik ergibt sich, wenn der
Zahnarzt Zähne im Frontzahnbereich überkront und der
Patient später behauptet, die Zähne wären nicht
überkronungsbedürftig gewesen.
Was wird das Gericht dazu sagen?
Abwandlung: Die – angeblich – extraktionswürdigen
Zähne werden mangels Einwilligung des Patienten nicht
extrahiert. Es werden aber Implantate gesetzt. Der
Patienten lässt im nachfolgenden Rechtsstreit vortragen,
an den nicht extrahierten Zähnen hätte - vor Inserierung
der Implantate – eine PAR-Behandlung durchgeführt
werden müssen.
13
Noch einmal: Befunderhebung
Basisinformation
Zum Lernen und Merken
In einem Rechtsstreit zwischen einem Rechtsanwalt und
Zahnarzt geht es um die Frage, ob der Zahnarzt zu
Unrecht Füllungen gelegt und PAR-Behandlungen
durchgeführt hat. Der Patient behauptet, niemals Karies
gehabt zu haben. Auch sein Zahnfleisch wäre in
Ordnung gewesen.
Auch hier geht es wieder um die Frage, ob und wenn ja
in welchem Umfang befundet und daraufhin
dokumentiert werden muss.
Eigene Notizen
Der Gutachter schreibt in seinem Gutachten im Ergebnis,
dass die Röntgenbilder keine sichere Beurteilung
zulassen, ob die Zähne kariös waren oder nicht. Einen
Anhaltspunkt dafür, dass eine PAR-Behandlung ohne
Indikation durchgeführt wurde, habe er auch nicht
gesehen.
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Beginn der Behandlung vor Genehmigung des HKP
Basisinformation
Zum Lernen und Merken
Zahnarzt X plant in einem HKP die Eingliederung von
Kronen. Der HKP wird zur zuständigen Krankenkasse
geschickt. Vor Genehmigung erscheint der Patient und
macht Druck, er müsse jetzt behandelt werden. Da der
Zahnarzt fest davon ausgeht, dass der HKP genehmigt
wird, beginnt er mit der Behandlung.
Gemäß § 1 der Anlage 17 (Vereinbarung über das
Antrags- bzw. Genehmigungsverfahren sowie das
Gutachterverfahren bei der Versorgung mit Zahnersatz
und Zahnkronen) und hier gemäß Absatz 4 soll mit der
prothetischen Behandlung durch den Vertragszahnarzt
erst nach Festsetzung des Festzuschusses durch die
Krankenkassen begonnen werden.
Später argumentiert die Krankenkasse damit, dass eine
Behandlung vor Beginn der Genehmigung in jedem Fall
verboten sei.
Wie ist die Rechtslage?
Eigene Notizen
Nach Auffassung von Susanne Tiemann, das Recht in
der Zahnarztpraxis als Zahnarzt 16, hat ein
Behandlungsbeginn vor Rückgabe des Heil- und
Kostenplans jedoch keinen Einfluss auf den
Honoraranspruch des Zahnarztes.
Beachte allerdings Urteil Sozialgericht Stade vom
05.05.2015 – S 1 KR 52/14 – danach hat die
Bewilligung des Festzuschusses vor der Behandlung
zu erfolgen (so auch BSG SozR 4-2500 § 13 Nr. 21
Rn. 13 ff) wird der Heil- und Kostenplan verspätet
eingereicht besteht kein Anspruch auf Bewilligung
des Festzuschusses).
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Dolmetscher bei der Behandlung eines Asylanten?
Basisinformation
Zum Lernen und Merken
Jeder Patient muss vor der Behandlung ordnungsgemäß
aufgeklärt werden. Gibt es Sprachprobleme, muss dieser
der Zahnarzt irgendwie überwinden.
Der Zahnarzt muss ermitteln, ob der Patient die
Aufklärung versteht. Ist das nicht der Fall, kann er nicht
mit der Behandlung beginnen. Notfalls muss er einen
Dolmetscher hinzuziehen, idealerweise begleitende
Verwandte oder Kinder. Aber Vorsicht: Wird hier
vorschnell davon ausgegangen, dass der Patient die
Aufklärung verstanden hat, riskiert er seine eigene
Haftung. Denn nach der einschlägigen Rechtsprechung
muss der Patient den Sinn und Zweck der Aufklärung
voll inhaltlich verstanden haben.
Eigene Notizen
16
Minderjähriger Patient in Begleitung seines Onkels
Basisinformation
Zum Lernen und Merken
Der 15jährige Patient wird von seinem Onkel in die
Sprechstunde begleitet. Bei dem Patienten muss ein
Zahn extrahiert werden. Die Aufklärung erfolgt aber nur
gegenüber dem Onkel. Später wollen die Eltern des
Kindes die Rechnung des Zahnarztes nicht zahlen, weil
sie in die Behandlung nicht eingewilligt haben.
