Kasimir und Karoline

Begleitmaterial für Pädagogen zu
Kasimir und Karoline
von Ödön von Horváth
Fassung Schauspiel Dortmund
Premiere: 18. September 2016, um 18.00 Uhr im Megastore
Besetzung:
Kasimir
Karoline
Schürzinger
Der Merkel Franz
Dem Merkel Franz seine Erna
Kommerzienrat Rauch
Landgerichtsdirektor Speer
Fanfaren-Auftritt
Ekkehard Freye
Julia Schubert
Frank Genser
Christoph Jöde
Bettina Lieder
Carlos Lobo
Max Thommes
Fanfaren Corps1974 Dortmund-Wickede
Regie
Bühne
Kostüme
Crazy Carts
Musik
Licht
Dramaturgie
Regieassistenz
Bühnenbild-/ Kostümassistenz
Soufflage
Inspizienz
Ton
Gordon Kämmerer
Jana Wassong
Josa David Marx
Lucas Pleß
Max Thommes
Sibylle Stuck
Anne-Kathrin Schulz
Wiebke Rüter
Ronny Wollmann
Marie Helbing
Ralf Kubik
Jörn Michutta, Andreas Sülberg
Informationen
www.theaterdo.de www.youtube.com/schauspieldortmund
www.facebook.com/schauspieldortmund www.twitter.com/schauspieldo
http://lettsnet.net/
1 Inhalt der Dortmunder Inszenierung „Kasimir und Karoline“
2 Biographie und „Gebrauchsanweisung“ von Ödön von Horváth
3 Textstellen für den Unterricht
4 Sprichworte
5 Historischer Kontext – Weltwirtschaftskrise 1929
Kontakt und theaterpädagogische Begleitung:
Sarah Jasinszczak, Theaterpädagogin Schauspiel, Theaterkarree 1-3, 44137 Dortmund
0231/5022555 oder [email protected]
1 Inhalt der Dortmunder Inszenierung „Kasimir und Karoline“
Für die Oktoberfest-Gesellschaft ist er neben Bier, Abnormitäten und Fahrgeschäften die zentrale
Attraktion: Der „Hau den Lukas“ – nur diejenigen, die am härtesten zuschlagen, sind Gewinner.
Wenigstens kurz. Kasimir schafft es gerade noch so, mit letzten Kräften – beim dritten Versuch klingelt
endlich die Siegesglocke. Doch freuen kann er sich nicht, denn er hat am Vortag seine Stelle verloren,
und nun scheint ihm alle Zukunft abhanden gekommen. Dass seine Verlobte Karoline ihn verlassen
wird, ist für ihn keine Frage – höchstens eine der Zeit. Und Karoline? Hat keine Lust auf
Nachdenklichkeit – jedenfalls nicht heute, will sich amüsieren, den Alltag wegfeiern. Und so wird aus
dem geplanten Jahrmarkts-Nachmittag schnell eine Reise in die Risse der Gesellschaft, wo Menschen
im freien Fall sich hoffnungsvoll aneinander klammern...
Es ist eine verzauberte und zugleich entzauberte Welt, die Ödön von Horváth in seinem 1932 zwischen
Weltwirtschaftskrise und braunem Stechschritt entstandenen Stück entwirft. Längst zählt es zu den
berühmtesten deutschsprachigen Klassikern – hat einen sezierenden Blick, der auch dem Heute gut tut.
Der österreichische Schriftsteller Alfred Polgar vermerkt zu Kasimir und Karoline, dass die Zuschauer
darin das „ziemlich Trostlose einer in ihrem schnöden Mechanismus bloßgelegten Welt kalt anweht.
Zum Ersatz freilich auch die ganze Komik einer solchen. Nichts ist witziger als die Wahrheit. Und kein
skurrilerer Anblick als jener, den die Wahrheit bietet, wenn sie sich nackt unter die Leute mischt.“
Quelle: http://www.theaterdo.de/detail/event/kasimir-und-karoline/
Gattung: sozialkritisches Volksstück
Ort und Zeit der Handlung:
Das Volksstück spielt in München und zwar „in unserer Zeit“. Damit war zum Zeitpunkt
der Uraufführung (18. November 1932) die Zeit nach der Weltwirtschaftskrise von 1929
gemeint.
2 Biographie und „Gebrauchsanweisung“ von Ödön von Horváth
Ödön von Horváth
Geboren als: Edmund Josef von Horváth
Geboren am: 9. Dezember 1901 in Sušak, Nachbarort von Fiume, Österreich-Ungarn
Gestorben am: 1. Juni 1938 in Paris
Muttersprache: Deutsch (Süddeutsch)
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Sarah Jasinszczak, Theaterpädagogin Schauspiel, Theaterkarree 1-3, 44137 Dortmund
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Lebensstationen
1909
Sein Vater wird nach München versetzt. Ödön bleibt zunächst in Budapest und besucht dort ein
erzbischöfliches Internat.
