Die Europapolitik der Landesregierung in Baden

Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 16 / 408
16. Wahlperiode
08. 08. 2016
Antrag
der Abg. Peter Hofelich u. a. SPD
und
Stellungnahme
des Ministeriums der Justiz und für Europa
Die Europapolitik der Landesregierung in BadenWürttemberg
Antrag
Der Landtag wolle beschließen,
die Landesregierung zu ersuchen
zu berichten,
1.aus welchen fachlichen Gründen die Zuständigkeiten für Fragen in Bezug auf
die Europäische Union sowie die Vertretung des Landes Baden-Württemberg
bei der Europäischen Union im Justizministerium ressortieren während hingegen die Zuständigkeiten für Fragen der Entwicklungszusammenarbeit sowie der
internationalen und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nach wie vor im
Staatsministerium angesiedelt sind;
2.ob und wenn ja, welche Auswirkungen die Trennung der Zuständigkeiten auf
die Personalstruktur (Anzahl und Dotierung der Stellen) in den jeweils zuständigen Ressorts der oben genannten Ministerien verursacht haben;
3.ob und wenn ja, in welchem Umfang die Umstrukturierung von fachlichen Zuständigkeiten in den beiden Ministerien jeweils Mehr- oder Minderausgaben
ausgelöst haben;
4.welchen Stellenwert sie – angesichts der zunehmenden Komplexität globaler
Märkte und zahlreicher Konfliktfelder und den damit verbundenen Auswirkungen auch auf Baden-Württemberg (z. B. Freihandelsabkommen, Flüchtlinge,
Brexit usw.) – europäischen Fragen zumisst;
5.welche Handlungsoptionen sie dabei insbesondere aus dem Gesetz über die
Beteiligung des Landtags in Angelegenheiten der Europäischen Union für sich
ableitet und in welchen Bereichen sie initiativ werden möchte;
1
Eingegangen: 08. 08. 2016 / Ausgegeben: 21. 09. 2016
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente
Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.
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Drucksache 16 / 408
6. ob sie die Einschätzung teilt, dass die Abschaffung des vormaligen Europaministeriums bzw. die Aufteilung vormaliger Zuständigkeiten auf jetzt zwei
Ministerien angesichts der vielfältigen Herausforderungen innerhalb der Europäischen Union eine Schwächung der Europapolitik in Baden-Württemberg
bedeutet;
7. welche Strategien und Konzepte sie hat, um den europäischen Gedanken bzw.
ihr Leitbild eines Europas der „gemeinsamen Werte des Friedens, der Freiheit,
der Solidarität, Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Subsidiarität“ (Seite 119 des Koalitionsvertrags zwischen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und der CDU Baden-Württemberg) in Baden-Württemberg für die weitere Zukunft zu stärken und voranzubringen;
8. welchen Stellenwert sie bei der Umsetzung und Stärkung des europäischen
Gedankens den europapolitisch tätigen Organisationen in Baden Württemberg
(Europaunion, Europäische Bewegung Baden-Württemberg u. a.) zumisst;
9. welche einmaligen oder strukturellen Zuwendungen aus Landesmitteln die europapolitisch tätigen Organisationen in Baden-Württemberg seit 2011 jeweils
erhalten haben;
10. ob und inwieweit sie über Erkenntnisse verfügt, wonach einzelne europapolitisch tätige Organisationen in Baden-Württemberg durch finanzielle Engpässe
in ihrer Arbeit bzw. bei der Umsetzung ihres Bildungsauftrags gehindert sind.