Bei Begleitung Erwachsener Verwandter kommt auch
ein Vertrag mit diesen selber in Betracht. Sonst müssen
die Eltern in die Behandlung einwilligen.
Eigene Notizen
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Honorar bei Nichterscheinen des Patienten
Basisinformation
Zum Lernen und Merken
Mit dem Patienten A wird ein umfangreicher Termin in
ITN vereinbart. Es sollen mehrere Zähne extrahiert und
einige Zähne für Kronen und Brücken beschliffen
werden. Der Patient kommt zum zweiten Mal
unentschuldigt nicht zu diesem Termin. Andere
Patienten sind nicht einbestellt worden, nachdem der
Behandlungstermin mit dem Patienten individuell
vereinbart worden ist.
Die Rechtslage ist hier sehr umstritten. Teilweise wird
auf Annahmeverzug, teilweise auf Schadenersatz
abgestellt. Werden Termine nur vergeben, um den
Praxisalltag zu gewährleisten, hat die Durchsetzung von
Schadenersatzansprüchen wenig Aussicht auf Erfolg.
Eigene Notizen
Der Patient zieht es vor, diesen Termin bei einem
anderen Zahnarzt vornehmen zu lassen.
Kann der Zahnarzt Aufwendungsersatz verlangen?
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Hohe Kürzung auf dem kurzen Dienstweg
Basisinformation
Zum Lernen und Merken
Eigene Notizen
Dr. Prüff bekommt, nachdem er die Behandlungsunterlagen eingereicht hat, von der Prüfungsstelle ein
Schreiben, mit der Mitteilung, dass das Verfahren der
Wirtschaftlichkeitsprüfung unterbrochen wird, weil die
Angelegenheit an die KZV zwecks sachlichrechnerischer Berichtigung abgegeben wird. Man habe
festgestellt, dass in einer Fülle von Fällen eine nicht
erklärliche Anzahl von Anästhesien abgerechnet worden
ist.
Womit muss Dr. Prüff nun rechnen?
Was ist eine sachlich-rechnerische Berichtigung und wer
nimmt sie vor?
Unter
welchen
Voraussetzungen
könnte
sein
Honoraranspruch völlig neu im Rahmen einer Schätzung
festgesetzt werden?
Ist es ratsam, sofort bestimmte „Problemabrechnungen“
anzusprechen (vorauseilender Gehorsam)?
19
Disziplinarverfahren
Basisinformation
Zum Lernen und Merken
Zahnärztin Sofie L. Füllung rechnet generell bei jedem
zu überkronenden Zahn zwei Aufbaufüllungen ab. Die
KZV leitet ein Disziplinarverfahren ein. Sie beantragt
beim Disziplinarausschuss, dass die Zulassung der
Vertragszahnärztin zwei Jahre ruhen soll. Zur Lage der
Aufbaufüllungen, z. B. bei Cp und/oder P ist nichts
Näheres dokumentiert. Der Gutachter schreibt, er könne
natürlich die Kronen nicht abnehmen und kontrollieren,
ob sich tatsächlich zwei Aufbaufüllungen in situ
befinden. Er legt näher dar, dass bei einigen Zähnen die
Existenz von mehreren Aufbaufüllungen sehr
unwahrscheinlich sei. Abschließend klären könne er dies
aber nicht.
Im Rahmen eines Disziplinarverfahrens kann tatsächlich
der Disziplinarausschuss als schärfste Sanktion das
Ruhen der Zulassung für zwei Jahre aussprechen. Damit
ist die Existenz des Zahnarztes elementar bedroht.
Die
Zahnärztin
hatte
vorher
schon
ein
Disziplinarverfahren, das mit einer Geldbuße in Höhe
von 10.000 € abschloss.
Welche Konsequenzen drohen der Vertragszahnärztin?
Abwandlung:
Was würde gelten, wenn die Zahnärztin in einer BAG
mit einer Partnerin behandelt, die selber in die
streitgegenständliche
Füllungstherapie
nicht
eingebunden war.
Eigene Notizen
Eine disziplinarrechtliche Maßnahme kommt schon in
Betracht, wenn der Zahnarzt seine spezifischen
vertragszahnärztlichen Pflichten fahrlässig verletzt. Auch
die Verletzung der Dokumentationspflicht und/oder der
Organisationspflicht kann eine disziplinarrechtliche
Maßnahme rechtfertigen.
Ausreichend ist grundsätzlich auch eine schuldhafte
Verletzung der Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung.
Abwandlung:
Ein Disziplinarverfahren gegen zwei Zahnärztinnen
kommt grundsätzlich nicht in Betracht. So formuliert z.
