Region stuttgart aktuell Infomagazin des Verbands Region Stuttgart 3 | 2016 Entrümpeln, investieren, bauen Eine Jahrhundertchance? Grenzenlos mit Glasfaser Bezahlbarer Wohnraum für die Region Meinungsbild zur Internationalen Bauausstellung (IBA) Interview mit Professor Dr. Jürgen Anders Daten und Fakten zur Region Stuttgart Hätten Sie gewusst, dass ... … die Zahl der Übernachtungen in der Region seit 2009 steil nach oben steigt? … 2015 fast 8,5 Millionen Übernachtungen in der Region Stuttgart gezählt wurden? … 27 Prozent der Übernachtungsgäste aus dem Ausland kommen? … in der Region in knapp 850 Hotels, Pensionen oder Hostels insgesamt rund 54.500 Betten zur Verfügung stehen? …d ie durchschnittliche Auslastung der Übernachtungsbetriebe von 33 Prozent im Jahr 2009 auf gut 44 Prozent im Jahr 2015 gestiegen ist? Anzahl der Übernachtungen in der Region Stuttgart Übernachtungen insgesamt Übernachtungen von Gästen aus dem Ausland 9.000.000 8.000.000 7.000.000 6.000.000 5.000.000 4.000.000 3.000.000 2.000.000 1.000.000 0 2004 2005 2006 2007 2008 © Verband Region Stuttgart 2016, Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg. 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 © VRS / F. Eppler Inhaltsverzeichnis Autonomes Reallabor Liebe Leserinnen und Leser, Regionalplanung 08 Die soziale Dimension des Wohnens. Veranstaltung in der Reihe „Ethik in der Region“ wann können wir in der Region Stuttgart mit Fahrzeugen nicht nur autonom parken, sondern auch fahren? Wann wird in der Logistik die Chance des autonom gesteuerten Betriebs aufgenommen – lautlos und elektrisch? Das Testfeld Baden-Württemberg wurde jüngst vom Verkehrsministerium vergeben – nach Karlsruhe, Bruchsal und Heilbronn, in einem zweiten Schritt werden auch Ludwigsburg und Stuttgart mit ihren Versuchsfeldern eingebunden. Forschung und Entwicklung finden selbstverständlich hier in der Region des Automobils statt. Unsere Region ist wie geschaffen für den Praxistest zwischen Forschungslabor und dem realen Einsatz, den wir im Visier haben. Wir planen die regionale Breitbandversorgung entlang der Haupttransversalen von Straßen und Schienen. (Interview mit Professor Dr. Jürgen Anders auf Seite 18). Ziel ist eine lückenlose Versorgung mit hoher digitaler Bandbreite – die Voraussetzung schlechthin für autonomes Fahren im Alltag. 10 Entrümpeln, investieren, bauen. Hürdenlauf zu mehr bezahlbarem Wohnraum Aktuelles 13 Relex rollt regional. Vertrag zum Expressbus geschlossen Fraktionsumfrage 14 Eine Jahrhundertchance? Ein Meinungsbild aus der Regionalversammlung zur Internationalen Bauausstellung (IBA) Wirtschaft 18 Die Glasfaser setzt uns keine Grenzen. Professor Dr. Jürgen Anders über den Breitbandausbau Der Flughafen könnte als der Verkehrshub der Zukunft autonom angefahren werden, denkbar als Shuttle von Stuttgart und Ludwigsburg aus, mit Verlängerung zum Testfeld Karlsruhe. Bleiben wir also dran, die Region für den praktischen Einsatz der Zukunftstechnologie vorzubereiten. In zehn Jahren werden mit hochmoderner Infrastruktur und 5-G-Richtantennen Schienen und Straßen angebunden sein. So können wir von allen Möglichkeiten autonomen Fahrens profitieren. Ihre Dr. Nicola Schelling, Regionaldirektorin Kommune im Profil 20 Vier prägende Persönlichkeiten. Stadtporträt Nürtingen 22 „Wir sind Pioniere der Bürgerbeteiligung“ Oberbürgermeister Otmar Heirich im Interview rubriken 04 Kurz notiert 23 Termine & Veranstaltungen 23 Impressum 3 / 2016 Region Stuttgart Aktuell 3 Göpfert neuer Leiter des Europabüros Marcus Göpfert ist neuer Leiter des Europabüros der Region Stuttgart in Brüssel. Der 38-jährige Diplom-Betriebswirt kennt das politische Zentrum der EU aus mehrjähriger Brüssel-Erfahrung: Seit 2012 arbeitete er dort für die EnBW Energie Baden-Württemberg als Manager European Affairs. Zuvor war Göpfert bei der EnBW in Karlsruhe unter anderem im Bereich Energiepolitik tätig. Dr. Walter Rogg, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS), will vor allem auf die Erfahrungen von Marcus Göpfert als Mann aus der Wirtschaft bauen: „Wir werden uns auch künftig in Technologie- und Kooperationsprojekten mit anderen europäischen Regionen austauschen. Mit seiner Berufserfahrung und seinem Netzwerk in Brüssel hat Herr Göpfert beste Voraussetzungen, um dafür geeignete Programme zu identifizieren und die Region Stuttgart als attraktiven Projektpartner zu positionieren“, so Rogg weiter. Die Regionaldirektorin Dr. Nicola Schelling verspricht sich von Marcus Göpfert Unterstützung beim„Agenda-Setting“. „Es geht darum, die Interessen und Positionen von Ballungsräumen in die Willensbildung europäischer Institutionen einzubringen.“ Diese Aspekte würden immer stärker bei der Ausgestaltung europäischer Politik berücksichtigt. „Die Region Stuttgart hat hier eine wichtige Vorbildfunktion wie auch die Bereitschaft, sich gestaltend einzubringen. Herr Göpfert verfügt dafür über vielversprechende Erfahrungen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.“» pm / WRS Ein regionales Urgestein „Für Ihren langjährigen Einsatz, auch für die Region Stuttgart, möchten wir Ihnen danken. Sie haben die Region entscheidend vorangebracht und weiterentwickelt.“ Mit diesen Worten würdigte die Spitze des Verbands Region Stuttgart Walter Hirrlinger anlässlich dessen 90. Geburtstags. Er hatte zahlreiche p olitische Ämter in der Kommunal- und der Landespolitik inne, unter anderem als Minister für Arbeit und Soziales in der Großen Koalition unter Ministerpräsident Hans Filbinger. Vielfältiges Engagement 20 Jahre lang, von 1974 bis 1994, war Walter Hirrlinger Vorsitzender des Regionalverbands Mittlerer Neckar beziehungsweise des Regionalverbands Stuttgart, den Vorläufer-Organisationen des Verbands Region Stuttgart. „Ihr vielfältiges Engagement in der Politik und für die Gesellschaft war herausragend. Auch die Region Stuttgart konnte umfangreich davon profitieren, in dieser Zeit wurden unter anderem die Weichen für die Entstehung des Verbands Region Stuttgart gestellt und seine Errichtung vorbereitet“, heißt es in dem Glückwunschschreiben weiter, das der Verbandsvorsitzende Thomas S. Bopp und Planungsdirektor Thomas Kiwitt als Stellvertreter der Regionaldirektorin unterzeichneten. » hö / la 4 Region Stuttgart Aktuell 3 / 2016 Landschaft, Erlebnis, Weg Von wegen, „wer rastet, der rostet“ – die illustre Gästeschar ließ es sich bei der Eröffnung des Landschaftserleb niswegs Backnanger Bucht nicht nehmen, die gemütlichen Sitzbänke zu testen. Wald, Felder und Streuobstwiesen – eingebettet in eine reizvolle Halbhöhenlage, dafür steht der Landschaftserlebnisweg. Er verbindet auf einer Gesamtlänge von 85 Kilometern herrliche Ausblicke, Wissenswertes zum Obstbau und die beteiligten Orte: Backnang, Allmersbach im Tal, Weissach im Tal, Auenwald, Oppenweiler, Affalterbach, Aspach, Kirchberg und Burgstetten. Von einer „Gemeinschaftsleistung, auf die die Städte und Gemeinden stolz sein können“, sprach Regionaldirektorin Dr. Nicola Schelling bei der Eröffnung. Rechtzeitig zur Rad- und Wandersaison sei eines der großen Gemeinschafts projekte aus dem Masterplan Murr- / Bottwartal an den Start gegangen. Der Verband Region Stuttgart habe sich nicht nur bei der Arbeit am Masterplan eingebracht, sondern das Projekt finanziell gefördert, hob Dr. Schelling hervor: In zwei Etappen gab’s insgesamt 225.000 Euro aus dem Förderprogramm Landschaftspark Region Stuttgart. Das Murr- / Bottwartal sei außerdem Vor reiter der „wohnmobilfreundlichen Region“. Dieser Aufbau eines Netzes an Wohnmobilstellplätzen werde vom Verband Region Stuttgart ebenso unter stützt wie das Schwäbische Most viertel. » la © Stadt Backnang / Schimke © privat Kurz notiert Kurz notiert Die Hochschulen in der Region Stuttgart wollen sich an der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2027 beteiligen. Das hat der Vorstand der Hochschulund Wissenschaftsregion Stuttgart beschlossen, sagte der Vorsitzende des Vereins und Rektor der Uni Stuttgart Professor Dr.-Ing. Wolfram Ressel kürzlich im Wirtschaftsausschuss. Anlass war ein Rückblick auf die Arbeit des Vereins während der letzten zwei Jahre. Wie die IBA-Beteiligung konkret aussieht, bleibe abzuwarten, bis die möglichen Schwerpunktthemen gesetzt seien. Denkbar seien Ringvorlesungen oder ein Studium generale. Die Resonanz im In- und Ausland auf die öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten des Vereins sei durchaus positiv, so Professor Dr.-Ing. Ressel weiter. Über eine rege Messepräsenz seien viele Kontakte zu potenziellen Studierenden entstanden, auch in der Türkei. Dort beteiligte sich der Verein an der Messe deutschsprachiger Universitäten und Hochschulen, die in Kooperation mit dem Goethe-Institut stattfand. Die Region sei auch stark in vom Wissenschaftsministerium geförderten Reallaboren vertreten. Dort arbeiten Städte und Hochschulen bei Zukunftsthemen zusammen. Perspektivisch sei daran gedacht, Portale für Studienberatung, Weiterbildung und Unternehmen einzurichten. „Wir sind erfolgreich, aber wir müssen diesen Weg weitergehen, um noch erfolgreicher zu werden“, so das Fazit von Professor Dr.