08. 08. 2016
Hofelich, Drexler, Dr. Schmid, Gruber, Stickelberger SPD
Begründung
Die Europäische Union und ihre mittelbaren und unmittelbaren Auswirkungen auf
Baden-Württemberg haben in den vergangenen Jahren auch in der Landespolitik
zusehends an Bedeutung gewonnen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die
fortschreitende europäische Integration Kompetenzen auf die europäische Ebene
verlagert, die in Deutschland die Zuständigkeiten und Interessen der Bundesländer
berühren. Folgerichtig und konsequent wurde daher im Jahr 2006 auch im Landtag
von Baden-Württemberg ein eigener Europaausschuss eingerichtet. Der gestiegene
Stellenwert europäischer Fragen in der Landespolitik lässt sich auch daran erkennen, dass die grün-rote Landesregierung für die Koordinierung der Europapolitik
in Baden-Württemberg im Jahr 2011 eigens einen Minister für Bundesrat, Europa und internationale Angelegenheiten berufen hat. Seit dem Regierungswechsel
im Frühjahr 2016 ressortieren die Fragen in Bezug auf die Europäische Union
sowie die Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der Europäischen Union einerseits sowie die Zuständigkeiten für Fragen der Entwicklungszusammenarbeit, der internationalen und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in zwei
getrennten Ministerien. Der Antrag will beleuchten, wie die künftige Europapolitik der Landesregierung aussieht und welche Strategien und Konzepte sie bei
der Stärkung und Fortentwicklung ihres europäischen Leitbilds (siehe Seite 119
des Koalitionsvertrags zwischen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU in
Baden-Württemberg vom 9. Mai 2016) verfolgt. Der Antrag soll auch aufzeigen,
welche Rolle den europapolitisch tätigen Organisationen in Baden-Württemberg
dabei künftig zukommt und unter welchen finanziellen Rahmenbedingungen diese
arbeiten müssen.
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Stellungnahme*)
Mit Schreiben vom 14. September 2016 Nr. EU-1025/6/1 nimmt das Ministerium
der Justiz und für Europa in Abstimmung mit dem Staatsministerium, dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport und dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit
und Wohnungsbau zu dem Antrag wie folgt Stellung:
Der Landtag wolle beschließen,
die Landesregierung zu ersuchen
zu berichten,
1. aus welchen fachlichen Gründen die Zuständigkeit für Fragen in Bezug auf die
Europäische Union sowie die Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei
der Europäischen Union im Justizministerium ressortieren während hingegen
die Zuständigkeit für Fragen der Entwicklungszusammenarbeit sowie der internationalen und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nach wie vor im Staatsministerium angesiedelt sind;
Im Zuge der Regierungsneubildung wurden die Vertretung des Landes bei der
Europäischen Union sowie die Zuständigkeit für Europaangelegenheiten mit Wirkung vom 12. Mai 2016 aus dem Geschäftsbereich des Staatsministeriums in den
Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz und für Europa umressortiert. Die
Umressortierung wurde vom Ministerrat in seinen Sitzungen am 12. Mai 2016 und
am 28. Juni 2016 beschlossen. Der Landtag hat der Geschäftsbereichsabgrenzung
der Ministerien am 21. Juli 2016 zugestimmt und folgte damit der Beschlussempfehlung des Ständigen Ausschusses (Drs. 16/295).
Die Änderung der Abgrenzung der Geschäftsbereiche der Ministerien ergibt sich
aus dem Koalitionsvertrag und dem in der Koalitionsverhandlung zwischen den
Regierungsparteien Vereinbarten. Bei der auch in anderen Ländern anzutreffenden
Verbindung der Bereiche Europa und Justiz handelt es sich um einen klassischen
und naheliegenden Ressortzuschnitt. Die Schaffung einer eigenen Ressortzuständigkeit für die Europapolitik verschafft diesem wichtigen Politikfeld eine erhöhte
Wahrnehmbarkeit. Darüber hinaus bringt die Verbindung mit der Justizuständigkeit
greifbare Synergien, insbesondere angesichts der aktuellen europapolitischen Herausforderungen. Dabei geht es zum einen darum, politisch verstärkt den Charakter
der EU als Werte- und Rechtsgemeinschaft in den Vordergrund zu stellen. Zum anderen sind aktuelle Themen wie EU-Flüchtlingspolitik, EU-Freihandelsabkommen
oder Brexit auch rechtlich hoch komplex, weshalb eine wirksame Europapolitik
heute mehr denn je einer fundierten Kenntnis nicht nur der politischen, sondern
auch der rechtlichen Zusammenhänge bedarf.
Die Angelegenheiten der Entwicklungszusammenarbeit sowie der internationalen
und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit können aus Sicht des Staatsministeriums unabhängig von europapolitischen Fragestellungen gesehen werden. Von einer Übertragung aufgrund Sachzusammenhangs in den Zuständigkeitsbereich des
Justizministeriums wurde daher abgesehen.