B. die Hamburger Disziplinarordnung, dass Anträge auf
Durchführung eines Disziplinarverfahrens gegenüber
einer BAG bzw. mehreren Zahnärzten zu trennen, und
getrennte Verfahren durchzuführen sind. Das liegt daran,
dass es jeweils um einen konkreten, auf die konkrete
Person bezogenen Schuldvorwurf geht.
Bei der Partnerin kommt bestenfalls eine Verletzung der
Organisationspflicht in Betracht.
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Strafrecht / Wenn der Staatsanwalt kommt
Basisinformation
Zum Lernen und Merken
Eigene Notizen
Die in ein Disziplinarverfahren verwickelte Zahnärztin
Sofie L. Füllung bekommt überraschend Besuch vom
Staatsanwalt. Dieser legt einen Durchsuchungs- und
Beschlagnahmebeschluss vor. Die Staatsanwaltschaft
beschlagnahmt bestimmte Praxisunterlagen.
Was ist der Zahnärztin zu raten?
Unter welchen Voraussetzungen kann die Staatsanwaltschaft in der Praxis Unterlagen beschlagnahmen?
Welche Voraussetzungen haben die Tatbestände der
Körperverletzung und des Abrechnungsbetruges?
21
Forderungseinzug des Zahnarztes
Basisinformation
Zum Lernen und Merken
Eigene Notizen
Zahnärztin Inka Sso hat keine guten Erfahrungen mit
zahnärztlichen Abrechnungsgesellschaften gemacht. Sie
möchte jetzt wieder selber die Forderungen einziehen.
Damit beauftragt sie das Anwaltsbüro X. Sie fragt den
Rechtsanwalt, wie so ein Inkassoverfahren läuft.
22
Juniorpartner in der BAG und Steuerrecht
Basisinformation
Zum Lernen und Merken
Sie nehmen einen Juniorpartner in Ihre Praxis auf. In
dem Gemeinschaftspraxisvertrag formulieren Sie unter
anderem, dass der Partner 30 % seiner selbst
erwirtschafteten und tatsächlich vereinnahmten Honorare
als Gewinn erhält. Zur Frage, ob der Juniorpartner auch
am Verlust der Praxis beteiligt ist, wird nichts formuliert.
Des Weiteren wird vereinbart, dass der Juniorpartner
keine Abfindung anlässlich seines Ausscheides erhält.
Nach der bisherigen Rechtslage und Rechtsprechung des
BSG in der Entscheidung vom 23. Juni 2010 (B 6 KA
7/09 R) gelten folgende Abgrenzungskriterien zwischen
dem „Angestellten“ und freischaffenden Zahnarzt in
einer Gemeinschaftspraxis:
1. Die Übernahme des wirtschaftlichen Risikos
durch jeden Gesellschafter (i. d. R. als
Beteiligung am Gewinn und Verlust der Praxis)
muss vorliegen.
2. Die Beteiligung an dem vom Vertragszahnarzt
erarbeiteten Praxiswert muss mindestens in
Form einer Abfindung bei Ausscheiden
(entweder als Geld oder als Möglichkeit der
Mitnahme der Patienten) muss gegeben sein.
3. Die
individuelle
Unabhängigkeit
jedes
Gesellschafters muss bejaht werden.
Bei der Geschäftsführung wird vereinbart, dass der
Seniorpartner wegen der geschäftlichen Unerfahrenheit
des Juniorpartners bis weiteres die Geschäfte selber
führt.
Besteht die Gefahr der Sozialversicherungspflicht? Kann
es sein, dass das Finanzamt die Einnahmen des
Juniorpartners nicht als freiberuflich deklariert?
Eigene Notizen
Folgerichtig hatte auch das LSG Baden-Württemberg in
dem Urteil vom 12.12.2014 (L 4 R 1333/13) erklärt, dass
bei nicht gleichberechtigten zahnärztlichen Partnern
rentenversicherungsrechtlich ein Anstellungsverhältnis
vorliegen kann. Diese Entscheidung war besonders
undurchsichtig
Jetzt hat der BFH in zwei Entscheidungen noch einmal
Kriterien genannt. Beide Verfahren betreffen eine
augenärztliche 3er-BAG. Der BFH meint, dass der
Juniorpartner nicht am Gewinn der Gesellschaft beteiligt
sei, weil er nur einen Prozentsatz der von ihm
erwirtschafteten Honorare erhalten hat, der im Fall
des Verlustes der Gesellschaft nur bis auf 0 gesenkt
werden konnte. Der Juniorpartner war nach Auffassung
des BFH nicht an den stillen Reserven und auch nicht an
23
den Wirtschaftsgütern der Gesellschaft beteiligt. Die
anfallenden Praxisinvestitionen wurden allein von den
Altgesellschaftern getragen.