1913
Er zieht zu seinen Eltern nach München, wo er zwei Jahre ins Gymnasium geht.
1916
Er übersiedelt mit der Familie ins damals ungarische Pressburg (nahe Wien).
1918
Umzug nach Budapest.
1919
Seine Eltern ziehen wieder nach München. Ödön selbst geht nach Wien in die Obhut seines Onkels.
Dort legt er im Sommer 1919 an einem Privatgymnasium die Matura ab und schreibt sich noch im
selben Jahr an der Universität München ein, wo er bis zum Wintersemester 1921/22 psychologische,
literatur-, theater- und kunstwissenschaftliche Seminare besuchte.
1920
Er beginnt mit der Schriftstellerei.
1922
Der erste literarische Text Horváths „Das Buch der Tänze“ wird in München aufgeführt.
1931
Horváths Ruhm als Dichter erlebt im Herbst 1931 den ersten Höhepunkt, als er mit dem Kleist-Preis
ausgezeichnet wird und am 2. November 1931 sein Bühnenstück „Geschichten aus dem Wiener Wald“,
heute sein erfolgreichstes, uraufgeführt wird.
1933
Als die SA nach Adolf Hitlers Machtergreifung 1933 die Villa seiner Eltern in Murnau durchsucht,
verlässt Horváth Deutschland und lebt die folgenden Jahre in Wien und in Henndorf am Wallersee bei
Salzburg. Weil seine Stücke in Deutschland nicht mehr aufgeführt werden, verschlechtert sich Horváths
finanzielle Situation zusehends.
1937
Sein Roman „Jugend ohne Gott“ erscheint in Amsterdam und wird wieder zu einem größeren Erfolg für
ihn. Der Roman wird in mehrere Sprachen übersetzt, aber bereits 1938 in die „Liste des schädlichen
und unerwünschten Schrifttums“ aufgenommen und im Reichsgebiet eingezogen.
1983
Horváth fährt nach Budapest und Fiume, er bereist einige andere Städte und kommt Ende Mai nach
Paris und verstirbt dort überraschend.
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„Gebrauchsanweisung“ von Horvath
- Horváth beschäftigt sich mit sozialpolitischen Themen, das dramatisches Grundmotiv
aller Werke ist der Kampf zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein
- Leitprinzipien: „Demaskierung des Bewusstseins“ und Synthese von „Ernst und Ironie“
als gemeinsame Ziele seiner Werke
- dem dramatischen Dialog sollte mehr Beachtung seitens des Publikums geschenkt
werden (und nicht nur der dramatischen Handlung)
- In seinen dramatischen Arbeiten kritisiert er den „Bildungsjargon“, den er mittels einer
künstlichen und kommunikationslosen „Dialogsprache“ zu entlarven versucht
- keine Parodie; Satire und Karikatur nur stellenweise
- Phantasie soll angesprochen werden; meistens ein Ventil für zum Teil asoziale und
primitive Wünsche ist (asozial im Sinne von Trieben, die auf einer kriminellen Basis
beruhen und nicht etwa Begegnungen, die gegen eine Gesellschaftsform gerichtet sind)
- Der Zuschauer soll durch seine Teilhabe in seinen „asozialen Trieben“ befriedigt
werden („Katharsis“) -> kann aber auch gegenteilige Wirkung erzeugen, da sie nicht
direkt daran beteiligt sind
- Warum ist es ein „Volksstück“?
Probleme werden auf eine möglichst volkstümliche Art und Weise behandelt;
gesamtgesellschaftliche Themen; in den Stücken spielen Charaktere aus allen
Gesellschaftsschichten mit.
- Regieanweisungen: Jedes Wort muss hochdeutsch gesprochen werden, allerdings so,
wie jemand der sonst nur Dialekt spricht, sich nun zwingt Hochdeutsch zu sprechen;
möglichst einfaches Bühnenbild; Stücke müssen stilisiert (in einer Art Überbetonung)
gespielt werden, damit die wesentliche Allgemeingültigkeit dieser Menschen betont
wird; jeder Dialog muss hervorgehoben werden, keine Nebendialoge;
„Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich –
aber dann kehrt man zurück mit gebrochenen Flügeln
und das Leben geht weiter,
als wär man nie dabei gewesen“
Karoline: in Kasimir und Karoline
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3 Textstellen für den Unterricht
Prequel
Vor der Anatomie
KAROLINE
tritt auf
SPITALER
Sie wünschen?