2. ob und wenn ja, welche Auswirkungen die Trennung der Zuständigkeiten auf die
Personalstruktur (Anzahl und Dotierung der Stellen) in den jeweils zuständigen
Ressorts der oben genannten Ministerien verursacht haben;
Infolge des Übergangs der Zuständigkeiten für die Europapolitik sowie die Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der Europäischen Union auf das Ministerium der Justiz und für Europa wurden folgende Stellen aus dem Einzelplan
02 (Staatsministerium) in den Einzelplan 05 (Justizministerium) nach § 50 LHO
umgesetzt.
*) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt.
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a)Ministerium
Dotierung
Anzahl
B3
Ltd. Ministerialrat
1,0
A 16
Ministerialrat
1,0
A 15
Regierungsdirektor
1,0
A 13 gD
Oberamtsrat
1,0
A 12
Amtsrat
1,0
A 11
Regierungsamtmann
1,0
E8
(Tarifbeschäftigte)
1,0
b)Vertretung des Landes bei der EU
Dotierung
Anzahl
B6
Ministerialdirigent
1,0
B3
Ministerialrat
1,0
A 16
Ministerialrat
1,0
A 15
Regierungsdirektor
1,0
A 14
Oberregierungsrat
1,0
A 13 hD
Regierungsrat
1,0
A 12
Amtsrat
1,0
A 11
Regierungsamtmann
1,0
E 13
(Tarifbeschäftigte)
2,0
E8
(Tarifbeschäftigte)
1,0
E 6–9
(Tarifbeschäftigte Fremdsprachenassistenz)
1,0
E 5–9
(Tarifbeschäftigte Fremdsprachenassistenz)
4,0
E6
(Tarifbeschäftigte)
1,0
AT
(Ortskraft)
1,0
Darüber hinaus wurden im Zuge des Zuständigkeitswechsels für Europaangelegenheiten nachfolgende Stellen zum Ministerium der Justiz und für Europa umgesetzt, die dort jedoch nicht für eigene Belange zur Verfügung stehen:
a)Dynamischer Europapool
Dotierung
Anzahl
A 15
Regierungsdirektor
2,0
A 14
Oberregierungsrat
4,0
A 13 hD
Regierungsrat
2,0
b)Beobachter der Länder bei der EU
Dotierung
4
Anzahl
A 16
Ministerialrat
1,0
A 15
Regierungsdirektor
1,0
AT
(Ortskraft)
2,0
E8
(Tarifbeschäftigte)
1,0
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Die für den Dynamischen Europapool etatisierten Stellen werden zentral beim Ministerium der Justiz und für Europa geführt. Sie stehen für Auslandsverwendungen
von Landesbediensteten aller Ressorts in BW zur Verfügung.
Beim Beobachter der Länder handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung der
Länder, deren Finanzbedarf von den Ländern gemeinsam nach dem Königsteiner
Schlüssel getragen wird. Er ist bei dem Land eingerichtet, das den Vorsitz des Bundesratsausschusses für Fragen der Europäischen Union innehat (vgl. Art. 1 und 4
des Abkommens über den Beobachter der Länder bei der Europäischen Union vom
24. Oktober 1996). Dies ist traditionell Baden-Württemberg. Die aus den Ländern
entsandten hauptamtlichen Bediensteten der Einrichtung werden an das Ministerium des Landes abgeordnet, bei dem der Länderbeobachter eingerichtet ist (vgl.
Art. 3 des Abkommens). Hierfür sind die erforderlichen Planstellen und sonstigen
Stellen im Landeshaushalt ausgebracht.
Im Staatsministerium wurden durch den dritten Nachtrag zum Staatshaushaltsplan
von Baden-Württemberg für das Haushaltsjahr 2016 folgende Stellen im Rahmen
der Umressortierung geschaffen:
•zwei Stellen (1 x B 3, 1 x A 12) für ein neues Spiegelreferat Europa im Staatsministerium;
•zwei Stellen (1 x A 15, 1 x A 14) für ein persönliches Büro des Ministerpräsidenten bei der Vertretung des Landes bei der Europäischen Union in Brüssel,
Aufgabe wurde bisher durch die Landesvertretung wahrgenommen;
•eine Stelle (1 x A 14) für einen Ressortbeobachter des Staatsministeriums in
Brüssel.