-Ing. Ressel. Er bedankte sich für die Unterstützung der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS). Insgesamt zählt der Zusammenschluss 26 Mitglieder, davon 16 Hochschulen sowie Städte aus der Region und der Verband Region Stuttgart. Hauptziele sind die bessere Vernetzung nach innen und eine stärkere Wahrnehmung des Hochschul- und Wissenschaftsstandorts Region Stuttgart nach außen. » la © DB AG / G. Stoppel Erfolgreich und gut vernetzt Bunte Streifen zur Beschleunigung Um eine bessere Verteilung der Fahrgäste über die gesamte Länge des S‑Bahnsteigs zu erreichen, weisen ab sofort in der Haltestelle Hauptbahnhof (tief) grüne und orange Streifen an den Wänden der Station auf die Haltebereiche von Kurz- und Vollzügen hin. „Mit den farbigen Markierungen haben die Fahrgäste eine klare Orientierung, in welchem Abschnitt des Bahnsteigs eine S‑Bahn hält. Wenn dann alle Türen entlang der S-Bahnen genutzt werden, funktioniert der Fahrgastwechsel reibungsloser und schneller“, so Dr. Rothenstein, Sprecher der Geschäftsführung der S-Bahn Stuttgart. Auf den Fahrgast-Informationstafeln wird angezeigt, in welchem Farbbereich die nächste S-Bahn hält. Auch Ansagen weisen darauf hin. Die Markierung der weiteren Stationen zwischen Stadtmitte und Schwabstraße ist in Planung. » DB / pm Beitrag für höhere Pünktlichkeit Die zehn neuen S-Bahn-Fahrzeuge, die der Verband Region Stuttgart mit über 80 Millionen Euro finanziert, werden in der zweiten Jahreshälfte spürbare Verbesserungen bringen. Mehr Komfort „Mit längeren Zügen und überschlagenen Wenden leisten wir einen wichtigen Beitrag zu größerem Komfort und höherer Kapazität“, hat Dr. Jürgen Wurmthaler im Verkehrsausschuss angekündigt. Die ersten Züge wurden vertragsgemäß im Juli ausgeliefert. Sie werden schrittweise eingesetzt. Im Endzustand wird es in den Zügen der S-Bahn-Linien S 1, S 2 und S 3 in den Hauptverkehrszeiten morgens und abends ein Plus von 3.300 Sitzplätzen geben. Die zusätzlichen Betriebskosten werden sich ab 2017 auf knapp 300.000 Euro jährlich belaufen. Um zeitliche Puffer im Fahrplan zu schaffen und damit die Pünktlichkeit der S-Bahn zu erhöhen, soll an den Endhaltestellen in Schorndorf, Filderstadt und Stuttgart-Vaihingen je eine zusätzliche Fahrzeug-Garnitur zum Einsatz kommen. Durch entspanntere Zeiten beim Wenden sollen mögliche Folgeverspätungen im Netz vermieden oder abgebaut werden. Auch dafür werden die neuen Fahrzeuge eingesetzt. » la 3 / 2016 Region Stuttgart Aktuell 5 Kurz notiert Alltagstauglich In der Prälatur Stuttgart und somit auch in der evangelischen Leitung des Dialogforums der Kirchen in der Region Stuttgart gibt es eine personelle Veränderung: Prälat Ulrich Mack geht Ende September nach zehn Jahren Amtszeit in den Ruhestand. Feierlich verabschiedet wird er bei einem Sonntagsgottesdienst am 18. September in der Stuttgarter Stiftskirche. Jahrelang pflegte er im Dialogforum den Austausch mit der katholischen Kirche und dem Verband Region Stuttgart. Zentrales Anliegen war ihm dabei eine starke Rolle der Kirche in der Wirtschaftsregion Stuttgart. Zuletzt thematisierte das Dialogforum ethische Aspekte zum Thema „Wohnen“ (siehe auch Seite 8). „Elektromobilität funktioniert im Alltag“, sagte Regionaldirektorin Dr. Nicola Schelling bei der Präsentation der Fahrzeugflotte des Vereins Ökostadt Renningen e. V. in Weil der Stadt. Der wohl kleinste Carsharing-Anbieter in der Region habe seine Flotte nach und nach zu einem Drittel elektrifiziert. Die Elektromobilität sei also Standard für alle derzeit 500 Nutzer und nicht etwa einem exklusiven Kreis vorbehalten, lobte sie. Der Verband Region Stuttgart hat acht der insgesamt 22 Fahrzeuge sowie fünf Ladesäulen aus seinem Programm „Modellregion für nachhaltige Mobilität“ mit rund 110.000 Euro gefördert. Beispielgebend sei, mit wie viel Motivation und Herzblut die Carsharing-Vereine arbeiten. Gerade bei kürzeren Strecken passen Carsharing und E-Mobilität bestens zusammen, betonten der Vorsitzende des Vereins Ökostadt Renningen, Jochen Breutner-Menschick, und Jürgen Raimann, Vereinsvorsitzender der Weiler Carsharing-Gruppe. Die Erste Beigeordnete von Weil der Stadt, Susanne Widmaier, verwies darauf, dass ein Carsharing-Auto sechs bis zehn Autos ersetze. » la © Christian Hass Prälat Mack in Ruhestand Pfarrerin Gabriele Arnold ist als Nachfolgerin für die Prälatur Stuttgart gewählt worden. Sie wird ihr Amt voraussichtlich Ende des Jahres antreten. » hö © VRS / Ch. Hass Regionaldirektorin Dr. Nicola Schelling die Gastrednerin Uta-Micaela Dürig ein, Geschäftsführerin der Robert Bosch Stiftung GmbH. Vor deren Wechsel zur Robert Bosch Stiftung hatte sie gut zehn Jahre lang die weltweite Kommunikation der Robert Bosch GmbH geleitet. Offenheit und Zuhören Zwischen Schlossgarten und Rosensteinviertel, dem „Zentrum der Stadtentwicklung Stuttgarts“, begrüßte der Verbandsvorsitzende Thomas S. Bopp im Juli an die 300 Gäste zum Sommerempfang der Region Stuttgart. „Die Region Stuttgart profitiert bis heute von der Weitsicht eines Robert Bosch, eines großen Unternehmers und Humanisten“, führte 6 Region Stuttgart Aktuell 3 / 2016 „Die derzeitigen Herausforderungen sind nur gemeinsam anzugehen und mit gebündelten Kräften bewältigbar“, sagte Uta-Micaela Dürig. Sie konkretisierte diese Aussage an den drei Themen Europa, der Integration von Flüchtlingen und dem Zusammenhalt in der Gesellschaft. Dabei sei Interdisziplinarität ebenso gefordert wie der Konsens in wichtigen Lebensfragen und last, not least: „Es braucht wieder eine positive, nachhaltige Belebung der Wertegemeinschaft und Friedensidee Europa“ – ganz im Sinne von Robert Bosch. Dafür seien Offenheit und das Zuhören unerlässlich, so Dürig. Wirtschaftsförderer Dr. Walter Rogg leitete nach den Ausführungen von Uta-Micaela Dürig zum gemütlichen Teil über – mit kühlenden Getränken und Grillspezialitäten. » la In Amt und Würden Seit der letzten Ausgabe gab es folgende Landrats- sowie Ober- und Bürgermeisterwahlen. Neu gewählt Kohlberg: Rainer Taigel Salach: Julian Stipp Winterbach: Sven Müller Wiedergewählt Affalterbach: Steffen Döttinger Dürnau: Markus Wagner Freiberg am Neckar: Dirk Schaible Hohenstadt: Günter Riebort Landkreis Böblingen: Roland Bernhard Landkreis Esslingen: Heinz Eininger Herzlichen Glückwunsch allen Gewählten, ebenso dem neuen Regierungspräsidenten des Regierungspräsidiums Stuttgart, Wolfgang Reimer. Stand: 18. Juli 2016 © WRS Kurz notiert Ein regionaler Plan für Schnellladung „Wir möchten die Vorreiterrolle der Region Stuttgart bei der Elektromobilität weiter ausbauen. Mit dem Förderbescheid des Bundes gehen wir einen weiteren Schritt in Richtung Alltagstauglichkeit von Elektromobilität“, freute sich Regionaldirektorin Dr. Nicola Schelling über einen Zuschuss des Bundesverkehrsministeriums von rund 70.000 Euro für ein Standortkonzept für Schnellladeinfrastruktur des Verbands Region Stuttgart. Die Gesamtkosten werden bei vermutlich 90.000 Euro liegen. Holger Haas, Leiter des Geschäftsbereichs Standortentwicklung I der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) nahm die Förderzusage aus den Händen von Verkehrsminister Alexander Dobrindt entgegen. „Elektromobilität braucht verlässliche und schnelle Lademöglichkeiten. Hier setzen wir mit unserer regionsweiten Planung an“, sagt Dr. Schelling. So sollen die besten Standorte für Schnellladestationen identifiziert werden, die zwei Voraussetzungen erfüllen: Zum einen sollen sie innerhalb der Region gut platziert sein. Zum anderen soll die Ladezeit gewinnbringend genutzt werden können. Das alles unter Berücksichtigung von Verkehrsströmen, vorhandener Ladeinfrastruktur, Nutzerstudien sowie Mobilitätskonzepten und der Elektrofahrzeugdichte. Die Untersuchung baut auf vorhandene Erkenntnisse aus bisherigen Modellprojekten zur Elektromobilität auf, die die WRS federführend betreut. Die Ergebnisse, die bis Ende 2016 vorliegen sollen, werden Städten, Stadtwerken, potenziellen Investoren und weiteren Interessenten zur Verfügung gestellt. „Mit dieser koordinierten regionalen Betrachtung verbessern wir die Planungssicherheit für Investoren und können wertvolle Anstöße geben“, ist Dr. Schelling überzeugt. Künftige Geschäftsmodelle, zum Beispiel von Taxiunternehmen und CarsharingAnbietern, basieren auf dieser schnellen Technik. Private Kaufentscheidungen werden maßgeblich von der Verfügbarkeit von Ladestationen abhängen. » la A R TE . K R E D F ABO AU UNTERWEGS. ER BEQUEM GO! a rd . polygoC viel. Die kann o.de mypolyg vvs.de 3 / 2016 Region Stuttgart Aktuell 7 Regionalplanung Die soziale Dimension des Wohnens Die Kirchen fragen nach: Wie wollen wir wohnen? Wie kann ausreichend bezahlbarer Wohnraum bereitgestellt werden? Und kann man Arbeiten und Wohnen besser zusammenbringen? In seiner Reihe „Ethik in der Region“ nahm das Dialogforum der Kirchen soziale und ethische Aspekte zum Wohnen in der Region Stuttgart in den Blick. Rund 70 Menschen tauschten sich im Juni mit Experten über die gesellschaftlichen Herausforderungen des Wohnens aus, darunter zahlreiche Vertreter der Regionalversammlung, von den Kirchen, aus den Kommunen der Region Stuttgart und aus der Immobilienwirtschaft. die Geschichte von Kain und Abel als Konflikt zwischen Sesshaften und Nomaden auf heute – zwischen denen, die sich eine Wohnung leisten können, und jenen, die lange wohnungssuchend sind. „Gott gibt jedem das Recht auf Raum zum Leben, aber auch Regeln für ein friedliches Miteinander.