Business Monat Ausgabe Nr. 5, September 2016

FOTO: OLIVER WOLF, P.B.B., 8010 GRAZ VZ, 10Z038473 M, ERSCHEINUNGSORT GRAZ, JG. VIII, NR. 5, SEPTEMBER 2016, PREIS: 2,50 EURO
SEPTEMBER/OKTOBER 2016
TOP OF GREEN
Grüne Ideen für den Weltmarkt:
20 steirische „Green Innovations“
mit Wachstumspotenzial.
BIO-PLASTIK
Ein Grazer Start-up rund um einen
steirischen Winzer sagt mit seiner
Entwicklung Plastikmüll den Kampf an.
FETT IM BUSINESS
Biosprit & Ökospirit: Wie der Oststeirer
Ewald-Marco Münzer Europaspitze
im Bereich Biodiesel wurde.
L
A
I &
S
Ewald-Marco Münzer,
Münzer Bioindustrie
Z ech er
E
P -T s d
n au k
e
r
e
Gr erg y rma
En Steie
„Ein Tesla mag hipper sein
als das Thema Biodiesel –
aber unsere Technologie
ist am Markt etabliert
und hat positive Effekte
für die Umwelt und die
regionale Wirtschaft.“
EWALD-MARCO MÜNZER
Ewald-Marco Münzer (33)
am Firmensitz von Münzer
Bioindustrie in Untergroßau
bei Sinabelkirchen.
Die Produktionsstandorte
des Unternehmens befinden
sich in der Lobau sowie im
obersteirischen Gaishorn.
FETT IM
ÖKO-BUSINESS
Biosprit & Ökospirit: Das oststeirische Unternehmen
„Münzer Bioindustrie“ ist Österreichs Marktführer in
der Biodieselproduktion und Europaspitze beim Recycling
von Altspeisefetten. Wie aus einer „Spinnerei“ vor
25 Jahren eine Erfolgsstory wurde und warum Biodiesel
zu Unrecht ein „fades Image“ genießt, erklärt Firmenchef
Ewald-Marco Münzer.
TEXT: WOLFGANG SCHOBER, FOTOS: OLIVER WOLF, MARCIN ROBERT BALC, MÜNZER BIOINDUSTRIE
M
arkant hebt sich die
schwarz glänzende
Fassade des Firmengebäudes von der grünen
Landschaft ab und ist schon
von der schmalen Zufahrtsstraße aus gut erkennbar. Hinter uns die A2 Südautobahn,
ringsum blühende Mais- und
Kürbisäcker. Highway und
Botanik – der Sitz der Firma Münzer hat Symbolkraft.
Nachwachsende
Rohstoffe
und der Anschluss ans internationale Business sind
schließlich zwei Kernelemente des steirischen Familienunternehmens, einem buchstäblichen Hidden Champion der
steirischen Green-Tech-Branche. Denn Münzer Bioindustrie ist der größte Biodieselproduzent Österreichs, zählt
zu den Top 10 Europas und ist
vor allem im Bereich abfallbasierter Kraftstoffproduktion
absolute Europaspitze.
90 PROZENT
WENIGER EMISSIONEN
Vor fünf Jahren übersiedelte das Unternehmen von Gleisdorf in den Gewerbepark Untergroßau bei Sinabelkirchen.
„Wir sind am alten Standort bereits aus allen Nähten geplatzt
und hierher auf die grüne Wiese gezogen“, erklärt EwaldMarco Münzer, als er uns über
das zwei Hektar große Betriebsgelände führt. Immer
wieder rauschen schwere Spezialfahrzeuge im auffälligen
Münzer-Design an uns vorbei.
Selbstredend, dass Münzer
für seinen Fuhrpark Biodiesel
aus eigener Produktion einsetzt. So wie eine Vielzahl mitteleuropäischer Frächter, die
ihre Lkws zu 100 Prozent mit
pflanzlichen Kraftstoffen betanken. Ein Gutteil der Jahresproduktion von rund 200.000
Tonnen geht an Speditionsunternehmen in und außer-
halb von Österreich, die
für ihre Flotte auf eine Reinverwendung des Biosprits setzen. Der andere Teil wird an
Großhändler bzw. Raffinerien geliefert, die den Biodiesel
gemäß des gesetzlich vorgeschriebenen 7-Prozent-Anteils
fossilen Treibstoffen beimengen. Eine Produktionsanlage
sucht man auf dem Firmengelände vergebens. Die beiden
Biodiesel-Werke finden sich im
Ölhafen Lobau – in unmittelbarer Nachbarschaft der OMV
– sowie in Gaishorn im Bezirk
Liezen. In diesen Anlagen wird
umweltfreundlicher Kraftstoff
aus zweierlei Ausgangsmaterial hergestellt: einerseits aus
technischen Pflanzenölen wie
Raps oder Soja, andererseits
aus entsorgten und gesammelten Altspeiseölen und -fetten.
