Artikel auch erschienen: Iserlohner Kreisanzeiger Westfalenpost vom 19.09.2016 Autor: Harald Ries Ausgabe: Seite: Ressort: 4 Mantel Regional Gattung: Auflage: Rubrik: Weblink: WP Lennestadt/Kirchhundem http://www.funkemedien.de Reichweite: Westfalenpost - Zeitung für Lennestadt und Kirchhundem Tageszeitung 96.854 (gedruckt) 91.311 (verkauft) 92.495 (verbreitet) 0,28 (in Mio.) „Hilfsbereitschaft lässt sich steuern“ Die Hagener Psychologin Katharina Lotz-Schmitt über empathisches und egoistisches Helfen, Fremdgruppen und Informationen über Individuen Von Autor: Harald Ries Frage: Da gibt es Unterschiede? Hagen. Antwort: Wir trennen zwischen dem empathiebasierten selbstlosen Helfen und einem mehr am Kosten-NutzenVerhältnis orientierten, sogenannten egoistischen Helfen. Wir haben festgestellt, dass empathiebasiertes Helfen umso unwahrscheinlicher wird, je weniger die Hilfsbedürftigen dem eigenen Kulturkreis anzugehören scheinen. Unsere Frage war nun: Lässt sich das verändern, wenn der Fremde positive individuelle Eigenschaften zugeschrieFrage: Vermutlich hilft man Menschen ben bekommt. Die Antwort: Ja. Trotz aus dem eigenen Umfeld eher als ande- großer Unähnlichkeit wird dem Fremdren. Stimmt das? gruppenmitglied aus Empathie geholfen, wenn es als angenehm, umgänglich und Antwort: Katharina Lotz-Schmitt: Im vertrauenswürdig wahrgenommen wird. Prinzip gilt das. Man hilft der eigenen Gruppe mehr als Fremdgruppen. Das Frage: Was haben Sie genau untersucht? wird meist biologisch begründet, mit Arterhaltung und Verwandtschaft. Aber Antwort: Wir haben in einem studentiwenn man genauer hinschaut, stellt man schen Chat Nachbarschaftsunterstütfest: Das ist nicht zwingend so. Es gibt zung für fiktive Neuankömmlinge angeauch andere Situationen. fragt. Es ging darum, Zeit zu investieren, um persönlichen Zuspruch, darum, Frage: Welche? sich emotional einzubringen und mittelbis längerfristig zu engagieren. Und da Antwort: Die Hilfsbereitschaft für zeigt sich: Wenn wir den HilfsbedürftiFremdgruppen kann höher sein, wenn gen persönlich sympathisch erscheinen deren Bedürftigkeit höher eingeschätzt lassen, ist die Hilfsbereitschaft aus wird. Es gibt auch einen umgekehrten Empathie heraus motiviert, und zwar Rassismus. auch dann, wenn ein hohes Maß an Unähnlichkeit gegeben ist. Es wäre noch Frage: Aber das ist die Ausnahme? zu klären, ob das auf andere Kontexte übertragbar ist, ob etwa im studentiAntwort: Die meisten Menschen neigen schen Umfeld andere soziale Normen grundsätzlich zu einer Angst vor dem gelten. Aber die Ergebnisse decken sich Fremden. Die gilt es zunächst zu über- im Wesentlichen mit anderen Studien. winden. Und es gibt verschiedene Stufen von Fremdheit. Schweden fühlen Frage: Und was folgt daraus? wir uns meist näher als Nigerianern. Aber im Zentrum meiner Forschung Antwort: Zunächst: Es handelt sich um stand die Motivation des Helfenden. Grundlagenforschung, nicht um eine Die Hagener Diplompsychologin und Psychotherapeutin Katharina Lotz-Schmitt hat an der Fernuniversität ihre Dissertation über die „Einflüsse interkultureller Unähnlichkeit und positiver Eigenschaften des Hilfeempfängers auf empathiegeleitetes Helfen“ verfasst. Das klingt kompliziert, lässt sich aber auf die Frage reduzieren: Warum helfen Menschen den einen – anderen aber nicht? anwendungsbezogene. Aber interessant für die Praxis kann das schon sein, wenn wir uns fragen, was für die jeweilige Situation passend ist. Empathisches Helfen muss ja nicht immer gut sein. Um Windeln zu besorgen und Shampoo zu verteilen ist das vielleicht nicht unbedingt nötig. Und für professionelle Helfer kann ein Zuviel an Empathie sogar ungesund sein. Frage: Was sind denn andere Hilfsmotive? Antwort: Das kann die persönliche Weiterentwicklung sein, Kompetenz-Zugewinn, Kontakt und Anerkennung. Es gibt auch Kosten, wenn man nicht hilft: Beim Unfall vielleicht sogar eine Anzeige, ansonsten ein Schuldgefühl oder soziale Ächtung. Es zeigt sich aber, dass die Hilfe je nach Motiv unterschiedlich ausfällt. Beim empathischen Helfen gegenüber Fremdgruppen stehen die tatsächlichen Bedürfnisse der anderen Person vermutlich deutlicher im Mittelpunkt. Frage: Wie könnte die Unterstützung für Flüchtlinge profitieren? Antwort: Die Unterschiede zwischen „denen“ und „uns“ können aufgehoben werden. Offenbar haben wir gegenüber Fremdgruppen ebenfalls empathische Gefühle. Dafür müssen aber Hindernisse beseitigt werden. Vielversprechend ist es, einem potenziellen Helfer Informationen über Eigenschaften der hilfsbedürftigen Person zukommen zu lassen. Hilfsbereitschaft ist ein Prozess, den wir beeinflussen können. Frage: Ist das eine neue Erkenntnis? Antwort: Natürlich nicht. Wenn Hilfsor- ganisationen mit Bildern von großäugigen Kindern werben, wissen sie schon, was sie tun. Aber wir arbeiten daran, genauer zu verstehen, wie die Prozesse ablaufen. Wörter: Urheberinformation: © 2016 PMG Presse-Monitor GmbH Bild 1: Menschen helfen auch Fremden. Der Bild 2: syrische Flüchtling Obayda Daoud mit Katharina Lotz-Schmitt seiner Flüchtlingspatin Friedegard Enders. Foto: Christoph Schmidt/dpa 602 FUNKE MEDIENGRUPPE GmbH & Co. KGaA
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