“ Es sei wichtig, über das bloße Wohnen hinaus soziale Gemeinschaften zu bilden und so Isolationen entgegenzuwirken. Zur Begrüßung forderte Regionaldekan Dr. Heiko Merkelbach, katholischer Leiter des Dialogforums, die Referenten und Gäste zum Querdenken auf. Der biblische Impuls von Prälat Ulrich Mack, evangelischer Leiter des Dialogforums, übertrug Soziale Durchmischung als Qualität begreifen Auch Hauptreferent Dr. Gerd Kuhn mahnte an, die soziale Durchmischung bei der Gestaltung von Wohnraum von Anfang an mitzudenken. Der Architektur- und Wohnsoziologe Expertenrunde sieht Wohnen 8 Die Region Stuttgart Aktuell 3 / 2016 als Grundrecht eines jeden Menschen © Foto: Dialogforum der Kirchen Text: Uta Hörmann Regionalplanung Bezahlbarer Wohnraum und Integration in der Praxis Die anschließende Diskussion moderierten Jutta Wiedmann und Romeo Edel, die gemeinsam die Geschäfte des Dialogforums führen. Neben Dr. Kuhn und Prälat Mack waren Experten aus den Bereichen Stadtplanung, Kommunalpolitik und aus der Bauwirtschaft gefragt. Beatrice Soltys, Baubürgermeisterin von Fellbach, sprach über die Herausforderungen einer mittelgroßen Kommune in direkter Nachbarschaft zu Stuttgart: Der freie Markt lässt auch dort die Wohnungspreise enorm steigen, Sozialwohnungen werden kaum geschaffen und gleichzeitig laufen Sozialbindungen im Bestand aus. Die hohen Mieten führen dazu, dass bereits Bürger aus der „Mitte der Gesellschaft“ für geförderten Wohnraum berechtigt werden. Rasch müsse genügend bezahlbarer Wohnraum entstehen: „Eine reine Innenverdichtung greift für den Bedarf zu kurz. Man muss darüber nachdenken, zusätzliche Flächen im Außenbereich zu erschließen.“ Es sei eine gesellschaftliche Aufgabe, Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen bereitzustellen. Fellbach erprobe mehrere Ansätze und Modelle für mehr bezahlbaren Wohnraum, sei es über Belegrechte und Wohnkonzeptionen, Ausschreibungen gemischter Quartiere oder sei es, dass die Kommune selbst als Bauträger aktiv wird. Wichtig sei es, einen Weg zu beschreiten, der für die Stadt auch finanzpolitisch nachhaltig sein kann. Soltys möchte daher vermeiden, „das Tafelsilber der Kommune“ zu veräußern. Sie sieht zudem Bund und Land in der Pflicht, geeignete Abschreibungs- und Förderprogramme aufzulegen. Wie soziale Integration in der Praxis umgesetzt werden kann, schilderte Jürgen Schilbach, Geschäftsführer des Siedlungswerkes, am Beispiel des Wohnquartiers St. Vinzenz Pallotti in Stuttgart-Birkach. Dort realisiert das überwiegend vom Bistum Rottenburg-Stuttgart getragene Unternehmen ein neues Viertel für alle Kreise der Gesellschaft. Wichtig sei es, von Anfang an Räume einzuplanen, wo Menschen zusammenkommen können. Wohnen und Arbeiten an einem Ort? Andreas Feldtkeller, Architekt und langjähriger Leiter des Tübinger Stadtsanierungsamtes, berichtete über Erfahrungen mit der Entwicklung der Tübinger Südstadt. Er kritisierte den stadtplanerischen Grundsatz, Wohnen und Arbeiten räumlich zu trennen. Dadurch legen die Menschen täglich große Wegstrecken zurück. Beispielsweise war ein badenwürttembergisches Kind im Jahr 2008 durchschnittlich 25 km am Tag unterwegs, oftmals von den Eltern gefahren. Feldtkeller sagte: „Wohnen und Arbeiten zusammenzubringen, wo möglich, spart Platz und sorgt für lebendige Viertel.“ Soltys verwies hierzu auf geltende Einschränkungen wie planungsrechtliche Vorgaben oder den Immissionsschutz. Schilbach gab zu bedenken, dass auch das Verbraucherverhalten – Stichwort Einkaufen auf der grünen Wiese – eine Trennung von Wohnen und Arbeiten faktisch fördere. Nach der Auffassung von Prälat Ulrich Mack sollten neue Quartiere dorfähnliche Strukturen und Orte für die Begegnung erhalten. Das fördere den Gemeinsinn, was nicht zuletzt auch dem sozialen Frieden diene. Angesichts des demografischen Wandels hält es Schilbach für unabdingbar, ausreichend barrierefreien Wohnraum zu schaffen. Regionaldekan Dr. Merkelbach resümierte, dass das Thema Wohnen eine Herausforderung darstellt, die sich auf die ganze Bandbreite der Gesellschaft auswirkt. Neue Ansätze, Konzepte und Visionen seien gefragt – für eine nachhaltige Entwicklung und für ein gutes Miteinander. « © Foto: Dialogforum der Kirchen von der Universität Stuttgart verdeutlichte, dass Neubauten derzeit vor allem im mittleren und oberen Preissegment entstehen. Die aktuellen Mietpreise in Stuttgart belegen bundesweit den dritten Platz, gleich hinter Frankfurt und München. Dr. Kuhn bedauerte den stetigen Rückgang von Sozialwohnungen trotz eines weiterhin hohen Bedarfs, gerade auch in der Region Stuttgart. Eine Folge könnte sein, dass Menschen mit geringerem Einkommen sowie größere Haushalte ins Umland abgedrängt werden. Angesichts der Entwicklung hin zu Single-Haushalten und einer immer „bunter“ werdenden Gesellschaft forderte Dr. Kuhn: „Eine gute soziale Durchmischung ist eine Qualität, die wir nicht preisgeben sollten.“ Großen Handlungsbedarf sieht er in der langfristigen Sicherung von bezahlbarem Wohnraum, beispielsweise durch städtische oder genossenschaftliche Bauträger. Dieser müsse jedoch gut integriert sein in bestehende Wohngebiete. Mit einem zu hohen Anteil von Sozialwohnungen in Neubauquartieren werden neue soziale Brennpunkte geschaffen, warnte er. Dr. Gerd Kuhn sieht das Thema Wohnen als breite gesellschaftliche Aufgabe 3 / 2016 Region Stuttgart Aktuell 9 Regionalplanung Entrümpeln, investieren, bauen Wie gelingt es, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen? Indem preiswerte Grundstücke bedarfsgerecht und kostengünstig bebaut werden. Das ist leichter gesagt als getan. Denn auf dem Weg zu mehr Wohnungen müssen zahlreiche Hürden gemeistert werden. Wie? Darüber haben sich Experten auf einer Fachtagung ausgetauscht. Text: Dorothee Lang „In Plänen kann niemand wohnen.“ Weitergedacht heißt diese Feststellung von Thomas S. Bopp, dem Vorsitzenden des Verbands Region Stuttgart: Aus Plänen müssen Wohnungen werden. Und genau darum ging es auf der Fachtagung „Wohnbauflächen mobilisieren“ des Verbands Region Stuttgart Anfang Juli. Es gibt dafür kein Patentrezept. Aber es gibt vielfältige Ansätze auf allen Ebenen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Experten der Immobilien- und Wohnungswirtschaft, Stadtplaner und Interessenvertreter haben ein „Rundumpaket geschnürt“, so Moderatorin Dagmar Lange. Die Lösungen reichen vom Entrümpeln der Baunormen über stärkere Investitionen in öffentlichen Wohnraum bis hin zu Verfahrensfragen bei der kommunalen Baulandumlegung oder dichtere Bauformen. Etwa 100 Teilnehmer, darunter Oberbürgermeister, Bürgermeister, Planer und Regionalpolitiker, erhielten interessante Impulse. » Wir wollen die beste Qualität zum günstigsten Preis verkaufen.« Frank Berlepp, Geschäftsführer LBBW Immobilien management GmbH „Diese Veranstaltung kann nur ein Beitrag gewesen sein, dem andere folgen werden“, zielte Regionaldirektorin Dr. Nicola Schelling auf weitere Diskussionen und Entscheidungen auch in den Gremien der Regionalversammlung ab (siehe Artikel auf Seite 12). Sie hob hervor: „Der Regionalplan für die Region Stuttgart ist auf Wachstum gerichtet und zeigt erhebliche Gestaltungsspielräume auf.“ Der Verband Region Stuttgart wolle Städte unterstützen, Wohnbauflächen, die sich nicht umsetzen lassen, an machbaren 10 Region Stuttgart Aktuell 3 / 2016 Standorten zu realisieren, sagte sie weiter. „Dabei bleiben das Wie und das Wo entscheidend.“ Eine internationale Bauausstellung (IBA) stelle „eine hervorragende Möglichkeit“ dar, innovative Ansätze für bezahlbaren Wohnraum zu realisieren. Wichtig sei es, dass alle an einem Strang ziehen. „Wir brauchen ein breites Bündnis der Akteure“, so Dr. Schelling. „Wir dürfen nicht alles zubauen“ Dass beim Thema Wohnraum alles mit allem zusammenhängt, machte der Vorsitzende des Verbands Region Stuttgart, Thomas S. Bopp, in seiner Begrüßung deutlich. Die Region Stuttgart brauche „qualifizierte Zuwanderung“. Fachkräfte wiederum bräuchten bezahlbaren Wohnraum. Siedlungs- » Wenn wir Entwicklungsmaßnahmen ergreifen, wird nicht gleich die Fahne mit Hammer und Sichel gehisst.