Letztendlich geht es um die Frage, der Mitunternehmerstellung des Juniorpartners und zwar im Sinne des § 15
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Der BFH hat Folgendes
ausgesprochen:
Erhält ein (Schein-)Gesellschafter eine von der
Gewinnsituation abhängige, nur nach dem eigenen
Umsatz bemessene Vergütung und ist er zudem von
einer Teilhabe an den stillen Reserven der Gesellschaft
ausgeschlossen, kann wegen des danach nur
eingeschränkt bestehenden Mitunternehmerrisikos eine
Mitunternehmerstellung nur bejahrt werden, wenn eine
besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative vorliegt.
Hieran fehlt es jedoch, wenn zwar eine gemeinsame
Geschäftsführerbefugnis besteht, von dieser aber
tatsächlich wesentliche Bereiche ausgenommen sind
(BFH Urteil vom 03.11.2015, VIII R 63/13).
Das Finanzamt schaut im Übrigen nicht nur in den
Vertrag, sondern guckt, wie z. B. tatsächlich der
Gewinn zugewiesen wurde. Wird im Vertrag eine
Gewinnbeteiligung am Praxisgewinn vereinbart, in
Wirklichkeit
aber
X-Prozent
der
eigenen
Honorarumsätze zugrunde gelegt, ist das schädlich.
24
Praxisgemeinschaft und Umsatzsteuer
Basisinformation
Zum Merken und Lernen
Sie führen mit zwei Partnern eine Gemeinschaftspraxis.
Ein Kollege möchte in Ihrem Praxisverbund
aufgenommen werden. Da er bereits schlechte
Erfahrungen mit einer BAG gemacht hat (einer der
Partner wurde insolvent, der Juniorpartner musste für
diesen
mitbezahlen)
möchte
er
nur
eine
Praxisgemeinschaft eingehen.
„Wenn die Gemeinschaftspraxis gegenüber einem Arzt
Leistungen erbringt, indem sie ihm Praxisräume,
Inventar und Geräte sowie Personal überlässt, erbringt
die BAG umsatzsteuerbare Leistungen gegenüber diesem
Arzt.
Eine
Umsatzsteuerbefreiung
nach
§ 4 Nr.14 S.2 UStG scheidet aus, weil der Arzt, mit dem
die Gemeinschaftspraxis den Vertrag abschließt, nicht
Mitglied der Gemeinschaftspraxis ist.“
In dem Gesellschaftsvertrag wird unter anderem
ausgeführt, dass der neue Partner die gesamte
Infrastruktur der Praxis nutzen darf. Als Gegenleistung
zahlt er eine Pauschale, die sich anhand seiner
Honorarumsätze errechnet. Den entsprechenden Betrag
bezahlt er an die Gemeinschaftspraxis.
Was wird das Finanzamt dazu sagen?
Eigene Notizen
(BFH vom 21.06.1990 – V R 94/8)
Beachte dazu aktuelle Urteile, z. B.
Finanzgericht Münster vom 19.05.2015 (15 K
496/11 U).
Zentraler Gedanke dieser Entscheidung:
Es muss gerade die Gesellschaft sein, die Leistungen
erbringt.
Urteil des Finanzgerichts München vom 24.05.2007
(14 K 891/04)
Zentraler Gedanke:
Im Ergebnis müssen eigentlich alle Arbeitsverhältnisse,
Leasingverträge,
Mietverträge
usw.
auf
die
Praxisgemeinschaft übertragen werden. Für eine sichere
Gestaltung sind also folgende Punkte zu beachten:
25

wenigstens Untervermietung der Räume an die
Praxisgemeinschaft

Personal bei PG-Anstellen

Praxisinventar sollte von der Praxisgemeinschaft
erworben worden sein
Es geht bei der Betrachtung und Umsatzsteuer
ausschließlich um Leistungen, die unmittelbar
heilkundlerischen Zwecken dienen. Dazu gehören zum
Beispiel nicht Steuerberatungskosten und Kosten der
Abrechnungshelferin.
26
Wirtschaftlichkeitsprüfungsfall
Basisinformation
Zum Merken und Lernen
Die Wirtschaftlichkeitsprüfung in Niedersachsen wird
seit dem grundlegenden Urteil des LSG Celle vom
29.01.2014 nach anderen Spielregeln als früher
durchgeführt.
Hilfreich ist es hier nur, sich rechtzeitig mit den
„Spielregeln“ vertraut zu machen.
Eigene Notizen
Das LSG hat erkannt, dass nach der Prüfvereinbarung in
Niedersachen grundsätzlich ein Spartenfallwertvergleich
durchzuführen ist. Es werden also die Spartenfallwerte
des Vertragszahnarztes mit denen seiner Vergleichsgruppe durchgeführt.