„Beide Varianten bewirken im
Vergleich zu fossilen Quellen
hohe CO2-Einsparungen“, betont der Firmenchef. „Bei der
Produktion aus Altspeiseöl
sind es sogar rund 90 Prozent
weniger Emissionen.“ Ein Umstand, der Münzer besonders
freut, schließlich ist der Anteil abfallbasierter Produktion
in seinem Unternehmen überdurchschnittlich hoch. Und
auch die Erfolgsgeschichte der
Firma Münzer ist bis heute untrennbar mit der Sammlung alter Speiseöle verbunden.
Vor 25 Jahren gründete Ewald
Münzer sen., der Vater der heutigen Geschäftsführer EwaldMarco und Michael Münzer,
die Firma und spezialisierte
sich auf die Entsorgung flüssiger Abfälle. „Es war die Zeit, als
die Umweltschutzvorschriften
strenger wurden und Gewerbebetriebe wie Tankstellen oder
Fleischereibetriebe verpflichtet
wurden, Mineralöl- bzw. Fettabscheider zu installieren, um
das Kanalnetz zu entlasten.“
Mit Spezialfahrzeugen sammelte und entsorgte Münzer diese Abfälle in den 90er-Jahren
– darunter auch immer mehr
Speiseöle und -fette. Zu dieser
begannen steirische Pioniere
rund um Universitätsprofessor Martin Mittelbach und der
legendären SEEG-Gruppe in
Mureck damit, Pflanzen- bzw.
Altspeiseöle in Bio-Kraftstoffe
umzuwandeln. Bald entstand
die erste industrielle Großanlage des steirischen BiodieselAnlagenbauers BDI in Kärnten.
„Da wir zu dieser Zeit bereits
ein namhafter Sammler alter
Speiseöle waren, wurden wir
eingeladen, dieser Anlage unseren Rohstoff zu liefern“, so
Münzer.
ERFOLGSSTORY
NACH „SPINNEREI“
Ewald-Marco Münzer zur Teller-Tank-Diskussion:
„Eine Verspritung von Lebensmitteln findet bei uns nicht statt.“
„Es war eine hochspannende Zeit, in der auch mein Vater
erkannte, dass die Zukunft seines Unternehmens nicht in der
reinen Entsorgung, sondern in
Re-use-Lösungen liegen würde.“ Auch die EU setzte Anfang
des neuen Jahrtausends erste
Signale, Alternativen zu fossilen Energieträgern künftig forcieren zu wollen. Vorzeichen,
die Ewald Münzer sen. richtig
deutete und ihn zu einer weitreichenden Entscheidung motivierten. Der Unternehmer
beschloss, in den Bau einer ei-
12
genen Biodieselproduktionsanlage zu investieren und konnte
schließlich 2006 das Werk im
Ölhafen Lobau in Betrieb nehmen. „Rückblickend betrachtet eine extrem weitsichtige
Entscheidung meines Vaters,
da damals noch nicht klar war,
welchen Weg die ganze Entwicklung nehmen würde. Vielen galt Spritgewinnung aus
Pflanzen oder Abfällen zu jener
Zeit noch als ziemliche Spinnerei“, betont Münzer.