« Hilmar von Lojewski, Leiter des Dezernats Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Verkehr des Deutschen Städtetags entwicklung und leistungsfähige Infrastruktur seien also eine Seite der gleichen Medaille. Doch, „wir dürfen nicht und wollen auch nicht alles zubauen“, ist er überzeugt. Die Strategie des Verbands Region Stuttgart sieht regionale Wohnbauschwerpunkte an den S-Bahn-Linien vor. Sie habe sich bewährt, gleichwohl gebe es noch Flächenreserven für um die 150.000 Menschen. Vorstellbar wäre es gegebenenfalls, „Karteileichen aus dem Regionalplan zu entfernen und neue Wohnbauschwerpunkte auszuweisen“. Es komme darauf an, „die Akzeptanz der Bevölkerung für den Bau von © VRS / W. Bächle Regionalplanung Wenn die Kräne stehen, sind die schwierigsten Hürden gemeistert zusätzlichem Wohnraum“ zu fördern. Dabei wolle die Region unterstützen. Vorschriften entrümpeln Wer bezahlbaren Wohnraum möchte, müsse günstige Grundstücke anbieten, führte Frank Berlepp, Geschäftsführer der LBBW Immobilienmanagement GmbH, aus. » Wohnraumförderung ist kein Auslaufmodell, sondern ein Zukunftsmodell.« Mathias Metzmacher, Referatsleiter Wohnen und Gesell schaft beim Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Als weiteren wesentlichen Kostentreiber machte er die im Laufe der Zeit verschärften Bauvorschriften und Normen aus. Hier besteht Entrümpelungsbedarf, erkannte auch Hilmar von Lojewski. Der Leiter des Dezernats Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Verkehr des Deutschen Städtetags sprach sich dafür aus, Standards zu überprüfen, um Baukosten zu senken. Der Stand der Technik dürfe nicht automatisch als Baunorm definiert werden. » Wenn Eigentümer nicht befürchten müssen, über den Tisch gezogen zu werden, steigt die Kooperationsbereitschaft.« Dr. Thomas Burmeister, Fachanwalt für Verwaltungsrecht aus Freiburg, plädiert für einen fairen Umgang zwischen Kommunen und Grundstücksbesitzern. Dass eine lange erhobene Forderung von Kommunen auf Bundesebene ankam, führte Mathias Metzmacher vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung aus. Er stellte das „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen des Bundes“ vor. Darin sei unter anderem die Forderung enthalten, die Gesetzgebung so zu ändern, dass die Ausweisung von Alternativflächen möglich werde. Damit könnte die Verhandlungsposition der Gemeinden gegenüber Grundstückseigentümern deutlich verbessert werden. Welche Hebel haben Städte und Gemeinden, um dafür zu sorgen, dass die Grundstücke auch wirklich bebaut werden? Fachanwalt Dr. Thomas Burmeister aus Freiburg zeigte Wege auf, bereits im Kaufvertrag eine Bauverpflichtung zu verankern. »Dicht darf nicht doof sein.« Wilhelm Natrup von der Baudirektion des Kantons Zürich zitierte eine Überschrift aus der Neuen Zürcher Zeitung In eine ähnliche Richtung geht der Vorschlag von Hilmar von Lojewski, das „schärfste Schwert“ des Baugesetzbuches zu ziehen, die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme. Sie enthält die Pflicht, Grundstücke zu bebauen. Darüber hinaus forderte er ein Verfallsdatum für Baugenehmigungen. Qualität auf kleinem Raum Sobald viele Menschen auf möglichst wenig Raum wohnen, sinken die Preise. Michael Wenderoth und Frank Schneider von ARP ArchitektenPartnerschaft Stuttgart zeigten anhand von Beispielen, dass auch 200 Menschen auf einem Hektar leben könnten, ohne Abstriche bei der Wohnqualität hinnehmen zu müssen. Wilhelm Natrup von der Baudirektion 3 / 2016 Region Stuttgart Aktuell 11 Regionalplanung des Kantons Zürich plädierte dafür, nicht nur auf die Einwohner pro Hektar (Nutzungsdichte) zu schauen, sondern auch die Zusammensetzung der Bevölkerung (soziale Dichte) und die verschiedenen Nutzungen (funktionale Dichte) im Auge zu behalten. Die Akzeptanz für Nachverdichtung sei angesichts der hohen Zufriedenheit mit der heutigen Situation gering, stellte er die Ergebnisse einer Befragung vor. Nachverdichtung solle vor allem im urbanen Raum stattfinden. Um die Akzeptanz zu erhöhen, müssten Qualität bewahrt und Defizite behoben werden, zum Beispiel Lärmreduktion, bessere Verkehrsanbindung oder niedrigere Wohnkosten. Einen neidischen Blick nach Zürich konnte sich Beatrice Soltys, Vizepräsidentin der Architektenkammer Baden-Württemberg, nicht verkneifen. Dort seien die Ziele bereits umgesetzt. Damit sei man einige Jahrzehnte voraus. Die Mischung macht’s, so könnte man das Beispiel » Unser Vorschlag ist: 65 Standorte mit 65 Wohneinheiten bis zum 65. Geburtstag des Landes Baden-Württemberg im Jahr 2017 zu realisieren.« Beatrice Soltys, Vizepräsidentin der Architektenkammer Baden-Württemberg der Stadt Konstanz zusammenfassen. Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn stellte das Handlungsprogramm Wohnen vor. Auf 44 Flächen fördert die Stadt Wohnungsbau. Dort sollen Menschen mit kleinem Geldbeutel, Senioren oder junge Menschen ebenso ein Zuhause finden wie Besserverdienende. Diese „Durchmischung“ sei in Konstanz gesetzt. « Aktion und Anreize Die Regionalversammlung beschließt ein Aktionsprogramm, um auf mehr bezahlbaren Wohnraum hinzuwirken. Text: Dorothee Lang „Der Verband Region Stuttgart kann weder Baurecht schaffen noch Wohnungen bauen“, sagte Regionaldirek torin Dr. Nicola Schelling. „Aber wir wollen alle uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen.“ Deshalb hat die Regionalversammlung ein Aktionsprogramm beschlossen. Es setzt zunächst auf Unterstützung, Anreize, Lobbying und Beratung. Die Region wird noch intensiver bei Städten und Gemein den darum werben, Planungsrecht zu erlassen. Sie unterstützt dabei, Flächenreserven in den großen Wohnbauschwerpunkten zu heben. Sie exerziert praktische Lösungsansätze beispielhaft durch. Und der Verband Region Stuttgart in formiert, welche Spielräume der Regionalplan bietet. Nach den regionalplanerischen Vorgaben muss der Zuzug von Einwohnern also auf die regionalen Wohnbauschwerpunkte gelenkt werden, die in S-Bahn-Nähe liegen. Damit lässt sich zusätzlicher Straßenverkehr vermeiden, so der Grundgedanke. Dort sollten vor allem mehrgeschossige Häuser entstehen. Der Regionalplan legt aber auch den Umfang an Wohnbauflächen für Kommunen fest. Danach dürfen die Wohnbauflächen in kleineren Gemeinden 12 Region Stuttgart Aktuell 3 / 2016 innerhalb von 15 Jahren um drei Prozent wachsen. In Städten und Gemeinden, die an der S-Bahn liegen, liegt der Zuwachs bei 4,5 Prozent. Laut Dr. Nicola Schelling gehöre es zur täglichen Arbeit, mit Kommunen über die Realisierung von Flächenreserven, speziell in regionalen Wohnungsbauschwerpunkten, zu sprechen. Diese informelle Abstimmung wird weiter laufen, sagte sie. „Sollten sich allerdings planerisch gesicherte Flächenausweisungen als dauerhaft nicht baulich nutzbar erweisen, werden geeignete Ersatzflächen zunächst in den Flächennutzungsplänen in Abstimmung mit der Gemeinde gesucht und ausgewiesen.“ In Einzelfällen könnte dies eine Änderung des Regionalplans nach sich ziehen, damit regionale Wohnungsbauschwerpunkte verlagert würden. Dieser Weg sei allerdings langwieriger. Über das formale Instrumentarium des Regionalplans hinaus sei es denkbar, ein Anreizsystem ins Leben zu rufen. Nach Dr. Schelling sei es vorstellbar, aus dem Co-Finanzierungsprogramm zum Landschaftspark Geld für die Aufwertung des Wohnumfelds einzusetzen – ohne dabei den Wettbewerbsgedanken bei der Förderung aufzugeben. « Aktuelles Relex rollt regional Der Verband Region Stuttgart und die Firma Schlienz-Tours GmbH & Co. KG aus Kernen schließen den Vertrag über den Betrieb der drei neuen regionalen Expressbuslinien. Text: Dorothee Lang „Die eigentliche Arbeit, um den Expressbus Relex auf die Straße zu bringen, beginnt jetzt.“ Das sagte Wirtschaftsdirektor Dr. Jürgen Wurmthaler aus gutem Grund bei der Vertragsunterzeichnung Ende Mai. Gemeinsam mit der Firma Schlienz, den Städten und Gemeinden sowie der VVS GmbH werden nun die Haltestellen eingerichtet, die Fahrplanauskünfte für die VVS-Medien erstellt sowie die Markeneinführung vorbereitet. Der Geschäftsführer von Schlienz-Tours, Erhard Kiesel, freut sich „ganz besonders, dass wir als mittelständisches Busunternehmen die Relex-Busse betreiben dürfen“, und hofft, „dass die erwarteten Fahrgastzahlen übertroffen werden“. Sein Unternehmen hat 13 nagelneue Busse der Marke Setra gekauft, die im einheitlichen, wiedererkennbaren Busdesign ab 11. Dezember neue Direktverbindungen schaffen. „Markenzeichen der neuen Expressbusse Relex ist ein hoher Qualitätsstandard auf neuen regionalen Tangentialstrecken“, machte Regionaldirektorin Dr. Schelling im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung deutlich. Sie verwies darauf, dass die Firma Schlienz zwar das wirtschaftlichste unter insgesamt acht Angeboten abgegeben habe, doch die Konkurrenz groß gewesen sei. „Wir freuen uns, dass sich ein traditionsreiches Unternehmen aus der Region Stuttgart in der europaweiten Ausschreibung durchgesetzt hat. Der regionale Expressbus bleibt im besten Sinne regional“, hatte sie formuliert. „Die regionalen Expressbusse bieten hohen Komfort zum VVS-Tarif“, betonte Dr. Wurmthaler. In den Bussen werde man kostenlos im Internet surfen können. Sie enthalten dynamische Fahrgastinformationen sowie Komfortsitze mit verstellbaren Lehnen. Ebenfalls an Bord: Klapptische, Leselampen an den Plätzen und USB-Steckdosen. „Hochwertige Ausstattung und hohe Beförderungsqualität sind uns als traditionsreichem Busunternehmen wichtig“, so Kiesel. Ihm liege nicht nur das Wohl der Fahrgäste, sondern auch der Busfahrer am Herzen. „Wie in der europaweiten Ausschreibung der Region gefordert, zahlen wir Tariflohn.