Folgende wichtigen Aspekte lassen sich hier
herausstellen:
1. Beurteilungsspielraum bei der Auswahl der
Verfahrensart
In der letzten Prüfvereinbarung hat man die Prüfung
nach Spartenfallwerten mehr oder weniger als die
einzige Prüfungsart normiert (obwohl in der Praxis auch
gelegentlich beispielhafte Einzelfallprüfungen mit
statistischer Hochrechnung stattfinden; vgl. nächsten
Fall). Hier wäre vom Zahnarzt zu rügen, dass nach der
Rechtsprechung des BSG den Prüfungsgremien ein
Beurteilungsspielraum
bei
der
Auswahl
der
Prüfmethoden eingeräumt wird. Darf angesichts dieser
Rechtsprechung eine Prüfvereinbarung mehr oder
weniger nur eine Verfahrensart normieren? Liegt
insoweit
eine
unzulässige
Einengung
des
Beurteilungsspielraums vor? Diese Frage ist noch nicht
abschließend in Niedersachsen geklärt.
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2. Bereinigung der Statistik nach sachlichrechnerischer Berichtigung?
In vielen Fällen wird entweder von der Prüfungsstelle
selber oder der KZV eine sachlich-rechnerische
Berichtigung vor der Wirtschaftlichkeitsprüfung
durchgeführt. An der Statistik wird aber nichts verändert.
Vor dem Sozialgericht Hannover schweben Verfahren,
ob das so erlaubt ist.
3. Grenzziehung zum offensichtlichen Missverhältnis
Die Prüfungsstelle sowie der Beschwerdeausschuss
gehen ohne nähere Überprüfung davon aus, dass die
Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei 50 %
anzusiedeln ist. Demgegenüber wäre zu untersuchen, ob
diese Grenze bei Spartenfallwerten mit Rücksicht auf die
Therapiefreiheit nicht deutlich höher anzusiedeln wäre.
Grundlegende Rechtsprechung fehlt noch.
4. Praxisbesonderheiten
Bislang werden Praxisbesonderheiten zum Beispiel bei
atypischer Altersverteilung der Patienten akzeptiert.
Auch bei (oral-)chirurgischer Tätigkeit kommen
Praxisbesonderheiten in Betracht. Die Prüfungsstelle
gewährt hier oftmals die Differenz der – chirurgischen –
Fallwerte zwischen Zahnärzten und Chirurgen als
Praxisbesonderheit.
Schwere Fälle / geringe Fallzahl: Hier kommt eine
Praxisbesonderheit nur in Betracht, wenn die schweren
Fälle wirtschaftlich waren, und tabellarisch dargestellt
werden.
Neupatienten: Neupatienten werden gelegentlich von der
Prüfungsstelle als Praxisbesonderheit akzeptiert. Bislang
galt in der Kanzlei Ihde & Coll. dazu ein Wert von ca.
20 %. In einem Bescheid der Prüfungsstelle aus August
2016 steht aber: Des Weiteren machen die Zahnärzte
geltend, dass im Quartal 46 Neupatienten in die Praxis
kamen. 46 Neupatienten erkennt die Prüfungsstelle als
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Praxisbesonderheit an. Wobei anzumerken ist, dass die
Anzahl der Neupatienten im Verhältnis zur
Behandlungsfallzahl nicht übermäßig erhöht ist.
5. Systematische Fehler in den Bescheiden der
Prüfungsstelle
Die Prüfungsstelle überspringt in der Regel die von der
Rechtsprechung verlangte Darstellung des sogenannten
unwirtschaftlichen Mehraufwandes. Es wird nämlich
eine Ermessensentscheidung verlangt, ob, und wenn ja in
welcher Höhe der – zuvor dargestellte –
unwirtschaftliche Mehraufwand gekürzt wird.
6.
Wer errechnet eigentlich die Spartenfallwerte, und wieso
ist der „Gesamtfallwert“ nicht die Summe von
Spartenfallwerten?
7. Falsche Besetzung des Beschwerdeausschusses
Es ist auch darauf zu achten, ob der Beschwerdeausschuss anders als vorgeschrieben nur in der Besetzung
2 : 2 + Vorsitzender entscheidet.
8.
Lohnt sich ein Widerspruch? Lohnt sich anwaltliche
Begleitung? Wie ist ein Termin vor dem Beschwerdeausschuss vorzubereiten? Was hilft, was schadet?
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Wirtschaftlichkeitsprüfung II
Basisinformation
Zum Merken und Lernen
In Ihrer Praxis wird eine Wirtschaftlichkeitsprüfung
durchgeführt. Die Prüfstelle ordnet eine repräsentative
Einzelfallprüfung mit statistischer Hochrechnung an.
Bei der beispielhaften Einzelfallprüfung mit statistischer
Hochrechnung gibt es wichtige Prüfungspunkte:
Auf was müssen Sie im Einzelnen achten?
Eigene Notizen
 Es müssen mindestens 20 % der abgerechneten
Fälle, wenigsten 100 Fälle im Quartal herangezogen
werden.
 Bei einer Kürzung muss ein Sicherheitsabschlag von
25 % vorgenommen werden.
