- Härterei Gerster AG

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TITELSTORY INDUSTRIESTANDORT SCHWEIZ
9.2016
Härten – aber gekonnt
Flammhärten eines Zahnrades
bei der Härterei Gerster
BIL D: H Ä RT EREI GER S T ER /C A D ER A DE SIGN
Bei der Wärmebehandlung von Bauteilen aus Stahl hat die
Härterei Gerster jahrzehntelang Erfahrung aufgebaut.
Diese Kompetenz teilt das Unternehmen vermehrt mit
seinen Kunden.
BIL D: H Ä RT EREI GER S T ER
TITEL
Für das Randschichthärten von Bauteilen setzt die Härterei Gerster u. a. das Laserhärten ein.
V
iele Konstrukteure wählen für ihre Entwicklungen
meist denselben Werkstoff aus. Doch gerade in der
Auswahl des geeigneten Werkstoffs und des dazu
passenden Härteprozesses steckt viel Potential. Felix Heimgartner, Geschäftsleiter Vertrieb der Härterei Gerster AG,
Egerkingen/Schweiz, weiß: „Für Werkstoffauswahl und
Wärmebehandlung fehlt schon in der Ausbildung meistens
die Zeit“. So werde dann häufig teuer und aufwendig nachbearbeitet. „Das erleben wir viel zu oft“, stellt Heimgartner fest.
Um diese Situation zu verbessern, bietet die Härterei Gerster
ihren Kunden neu eine systematische Unterstützung bei
Werkstoffauswahl und Wärmebehandlung an. Im Idealfall
sitzen die Fachleute aus der Schweiz von Anfang an mit im
Entwicklungsteam des Kunden und beraten bei Werkstoffauswahl und Wärmebehandlung. Ziel ist es, die Abläufe zu
optimieren und zu einem Produkt zu gelangen, das entweder
besser oder aber günstiger ist als sein Vorgänger.
Erfahrung mit Stahlwerkstoffen und deren Wärmebehandlung hat die Härterei Gerster in sechs Jahrzehnten gesammelt und dabei ein umfassendes Know-How aufgebaut. Seit
1950 ist das Unternehmen in der Härterei- und Wärmebehandlungstechnik aktiv. Heute beschäftigen die Schweizer
etwa 100 Mitarbeiter. Dieses Wissen setzt Gerster heute
nicht nur für die Wärmebehandlung von Bauteilen, sondern
auch in Beratungsprojekten zur Prozessoptimierung oder für
maßgeschneiderte Outsourcing-Projekte ein.
Diese Leistungen bietet die Härterei für die unterschiedlichsten Branchen an, darunter Maschinenbau, Hydraulik, Antriebstechnik, Automobilindustrie, Medizintechnik, Luftfahrt, Nuklearindustrie sowie Lebensmittelindustrie. Mit etwa 100 verschiedenen Anlagen auf einer Produktionsfläche
von 25 000 m2 können sowohl schwere Einzelstücke bis zu
20 t als auch Kleinstteile in Millionenserien behandelt wer-
FA K
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Die Wärmebhandlung kann neben Zuverlässigkeit und
Lebensdauer auch die Korrosionsbeständigkeit oder
die Gleiteigenschaften eines Bauteils verbessern.
den. Vor allem beim Härten komplexer Teile sieht Heimgartner die Stärken des Unternehmens.
Härten verbessert die Eigenschaften
Die Wärmebehandlung von Bauteilen erhöht deren Zuverlässigkeit, Lebensdauer und Sicherheit. „Ungehärtet würde es
schon klappen, aber nicht lange“, bringt Felix Heimgartner
den Nutzen mit einem Augenzwinkern salopp auf den Punkt.
Darüber hinaus lassen sich über das Härten weitere Funktionen beeinflussen, darunter Korrosionsbetändigkeit, Magnetismus oder die Gleiteigenschaften der gehärteten Schichten.
„Vor allem mit diesen Eigenschaften können sich unsere Kunden einen Vorsprung erarbeiten“, sagt Heimgartner.
Der Prozess der Wärmebehandlung ist auf den ersten Blick
einfach: erwärmen, abschrecken, entspannen. „Spannend
wird es durch die Vielfalt der verschiedenen Verfahren, Bauteile und Werkstoffe“, so Felix Heimgartner. Die unterschiedlichen Verfahrenstechniken umfassen die Hauptgruppen
Randschichthärten sowie Ofenverfahren.
Beim Randschichthärten wird nur die Randzone des Bauteils
gehärtet. Der Bauteilkern behält seine zähen Eigenschaften,
die chemische Zusammensetzung bleibt unverändert. Neben
dem Induktions- und Flammhärten setzt Gerster bei diesem
Verfahren vor allem auf das Laserhärten, das, so Heimgartner, „nach wie vor noch relativ unbekannt“ ist. Dabei erzeugt
Ute Drescher
Chefredakteurin
konstruktionspraxis
Ofenverfahren wirken
durchgreifend: In der geschlossenen Ofenkammer
verändert sich das Materialgefüge entscheidend.
ein Hochleistungsdiodenlaser einen präzisen, energiereichen
Laserstrahl. Beim Auftreffen des Strahls auf der Werkstückoberfläche erwärmt sich das Material örtlich schnell
(> 1000 °C/s) und wandelt sich in einer Tiefe von 0,1 bis 1 mm
um. Die Wärmeableitung ins Werkstückinnere bewirkt eine
Selbstabschreckung. So entsteht eine gehärtete Spur mit
feinstkörnigem Martensit (ein metastabiles Gefüge, das aus
dem Ausgangsgefüge entsteht).