KAROLINE
Das ist doch hier das anatomische Institut?
SPITALER
Jawohl, mein Fräulein.
KAROLINE
Ich meine, das ist doch hier, wo die Menschen zerstückelt werden?
SPITALER
(lächelt) Die Leichen, Fräulein! Die Leichen!
KAROLINE
(lächelt) Natürlich die Leichen.
SPITALER
Na und?
KAROLINE
Ich möchte gerne eine Auskunft haben – ich habe nämlich gehört, dass man sich der
Anatomie verkaufen kann, dass nämlich wenn man stirbt, dass man zerschnitten werden kann – ich
möchte mich gerne verkaufen.
SPITALER
Also das schlagens Ihnen nur aus dem Kopf! Das gibt es hier nicht! Das ist ein sehr
weit verbreiteter Irrtum! Wir haben Leichen genug in Hülle und Fülle!
KAROLINE
Und ich hab gemeint, dass wenigstens für die Leichen noch was bezahlt wird.
SPITALER
Sie sind arbeitslos?
KAROLINE
Natürlich! Und ausgesteuert!
SPITALER
Das ist eine schlimme Zeit!
KAROLINE
Ja.
(Stille)
Diese Szene stammt im Original nicht direkt aus Kasimir & Karoline, sondern ist eher bekannt aus
Glaube, Liebe, Hoffnung. Horvath hat sie aber bei seinen ersten Entwürfen in beide Stücke
geschrieben, da diese Stücke relativ nah bei einander liegen und ihn das Voraussehen in die Zukunft
und der Fakt, seinen Körper zu Markte zu tragen für beide Stücke interessant erschien. Es ist aber in
der Kasimir & Karoline Fassung meist nicht mehr vorhanden.
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3. Szene
KAROLINE Der Zeppelin, der fliegt jetzt nach Oberammergau, aber dann kommt er wieder zurück und
wird einige Schleifen über uns beschreiben.
KASIMIR
Das ist mir wurscht! Ich scheiß dir was auf den Zeppelin, ich kenne diesen Schwindel. –
Der Zeppelin, verstehst du mich, das ist ein Luftschiff und wenn einer von uns dieses Luftschiff sieht,
dann hat er so ein Gefühl, als tät er auch mitfliegen – derweil haben wir bloß die schiefen Absätze und
nichts zu fressen.
KAROLINE
Wenn du so traurig bist, dann werd ich auch traurig.
KASIMIR
Ich bin kein trauriger Mensch.
KAROLINE
Doch. Du bist ein Pessimist.
KASIMIR
Das schon. Ein jeder intelligente Mensch ist ein Pessimist. Er läßt sie wieder stehen
und haut abermals den Lukas; jetzt knallt es dreimal, er zahlt und bekommt drei Orden; dann nähert er
sich wieder Karoline.
Du kannst natürlich leicht lachen. Ich habe es dir doch gleich gesagt, daß ich heut unter gar keinen
Umständen auf dein Oktoberfest geh. Gestern abgebaut und morgen stempeln, aber heut sich
amüsieren, vielleicht sogar noch mit lachendem Gesicht!
KAROLINE
Ich habe ja gar nicht gelacht.
Stille.
Entwicklung des Zeppelins
Zeppeline waren Starrluftschiffe aus deutscher Produktion, die nach ihrem Erfinder Ferdinand Graf von
Zeppelin benannt wurden. Sie wurden von 1900 bis 1940 sowohl zur Personenbeförderung als auch
militärisch eingesetzt. Am 2. Juli 1900 wagte er mit seinem LZ 1 den Jungfernflug. Sein Starrluftschiff
war so revolutionär, dass alle folgenden Luftschiffe nach dem deutschen Erfinder Zeppelin benannt
wurden.
Das Prinzip des Luftschiffes ist einfach: Gefüllt mit Gas, das leichter ist als Luft, erhält es Auftrieb und
gleitet, von motorenbetriebenen Propellern angetrieben, voran.
Verglichen mit zeitgenössischen Flugzeugen, die noch am Anfang ihrer Entwicklung standen, erreichten
sie größere Höhen, waren fast ebenso schnell, konnten mit ihrer viel größeren Nutzlast stärker
bewaffnet und mit mehr Bomben bestückt werden, konnten viel länger in der Luft bleiben und hatten
eine sehr viel größere Reichweite.