 Jedenfalls in Hessen wird vor der
Wirtschaftlichkeitsprüfung die Zustellung eines
Prüfungsberichtes verlangt.
 Die Prüfgremien müssen vor einer Hochrechnung
feststellen und im Bescheid darlegen, dass die
Unwirtschaftlichkeiten nicht nur in der Stichprobe,
sondern auch in der restlichen Abrechnung existieren
(dauerhafte Verhaltensweise).
 In die Hochrechnung dürfen keine Kürzungen
einbezogen werden, die das Ergebnis einer sachlichrechnerischen Berichtigung sind.
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Trauma Antikorruptionsgesetz
Basisinformation
Zum Merken und Lernen
Viele Dentallabore wählen eine Gesellschaftsform, die
es zulässt, dass Zahnärzte mehr oder weniger am
Gewinn des Labors beteiligt werden. Die Beteiligung
hängt natürlich auch davon ab, ob sie selber ihre
Arbeiten im Labor fertigen lassen. Es gibt
Vertragsgestaltungen, bei denen der Zahnarzt stiller
Gesellschafter ist. Andere Verträge sehen vor, dass ein
namentlich genannter Kommanditist berechtigt ist,
treuhänderisch für Zahnärzte weitere Kommanditanteile
auszugeben und sie auf eigene Rechnung, aber im
Interesse dieser Treugeber zu verwalten und
entsprechende Gewinne auszuschütten.
Grundsätzlich gilt: Alles, was im Moment schon
verboten ist, ist es auch weiterhin. Alles was jetzt erlaubt
ist, wird auch weiter bleiben.
Solche Labore fragen nun an, ob sie nach den
Bestimmungen des neuen Antikorruptionsgesetzes
Schwierigkeiten bekommen könnten.
Eigene Notizen
1.
Folgende Grundprinzipien sollten eingehalten werden:
 Trennungsprinzip: Zuwendungen dürfen nicht
im Zusammenhang mit
Beschaffungsentscheidungen stehen
 Transparenzprinzip: Jede Zuwendung und
Vergütung muss offen gelegt werden
 Äquivalenzprinzip: Leistung und Gegenleistung
müssen in einem angemessenen Verhältnis
stehen
 Dokumentationsprinzip: Alle Leistungen
müssen schriftlich festgehalten werden
2. § 128 Abs. 2 Satz 3 SGB V
Unzulässige Zuwendungen im Sinne des Satzes 1 sind
auch die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung von
Geräten und Materialien und Durchführung von
Schulungsmaßnahmen,
die
Gestellung
von
Räumlichkeiten oder Personal oder die Beteiligung an
den Kosten hierfür sowie Einkünfte aus Beteiligungen an
Unternehmen von Leistungserbringern, die Vertragsärzte
durch ihr Versorgungs- oder Zuweisungsverhalten selbst
maßgeblich beeinflussen.
Wichtig ist, dass die Einkünfte maßgeblich beeinflusst
werden müssen.
Bei § 299 a StGB (Text siehe nächste Seiten) der nicht
nur für den vertragszahnärztlichen, sondern auch für den
privatzahnärztlichen Bereich gilt, kommt es darauf an,
31
ob jemand in „unlauterer Weise bevorzugt“ wird.
Für die Beteiligung an Dentallaboren gilt: Was den
Anwendungsbereich von § 299 a StGB betrifft, ist eine
Vorteilsnahme bzw. Gewährung auch daran zu sehen,
dass ein Zahnarzt einen wirtschaftlichen Vorteil dafür
erlangt, dass er bei dem Bezug von Medizinprodukten,
die zur unmittelbaren Anwendung durch ihn bestimmt
sind, einen anderen in unlauterer Weise bevorzugt. Diese
Vorschrift ist durchaus auch bezüglich von Zahnersatz
durch den Zahnarzt anwendbar. Es ist also Vorsicht
geboten, wenn durch das Auftragsverhalten des
Zahnarztes das wirtschaftliche Ergebnis der DentallaborGmbH maßgeblich beeinflusst wird. Beauftragt etwa ein
Zahnarzt aus kommerziellen Gründen bevorzugt ein
bestimmtes Dentallabor, kann dies eine unlautere
Bevorzugung des entsprechenden Labors darstellen und
damit künftig ein Straftatbestand erfüllen. Das gilt ohne
Weiteres für zuweisungsbezogene Gewinnbeteiligungen.
Der aus einer finanziellen Beteiligung an einer
Dentallabor-GmbH resultierende Gewinn oder Verlust
kann sich aber auch allein am Gesellschaftsanteil des
beteiligten Zahnarztes ausrichten und nicht etwa am
Umfang der von ihm eingereichten Laboraufträge.