Die Vorteile des Laserhärtens hat Heimgartner schnell aufgezählt: Das Verfahren ist sehr präzise, lokal begrenzt und
verzunderungsfrei, das Teil bleibt also blank. Damit entfallen
weitere Bearbeitungsschritte wie das Schleifen und Polieren
des Bauteils. Den Vergleich zum Flamm- und Induktionshärten zieht der Vertriebsleiter sehr anschaulich: „Während das
Flammhärten die Keule ist, mit der man die größten Tiefen
erzielt, ist das Induktionshärten der Hammer im Mittelfeld.
Das Laserhärten könnte man in diesem Zusammenhang am
ehesten mit einem Skalpell vergleichen“.
PRAX
IS
Dem Zerkratzen ein Ende gesetzt
Nach 90 Jahren mit dem gleichen Stahlwerkstoff (1.4301) hat sich Besteckhersteller WMF
entschieden, einen neuen Weg zu gehen: Die Wahl fiel auf den Werkstoff 1.4016, der eine
hohe Härte bei praktisch gleicher Korrosionsbeständigkeit aufweist, kombiniert mit der
Hard-Inox-P-Behandlung, einem Wärmebehandlungsverfahren im Vakuumofen unter
Stickstoffpartialdruck, vergleichbar mit dem Einsatzhärten.
Von Anfang an war klar, dass die Serienproduktion der Teile in einem bestehenden
Werk in Asien stattfinden würde. WMF und Gerster starteten nach der Prozessentwicklung ein Contracting-Projekt, mit dem Ziel, den kompletten Härteprozess ins bestehende
chinesische Werk zu implementieren. Nach einer Projektdauer von rund zwei Jahren vom
Kick-Off bis zur Schulung der asiatischen Mitarbeiter sowie der Inbetriebnahme der Anlage, blickt WMF seither auf eine störungsfreie Produktion zurück.
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BIL D: U. D RE S CHER / KO NS T RUK TIO NSPR A XIS
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„Mit unseren neuen Angeboten, Kunden schon während der
Entwicklung oder beim Aufbau von Wärmebehandlungsprozessen zu beraten, machen wir gute Erfahrung“, berichtet
Felix Heimgartner, Geschäftsleiter Vertrieb bei Gerster.
Im Gegensatz zum Randschichthärten wirken die Ofenverfahren durchgreifend: Das gesamte Bauteil wird in einer geschlossenen Ofenkammer auf Behandlungstemperatur gebracht. Dabei kommt es zu den entscheidenden Gefügeumwandlungen. „Diesen Prozess müssen Sie extrem gut beherrschen“, erklärt Heimgartner. Denn ob die gewünschte
Härte erreicht wurde, lässt sich schwer messen: „Die Oberflächenhärte können Sie zwar überprüfen, aber wie tief sie
reicht oder wie die Gefügestruktur im tiefen Inneren des Bauteils aussieht, ist kaum messbar“.
Beratung und Contracting im Angebot
Dass auch für diese Prozesse viel Know-how und Erfahrung
gefragt sind, erfährt mancher Kunde schnell am eigenen Leib.
Denn vor allem Kunden, deren Auftragsvolumen bei der Härterei Gerster eine gewisse Summe überschreitet, überlegen
sich, die Wärmebehandlung selbst durchzuführen. „Sie wissen meist nicht, was sie tun“, warnt Heimgartner. Denn neben dem erforderlichen Prozess-Know-how kommen anfangs zu den Kosten für einen Ofen noch eine Reihe weiterer
hinzu, etwa für eine Waschanlage, eine Ammoniak-Versorgung, einen Kühlwasserkreislauf, eine größere Stromversorgung und Laboreinrichtungen.
Wer sich von diesen Investitionen nicht abschrecken lässt,
dem bietet die Härterei Gerster seit kurzem mit der Dienstleistung Contracting Unterstützung an. Je nach Beratungsvertrag kümmert Gerster sich darum, den Wärmebehandlungsprozess beim Kunden so aufzubauen, dass er auch dort
wie gewohnt funktioniert.
Die ersten Erfahrungen mit dem neuen Dienstleistungsangebot der Härterei Gerster – sowohl mit entwicklungsunterstützender Beratung als auch mit dem Contracting – sind
sehr positiv, berichtet Felix Heimgartner: „Unsere Kunden
müssen etwas besser machen am Markt. Und das geht nur,
wenn alle an einem Tisch sitzen“. Die Härterei Gerster jedenfalls ist darauf vorbereitet.
(ud)
www.gerster.ch