“ « www.region-stuttgart.org/relex Die Haltestellen X 10: K irchheim (Teck), ZOB – Wendlingen, ZOB – Köngen, Kirchheimer Straße – Denkendorf, Neuhäuser Straße – Neuhausen (Fildern), Schlosserstraße – © VRS / Feuster Flughafen / Messe Ein erster Meilenstein ist geschafft. Dr. Jürgen Wurmthaler (links) und Erhard Kiesel bei der Vertragsunterzeichnung für den neuen X 20: Waiblingen, Bahnhof – Rommelshausen, Karlstraße – Stetten, Diakonie – Esslingen, Flandernstraße – Esslingen (Neckar), ZOB X 60: Leonberg, Bahnhof – Gerlingen, Schillerhöhe, Bosch – Stuttgart, Universität – Flughafen / Messe regionalen Expressbus Relex. 3 / 2016 Region Stuttgart Aktuell 13 Fraktionsumfrage Eine Jahrhundertchance? Dr. Joachim Pfeiffer MdB CDU Der Zukunft verpflichtet Das Selbstverständnis von Menschengenerationen spiegelt sich in der Architektur wider. Die Kompetenz, Fragestellungen des Zusammenlebens aufzugreifen und vorhandene Prob leme nachhaltig zu lösen, ist untrenn bar mit der Stadt- und Regionalplanung verbunden. Deswegen ist unsere Initiative für eine IBA in der Region Stuttgart knapp einhundert Jahre nach der Internationalen Bauausstellung in der Weissenhofsiedlung nicht eine historisierende Erinnerung – sondern eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung. Wir benötigen Antworten auf viele Fragen: Wie können die heutigen und die kommenden Generationen gut in unserer Region leben? Wie kann es uns gelingen, dass Leben, Wohnen und Arbeiten intelligent und ressourcenschonend verknüpft werden? 14 Region Stuttgart Aktuell 3 / 2016 Welche Wohnformen benötigt eine sich schnell verändernde Gesellschaft in Bezug auf den demografischen Wandel, den Erhalt unseres wirtschaft lichen Wohlstandes und die rasanten Veränderungen durch Migration? Wie vernetzen wir klug verschiedene Verkehrsträger, schützen gleichzeitig das Klima und sorgen für einen sparsamen Umgang mit Energie quellen? Unser ehemaliger Fraktionskollege und Stuttgarter Alt-OB Wolfgang Schuster hat bereits in den 1990er-Jahren e ine IBA für Stuttgart und die Region vorangetrieben. Deswegen erfreut es uns, dass sich sein Amtsnachfolger endlich in dessen Fußstapfen begibt und Stuttgart zum Motor für die IBA machen will. Die Städte und Gemeinden in unserer Region profitieren glei chermaßen von einer IBA: Sie wird zum Nukleus für Innovationen in der sich schnell wandelnden Landeshauptstadt, aber gerade auch für dezentralere Bereiche. Und schließlich gilt es der Welt z u z eigen, dass der international ausgezeichnete Ruf der Region Stuttgart als Heimat bedeutender Konstrukteure, Architekten und Planer seinen Widerhall auch bei uns finden wird. © Keyvisual des IBA-Plattformprozesses, WRS GmbH Ein Meinungsbild aus der Regionalversammlung zu einer Internationalen Bauausstellung (IBA) in der Region Stuttgart Fritz Kuhn Bündnis 90 / Grüne »Stuttgart hat Lust auf die IBA !« Die Region Stuttgart und die Landeshauptstadt haben sich auf den Weg zu einer Internationalen Bauausstellung (IBA) gemacht. Hundert Jahre nach der Ausstellung des Deutschen Werkbunds mit der Weissenhofsiedlung wollen wir ein sichtbares Zeichen für innovatives Bauen setzen. Stuttgart hat Lust auf die Internationale Bauausstellung im Jahr 2027! Während die Väter der Weissenhofsiedlung noch in der klassischen Aufteilung von Wohnen und Arbeiten gedacht und gebaut haben, stehen wir heute vor einer neuen Herausforderung. Denn heute wissen wir, diese Aufteilung ist nicht zukunftsfähig. Sie hat viele Probleme verursacht, zum Beispiel große Verkehrsströme. Wir wol len für moderne Menschen bauen, daher müssen wir die Lebensformen für moderne Menschen in einer IBA ausprobieren. Der Stuttgarter Fraktionsumfrage Beteiligungsprozess zum Rosensteinquartier könnte uns ein Beispiel geben, wie diese Lebensform aussehen könnte. Der Beteiligungsprozess soll einen breiten gesellschaftlichen Diskurs über die Zukunft des neuen Stadtteils ermöglichen. Wie wollen wir in Zukunft leben? Wie nutzen wir diese einmalige Chance der Stuttgarter Stadtentwicklung so nachhaltig, dass auch die späte ren Generationen davon profitieren? Dabei sollen Faktoren wie Nachhaltigkeit und die Entwicklung als Energieplus-Viertel, aber auch die soziale Durchmischung des neuen Viertels eine zentrale Rolle spielen. Am Ende des Prozesses werden wir eine Antwort darauf haben, ob das künftige Rosensteinquartier ein Baustein für eine Inter nationale Bauausstellung sein könnte. Stuttgart und die Region sind reich an Natur, Wirtschafts- und kultureller Anziehungskraft. Wir werden daher nicht irgendein IBA-Thema wählen können, sondern das für unsere Stadt und unsere Region richtige Thema finden müssen. Für mich kristallisiert sich zunehmend Vielfalt als Frage stellung einer IBA heraus. Wie ermöglichen wir Zusammenleben von Arm und Reich im Zentrum unserer Region? Eine kluge Antwort darauf wäre beispielgebend für die nächste Generation der Entwicklung von Stadtquartieren. Matthias Hahn SPD Den Fragen von morgen nachspüren „Nichts ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ Da wollen wir hin. Vom Begriff Internationale Bauausstellung (IBA) geht ein Verspre chen aus, das sich aus dem Strom des Alltäglichen abhebt, Neues aufgreift, exemplarisch sichtbar macht und als Tendenz und Vorbild in die Zukunft verlängert. Die Region ist dabei, den Fragen nachzuspüren, die im Jahr 2027 vorn a uf der Tagesordnung stehen. Dazu gehören unverändert die Wohnungsfrage, die Mobilität, das Thema der Qualität der öffentlichen Räume und der Umgang mit den energetischen Ressourcen. Bezahlbarer Wohnraum für breiteste Bevölkerungskreise bei hoher bau licher Qualität. In gemischten kompakten Quartieren mit auf die Bedarfe optimierten Wohnungsgrößen bei sorg fältig geplantem Wohnumfeld im öffentlichen Raum. Das stellt auch die Frage nach neuen Bautechniken, Energieeffizienz, Begrünung und erheb licher staatlicher Förderung. In der „neuen Mischung“ sollen auch Gründer und andere Dienstleister in die Wohnbereiche integrierte Orte erhalten. Das Thema Mobilität wird die Region 2027 unverändert bewegen. Der Übergang zwischen den Verkehrsträgern, insbesondere hin zu Bahnen (große Elektromobilität) und Bussen muss in einer neuen Qualität ent wickelt werden. Es bedarf einer gestaltungsstarken Intendantin oder eines Intendanten, die / der jenseits der klassischen Verwaltungsstrukturen den Fortgang der Ereignisse initiiert und lenkt, aber den Regisseuren vor Ort ausreichend Freiheit lässt. Die Chance für die Region ist, dass sie nach innen weiter zusammenwächst und sich nach außen als spannender Ort darstellt. Ob die Idee wirklich schon reif ist und ob wir ein zwingendes Motto finden, müssen die Monate bis zum Herbst des Jahres erweisen. Der Findungsvorgang ist sehr breit angelegt. Wir Sozialdemokraten unterstützen den Weg. Andreas Hesky Freie Wähler Viele Puzzlesteine für ein Bild Wir Freien Wähler unterstützen den Plan der neuen IBA von Anfang an. Warum? Weil die IBA eines der seltenen Projekte ist, das alle 179 Kom munen in der Region positiv verbinden kann. Alle können sich beteiligen mit individuellen Beiträgen, die wie Puzzle steine gemeinsam ein großes Bild ergeben. So werden regionales Bewusstsein und Identität geschaffen. Auch die Einbindung von Universitäten und Hochschulen wird die IBA zu einer breiten Bewegung machen. Nun gilt es, ein gemeinsames Thema für die IBA 2027 zu finden, das eint und nicht spaltet. Ebenso wichtig ist es, Begeisterung bei allen Akteuren zu wecken und sie zusammenzuführen, um sich gemeinsam auf den Weg zu machen. Sehr froh sind wir Freien Wähler darüber, dass sich auch die Stadt Stuttgart mit dem Gedanken der IBA anfreunden konnte. Die Bürger beteiligung für das Rosensteinviertel zeigt, dass qualitätsvolles Bauen und Bürgerbeteiligung keine Gegensätze, sondern miteinander vereinbar sind. Der Verband und die WRS, die im bisherigen Prozess gute Arbeit leistet, 3 / 2016 Region Stuttgart Aktuell 15 Fraktionsumfrage sollten moderierend und gestaltend mitwirken, denn es wird notwendig sein, bei der Ausweisung von Bau- und Gewerbegebieten sowie von Flächen für öffentliche Einrichtungen auch die Frage zu stellen, ob unsere bisherige Regionalplanung mit den Herausforderungen einer vernetzten und urbanen Lebensweise vereinbar ist und wie es gelingen kann, auch dem ländlichen Raum Entwicklungspotenziale zu geben, damit dieser auch weiterhin ein attraktiver Lebensraum bleibt. Eine IBA soll nicht nur kluge Architek tur hervorbringen, die zeigt, wie Mobi lität, Energieerzeugung, Wohnen, Arbeiten und Kommunikation vernetzt sind und wie wir gut in einer digitalen Welt leben, sondern auch eine vorausschauende Planung, die auf aktuelle Bedürfnisse reagieren kann ohne dogmatische Hürden, die noch aus ana logen Zeiten stammen. langjährigen Prozess, der sich mit Themen der Stadtgesellschaft und des ländlichen