Zwischen 1900 und 1938 wurden insgesamt 119 Zeppeline gebaut. Den Erfolg der Zeppeline beendete
schließlich die Katastrophe der LZ 129 "Hindenburg". Beim Brand des größten Zeppelin aller Zeiten
starben bei New York im Mai 1937 26 Menschen.
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36. Szene
KASIMIR
Was sind denn das dort für Leute?
KAROLINE
Lauter alte Bekannte. Der Dicke dort ist der berühmte Kommerzienrat Rauch, der wo
Alleininhaber ist. Und der andere kommt aus Norddeutschland. Ein Landgerichtsdirektor.
KASIMIR
Also lauter bessere Menschen. Du kannst mich jetzt nicht mehr aufregen.
Stille.
KAROLINE
Was willst du noch?
KASIMIR Ich hab dich um Verzeihung bitten wollen von wegen meinem Mißtrauen und daß ich zuvor so
grob zu dir war. Nein das war nicht schön von mir. Wirst du mir das verzeihen?
KAROLINE
Ja.
KASIMIR
Ich danke dir. Jetzt geht es mir schon wieder anders – Er lächelt.
KAROLINE
Du verkennst deine Lage.
KASIMIR
Was für eine Lage?
Stille.
KAROLINE
Es hat keinen Sinn mehr, Kasimir. Ich hab mir das überlegt und habe mich genau
geprüft – Sie wendet sich der Schnapsbude zu.
KASIMIR
Aber das sind doch dort keine Menschen für dich! Die nützen dich doch nur aus zu
ihrem Vergnügen!
KAROLINE
So sei doch nicht so sentimental. Das Leben ist hart und eine Frau, die wo etwas
erreichen will, muß einen einflußreichen Mann immer bei seinem Gefühlsleben packen.
Das Oktoberfest ist hier eine Möglichkeit, wo sich Menschen aus unterschiedlichen Schichten der
Gesellschaft treffen oder zusammen kommen und das ist auch heute noch der Fall. Ein Oktoberfest
kann eine Kirmes, ein Rummelplatz oder ein anderer Ort des Vergnügens sein, der Jedem offen steht
und damit auch Gelegenheit für Begegnung bietet. Und auf dem Rummelplatz trifft sich alles –
Menschen mit Geld und Menschen ohne Geld, Menschen, die die Sterne im Blick haben und andere,
die nur noch auf ein weiteres Glas Bier hoffen. Oder die nächste „gute“ Gelegenheit.
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70b. Die Wiesenbraut
ERNA
Unter einer Wiesenbraut versteht man ein Fräulein, dass man an einem
Oktoberfestbesuche kennenlernt und zu dem die Bande der Sympathie je nach Veranlagung und
Umständen mehr oder weniger intimer geschlungen werden. Meistens wird die Wiesenbraut vom
Standpunkte des Herren aus gesehen – aber die Gefühle samt der Sehnsucht, die in der Wiesenbraut
leben, werden selten respektiert - oft will die Wiesenbraut nur lustig sein und sonst nichts, häufig will sie
sonst auch noch etwas; nie aber denkt sie momentan materiell. Aber in der Wiesenbraut wohnt häufig
die Sehnsucht, dass es immer ein Oktoberfest geben soll, immer so einen Abend, immer eine
Achterbahn, immer die Abnormitäten, immer im Kreise.
Seit es eine Oktoberfestwiese gibt, seit der Zeit gibt es eine Wiesenbraut. Die Wiesenbraut verlässt die
ihre, verlässt ihr milljöh – geht mit Herren, die sie nicht kennt, interessiert sich wenig für den Charakter,
mehr für die Vergnügungen. Die Wiesenbraut denkt nicht an den Tod. Die Wiesenbraut opfert ihren
Bräutigam, sie denkt nicht, sie lebt. Sie verliert ihre Liebe wegen einem Amüsement. Sie vergisst, wohin
sie gehört. Und der Kreis um die Wiesenbraut empfindet diese Störung. Er gerät durcheinander aus
Enttäuschung. Aber, bald ordnet sich wieder alles – und die Wiesenbraut ist ausgeschaltet. Nur im
Märchen bekommt die Wiesenbraut einen Prinzen, oder einen Scheich. In Wahrheit versinkt sie in das
Nichts, sobald die Wiese aufhört. Sie lebt auf der Wiese. Auch sie ist nur ein Produkt der Wiese. Ihrer
Umgebung. Trotz Seele und Fleisch, Liebe und Sehnsucht.
Der Text „Die Wiesnbraut“ ist ein Text von Horvath, der in keinem seiner Stücke direkt auftaucht, aber
ein Gefühl von dem wieder gibt, was auf dem Oktoberfest als Alltagsflucht anzusehen ist.