ÖKO-KREISLÄUFE
DURCH ALTSPEISEÖL
Die „Spinnerei“ wurde zur
Erfolgsstory. Und der First Mover zum Trendsetter – nicht
zuletzt durch die Sicherstellung stabiler Rahmenbedingungen der Europäischen Union,
die den verpflichtenden Anteil
an der Beimengung zu fossilen Treibstoffen sukzessive erhöhte. Heute beträgt dieser bekanntlich sieben Prozent. „Was
uns von Beginn an auszeichnete, war unser kompromissloses
Bekenntnis zu höchster Qualität, die gerade in dem sensiblen
Kraftstoffbereich entscheidend
ist“, so Ewald-Marco Münzer,
der seit 2006 im Unternehmen
agiert und nach dem Ausscheiden des Vaters nahtlos an die
positive Entwicklung anknüpfte. Im Jahr 2014 erwarb dieser
mit dem Werk in Gaishorn im
Paltental eine zweite Produktionsanlage. Mit dieser Anlage aus der Insolvenzmasse des
früheren Betreibers sicherte
der oststeirische Unternehmer
nicht nur rund 30 Arbeitsplätze, sondern festigte auch seine
Marktposition als Österreichs
größter Biosprit-Produzent. Die
jährliche Produktionskapazität
könnte die Hälfte des österreichischen Biodieselbedarfs decken – zumindest in der Theorie. Praktisch liefert Münzer
Mehr als 200.000 Tonnen Biodiesel erzeugt das steirische Unternehmen pro Jahr aus technischen Pflanzenölen sowie aus Altspeiseölen
und -fetten: Seit 10 Jahren produziert Münzer im Ölhafen Lobau in unmittelbarer Nähe des Großabnehmers OMV.
rund 60 Prozent seiner Menge
ins benachbarte Ausland. „Unsere Aktivitäten erstrecken sich
über einen Radius von 500 Kilometern. Das entspricht unserem regionalen Verständnis.“
In diesem Umkreis befinden
sich die Abnehmer des Biodiesels, aber auch die Produzenten der Ölsaaten. Ebenfalls
so regional wie möglich vollzieht sich die Sammlung der
Altspeiseöle. Auch in dieser
Sparte zählt Münzer seit einer jüngsten Übernahme zum
größten Anbieter in Österreich.
Rund 15.000 Tonnen Altspeiseöl werden jährlich von Hotellerie, Gastronomie und Gewerbe
gesammelt und einer Wiederverwertung zugeführt. Darunter auch einer der größten heimischen
Speiseölverwender,
die Fastfood-Kette McDonald’s.
„Wir sammeln deren Öl, verwandeln es in Biodiesel, stel-
len diesen dem Frächter von
McDonald’s als Kraftstoff zur
Verfügung, der wiederum auf
umweltfreundliche Weise die
Filialen in ganz Österreich beliefern kann – ein wunderschöner ökologischer Kreislauf“,
erläutert Münzer. Auch der
Großteil der Busse der Grazer
Verkehrsbetriebe fährt mit Biokraftstoff des Marktführers.
Auch im Bereich der Sammlung zeigte Münzer hohe Innovationskraft: Dank neuartiger
Kübelsysteme, die in puncto Hygiene, Hitzebeständigkeit und Praktikabilität überzeugen, konnte die gesammelte
Menge bei Gewerbebetrieben
in der Vergangenheit deutlich
erhöht werden. Wermutstropfen bildet die Sammelmoral in
privaten Haushalten. „Hier liegen die gesammelten Mengen
deutlich unter den sammelbaren“, weiß Münzer, dessen
Firma Privathaushalte freilich
nicht direkt serviciert, sondern
gesammelte Altöle der Bürger
bei den Abfallwirtschaftsverbänden abholt. Münzers dringender Appell: „Wer im Privathaushalt Altöl sammelt, bringt
der Kommune Geld und spart
Kosten, weil er den Kanal entlastet – und darf sich darüber
freuen, dass aus seinem Abfall
Biokraftstoff wird.“
Entsorgungswirtschaft
tätig
ist und innovative Dienstleistungen anbietet. Diese reichen
von der Öltankreinigung und
-demontage über die Wiederaufbereitung von Elektrokabeln
bis zum Einsatz von Supersaugern bei der Entsorgung rieselfähiger Materialien. Ein breites
Portfolio hoch spezialisierter
Nischen.