3. ob und wenn ja, in welchem Umfang die Umstrukturierung von fachlichen Zuständigkeiten in den beiden Ministerien jeweils Mehr- oder Minderausgaben
ausgelöst haben;
Mit Wirkung vom 1. Juli 2016 wurden im Einzelplan 05 Kap. 0502 außerplanmäßig Titelgruppen eingerichtet, zu denen nach § 50 Absatz 1 LHO die Mittel des
Staatsministeriums aus dem Kap. 0202 Tit. Gr. 76 „Vertretung des Landes bei der
Europäischen Union“, Tit. Gr. 75 „Europaangelegenheiten“, Tit. Gr. 79 „Dynamischer Europapool“, Tit. Gr. 83 „Strategisches Donaubüro“ und aus dem Kap. 0204
Tit. Gr. 73 „Beobachter der Länder bei der Europäischen Union“ kostenneutral
umgesetzt wurden.
Ebenfalls zum 1. Juli 2016 wurde die anteilige Ermächtigung zu Personalausgaben
bezüglich der umgesetzten Stellen sowie eine Ausgabeermächtigung (Kopfpauschale) in den Einzelplan 05 umgesetzt, die sich hinsichtlich Zweckbestimmung
und Höhe an der Verwaltungsvorschrift des Finanzministeriums über die Berücksichtigung der Verwaltungskosten insbesondere bei der Festsetzung von Gebühren
und sonstigen Entgelten für die Inanspruchnahme der Landesverwaltung (VwV
Kostenfestlegung) orientiert. Durch das 3. Nachtragsgesetz zum Staatshaushaltsplan 2016 hat sich die Ausgabeermächtigung für das Ministerium der Justiz und
für Europa nicht verändert.
Vom Staatsministerium wurden insgesamt 38 Stellen abgegeben, 13 davon (Länderbeobachter, Dynamischer Europapool) zur Stellenverwaltung, die dem Ministerium der Justiz und für Europa nicht zugutekommt.
4. welchen Stellenwert sie – angesichts der zunehmenden Komplexität globaler
Märkte und zahlreicher Konfliktfelder und den damit verbundenen Auswirkungen auch auf Baden-Württemberg (z. B. Freihandelsabkommen, Flüchtlinge,
Brexit usw.) – europäischen Fragen zumisst;
Die Landesregierung misst europäischen Fragen einen sehr hohen Stellenwert zu.
Als Land im Herzen Europas profitiert Baden-Württemberg in hohem Maße von
der EU. Der hohe Stellenwert in der neuen Regierung zeigt sich bereits daran, dass
im Koalitionsvertrag die Europaangelegenheiten prominent vertreten sind und eine
weitere Stärkung vieler Bereiche vorgesehen ist.
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Die Landesregierung setzt dabei auf europapolitische Präsenz in wichtigen europapolitischen Fragen, die Stärkung der Europafähigkeit der Landesverwaltung, der
Hochschulen, Schulen und weiteren Einrichtungen sowie eine starke Öffentlichkeitsarbeit und eine starke Vertretung in Brüssel. Auch die grenzüberscheitenden
und makroregionalen Aktivitäten werden fortgesetzt und verstärkt.
5. welche Handlungsoptionen sie dabei insbesondere aus dem Gesetz über die
Beteiligung des Landtags in Angelegenheiten der Europäischen Union für sich
ableitet und in welchen Bereichen sie initiativ werden möchte;
Die Landesregierung informiert und unterrichtet den Landtag fortlaufend entsprechend den Regelungen des Gesetzes über die Beteiligung des Landtags in Angelegenheiten der Europäischen Union (EULG). Der jeweilige Anlass und die jeweilige Art der Beteiligung ergibt sich aus dem EULG.
6. ob sie die Einschätzung teilt, dass die Abschaffung des vormaligen Europaministeriums bzw. die Aufteilung vormaliger Zuständigkeiten auf jetzt zwei Ministerien angesichts der vielfältigen Herausforderungen innerhalb der Europäischen
Union eine Schwächung der Europapolitik in Baden-Württemberg bedeutet;
Die Landesregierung sieht darin keine Schwächung. Die Landesregierung ist sich
aber darüber im Klaren, dass aufgrund der großen Herausforderungen in der EU
sogar noch mehr Aktivitäten erforderlich sind. Dies muss durch geeignete organisatorische Strukturen und die entsprechenden budgetären Voraussetzungen im
Europabereich gewährleistet werden.