Eigentlich wollte Kasimir nicht mit aufs Oktoberfest. Und Karoline? Hat keine Lust auf Nachdenklichkeit,
jedenfalls nicht heute, will den Alltag wegfeiern und vielleicht Wiesenbraut sein?
4 Sprichworte
KASIMIR
Wer den Schaden hat, hat auch den Spott.
KAROLINE
Vielleicht sind wir zu schwer füreinander –
KASIMIR
Ein jeder intelligente Mensch ist ein Pessimist.
KAROLINE Wenn es dem Manne schlecht geht, dann hängt das wertvolle Weib nur noch intensiver an
ihm.
DER MERKL FRANZ
Wem nicht zu raten ist, dem ist nicht zu helfen.
SCHÜRZINGER
Die Kleinen hängt man und die Großen lässt man laufen.
KAROLINE Aber der Merkl Franz prügelt seine Erna, obwohl sie ihm pariert. Und ein schwaches Weib
schlagen, das ist doch wohl schon das allerletzte.
ERNA Wenn s mir schlecht geht, dann denk ich mir, was ist ein Mensch neben einem Stern.
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SPEER Eine merkwürdige Jugend diese heutige Jugend. Wir haben ja seinerzeit auch Sport getrieben,
aber so merkwürdig wenig Interesse für die Reize des geistigen Lebens –
KAROLINE Das Leben ist hart und eine Frau, die wo etwas erreichen will, muß einen einflußreichen
Mann immer bei seinem Gefühlsleben packen.
SCHÜRZINGER
Jähzornige Leute sind aber meistens gutmütig.
DER MERKL FRANZ In einer solchen Situation darf man seinen Freund nicht allein lassen.
5 Historischer Kontext
Weltwirtschaftskrise 1929
Im Winter 1929/30 geriet Deutschland in den Strudel der sich aus dem Zusammenbruch der New
Yorker Börse im Oktober 1929 entwickelnden Weltwirtschaftskrise. Der Kapitalstrom nach Deutschland
versiegte, als die für die deutsche Wirtschaft so dringend benötigten ausländischen Kredite abgezogen
wurden.
Firmenzusammenbrüche, Bankenschließungen und Massenarbeitslosigkeit waren die Folgen der
Weltwirtschaftskrise. Zwischen September 1929 und Anfang 1933 stieg die Zahl der Erwerbslosen in
Deutschland von 1,3 auf über sechs Millionen. Das Realeinkommen sank um ein Drittel, Armut und
Kriminalität nahmen sprunghaft zu. Massenverelendung kennzeichnete in der Wirtschaftskrise das
Alltagsleben breiter Bevölkerungsschichten. Für ältere Menschen bestand keinerlei Hoffnung auf eine
Anstellung. Auch jüngere Arbeitslose mussten jede Chance eines kleinen Verdienstes ergreifen, um
dem gefürchteten sozialen Abstieg und der Obdachlosigkeit zu entgehen. Viele Menschen erkannten
nur im Freitod einen Ausweg aus ihrer existenziellen Not. Andere versuchten durch Heimarbeit,
Hausieren und Tauschgeschäfte, den täglichen Überlebenskampf zu gewinnen oder zogen als
Straßenmusikanten von Haus zu Haus. Für unzählige Frauen war Prostitution der letzte Ausweg.
Die allgemeine Katastrophenstimmung veränderte zunehmend die politischen Rahmenbedingungen. Mit
Erfolg entfesselten die Gegner der Weimarer Republik von rechts und links eine beispiellose Agitation
gegen die demokratische Ordnung. Der seit den Landtagswahlen 1929 eingesetzte Aufwärtstrend der
NSDAP verstärkte sich mit den Reichstagswahlen 1930 und 1932. Auch die KPD profitierte bei den
Wahlen von der allgemeinen Missstimmung gegen die Weimarer Republik und ihrer
Wirtschaftsordnung. Die liberale DDP als Vertreterin des parlamentarischen Systems hingegen versank
in der politischen Bedeutungslosigkeit.
Quelle: Arnulf Scriba, © Deutsches Historisches Museum Berlin
(abrufbar unter: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/industrie-undwirtschaft/weltwirtschaftskrise.html)
Motto des Stückes: „Und die Liebe höret nimmer auf.“
Erarbeitung des Materials: Sarah Jasinszczak (Theaterpädagogin Schauspiel) und Romina Saatkamp
(Studentin Erziehungs& Theaterwissenschaft)
Kontakt und theaterpädagogische Begleitung:
Sarah Jasinszczak, Theaterpädagogin Schauspiel, Theaterkarree 1-3, 44137 Dortmund
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