BREITES PORTFOLIO
ERFOLGSMODELL STATT
HIPPNESS-FAKTOR
Ungetrübt ist hingegen die
Entwicklung des Unternehmens selbst. Der Umsatz kletterte zuletzt auf 180 Mio. Euro,
die Mitarbeiterzahl stieg auf
150. Das Geschäft brummt trotz
niedrigem Rohölpreis. Dafür
sorgen auch die anderen Geschäftsfelder des Unternehmens, das neben Biodieselproduktion und der Sammlung
von Altspeiseölen auch in der
Alles happy-peppi also in Sinabelkirchen, alles im „grünen“
Bereich? Nicht ganz. Eine Sache stößt Ewald-Marco Münzer
sauer auf. „Biodiesel ist gerade hierzulande eine Erfolgsgeschichte, die Steiermark ist in
diesem Bereich absolutes Pionierland“, so der Unternehmer,
„dennoch sind Image und Stellenwert von Biodiesel in der Öffentlichkeit nicht sehr hoch
13
– und das ist schade.“ Das
Land und auch die Politik können zu Recht sehr stolz auf das
Erreichte sein. „Denn schließlich ist die Biodieseltechnologie eine absolut sinnreiche und
grundvernünftige Möglichkeit
ökologischer
Energiegewinnung, die sich bestens bewährt
hat und eine marktfähige Technologie darstellt, die ganz ohne
Subventionen
auskommt.“
Ganz abgesehen von den positiven volkswirtschaftlichen
Auswirkungen dieser Energieform, wie auch eine Studie der
Linzer Kepler-Universität bestätigt. Darin wird der österreichischen Biodiesel-Produktion eine Wertschöpfung von
870 Millionen Euro pro Jahr sowie Arbeitsmarkteffekte von
mehr als 18.000 Beschäftigten
zugeschrieben. „Biodiesel wirkt
absolut positiv auf die regionale Wertschöpfung und leistet
einen wichtigen Beitrag, die
Abhängigkeit von fossilen Rohstoffimporten zu reduzieren“,
betont Münzer. „Uns ist klar:
Ein schnittiger Tesla mag hipper sein als ein Kübel Altspeiseöl, aber sowohl ökonomisch
als auch ökologisch kann der
heimische Biokraftstoff nicht
hoch genug geschätzt werden“,
so der Unternehmer, der Biodieseltechnologie freilich nicht
für die einzig heilsbringende
Lösung hält, aber überzeugt
ist, dass es künftig ein Zusammenspiel vieler erneuerbarer
Energiequellen braucht, um die
Wende zu schaffen: „Es wird ein
R. oben: Die zweite große Produktionsanlage in Gaishorn (Liezen). L. oben: Experten bei der Tankreinigung. L. unten: Der Firmenchef mit Münzer-Altspeiseöltonne. R. unten: Kanalreinigungsarbeiten.
Mosaik unterschiedlicher Technologien sein, die sich nicht
ersetzen, aber ergänzen. Elektromobilität wird ein wichtiger
Faktor sein, aber auch Biodiesel wird aufgrund seiner vielen
Vorteile noch lange eine große
Rolle spielen.“ Die Gründe für
manche Vorbehalte gegen Biokraftstoffe in der Vergangenheit
seien längst obsolet. „Die Verwendung von Palmfett für Biokraftstoffe spielt in Österreich
mit Sicherheit keine Rolle.“
Eine Diskussion, die dem Image
der Branche geschadet hat –
ebenso wie die Teller-Tank-Diskussion. „Ich sehe es positiv,
dass diese Diskussion geführt
wurde, aber das Thema spielt in
der Praxis keine Rolle – in Europa werden keine Lebensmittel verspritet. In der EU braucht
es für Biodiesel einen ,ökologischen Lieferschein‘ und damit
ganz strenge Nachweise über
die Herkunft der Rohstoffe“, bestätigt Münzer. „Zudem gibt es
noch einen ganz praktischen
Grund, warum das Teller-TankThema in Europa nie ein echtes
Problem war: Sieben Millionen
Hektar Brachfläche zählt die
EU derzeit. Von einer Knappheit kann man hier also sicher
nicht sprechen.“
14
MÜNZER BIOINDUSTRIE GMBH
Gegründet im Jahr 1991 von
Ewald Münzer, Vater des heutigen
Firmenchefs. Start als Entsorgungsbetrieb für flüssige Abfälle. Seit
2006 Biodieselproduktion aus
pflanzen- und abfallbasierten Ölen.
Neben der Kraftstofferzeugung
existieren zwei weitere Geschäftsfelder: die Sammlung von Altfetten und -ölen (Marktführer
in Österreich) sowie das Angebot
von Entsorgungsdienstleistungen
von gefährlichen und nicht
gefährlichen Abfällen.
Derzeit 150 Mitarbeiter, rund
180 Millionen Euro Umsatz.
www.muenzer.at