Raums befasst, ist ein provokantes Thema notwendig, das die Probleme erfasst und zuspitzt. Das Ermöglichen und Finden eines solchen Themas ist die nächste wichtige Aufgabe des Verbands Region Stuttgart und der WRS. Dieses Thema muss eine Schnitt stellenfunktion haben, um inhaltlich Technik mit Sozialwissenschaften zu verbinden, um Fachleute und Zivilgesellschaft zu animieren, an diesem Prozess teilzunehmen. Es geht also unter anderem um die Darstellung und Weiterentwicklung von Baukultur, um Kommunikation und Mobilität, um Energieverbrauch, um interkommunale Fragestellungen, aber auch um Nah versorgung und Möglichkeiten der Teil habe am kulturellen Leben, um soziale Vernetzung. Es geht gegen Spekula tionsspiralen, die das architektonische Erbe und das soziale Gefüge zerstören. Den „präventiven Wandel“ gestalten Die Region Stuttgart hat die Chance, eine Internationale Bauausstellung (IBA) des „präventiven Wandels“ auf die Beine zu stellen, unterstrich Dr. Walter Rogg bei der Auftaktveranstaltung zum Plattformprozess im Frühjahr. Im Gegensatz zu vielen bisherigen IBAs müsse hier keine akute Krise bewältigt werden, so der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) weiter. Die Voraussetzungen sind gut, gerade auch im Hinblick auf das symbolträchtige Datum 100 Jahre nach der Weissenhofsiedlung im Jahr 1927, stimmte Kunibert Wachten, Profes sor für Städtebau und Landesplanung an der RWTH Aachen zu. Als Mitglied im Expertenbeirat der Bundesregierung zur Zukunft der Inter nationalen Bauausstellung kennt er sich aus und empfiehlt, bei der Peter Rauscher Die Linke Themenfindung für eine mögliche IBA „auch unbequeme Wege zu ge hen“. Die Bereitschaft, eingetretene Pfade zu verlassen und ehrlich nach Schwachstellen in der Region Stuttgart zu fragen, sei notwendig. Nur dann ließen sich modellhafte Lösungen für die spezifischen Herausfor derungen finden. Einige zentrale Themen sind aus Sicht des Vorsitzenden IBA ohne Rosensteinviertel des Verbands Region Stuttgart Thomas S. Bopp die Flächenknappheit, neue Mobilitätskonzepte, aber auch eine „Smart City“ im regionalen Maßstab. Der IBA-Prozess in der Region hat begonnen. „Die IBA wandelten sich von Architektur- zu Bau-Kultur-Ausstel lungen“ (Memorandum). Ein IBA-Pro zess soll nicht nur Flächen bebauen, er muss Themen und Inhalte präsentieren und benennen sowie mögliche Lösungen aufzeigen. Unsere Fraktion hält es daher für falsch, S 21-Flächen und das sogenannte Rosensteinviertel in die IBA einzubringen. Dadurch wird auch die Teilnahme von wichtigen zivilgesellschaftlichen Gruppen erschwert oder verhindert. Für den 16 Region Stuttgart Aktuell 3 / 2016 Die WRS hatte diesen dreistufigen Plattformprozess angestoßen, der im Oktober mit einem IBA-Convent abgeschlossen werden soll. Bis dahin erarbeiten Vertreter von Städten, Landkreisen, aus der Wirtschaft und Wissenschaft sowie weitere Partner nun eine gemeinsame Vision und ein Motto für eine Internationale Bauausstellung. Auf der Grundlage eines interfraktionellen Antrags stellt der Verband Region Stuttgart der WRS 100.000 Euro aus dem laufenden Budget für die Organisation dieses IBAPlattformprozesses zur Verfügung. Weitere 200.000 Euro waren für die Gründung eines Projektbüros vorgesehen und werden nach Beschluss des Wirtschaftsausschusses nun ebenfalls für den Prozess eingesetzt. » la www.iba2027.region-stuttgart.de Fraktionsumfrage Es geht um das Fehlen kostengünstigen Wohnraums: Ghettoisierung und so ziale Segregation müssen kein Ergebnis der Stadtentwicklung sein – auch nicht in Zeiten intensiver Migration. Ein Fachtag über die Anwendbarkeit des „Cradle-to-Cradle“-Prinzips der Ökoeffektivität mit bestehenden Initia tiven und Aktivitäten kann ein guter Ausgangspunkt der Themenfindung sein, wie dies von der Verwaltung aufgrund unseres Antrags vorgeschla gen wurde. (WIV, 18.11.2015) Kai Buschmann FDP Auf dem Boden der Tatsachen „Schaffe, schaffe, Häusle baue“ – die Herkunft dieses Satzes ist ungewiss. Dass Theodor Heuss ihn 1957 auf dem siebten Weltkongress des interna tionalen Bausparerverbandes in Stuttgart geadelt hat, ist laut Dr. Paula Lutum-Lenger vom Haus der Geschichte gewiss. Und dass Ralf Bendix 1964 das Liedle als Schlager zum Hit machte, auch. „Schöner wohnen“ ist ein Urbedürfnis des Menschen und besser bauen ein Thema, das alle umtreibt. Womit eine IBA in der Region Sinn machen kann. Alle Fragen haben wir vor der Haustür: Wie den Traum der Menschen ver wirklichen, der vor allem bei Familienmenschen nach wie vor aus dem Wunsch nach Haus, Garten und genügend Freilauf für die Kinder besteht? Wie das mit dem Eigenschaftswort „bezahlbar“ verknüpfen, das heutzutage fast so inflationär verwendet wird wie „nachhaltig“? Der Einheimische baute schon immer nachhaltig, wie jahrhundertealte Fachwerkhäuser überall belegen. Er baute aber auch nach Geldbeutellage. Da spricht die Eigentümerquote von 30,1 Prozent in Stuttgart Bände. In der Region sind‘s 52,2 Prozent, nicht spitze, aber besser. Logisch, sagt der Einheimische, Häusle und Eigentumswohnungen, die in dieser Quote stecken, haben ihren Preis. Zumal, wenn das Bauland schon mal in Richtung 600 Euro plus X je Qua dratmeter marschiert. Das ist der Boden der Tatsachen, auf dem eine IBA stehen muss, wenn sie nicht abgehoben da herkommen will: Hunderttausende in der Region (96 Prozent der Mieter laut Interhyp) träumen vom eigenen Haus. Wie sich dieser Traum hier bei uns erfüllen lässt, ist die Antwort, die eine IBA liefern muss, damit die Millionen ausgabe Sinn macht. Wohnungsbau lebenswert und erstrebenswert, sprich menschengerecht, hat für uns Prioriät: Schaffe, schaffe, Häusle baue – kann auch 2027 der Hit sein. Vorausgesetzt, das IBA-Konzept überzeugt. Stephan Wunsch AfD Breite Akzeptanz notwendig Wikipedia bringt es auf den Punkt: Eine IBA als Instrument der Stadtplanung und des Städtebaus soll mit neuen Ideen und Projekten Impulse setzen für einen in der Region als erforderlich angesehenen städtebau lichen bzw. landschaftlichen Wandel. Die Region Stuttgart ist erfreulich attraktiv für gut für den Arbeitsmarkt qualifizierte Menschen aus dem Inund Ausland. Das daraus resultierende Bevölkerungswachstum erzwingt den erforderlichen Wandel und benennt zugleich die zentrale Zielvorgabe an die IBA: die ökologisch und infrastrukturell optimierte Integration sinnvoll verdich teter Wohnbebauung in den regiona len Schwerpunkten des Wohnungsbaus entlang der Entwicklungsachsen. Das erfordert, eine große Bandbreite an Ideen gut über die Region verteilt umzusetzen. Teure Leuchtturmpro jekte erscheinen kontraproduktiv. Diese Ausrichtung der IBA sicherzustellen, ist eine Hauptaufgabe des VRS. Die breite Akzeptanz der Projekte durch die Bürger ist fundamental für eine erfolgreiche IBA. Sie müssen deshalb während der gesamten Planungs- und Umsetzungszeit entscheidungsmaßgeblich eingebunden werden. Ulrich Deuschle Innovative Politik Innovationsschub ist möglich Die Internationale Bauausstellung ist ein interessantes Projekt, das zu einem Innovationsschub, zum Beispiel in Architektur und Bauwesen, Stadtplanung und Verkehrsinfrastruktur, füh ren kann. Der Verband Region Stuttgart hat mit der Beauftragung seiner Wirtschaftsfördergesellschaft (WRS) die ersten Weichen in diese Richtung gestellt. Die ersten Planungen und Projekte weisen darauf hin, dass die IBA für die Kernstadt Stuttgart und die anliegen den Kommunen infrastrukturelle Erfol ge bringen könnte. Die Frage eines Mehrwerts für die gesamte Region und auch konkret für Kommunen am Rande wie Alfdorf, Erkenbrechtsweiler oder Böhmenkirch ist aber noch zu klären. 3 / 2016 Region Stuttgart Aktuell 17 Wirtschaft „Die Glasfaser setzt uns keine Grenzen“ Professor Dr. Jürgen Anders von der Hochschule Furtwangen ist überzeugt: Der heutige Breitbandausbau bestimmt die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur mindestens für die nächsten 50 Jahre. Interview: Dorothee Lang Herr Professor Anders, Sie gelten als der Breitbandexperte in BadenWürttemberg. Sie reisen kreuz und quer durchs Land, um schnelles Internet auf den Weg zu bringen. Das klingt nach einer Mission. Professor Anders: Wir fühlen uns vonseiten der Hochschule durchaus berufen, zu schauen, wie sich die Digitalisierung oder die Industrie 4.0 entwickeln. Diese beiden großen Themen brauchen eine Basis, nämlich die Infrastruktur. Die Infrastruktur von morgen muss auch dem Bedarf von morgen gerecht werden. Es ist eine Aufgabe von mehreren Jahren, um die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen. » Die Infrastruktur von morgen muss auch dem Bedarf von morgen gerecht werden.« Derzeit wird der Bedarf von Unternehmen und privaten Haushalten danach definiert, was die heutige Infrastruktur leisten kann. Das ist aus unserer Sicht der falsche Ansatz. Wir müssen schauen, wie die Welt von morgen aussieht, und die Technologie danach wählen. 18 Region Stuttgart Aktuell 3 / 2016 Deshalb spreche ich von Glasfaser. Glasfaser setzt uns keine Grenzen. » Der Bedarf existiert inzwischen branchenübergreifend, natürlich in unterschiedlicher Intensität.