Dinkel, Entspelzer und die Globalisierung

Dinkel, Entspelzer und die
Globalisierung
Globalisierung und die Konzentration von Firmen – es kann
einem Angst und bange werden. Da machen regionale Projekte wie
die von Carsten Richters Altstadtbäckerei und dem Rittergut
Dorstadt Mut.
Die düsteren Prognosen vom Schriftsteller William Gibson. Die
kommen mir an diesem Tag immer wieder in den Sinn. Erst die
Meldung in den Nachrichten, dass Bayer das Ungetüm Monsanto
geschluckt hat. Kaum vorstellbar, was das bedeuten würde, wenn
die Kartellämter keinen Riegel vor das Geschäft schieben
würden. Wie wird es auf den Äckern dieser Welt zukünftig
aussehen? Und wer ist dafür verantwortlich? Die Politik? Die
Wirtschaft? Oder der Konsument? Der eine, weil er nichts
regelt. Der zweite, weil er nur verdienen und der Dritte, weil
er vor allem sparen will? Ich bin mit Carsten Richter, dem
Altstadtbäcker verabredet. Es geht um die Getreideversorgung
seiner Bäckerei. Wir fahren nach Dorstadt auf eines der drei
Rittergüter – Kissenbrück und Halchter sind die anderen –, die
im Verbund arbeiten. Bei William Gibson wurde in den 80erJahren eine Gesellschaft geschildert, in der man entweder nur
im kriminellen Milieu überleben kann oder im Dienst weniger
Großkonzerne steht. Am Ende läuft beides auf das Gleiche raus.
Was tut man heute, wenn man nicht am Tropf der Agrarindustrie
hängen möchte?
Dinkel und Emmer aus der Region
Carsten Richter ist einer, der nicht nur redet, sondern tut.
Seit geraumer Zeit backt er auch mit Dinkel und Emmer, der
Urgetreidesorte. Immer stärker werden die Vorzüge dieser
Ursorten erkannt, die auf dem global agierenden Markt aber
zunehmend schwieriger zu bekommen sind. Carsten Richter möchte
jedoch ganz bewusst mit diesen robusten Sorten in der Region
arbeiten. Um welche Mengen geht es da? Wenn man so seinen
häuslichen Mehlverbrauch vor Augen hat, fehlen ein bisschen
die Bezugsgrößen. 60 Tonnen Dinkel jährlich verbraucht die
Bäckerei Richters. Drei Tonnen Emmer. Und Gesamtgetreidemenge,
frage ich? Da sind es 730 Tonnen. Unvorstellbar.
»Unvorstellbar?«, lacht Carsten Richter, »das verbraucht eine
bekannte Industriebäckerei in einem ihrer Werke Niedersachsen
allein für Toastbrot in drei Tagen«. In Dorstadt wollen wir
uns eine Entspelzungsmaschine anschauen, die dort seit einigen
Tagen ihren Dienst tut. Helge Büssemaker vom Rittergut führt
uns in eine Scheune, wo ebenso geduldig wie laut eine Maschine
arbeitet. Eine große Trommel rüttelt und trennt die Spelzen
vom Korn. Vorher ist es durch einen verborgenen Mechanismus
gelaufen und rieselt am Ende fein auf ein Förderband.
Die Entdeckung der Langsamkeit
Carsten Richter und Helge Büssemaker halten die Hand unter die
Öffnung und der Dinkel füllt sie langsam. Das sei der Nachteil
der alten Sorten, erklärt der Landwirt. Beim modernen Getreide
seien die Spelzen weggezüchtet worden. Hier müssen sie mühsam
vom Korn getrennt werden. 200 bis 300 Kilogramm schafft die
Maschine. Das ist die Entdeckung der Langsamkeit. Die Familie
von Löbbecke, die das Gut bewirtschaftet, unterstützt solche
Initiativen. Ursprüngliche Sorten, regionale Verteilung. Bis
hin zum Mahlvorgang in einer kleinen Mühle in Langelsheim am
Harz entsteht hier in der Region ein Netzwerk von regionalen
Anbietern. Und Carsten Richter arbeitet daran, dieses Netzwerk
weiter auszubauen. Es
allein, sondern um
durchschaubaren
verantwortungsvolles
geht nicht um Ideologie, nicht um Bio
praktische Bedürfnisse nach einem
Produktionsprozess
und
ein
Wirtschaften miteinander.
Offener Dialog
»Wenn man so arbeitet, muss man ganz offen über diesen Prozess
sprechen«, erklärt Carsten Richter. Was soll gespritzt werden?
Welche Probleme im Ertrag bringen die alten Sorten mit sich?
Der Emmer ist im Wuchs höher als moderne Sorten. Und wenn man
ihn nicht künstlich mit Pflanzenschutzmitteln klein hält, dann
kann er schon mal vor der Ernte abknicken. Auf solche
Pflanzenschutzmittel verzichtet man in Dorstadt. Dadurch kann
es Ausfälle geben, das Endprodukt teurer werden. All diese
Fragen stehen im Raum. Als Teil einer großen Diskussion. Im
Radio laufen wieder die Szenarien der Agrarkonzerne. So etwas
wie die Kooperation zwischen dem Altstadtbäcker Richter und
dem Rittergut, das ist ein konkreter Gegenentwurf zu den
besorgniserregenden Entwicklungen. Sicher keiner, der die Welt
ändert. Aber wenn alle mitziehen, wenn der Verbraucher das
unterstützt, ein Modell das Inseln schafft. Und viele
vernetzte Inseln können auch eine Fläche werden. Welche
Prognosen sind also am Ende erfüllen, liegt wohl an uns
selbst.