7. welche Strategien und Konzepte sie hat, um den europäischen Gedanken bzw.
ihr Leitbild eines Europas der „gemeinsamen Werte des Friedens, der Freiheit,
der Solidarität, Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Subsidiarität“ (Seite 119 des Koalitionsvertrags zwischen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und der CDU Baden-Württemberg) in Baden-Württemberg für die weitere Zukunft zu stärken und voranzubringen;
Die Europapolitik der Landesregierung orientiert sich in ihren sämtlichen Ausprägungen an diesem Leitbild. Bei der Begleitung von EU-Gesetzgebungsvorhaben,
im Ausschuss der Regionen, in der Europaministerkonferenz und über den Bundesrat achtet die Landesregierung darauf, dass EU-Gesetzgebung diesen Werten
entspricht, den europäischen Gedanken stärkt und weiter voranbringt. Auch in ihren politischen Gesprächen in Brüssel, Berlin und mit den europäischen Partnern
orientiert sich die Landesregierung stets an ihrem europapolitischen Leitbild.
Eine wichtige Rolle bei einer wirksamen Europapolitik spielen Partner und Verbündete auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene, mit denen neue Ideen
zur Weiterentwicklung Europas diskutiert werden und gemeinsam voran gebracht
werden.
Nach Auffassung der Landesregierung wird der europäische Gedanke in BadenWürttemberg auch durch ein konsequentes Eintreten für das Subsidiaritätsprinzip
und den Abbau von unnötiger EU-Bürokratie gestärkt. In diesem Zusammenhang
wird die Landesregierung auch bei der Umsetzung von EU-Recht im Land noch
stärker nach Möglichkeiten der Bürokratievermeidung zu suchen.
Die Landesregierung wird sich aktiv in die Diskussion um den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen der EU und um die Kohäsionspolitik nach 2020 einbringen.
Ziel muss sein, bei der Mittelallokation künftig stärker auf diejenigen Regionen
zu setzen, die in der EU die Rolle der Lokomotiven für Innovation und Wachstum übernommen haben, also auf starke Regionen wie Baden-Württemberg. Eine
angemessene Berücksichtigung in der EU-Förderpolitik trägt auch dazu bei, den
europäischen Gedanken und das Wirken der EU vor Ort greifbar zu machen.
Ein wichtiger Baustein zur Stärkung des europäischen Gedankens in Baden-Württemberg ist der Ausbau der Europafähigkeit der Landesverwaltung insgesamt. Dabei kommt dem im Ministerium der Justiz und für Europa ressortierenden Dynamischen Europapool eine Schlüsselrolle zu. Er ermöglicht der Landesregierung
strategische und fachlich passgenaue Entsendungen von Landesbediensteten in
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europäische und internationale Organisationen. Auf diese Weise wird zum einen
die personelle Präsenz Baden-Württembergs in Europa deutlich erhöht und zum
anderen Europakompetenz ins Land geholt. Mit den sogenannten Auswärtsspielerinnen und Auswärtsspielern verfügt das Land über exzellente Botschafter in den
europäischen Institutionen, die in ihren Fachbereichen auch die Sichtweise BadenWürttembergs in Brüssel einfließen lassen können. Nach ihrer Rückkehr sind diese
Bediensteten nicht nur in fachlicher Hinsicht Europaexperten, sondern auch starke
Botschafter des europäischen Gedankens im Land.
Die Landesregierung hält es gerade in Zeiten zunehmender Euroskepsis für unerlässlich, auf allen Ebenen und auch mit neuen, innovativen Mitteln für den europäischen Gedanken zu werben. Das Ministerium der Justiz und für Europa wird
die europabezogene Öffentlichkeitsarbeit in der Fläche weiter ausbauen und noch
stärker als bisher den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern suchen.