« Was heißt Breitband denn genau? Gibt es eine Definition? Professor Anders: Die offizielle Definition ist der ISDN-Standard, sprich 128 kbit / s. Der Wert wurde dann auf 2 Mbit / s erhöht. Das ist bei der schnel len Entwicklung natürlich völlig aus der Zeit. Deswegen hat die Bundesregierung eigentlich ohne eine Definition 50 Mbit / s als Grundlage festgelegt. Werden 30 Mbit / s in der Fläche nicht erreicht, erlaubt das Beihilferecht staat liche Subventionen. In Baden-Würt temberg gilt diese Eingriffsschwelle für Privathaushalte und 50 Mbit / s für Unternehmen. Das ist eine Besonderheit. Damit gelingt es, über staatliche Subventionen auch Unternehmen an sehr hochleistungsfähige Netze an zubinden. Wie sieht es denn in der Region Stuttgart mit schnellem Internet aus? Professor Anders: Die Versorgung ist in städtischen Bereichen tendenziell besser. Dort besteht das höchste Kundenpotenzial für die Privatwirtschaft. Im ländlichen Raum sieht es dementsprechend eher schlechter aus. Davon sind auch die politischen Entscheidungen bisher stark geprägt worden. Wir stellen aber auch fest, dass die Versorgung immer nur einen Mittelwert über eine Fläche darstellt, der in der Region Stuttgart vergleichsweise hoch ist. Es zeigt sich aber eine sehr heterogene Situation. Da gibt es auch im Verdichtungsraum weiße Fle cken der Versorgung, vor allem in Ge werbegebieten. Der Staat sollte sich vom Grundsatz einer flächendeckenden Versorgung für die Digitalisierung und für Industrie 4.0 leiten lassen. Für Unternehmen zählt der Bedarf, nicht der Standort. Hat die Region Stuttgart spezifische Anforderungen? Professor Anders: Der Bedarf existiert inzwischen branchenübergreifend, natürlich in unterschiedlicher Intensität. Wir brauchen die infrastrukturellen Voraussetzungen dafür, dass die Trends gesetzt werden und Innovationen stattfinden können. Industrie 4.0 ist ein riesiges Thema. Dafür brauchen wir die netztechnischen Voraussetzungen. Wirtschaft Professor Anders: Die Region ist gut aufgestellt. Die Geschwindigkeit des Ausbaus wird auch durch die Regularien vom Bund bestimmt, beispielsweise bezogen auf Ausschreibungen. Wichtig ist, dass der Netzausbau gezielt erfolgt und auf die Leistungsfähigkeit ausge richtet ist. Das ist entscheidender als kurzfristige Lösungen. Denn die Infrastruktur bleibt uns mindestens die nächsten 50 Jahre erhalten. » Zusammenschlüsse sind generell gut und hilfreich ...« Der Verband Region Stuttgart und die Wirtschaftsförderung Region Stutt gart GmbH geben dem Breitband ausbau Impulse und nehmen eine ko ordinierende Rolle im Zusammenspiel mit den Landkreisen und Kommunen ein. Ein Modell mit Zukunft? Professor Anders: Zusammenschlüsse sind generell gut und hilfreich, weil der Aufwand auf mehrere Schultern verteilt wird. Und es werden Versorgungs einheiten geschaffen, die für den späteren Netzbetrieb interessant sind. Die momentan aufgrund von Größe und Strukturen funktionierende Einheit ist der Landkreis. In Baden-Würt temberg schaut man, welche Synergien sich über die Landkreise hinaus schaffen lassen. Die Region Stuttgart ist sicherlich speziell, weil sie verdichtet und damit recht gut versorgt, aber gleichzeitig sehr heterogen ist. Deshalb ist es absolut sinnvoll, so vorzugehen, wie es die Region Stuttgart macht. Ich bin sicher, dass sich so Synergien schaf fen lassen. Vor dem Hintergrund der Mobilität und der Breitbandversorgung entlang der Verkehrsachsen wird der landkreisübergreifende Ansatz sehr in teressant, weil für Mobilfunkunter nehmen die Landkreisgrenze eigentlich nicht existiert. Sie müssen ihr Versorgungskonzept fürs gesamte Bundesland gestalten. » Der Backbone-Ausbau und der innerörtliche Ausbau sollten möglichst parallel erfolgen.« S tuttgart ebenso einzubinden wie die kleineren ländlicheren Gemeinden. Die zentrale Frage ist die Eigentumsfrage, also wem gehört das Netz hinterher? Wie schreibt man den Netzbetrieb aus? Werden die Netze geclustert oder als Ganzes ausgeschrieben? Bleibt man auf Ebene der Landkreise? Man muss vom Ende her denken und die Organisationsform darauf abstimmen. Daran arbeiten wir gerade. « Die Mobilfunkstandorte werden ja gerade als Teil der Backbone-Planung regionsweit erhoben. Die Ergebnisse der Planung sollen Anfang 2017 vorliegen. Was erwarten Sie? Professor Anders: Es wird gezeigt, wie die einzelnen Versorgungsgebiete in der Region angebunden werden, also das gesamte Netzkonzept für jeden Ortsteil und jedes Gewerbegebiet. Der Backbone ist die Grundvoraussetzung dafür, dass man mit dem Ausbau be ginnen kann. Spannend wird die Frage, wie hoch die Kosten sind und welche Synergien durch bereits vorhandene Lei tungen genutzt werden können. Der zentrale Erfolgsfaktor und der Mehrwert bestehen darin, dass Endkunden ans Netz angeschlossen werden. Deshalb sollten der Backbone-Ausbau und der innerörtliche Ausbau möglichst parallel erfolgen. Wichtige Voraussetzung dafür ist, dass die Kommunen von Anfang an eng in das Projekt eingebunden werden, damit sie zeitnah ihre innerörtlichen Planungen machen können. Das läuft in der Region Stuttgart vorbildlich. Organisatorisch könnte man sich vorstellen, dass wiederkehrende Beratungsaufgaben in einem Kompetenzzentrum gebündelt werden. Die Frage ist, wie statte ich es aus? Und wer kann es wie nutzen? Hier gilt es, eine Großstadt wie © Foto: privat Schnelligkeit und Leistungsfähigkeit gelten nicht nur für die Datenlei tungen, sondern besonders für die Umsetzung des Breitbandausbaus. Wie sehen Sie die Region Stuttgart zeitlich aufgestellt? Professor Dr. Jürgen Anders lehrt seit Mai 2010 an der Hoch schule Furtwangen an der Fakul tät für Digitale Medien. Sein Schwerpunkt gilt der Forschung im Bereich der Ausbaustrategien für kommunale Breitbandver sorgung. Darüber hinaus ist er beratend tätig, beispielsweise für isucomm Rechtsanwälte. Der Physiker studierte in Stuttgart und den USA. Nach Forschungs aufenthalten in Südkorea und Ja pan arbeitete er bei der Firma Siemens im Bereich Produktent wicklung für Breitbandausbau. 3 / 2016 Region Stuttgart Aktuell 19 © Stadt Nürtingen Kommune im Profil Ein Hauch von schwäbischer Toskana Vier prägende Persönlichkeiten Kommune im Profil (59): Nürtingen. Schon Römer und Kelten haben hier ihre Spuren hinterlassen, die Alemannen haben sich auf einem Bergsporn hoch über dem Neckar angesiedelt. Heute ist Nürtingen eine quicklebendige Kommune mit schöner Altstadt, einer vielfältigen Kulturszene und einer leistungsstarken Wirtschaft. Text: Harald Beutel „Er (Hölderlin) wachte auf, als sie den Vater in der Nacht holten. Der Neckar sei über die Ufer getreten, die Unterstadt überschwemmt … Es war ein einziger Lärm, und er meinte, noch schlaftrunken, die Welt stürze zusammen … Das kann nur die Brücke sein.“ So schildert Peter Härtling das Hoch wasser im November 1778. Die Fluten spülten nicht nur die Brücke weg. Der vom achtjährigen Friedrich Hölderlin geliebte Stiefvater und Bürgermeister von Nürtingen starb an den Folgen seines Kampfes gegen die eisigen Wogen in jener Herbstnacht. 20 Region Stuttgart Aktuell 3 / 2016 Vier aus Nürtingen Dies sind zwei wichtige Persönlichkeiten Nürtingens. Hölderlin, der hier Kindheit und Jugend verbrachte. Peter Härtling lebte hier von 1946 bis 1954. Er schrieb vor 40 Jahren „Hölderlin – Ein Roman“. Auch Eduard Mörike hat in der Stadt gewohnt. Klar, dass nach ihnen allen Schulen benannt sind. Zu so viel Ehre hat es ein weiterer Nürtinger noch nicht gebracht: Harald Schmidt. Dafür weiß mittlerweile ganz Deutschland um die Bedeutung des Nürtinger Bahnhofs. Diesem hat er 2001 in seiner Show mit augenzwinkernder Ironie ein Denkmal gesetzt. Stadtumbau hinter dem Bahnhof Stichwort Bahnhof: Dort wird nun ernsthaft ein Projekt künftigen Stadtumbaus geplant – die „Bahnstadt“ auf altem Bahngelände. In den nächsten Jahren wird ein Quartier der kurzen Wege für Leben, Arbeiten, Einkaufen und Erholen entwickelt. Es grenzt an die Innenstadt und wird direkt an das Nahverkehrsnetz angebunden. Bahn und Bus werden zu Fuß zu erreichen sein. Dieses Projekt wird wesentliche Ziele des Regionalplans erfüllen: unter anderem eine am Bedarf ausgerichtete Siedlungsentwicklung, die Nutzung vorhandener Infrastruktur und die Reduzierung des CO²-Ausstoßes dank der Flächen für Wohnen und Arbeiten am Nahverkehr. Auch bei neuen Gewerbeflächen punktet Nürtingen: Im Areal Bachhalde ist jüngst ein interkommunales Gewerbegebiet entstanden mit Handwerksbetrieben, Dienstleistern, produzierendem Gewerbe und Großhandel. Zwei Firmen bauen derzeit im Gebiet „Großer Forst“. Und „In der Au“ hat sich vor einem Jahr ein Qualifizierungszentrum von VW niedergelassen. Kommune im Profil Nürtingen Einwohner 40.392 Fläche 4.690 Hektar Sozialversicherungs‑ pflichtig beschäftigte Arbeitnehmer 17.198 Kaufkraft (2014) 23.116 € / Einw. Auspendler 10.231 Einpendler 12.174 Radeln auf dem Neckartal-Radweg © VRS Horst Rudel Stand 2015 Nürtingen Bildungslandschaft Damit wurde auch die Bedeutung als Schul- und Bildungstadt deutlich