Ob das allerdings zu einem anderen Ergebnis führt, ist
umstritten. Denn der am Gesellschaftsanteil orientierte
Gewinn wird auch höher, wenn sich durch das
Zuweisungsverhalten des Zahnarztes ein höherer
Auftragsbestand ergibt.
In der einschlägigen Literatur wird zum Beispiel dazu
Folgendes ausgeführt:
Ist der Arzt nur mittelbar, insbesondere über
allgemeine Gewinnausschüttungen am Erfolg
eines Unternehmens beteiligt, kommt es für
die Zulässigkeit der Beteiligung darauf an, ob
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er bei objektiver Betrachtung durch seine
Patientenzuführung einen spürbaren Einfluss
auf den Ertrag aus seiner Beteiligung nehmen
kann. In diesem Spannungsfeld ist aber noch
vieles unklar, so dass erst die weitere
Entwicklung in der Rechtsprechung abgewartet werden muss, bevor hinreichend
konkrete Grenzen für die Beteiligung an
Unternehmen feststeht.
So Damas und Scur, die neuen Tatbestände § 299 a und
299 b StGB, PFB (Praxis Freiberufler – Beratung) Seite
327.
Folgende Punkte werden zum Gesamtkomplex in der
Literatur genannt:
 „unlautere Bevorzugung“ im Sinne des § 299 b
StGB: Eine Bevorzugung ist unlauter, wenn sie
geeignet ist, Mitbewerber durch die Umgehung der
Regelungen
des
Wettbewerbs
und
durch
Ausschaltung der Konkurrenz zu schädigen (Fischer,
StGB, 62. Auflage, § 299, Rd-Ziffer 16
 Vorteil im Sinne des § 299 b bedeutet jede
Zuwendung, auf die der Täter keinen
Rechtsanspruch hat und die seine wirtschaftliche,
rechtliche oder persönliche Lage objektiv
verbessert. Es werden sowohl materielle als auch
immaterielle
Zuwendungen
erfasst.
Ohne
Bedeutung ist, ob es sich um einen Vorteil für den
Täter oder einen Dritten handelt.
Beispiele: Einladung zu Kongressen, die Übernahme
der Kosten von Fortbildungsveranstaltungen oder die
Einräumung von Vermögens- oder Gewinnbeteiligung.
 Eine Geringwertigkeits- oder Bagatellgrenze gibt
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es nicht. Nur sozialadäquate Zuwendungen, denen
die objektive Eignung fehlt, konkrete heilberufliche
Entscheidungen zu beeinflussen, fallen nicht unter
die Vorteilsdefinition (z. B. geringfügige und
allgemein übliche Werbegeschenke oder kleinere
Geschenke von Patienten).
Nicht sozial adäquat sind Vorteile, deren Annahme
den Eindruck erwecken, dass die Unabhängigkeit der
ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird, und die
damit bereits berufsrechtlich unzulässig sind. Als
Orientierung, wo die Grenze sozialadäquater
Zuwendungen der Höhe nach zu ziehen ist, kann ggf.
die steuerliche Festlegung des Geschenks von
geringem Wert bei 35,00 Euro herangezogen werden.
 „Als Gegenleistung für eine Pflichtverletzung“
Das bloße Annehmen eines Vorteils ist zur
Tatbestandsverwirklichung nicht ausreichend. Der
Täter muss den Vorteil vielmehr fordern, sich
versprechen lassen oder annehmen als Gegenleistung
für eine zumindest intendierte unlautere
Bevorzugung
im
Wettbewerb.
Der
Unrechtsvereinbarung
kommt
damit
eine
erhebliche Funktion innerhalb der Abgrenzung von
strafbarem zu nicht strafbarem Verhalten zu. Es geht
um die Frage, ob die Zuwendung gerade für die
Vornahme der Pflichtverletzung erfolgt ist oder aus
anderen Gründen.
Beispiel: Mietkostenzuschuss vom Apotheker an den
Arzt, damit dieser im Geschoss über ihm einzieht
bzw. mit seiner Praxis verbleibt, wenn die Zahlung
nicht für eine Patientenzuweisung, sondern
ausschließlich für das Verbleiben an dem bestimmten
Ort erfolgt.
 Skonti und Rabatte: Die Kosten für die
zahntechnischen Leistungen sind Aufwendungen des
Zahnarztes gemäß § 670 BGB. Der Zahnarzt hat
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Anspruch auf Ersatz der tatsächlich entstandenen
angemessenen Auslagen. Nach § 10 Absatz 2 GOZ
muss die Rechnung in Bezug auf zahntechnische
Materialen die Art, den Umfang und die Ausführung
der einzelnen Leistungen und deren Preise enthalten.
In Bezug auf die direkt zurechenbaren Materialien
und deren Preise müssen insbesondere die
Bezeichnung, das Gewicht und der Tagespreis der
verwendeten Legierung angegeben werden.
