www.bvl-legasthenie.de, 06/07 „Unser Kind hat eine Rechenstörung (Dyskalkulie) – Was können wir tun? Worauf müssen wir achten?“ Die schulische Vorgehensweise bei Dyskalkulie ist nicht oder nur teilweise durch Erlasse geregelt. Dyskalkulie ist immer noch eine Grauzone, in der Unwissenheit und Unsicherheit vorherrschen. Eltern merken beim häuslichen Üben, dass mit ihrem Kind beim Rechnen „etwas nicht stimmt“, werden aber eher vertröstet („Warten Sie mal ab, irgendwann macht es „klick“ und der Knoten ist geplatzt“). Dies ist ein folgenschwerer Irrtum. Eine Dyskalkulie „wächst sich nicht aus“, mit Sicherheit aber das Ausmaß des Versagens in Mathematik und die damit verbundenen Frustrationen und Nöte. Sofern schulische Erlasse für Kinder mit Rechenschwächen vorliegen, können diese auf der Homepage www.bvl-legasthenie.de unter „Landesverbände“ nachgelesen werden. Ebenso finden sich hier die Ansprechpartner in unseren Landesverbänden, die bestehende Fragen gerne beantworten. Frau Palme erreichen Sie über unser bundesweites Beratungstelefon unter 0700/31 87 38 11. Hier nun die Fragen, die in der Beratung am häufigsten gestellt werden. 1. 2. Ich bin nicht sicher, ob mein Kind eine Dyskalkulie hat. Was soll ich tun? Ich habe beim Jugendamt angerufen. Dort kann man mir keine Anlaufstellen für eine Testung nennen. An wen kann ich mich wenden? 3. Ich habe einen Termin mit der Mathematiklehrerin meiner Tochter ausgemacht. Sie ist im dritten Schuljahr und hat große Probleme beim Rechnen. Die Lehrerin meinte, es würde sich auswachsen und ich solle abwarten. Wie lange soll ich nun noch warten? 4. Meine Tochter ist im dritten Schuljahr und zählt nachhaltig mit den Fingern. Ist dies ein Symptom für eine Dyskalkulie? 5. Meine Tochter zeigt ein merkwürdiges Verhalten, wenn sie eine Aufgabe ausrechnen soll. Sie schließt die Augen und bewegt den Kopf dabei. Ist das ein Hinweis auf eine Rechenschwäche? 6. Ich habe einen Termin mit der Mathematik-Lehrerin gehabt. Sie ist der Meinung, dass bei meiner Tochter eine Dyskalkulie vorliegt. Was muss ich jetzt tun? 7. Das tägliche Üben ist quälend und völlig sinnlos. Außerdem fällt mir auf, dass mein Sohn, das, was er gestern noch konnte, morgen vergessen hat. 8. Ich habe ein Gutachten erstellen lassen und möchte nun einen Antrag auf Kostenübernahme einer außerschulischen Dyskalkulie-Therapie beim Jugendamt stellen. Wie muss ich vorgehen? 9. Wie erkenne ich, ob ein Förderinstitut seriös ist und ob mein Kind dort rechnen lernt? 10. Wie geht es weiter, wenn meine Tochter eine Dyskalkulie-Therapie beginnt und wie sind die Aussichten, dass sie rechnen lernt? © BVL, www.bvl-legasthenie.de 1 [email protected] nur zum privaten Gebrauch für Mitglieder, Vervielfältigung untersagt 1. Ich bin nicht sicher, ob mein Kind eine Dyskalkulie hat. Was soll ich tun? Beraten Sie sich zunächst mit dem Mathematiklehrer und besprechen Sie die Problematik. Ebenso können Sie sich an die Ansprechpartner in unseren Landesverbänden wenden. 2. Ich habe beim Jugendamt angerufen. Dort kann man mir keine Anlaufstellen für eine Testung nennen. An wen kann ich mich wenden? Sprechen Sie die Problematik mit dem Kinderarzt durch. Lassen Sie sich eine Überweisung zu einem Facharzt für Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie, psychotherapie geben, der eine detaillierte Diagnostik nach ICD-10 durchführen kann. 3. Ich habe einen Termin mit der Mathematiklehrerin meiner Tochter ausgemacht. Sie ist im dritten Schuljahr und hat große Probleme beim Rechnen. Die Lehrerin meinte, es würde sich auswachsen und ich solle abwarten. Wie lange soll ich nun noch warten? Es sollte so schnell wie möglich eine Diagnostik erfolgen. Man kann davon ausgehen, dass das Kind die Dyskalkulie schon zu Beginn des ersten Schuljahres hatte. Je länger abgewartet wird, um so mehr verstärkt sich die Störung. 