aufgewertet. Da hat Nürtingen immens viel zu bieten: die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt, drei Gymnasien, zwei Realschulen, eine Waldorfschule, eine Freie Kunstakademie, die Musik- und Jugendkunstschule Nürtin gen – um nur einige Einrichtungen der vielfältigen Bildungs landschaft zu nennen. Landschaft mit Fluss, Fachwerk und blauer Mauer Wer von einer Anhöhe auf die Flusslandschaft, Kirchen und die Altstadt blickt, lässt sich gerne zu einem Stadtbummel verführen. Vom Neckar führen Stäffele und Gassen hinauf zur Laurentiuskirche, vorbei an Cafés und Weinstuben, kleinen Läden mit Kunsthandwerk oder Leckereien. Weiter geht's zum Salemer Hof mit seinem schönen Fachwerk, zum mittelalterlichen Rathaus mit gläsernem Innenbereich und zum ehemaligen Spital. Und die alte Kreuzkirche mit ihrer tollen Akustik bietet einen idealen Rahmen für Konzerte, zum Beispiel die Nürtinger Meisterkonzerte mit international renommierten Kammermusik-Ensembles. Wer Nürtingen besucht und sich mehrere Tage aufhält, sollte sich zu Fuß oder mit dem Drahtesel in der wunderschönen Umgebung umsehen. Zum Beispiel am Neckartal-Radweg. Schöne Wege führen auch zu Mörikes „wundersamer blau er Mauer“, der Schwäbischen Alb. Wer's bequemer mag: Tälesbahn oder Sofa-Dampfzügle rattern auch dahin. Nürtingen liegt aber nicht nur an der romantischen Tälesbahn. Die Bahnstrecke Stuttgart – Esslingen – Reutlingen – Tübingen verbindet es direkt mit wichtigen Bildungs- und Wirtschaftszentren; wenige Kilometer sind es bis zur Autobahn A 8 Karlsruhe – Stuttgart – Ulm. Flughafen Stuttgart und Messe Stuttgart liegen quasi vor der Haustür. Bürgerbeteiligung wird großgeschrieben Das jüngste Beispiel für Bürgerbeteiligung ist die Entwicklung eines integrierten Stadtentwicklungskonzeptes (ISEK). Zwei Jahre lang haben Bürgerinnen und Bürger, Vertreter der Stadtverwaltung und des Gemeinderats Leitbilder für strategische und räumliche Entwicklungen in den nächsten zehn bis 15 Jahren erarbeitet. Für die Online-Beteiligung bei diesem Projekt hat Nürtingen 2014 einen Preis eingeheimst. An den Ufern des Neckars Doch zurück zum meist idyllischen Neckar. Dank einer „Treppe“ können Fische nun flussauf zu den Laichplätzen wandern. Der Verband Region Stuttgart hat das Artenschutz-Projekt mit 160.000 Euro gefördert. Die Fischtreppe ist Teil des Vorhabens, den Fluss für Alt und Jung erlebbar zu machen und seine Ufer aufzuwerten. Aber der Neckar hat zwei Gesichter. Die Hochwassergefahr ist keineswegs gebannt. Heute steht zwar die Brücke, anders als vor 240 Jahren, sehr massiv da, aber vor drei Jahren standen wieder Wiesen und Sportplätze unter Wasser. Die Stadt will deshalb in den Hochwasserschutz mit Unterstützung des Landes kräftig investieren. « www.nuertingen.de 3 / 2016 Region Stuttgart Aktuell 21 Kommune im Profil „Wir sind Pioniere der Bürgerbeteiligung“ Nürtingens Oberbürgermeister Otmar Heirich im Gespräch über Stadtumbau, Bildungsstadt, Gewerbe und Standortfaktoren © Stadt Nürtingen Interview: Harald Beutel Otmar Heirich Oberbürger meister Herr Heirich, Sie sind seit zwölf einhalb Jahren im Amt. Worauf sind Sie besonders stolz? Heirich: Besonders freut mich, dass wir nach 30 Jahren Diskussion im vergangenen Jahr das interkommunale Gewerbegebiet „Großer Forst“ erschlossen haben. Dank Bürgerbeteiligungsforen konnten wir Bedenken ausräumen. Schön ist, dass Nürtingen als Gewerbestandort sehr interessant ist. Das zeigt auch das in den vergangenen Jahren entwickelte Areal in der Bachhalde, das mittlerweile mit attraktiven Betrieben belegt ist. Nürtingen hat auch eine Hochschule ... Heirich: Ja und über den ersten Spa tenstich für das neue Hochschulgebäu de im Juni habe ich mich besonders gefreut, es wird nahe der Innenstadt gebaut. Das ist wichtig, denn die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt hat große Bedeutung für die Stadt. Wir 22 Region Stuttgart Aktuell 3 / 2016 wollen sie auf Dauer attraktiv halten. Ich hoffe, dass wir noch 2016 auch mit dem Bau des Medienzentrums der Hochschule beginnen können. Zur Bildung allgemein: Nürtingen hat Tradition als Schulstadt. Jeden Tag haben wir 5.000 Schüler hier. Ich sage aber: Wir sind unterdessen Bildungsstadt bei unserem hervorragenden Angebot an Kindertagesstätten, verschiedensten Schulformen und eben der Hochschule. Stichwort Stadtentwicklung: Was sind die städtebaulichen Ziele? Heirich: Ein Leuchtturmprojekt setzen wir gerade auf die Schiene – den Stadtumbau östlich des Bahnhofs: die „Bahnstadt“. Auf früherem Bahn gelände werden Wohnungen und Büros entstehen. Noch 2016 starten wir einen Wettbewerb, um zukunftsfähige Lösungen von renommierten Stadtplanern zu erhalten. Auch für den west lichen Bereich – ganz nahe der Altstadt – haben wir schon Ideen: Der Busbahnhof könnte verlegt werden, um einen guten Standort für Handel und Gewerbe zu schaffen. Wie beziehen Sie Bürgerinnen und Bürger in die Planungen ein? Heirich: Wir sind Pioniere der Bürgerbeteiligung. Dafür hat uns die Bertelsmannstiftung schon 1999 ausgezeichnet. Viele Entwicklungen bei uns sind vorausgedacht worden. So gibt es kaum ein Projekt, das nicht mit umfangreicher Bürgerbeteiligung entstanden ist. Wie steht’s um das Freizeitangebot? Heirich: Nürtingen ist bei Einheimi schen und bei Touristen beliebt. Wir haben eine attraktive Fußgängerzone, gerade neu gepflastert, verwinkelte Gassen und Stäffele, Cafés, Restaurants und Bistros, altes Fachwerk und moderne Architektur. Schön ist die Lage am Neckar und die Nähe zur Schwäbischen Alb. Viel Geld haben wir in den Ausbau des Radwegenetzes investiert, besonders reizvoll ist natürlich der Neckarradweg. Nicht zu vergessen die erfolgreichen Sportvereine mit ihren tollen Angeboten. Was bietet Nürtingen kulturell? Heirich: Ein qualitativ hohes Kulturprogramm mit Theater und Musik. Viele spannende Ausstellungen werden in der dafür umgestalteten Kreuzkirche präsentiert: Miró, Chagall und Hundertwasser haben sehr viele Besucher in die Stadt gelockt. Weit über die Region hinaus beliebt sind auch die Jazztage sowie die „OpernAir-Tage“. Und alle zwei Jahre freuen wir uns aufs Gitarrenfestival. « Termine und Veröffentlichungen TERMINE & VERANSTALTUNGEN Eröffnung des Lichtkunstfestivals „Aufstiege“ Freitag, 16. September 2016, 19.30 Uhr Württembergischer Kunstverein, Schlossplatz 2, Stuttgart Die zentrale Eröffnungsveranstaltung ist Auftakt des Jah resprojektes „Aufstiege“ der KulturRegion Stuttgart. Anschließend ist das Lichtkunstfestival unter der Leitung des Lichtkünstlers Joachim Fleischer in der Region Stuttgart zu erleben: In 25 Kommunen sind vom 17. September bis 9. Oktober Lichtkunstwerke auf Treppen, Stäffele und an deren Aufstiegsorten zu entdecken. Veranstaltungen thema tisieren „Aufstiege“ auch im gesellschaftlichen Kontext. www.kulturregion-stuttgart.de „zusammen:wachsen – 10 Jahre Landschaftspark Region Stuttgart“ Mittwoch, 21. September 2016, ganztägig mit Exkursionen Museum am Löwentor Stuttgart, Rosensteinstraße 1 Regionalversammlung mit Einbringung des Haushaltsentwurfs 2017 Mittwoch, 28. September 2016, 15.30 Uhr Sparkassenakademie Stuttgart, Pariser Platz 3 A, Stuttgart Regionalversammlung Aussprache zum Haushaltsentwurf 2017 Mittwoch, 26. Oktober 2016, 15.30 Uhr Sparkassenakademie Stuttgart, Pariser Platz 3 A, Stuttgart Klima – Stadt – Wandel Abschlussveranstaltung des Projektes KARS Klimaanpassung Region Stuttgart Freitag, 2. Dezember 2016, 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr Hochschule für Technik, Schellingstraße 24, Stuttgart „zusammen:wachsen“ lautet der Titel der Jubiläumsfeier. Er betont das Verbindende des Landschaftsparks Region Stuttgart in vielerlei Hinsicht. Nach zehn Jahren erfolg reicher Projektförderung fragen wir unter anderem: Was hat der Landschaftspark Region Stuttgart bewirkt? Welche Bedeutung hat er für eine Metropolregion? Und natürlich: Wie geht’s weiter? Anregungen und Impulse werden durch praktische Beispiele aus der Region erwartet, ebenso wie durch anerkannte Experten aus anderen Teilen Deutschlands. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Anmeldung erforderlich bei Waltraud Heinz, [email protected] IMPRESSUM Herausgeber Verband Region Stuttgart Körperschaft des öffentlichen Rechts Kronenstraße 25, 70174 Stuttgart [email protected] www.region-stuttgart.org V. i. S. d. P. Regionaldirektorin Dr. Nicola Schelling Redaktion Dorothee Lang (la) Telefon: 0711 / 2 27 59 11 Telefax: 0711 / 2 27 59 70 Autorinnen und Autoren Intern: Uta Hörmann, Simone Kubiak Extern: Harald Beutel Titelfoto: Keyvisual des IBA-Plattformprozesses, WRS GmbH Erscheinungsweise Vierteljährlich im Januar, April, Juli und Oktober Verteilung Funktionsträger und Abgeordnete in Bund, Land, Region, Kreisen, Städten und Gemeinden; interessierte Behörden, Verbände und Einrichtungen; Medien; Stadtbüchereien. Weiterer Versand und Aufnahme in den Verteiler auf Anfrage. Gestaltung www.jungkommunikation.de Druck W. Kohlhammer Druckerei GmbH & Co. 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