Die Europakommunikation der Landesregierung geschieht in enger Abstimmung
mit den europaaktiven Verbänden und sonstigen Akteuren im Land. Ein Beispiel
hierfür ist der jährlich stattfindende Europaaktionstag in Stuttgart. In Informationspavillons und mit einem vielfältigen Bühnenprogramm informieren die europäischen Institutionen und die europapolitischen Akteure im Land über die
Europäische Union und aktuelle europäische Themen. Auch die Einrichtung der
Verbändekonferenz und des europapolitischen Debriefings, sowie der Netzwerktreffen von Europaakteuren bieten eine sehr gute Plattform, sich gegenseitig zu
informieren und gemeinsame Projekte auf den Weg zu bringen.
Das Kultusministerium beteiligt sich umfassend am EU-Programm für allgemeine
und berufliche Bildung, Jugend und Sport Erasmus+ (2014 bis 2020). Erasmus+
bietet mit seinen Aktionen zur Förderung von Mobilitäten und zu strategischen
Partnerschaften im Schul- und Jugendbereich wie auch in der beruflichen Bildung
und der Erwachsenenbildung vielfältige Anknüpfungspunkte für transnationale
Bildungsprojekte. Die allgemeinen Programmziele von Erasmus+ betonen den
Beitrag solcher Projektpartnerschaften zur Stärkung des Europagedankens, der
Vermittlung gemeinsamer europäischer Werte sowie der Förderung interkultureller
Kompetenzen als Grundlage für das Zusammenleben in einem vielfältigen Europa.
Beim seit 2007 jährlich stattfindenden EU-Schulprojekttag wird der europäische
Einigungsprozess in das Zentrum von Schule und Unterricht gerückt. Schülerinnen
und Schüler kommen an diesem Tag mit Abgeordneten, Funktionsträgern und Europaexperten in Kontakt und diskutieren über aktuelle europapolitische Themen.
Der EU-Schulprojekttag leistet damit einen wertvollen Beitrag im Hinblick auf
den Erwerb von Europakompetenzen junger Menschen.
Der Europäische Wettbewerb als ältester Schülerwettbewerb in der Bundesrepublik Deutschland und eine der traditionsreichsten transnationalen Initiativen zur politischen Bildung in Europa hat in Baden-Württemberg seit langem einen besonderen Stellenwert. Regelmäßig stellen Schülerinnen und Schüler aus dem Südwesten
bundesweit die höchsten Teilnehmerzahlen. Der Wettbewerb fordert zu vertiefter
Auseinandersetzung mit europäischen Themen und Fragestellungen im Unterricht
auf und verfolgt das Ziel, den Europagedanken zu stärken. Aufgabenstellung und
Methodik bieten den Lehrkräften eine konkrete Möglichkeit, die europäische Dimension in unterschiedlichen Facetten im Unterricht zu erschließen. Die Themen
zeigen auf, wo europäische Bezüge wirksam sind und auf welchem Feld europäische Entscheidungen verlangt werden. Sie machen u. a. deutlich, dass vielfach nur
gemeinschaftliches Handeln Erfolg verspricht und veranschaulichen den hohen
Stellenwert von Solidarität innerhalb der Staatengemeinschaft.
8. welchen Stellenwert sie bei der Umsetzung und Stärkung des europäischen Gedankens den europapolitisch tätigen Organisationen in Baden Württemberg
(Europaunion, Europäische Bewegung Baden-Württemberg u. a.) zumisst;
Das Europa Zentrum Baden-Württemberg als überparteiliche, unabhängige und
gemeinnützige Einrichtung ist einer der zentralen Akteure der europabezogenen
Politikvermittlung. Es ist seit 1976 als Institut und Akademie für Europafragen
tätig. Übergeordnetes Ziel ist die Förderung der europäischen Einigung durch ständige Information, Dokumentation und Erarbeitung von Zukunftsperspektiven im
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Rahmen der Jugend- und Erwachsenenbildung. Seit 2010 ist das Europa Zentrum
auch für die Organisation und die Durchführung des Europäischen Wettbewerbs im
Auftrag des Kultusministeriums zuständig.
Die Europaunion Baden-Württemberg und die Europäische Bewegung BadenWürttemberg unterstützen und ergänzen die Europabildung junger Menschen mit
eigenen Angeboten. Sie loben beispielsweise eine innerhalb der Themenstellungen des Europäischen Wettbewerbs geeignete Aufgabe als Zusatzwettbewerb Rede
über Europa aus. Neben Geld- und Sachpreisen erhalten erfolgreiche Schülerinnen
und Schüler die Möglichkeit, ihre Rede bei entsprechenden Anlässen zu präsentieren.