4. Meine Tochter ist im dritten Schuljahr und zählt nachhaltig mit den Fingern. Ist dies ein Symptom für eine Dyskalkulie? Ein zählendes Kind ist in den allermeisten Fällen ein rechenschwaches Kind. Ende des zweiten Schuljahres haben Kinder die Möglichkeit, andere Lösungsstrategien anzuwenden. Wenn nur die Zählstrategie für eine Lösung zur Verfügung steht, kann davon ausgegangen werden, dass das Kind die Mathematik grundsätzlich nicht verstanden hat. 5. Meine Tochter zeigt ein merkwürdiges Verhalten, wenn sie eine Aufgabe ausrechnen soll. Sie schließt die Augen und bewegt den Kopf dabei. Ist das ein Hinweis auf eine Rechenschwäche? Es kann davon ausgegangen werden, dass das Kind sog. „Luftfinger“ benutzt. Es schließt die Augen und zählt das Ergebnis ab. Jedes Mal, wenn eine Zahl hinzugefügt oder abgezogen wird, bewegt das Kind den Kopf. Hier handelt es sich um ein Abzählen und nicht um ein Errechnen des Ergebnisses. 6. Ich habe einen Termin mit der Mathematik-Lehrerin gehabt. Sie ist der Meinung, dass bei meiner Tochter eine Dyskalkulie vorliegt. Was muss ich jetzt tun? Lassen Sie eine detaillierte Diagnostik vornehmen. Sie können drei wohnortnahe, neutrale Gutachter beim Jugendamt Ihrer Stadt erfragen. Ebenso besteht die Möglichkeit, (mit einer Überweisung vom Kinderarzt) eine Diagnostik bei einem Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie durchführen zu lassen. Wenn ein Bericht (ein Gutachten) vorliegt, sollte dieses mit der Lehrerin besprochen werden, damit kooperativ die weitere Vorgehensweise besprochen werden kann. © BVL, www.bvl-legasthenie.de 2 [email protected] nur zum privaten Gebrauch für Mitglieder, Vervielfältigung untersagt 7. Das tägliche Üben ist quälend und völlig sinnlos. Außerdem fällt mir auf, dass mein Sohn, das, was er gestern noch konnte, morgen vergessen hat. Üben vermittelt weder die grundlegenden Kenntnisse in Mathematik noch verbessert es die ohnehin schon angespannte häusliche Situation. Das Kind hat unverstandenen Stoff auswendig gelernt. Üben kann man nur, wenn man etwas verstanden hat. 8. Ich habe ein Gutachten erstellen lassen und möchte nun einen Antrag auf Kostenübernahme einer außerschulischen Dyskalkulie-Therapie beim Jugendamt stellen. Wie muss ich vorgehen? Es wäre vorteilhaft, wenn Sie dem Gutachten bei der Antragstellung eine Bescheinigung der Schule beifügen würden. In der Bescheinigung sollten die Fördermaßnahmen beschrieben werden, die die Schule bisher durchgeführt hat. Ebenso muss ersichtlich sein, dass die schulische Förderung nicht ausreicht, um dem Kind die grundlegenden Fähigkeiten und Fertigkeiten, die zu einem erfolgreichen Weiterlernen im Fach Mathematik notwendig sind, zu vermitteln. Die Schule sollte eine außerschulische Förderung empfehlen. 9. Wie erkenne ich, ob ein Förderinstitut seriös ist und ob mein Kind dort rechnen lernt? Außerschulische Dyskalkulie-Therapie müssen strenge Qualitäts-Kriterien erfüllen, denn für die rechenschwachen Kinder ist es bereits „5 vor 12“. Die Therapeuten sollten ein Hochschulstudium haben (Mathematik, Pädagogik, Psychologie) und Erfahrung als Dyskalkulietherapeuten vorweisen können. Ebenso sollten Sie die Laufzeit der Verträge erfragen; ebenso, ob und in wie weit Eltern mit einbezogen und informiert werden. 10. Wie geht es weiter, wenn meine Tochter eine Dyskalkulie-Therapie beginnt und wie sind die Aussichten, dass sie rechnen lernt? Die Therapeuten der Institute, die sich ausschließlich mit der Diagnostik und Therapie der Dyskalkulie beschäftigen, werden Kontakt zur Schule aufnehmen und mit dieser im Gespräch bleiben. Es ist wichtig, dass hier eine enge Kooperation – zum Wohle des Kindes – stattfindet. Es besteht die Möglichkeit, dass das Kind vom Therapeuten Arbeitsblätter bekommt, die es in der Schule lösen kann. So findet keine Isolation oder Ausgrenzung statt und das Kind bekommt mehr und mehr das Gefühl, „mithalten“ zu können. Die Prognose – bei qualifizierter therapeutischer Intervention – das Rechnen zu erlernen, ist gut, aber nur dann, wenn förderdiagnostisch - bei der tatsächlichen Lernausgangslage des Kindes beginnend - gearbeitet wird und eine individuelle (speziell auf das einzelne Kind abgestimmte) Therapie erfolgt. © BVL, www.bvl-legasthenie.de 3 [email protected] nur zum privaten Gebrauch für Mitglieder, Vervielfältigung untersagt
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