Das bedeutet, dass Rabatte unter diesen
Voraussetzungen beim Einkauf von Goldlegierungen nicht an Patienten weitergereicht
werden müssen. Bei Rechnungslegung gilt der
Preis vom Verarbeitungstag.
Skonto- und Barzahlungsnachlass: Das Skonto ist
eine Vereinbarung zwischen einem Unternehmen
und seinem Kunden, die es dem Kunden erlaubt,
einen definierten Prozentsatz vom Rechnungsbetrag
abzuziehen, wenn er innerhalb einer bestimmten Frist
bezahlt. Der Einbehalt eines vereinbarten Skontos
von maximal 3 % - z. B. bei vorzeitiger Zahlung
einer Monatsrechnung vom Fremdlabor – ist
zulässig.
 Unzulässig: Für die Überweisung von Patienten
durch einen Vertragszahnarzt durch einen MKGChirurgen wird eine Geldprämie vereinbart oder:
Zwischen dem Vertragszahnarzt und dem
Oralchirurgen wird abgesprochen, dass der
Vertragszahnarzt für den Fall der Überweisung von
Patienten an den Oralchirurgen das Ferienhaus des
Oralchirurgen kostenlos nutzen darf.
Unzulässig: Ein niedergelassener Zahnarzt erhält für
den Bezug von 10 Implantaten zum Preis von jeweils
600,00 Euro zwei weitere Implantate kostenlos als
„Draufgabe“, was auf 12 Implantate gerechnet einen
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Preisnachlass von jeweils 100,00 Euro entspricht.
Unzulässig: Für den Bezug von 50 Implantaten zum
Preis von jeweils 600,00 Euro wird dem Zahnarzt
vom Hersteller die Möglichkeit eingeräumt, einen
Intraoral-Scanner zum regulären Preis von 25.000,00
Euro mit 20 % Rabatt zu beziehen. Im Rahmen der
Abrechnung veranschlagt der Zahnarzt die
Implantate jeweils mit dem regulären Einkaufspreis
von 600,00 Euro.
Zulässig hingegen: Der 20 % Rabatt auf den
Intraoral-Scanner wird losgelöst vom Implantatbezug
und im Rahmen einer „Sonderangebotswoche“ für
alle Kunden zur Markteinführung des Gerätes
gewährt.
Unzulässig: Weitergabe von Zahnersatz zu BEL-IIPreisen, obwohl vom ausländischen Dentallabor ein
günstigerer Preis berechnet wurde.
 Ggf. unzulässig: Sehr lange Zahlungsziele, die der
Zahntechniker einräumt. Hier kommt es auf den
wirtschaftlichen Vorteil an.
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Kündigung im „Kleinbetrieb“
Basisinformation
Zum Merken und Lernen
Dr. R. Ausflug arbeitet seit 27 Jahren mit seiner
Haupthelferin, und seiner Ehefrau als Auszubildende
zusammen. Daneben gibt es eine weitere Helferin, die
ursprünglich einen Mini-Job in der Zahnarztpraxis
ausgeübt hat. Weil sie davon nicht leben konnte, bat sie
ihren Chef, eine Vollzeitstelle zu bekommen, was dann
auch geschah. Leider ging das Patientenaufkommen in
der Folgezeit zurück. Weil diese Helferin nicht bereit
war, wieder einen Mini-Job auszuüben, wurde ihr
gekündigt, und per Stellenanzeige eine neue Helferin auf
Mini-Job-Basis gesucht.
Grundsätzlich findet das Kündigungsschutzgesetz in
sogenannten Kleinbetrieben (bis zu 10 Mitarbeitern)
keine Anwendung.
Die gekündigte Helferin klagt vor dem Arbeitsgericht.
Dort trägt sie vor, die Kündigung sei in Wirklichkeit auf
einen Streit zwischen ihr und der Ehefrau des Zahnarztes
zurückzuführen.
Dort
habe
es
heftigste
Auseinandersetzungen gegeben.
Das
BAG
hat
diese
Maßstäbe
in
einer
Grundsatzentscheidung (Urteil vom 21.02.2001)
aufgegriffen. Sittenwidrig und daher verboten sei eine
Kündigung in besonders krassen Fällen. Das kann der
Fall sein, wenn die Kündigung auf einem verwerflichen
Motiv des Kündigenden beruht oder wenn sie aus
anderen Gründen dem Anstandsgefühl aller billig und
gerecht Denkenden widerspricht . . .
Was wird das Arbeitsgericht sagen?
Eigene Notizen
Wenig
bekannt
ist
aber,
dass
das
Bundesverfassungsgericht einen verfassungsrechtlich
gebotenen Mindestschutz des Arbeitsplatzes vor Verlust
durch private Dispositionen kreiert hat. Aufgrund dieser
Rechtsprechung werden Arbeitnehmer vor willkürlichen
oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen
geschützt.
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