Die Nachwuchsorganisation der Europaunion Baden-Württemberg Junge Europäer – JEF Baden-Württemberg e. V. führt seit einigen Jahren das Planspiel JEP!
(Junges Europäisches Parlament) in den Räumen des Landtags durch. Die Veranstaltung wird vom Landtag Baden-Württemberg, vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport und vom Landeskomitee der Europäischen Bewegung unterstützt.
Im Planspiel wird realitätsgetreu die Entstehung einer Beschlussfassung des Europäischen Parlaments nachgestellt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer übernehmen dabei die Rollen von Abgeordneten des Europäischen Parlaments und beraten
über einen fiktiven Vorschlag der Europäischen JEF-Kommission. Neben der Plenardebatte lernen die Schülerinnen und Schüler die Fraktions- und Ausschussarbeit
kennen und diskutieren mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments und des
Landtags.
9. welche einmaligen oder strukturellen Zuwendungen aus Landesmitteln die europapolitisch tätigen Organisationen in Baden-Württemberg seit 2011 jeweils
erhalten haben;
Das Ministerium der Justiz und für Europa und vormals das Staatsministerium
verfügt zur Verbreitung des europäischen Gedankens über Mittel in Höhe von ca.
50.000 Euro jährlich. Damit hat es Veranstaltungen wie den Europaaktionstag, die
Verbändekonferenz, Netzwerktreffen, Schülerveranstaltungen u. v. m. finanziert.
Zum anderen stehen Mittel für die Vergabe von Zuschüssen zur Förderung des Europäischen Gedankens zur Verfügung. Diese Zuschüsse – bis zu 1.000 Euro – sind
aber nur eine Fehlbedarfsfinanzierung.
Das Kultusministerium unterstützte das Europa Zentrum Baden-Württemberg wie
folgt:
2011:
207.500 Euro
2012:
207.500 Euro
2013:
222.500 Euro
+ 50.000 Euro (einmalige Erhöhung im Rahmen des Haushaltsgesetzgebungsverfahrens auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und der Fraktion der SPD)
2014: 222.500 Euro
2015: 247.500 Euro (einmalige Erhöhung im Rahmen des Haushaltsgesetzgebungsverfahrens um 25.000 Euro auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN und der Fraktion der SPD)
2016:
247.500 Euro (einmalige Erhöhung wie 2015)
Die Jungen Europäer – JEF Baden-Württemberg führten 2013 zum ersten Mal
im Stuttgarter Landtag ein Planspiel mit ca. 100 Schülerinnen und Schülern aller
Schularten der Sekundarstufe 2 durch. Für 2013 erhielt die JEF für dieses Projekt
einen Zuschuss in Höhe von 2.310 Euro, im Jahr 2015 600 Euro und 2016 1.000
Euro. 2014 fand die Veranstaltung nicht statt.
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Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 16 / 408
10. ob und inwieweit sie über Erkenntnisse verfügt, wonach einzelne europapolitisch tätige Organisationen in Baden-Württemberg durch finanzielle Engpässe
in ihrer Arbeit bzw. bei der Umsetzung ihres Bildungsauftrags gehindert sind.
Seit den Einsparungen im Jahr 2007 und der Kürzung des Zuschusses von 225.000
Euro auf 207.500 Euro ist das Europa Zentrum darum bemüht, das strukturelle
Defizit in Grenzen zu halten. Bei einem sehr geringen Personalbestand wird es
für diese Einrichtung immer schwieriger, die laufenden Personal- und Sachkostensteigerungen über die Einwerbung von Drittmitteln zu finanzieren. Aufgrund
der einmaligen Erhöhung im Jahr 2013 konnte die Infrastruktur (EDV etc.) der
Einrichtung einigermaßen an den heutigen Standard angepasst werden. Durch die
einmalige Erhöhung im Rahmen des Haushaltsgesetzgebungsverfahrens im Doppelhaushalt 2015/2016 war es dem Europa Zentrum möglich, ein einigermaßen
ausgeglichenes Jahresergebnis zu erzielen. Die Jahre zuvor fiel dieses negativ aus.
Wolf
Minister der Justiz
und für Europa
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